UNIDROIT und UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Herbert Kronke]]''
von ''[[Jan Kleinheisterkamp]]''
== 1. Geschichte, Aufgaben, Mitgliedstaaten ==
== 1. Konzeption ==
Das Internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts, besser bekannt als UNIDROIT, der Kurzform des französischen Namens ''Institut International pour l’Unification du Droit Privé'', wurde im Jahre 1926 als eine von sechs Spezialorganisationen des Völkerbundes ''(bureaux)'' gegründet. Die Initiative ging auf ''Vittorio Scialoja'', Professor für römisches Recht und Senator, zurück. Bereits das Gründungsstatut von 1926 (wie das geltende i.d.F. von 1993) umschreibt die Aufgabe der Organisation als „Harmonisierung und Koordinierung des Privatrechts der Staaten und Staatengruppen mit dem Ziel der schrittweisen Vereinheitlichung des Privatrechts“. Der Rat des Völkerbundes ernannte den Direktionsrat des Instituts, während Italien die um einen bedeutenden Bibliotheksanbau erweiterte historische ''Villa Aldobrandini'' sowie die Mittel für den laufenden Haushalt bereitstellte. Mit der offiziellen Einweihung in Anwesenheit von ''König'' ''Viktor Emmanuel III'' und seines Ministerpräsidenten ''Benito Mussolini'' und der ersten Sitzung des Direktionsrates nahm das Institut am 30.5.1928 seine Arbeit auf. ''Ernst Rabel'', unter dessen Leitung ebenfalls im Jahre 1926 das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Berlin (heute Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg) errichtet worden war, war Mitglied des ersten Direktionsrats. Er wirkte auf eine Konzentration der Kräfte auf die Arbeiten zur Vereinheitlichung des Rechts des Warenkaufs hin ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)]]). Im Übrigen standen das Wechsel- und das Scheckrecht (kulminierend in den Genfer Übereinkommen von 1930 und 1931, die Schiedsgerichtsbarkeit ([[Schiedsrecht, staatliches]]; [[Schiedsverfahren, internationales]]) und die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen ([[Unterhalt]]) auf der Tagesordnung. Auf dem Höhepunkt der Arbeiten am Kaufrecht verließen Italien und Deutschland den Völkerbund. Die erzwungene Emigration ''Ernst Rabels'' sowie der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs setzten ihnen ein vorläufiges Ende.
Die unter der Schirmherrschaft von [[UNIDROIT]] geschaffenen ''Principles of International Commercial Contracts'' (UNIDROIT PICC) sind die Früchte des bisher erfolgreichsten Projekts, Regeln über das Recht der internationalen Handelsverträge zu erarbeiten. Das Projekt sieht sich in der Tradition der ''[[Lex Mercatoria|lex mercatoria]]'' und verfolgt den Ansatz der US-amerikanischen ''[[Restatements]]'' auf globaler Ebene. Seine Ursprünge können bis auf ''Ernst Rabels'' Arbeiten zum [[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)| internationalen Warenkauf (Einheitsrecht)]] zurückverfolgt werden. Nach den Haager Übereinkommen von 1964 zur Einführung einheitlicher Kaufgesetze, an deren Ausarbeitung UNIDROIT bereits maßgeblich beteiligt war, propagierte UNIDROIT 1968 die Idee eines über das Kaufrecht hinausgehenden, unverbindlichen Codex, der die aus den Rechten verschiedener Länder extrahierten gemeinsamen Vertragsrechtsprinzipien widerspiegelt und der eine Art [[Allgemeiner Teil]] eines ''Uniform International Commercial Code'' darstellen könnte.


UNIDROIT fand seine neue verfassungsmäßige Grundlage als unabhängige intergouvernementale Organisation in einem multilateralen Vertrag, dem Statut von 1940, welches noch im selben Jahr für 23 Mitgliedstaaten in Kraft trat. Dass freilich substantielle Arbeit geleistet wurde und die neue Organisation zunächst mehr als eine formale Hülse war, ist nicht belegt.
Die Arbeiten begannen 1970 unter der Führung von ''René David'' (Frankreich), ''Clive M. Schmitthoff'' (England) und ''Tudor Popescu'' (Rumänien). 1978 legte dieser Ausschuss Entwürfe zu einheitlichen Regeln über den Vertragsschluss (basierend auf dem Haager Einheitsrecht) und über Vertragsauslegung vor, die teilweise ihren Weg in das Wiener Kaufrechtsübereinkommen von 1980 (CISG) von [[UNCITRAL]] gefunden haben. Aus dem kleinen Ausschuss wurde 1980 eine wesentlich umfangreichere Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz seines vormaligen Sekretärs, ''Michael Joachim Bonell''. Diese Arbeitsgruppe erarbeitete in 14 Jahren ein Regelwerk, welches das Vertragsrecht von Beginn der Verhandlungen bis hin zur Nichterfüllung umspannt. Die erste Fassung der UNIDROIT PICC mit 119 Artikeln und dazu gehörigen Erklärungen wurde Anfang 1994 fertiggestellt und von UNIDROIT veröffentlicht. Nachdem die erste Fassung der UNIDROIT PICC durchweg positive Kritiken erhalten hatte, wurde 1997 eine neue Arbeitsgruppe zu ihrer Erweiterung eingesetzt, welche die zweite Fassung 2004 vorlegte. Die existierenden Grundregeln wurden inhaltlich praktisch nicht geändert. Vielmehr wurden in erster Linie neue Abschnitte hinzugefügt.


Während bis in die 1960er Jahre die europäischen Mitgliedstaaten sowohl zahlenmäßig als auch unter dem Gesichtspunkt der aktiven Mitarbeit dominierten (lediglich Japan und einige lateinamerikanische Staaten repräsentierten außereuropäische Weltregionen von Anbeginn), ist die Organisation heute mit 63 Mitgliedstaaten in allen Regionen der Welt tatsächlich eine globale. Die beiden jüngst (2008) beigetretenen, Saudi Arabien und Indonesien, sind besonders signifikante Beispiele für die weltweit zunehmende Attraktivität der Teilnahme an gemeinsamen Bemühungen um Rechtsreform.
Erwähnenswert ist, dass die UNIDROIT PICC nicht nur in Wechselwirkung mit dem CISG, sondern vor allem auch mit den ''[[Principles of European Contract Law]]'' (PECL) entstanden sind. Etliche Mitglieder der UNIDROIT PICC Arbeitsgruppe waren auch Mitglieder der PECL Kommission, nämlich ''Bonell'', ''Ole Lando'', ''Ulrich'' ''Drobnig'', ''Arthur'' ''Hartkamp'', ''Denis'' ''Tallon'' und nunmehr auch ''Reinhard Zimmermann''. Die deutsche Übersetzung der Fassung von 2004 erfolgte unter der Leitung von ''Zimmermann'' auch mit dem Ziel, sprachlich soweit wie möglich Einklang zwischen den beiden Regelwerken zu gewährleisten.


Eine Erwähnung verdienende Besonderheit ist, dass erstmals im Jahre 1988 im Rahmen von UNIDROIT erarbeitete internationale Instrumente auch den Namen der Organisation in ihrer Bezeichnung führen (UNIDROIT Übereinkommen über internationales ''Factoring''<nowiki> [</nowiki>''[[Factoring]]''<nowiki>]</nowiki> und UNIDROIT Übereinkommen über internationales ''Leasing''<nowiki>  [</nowiki>''[[Leasing]]''<nowiki>] </nowiki>, Ottawa 1988). Zuvor war das Selbstverständnis eher das eines wissenschaftlichen Forums, in dessen Rahmen Übereinkommen konzipiert und durch Expertenhand ausgearbeitet wurden, um sie sodann zum Zwecke der Verabschiedung an andere Organisationen (z.B. UNO und deren Unterorganisationen, [[Europarat (Institutionelle Aspekte)|Europarat]], [[Haager Konferenz für IPR]]) abzugeben. Hervorragende Beispiele für diese intellektuelle Zuarbeiterrolle sind das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen [[Straßengüterverkehr]] (CMR) von 1956 sowie die beiden Haager Kaufrechtsübereinkommen von 1964 ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)]]).
== 2. Methode ==
Hinsichtlich der Arbeitsmethode zur Erarbeitung der international einheitlichen Regeln war von Anfang an klar, dass als Ausgangspunkt rechtsvergleichende Studien verschiedener nationaler Rechtsordnungen ([[Rechtsvergleichung]]), einschließlich ihrer Gesetzgebung, Rechtsprechung und wissenschaftlichen Literatur, dienen würden. Sofern übereinstimmende nationale Lösungen für spezifische vertragsrechtliche Problematiken gefunden werden können, erlaubt dies die Formulierung allgemeiner Regeln, die den gemeinsamen Kerngehalt (''common core'') des internationalen Vertragsrechts widerspiegeln. Insoweit stellen die UNIDROIT PICC ähnlich wie die US-amerikanischen ''[[Restatements]]'' keine (primäre) Rechtsquelle dar, sondern eine (sekundäre) Rechtserkenntnisquelle, die den Zugriff auf die darin widergespiegelten international anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze des Vertragsrechts in systematischer Form erlaubt.


== 2. Rechtlicher Status, Sprachen ==
<nowiki>Eine solche Übereinstimmung ist jedoch nicht immer zu finden. Dementsprechend beabsichtigen die UNIDROIT PICC in erster Linie, „ein brauchbares Regelwerk zur Verfügung zu stellen für Rechtsverhältnisse, die per Definition grenzüberschreitend sind, während herkömmliche nationale Gesetze im Wesentlichen auf den Bedürfnissen normaler inländischen Rechtsverhältnisse begründet sind; ... [folglich] sollte das Regelwerk nicht in erster Linie versuchen, letztere miteinander in Einklang zu bringen, sondern die Grundsätze und Lösungen niederlegen, die den besonderen Bedürfnisse des internationalen Handels am besten gerecht werden.“ So formulieren viele ihrer Regeln nicht bereits anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze, sondern stellen lediglich Vorschläge dafür dar, was von nun an die beste Regelung für ein spezifisches Problem sein und durch </nowiki>den Gebrauch in der Praxis zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz erstarken könnte.
UNIDROIT ist eine unabhängige intergouvernementale Organisation, basierend auf dem Statut i.d.F. von 1993. Danach „genießt das Institut im Gebiet aller Mitgliedstaaten die Rechtsfähigkeit, welche zur Ausübung seiner Funktionen und zur Erfüllung seiner Zwecke erforderlich ist. Vorrechte und Immunitäten des Instituts und seiner Beamten und Vertreter regeln mit den Mitgliedstaaten abzuschließende Vereinbarungen.“ Von zentraler Bedeutung ist das Sitzstaatabkommen mit der Italienischen Republik von 1966 i.d.F. einer Reihe von Ergänzungsvereinbarungen, zuletzt von 1995. Gerichtsbarkeit über interne Streitigkeiten, namentlich in Angelegenheiten des Dienstrechts, hat das UNIDROIT-Verwaltungsgericht, dessen Richter von der Generalversammlung gewählt werden.


Mit den Vereinten Nationen (UNO) besteht ein Kooperationsabkommen. Ebenso mit einer Reihe anderer internationaler und regionaler Organisationen.
Der offizielle Kommentar zu den UNIDROIT PICC keinerlei Bezüge auf die zur Erarbeitung herangezogenen nationalen Rechtsordnungen wegen der Befürchtung, dies könne ihre nach Art. 1.6(1) gebotene autonome einheitliche Auslegung untergraben. Lediglich dort, wo Regeln dem CISG entnommen wurden, wurde dies angegeben. Dadurch ist häufig nicht klar, ob einzelne Regeln international anerkannte Rechtsgrundsätze widerspiegeln oder ob sie neue Lösungen anbieten. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsvergleichung ein unabdingbares Werkzeug für die praktische Anwendung der UNIDROIT PICC, zumal die bisher auf http://www.unilex.info (zuletzt abgerufen am 29.4.2009) publizierten Entscheidungen, die sich mit den UNIDROIT PICC beschäftigen, quantitativ (und teilweise auch qualitativ) noch sehr spärlich sind. Es ist Aufgabe der Wissenschaft, die (noch) relativ blutleeren UNIDROIT PICC durch Vergleich und Gegenüberstellungen mit den Lösungen der nationalen Vertragsrechte und der internationalen Instrumente mit Leben zu füllen, sie verständlicher, zugänglicher und damit für die Praxis nutzbarer zu machen. Nur durch Kritik und Klarstellung ihrer Lösungen kann ihnen zu der Überzeugungskraft und Legitimität verholfen werden, auf die sie mangels staatlichen Rechtsanwendungsbefehls angewiesen sind.


Gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Statuts sind die Amtssprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch, eine Auswahl, die auf die Rolle deutscher, italienischer und spanischsprachiger Wissenschaftler in den ersten Jahrzehnten der Institutsgeschichte hindeutet. Die Arbeitssprachen sind heute ausschließlich Englisch und Französisch. Bestimmte Instrumente liegen indes auch in den übrigen Amtssprachen sowie einer Vielzahl anderer Sprachen vor.
== 3. Anwendbarkeit und Bedeutung ==
In welcher Form die UNIDROIT PICC in einem spezifischen Fall zur praktischen Anwendung kommen können, hängt von der jeweiligen ''lex fori'' des mit der Frage ihrer Anwendbarkeit befassten Gerichts ab. Dabei ist der Anwendungswille der UNIDROIT PICC, wie er in ihrer Präambel zum Ausdruck kommt, als solcher rechtlich irrelevant.


== 3. Organisationsstruktur ==
=== a) Wahl der UNIDROIT PICC als anwendbares Recht ===
Das Statut sieht drei Organe vor: die Generalversammlung, den von ihr gewählten Direktionsrat und das Sekretariat.
Die Anwendung der UNIDROIT PICC auf eine Streitigkeit ist unproblematisch, soweit ihre Wahl lediglich eine materiellrechtliche ist, d.h. dass sie durch Verweisung als vorformulierte Klauseln in den Vertrag übernommen werden (wie z.B. auch die [[Incoterms]]) und dementsprechend dem [[Zwingendes Recht|zwingenden Recht]] der anwendbaren Rechtsordnung unterworfen sind. Ihre Anwendbarkeit im Wege einer echten kollisionsrechtlichen [[Rechtswahl]] ist dagegen problematischer, zumindest vor staatlichen Gerichten. Abgesehen vom [[Internationales Privatrecht|IPR]] des US-amerikanischen Bundesstaates Oregon erlaubt nämlich noch keine Rechtsordnung die Wahl nichtstaatlichen Rechts zur Anwendung vor staatlichen Gerichten. Ein ursprünglicher Vorschlag der europäischen Kommission für die 2008 in Kraft getretene Rom&nbsp;I-VO (VO&nbsp;593/2008) sah vor, „Parteien ... als anzuwendendes Recht auch auf internationaler oder Gemeinschaftsebene anerkannte Grundsätze und Regeln des materiellen Vertragsrechts wählen<nowiki> [zu lassen]“. Dies scheiterte jedoch am Widerstand der Mitgliedstaaten, u.a. wegen der Schwierigkeiten, Kriterien für die Anerkennung solcher Regelwerke im Allgemeinen aufzustellen, und wegen Befürchtungen, staatliches zwingendes Rechts zu untergraben.</nowiki>


Die Generalversammlung als oberstes Organ des Instituts setzt sich zusammen aus den Vertretern aller (derzeit 63) Mitgliedstaaten; sie werden vertreten durch ihren Botschafter in Italien oder einen von diesem delegierten Diplomaten. Präsident ist der Botschafter eines Mitgliedstaates aus einer nach dem Rotationssystem jährlich wechselnden Weltregion. Die Zuständigkeit ist eine allgemeine, doch sind die wichtigsten Kompetenzen die Verabschiedung des Haushalts, des jeweils dreijährigen Arbeitsprogramms sowie die alljährliche Anpassung und Billigung des in einer Wechselbeziehung zu beiden stehenden Strategischen Plans wie schließlich – und von herausragender Bedeutung – die alle fünf Jahre erfolgende Wahl der Mitglieder des Direktionsrats. Die Generalversammlung beschließt zudem die internen Verwaltungsvorschriften über Haushalts- und Finanzangelegenheiten, Personalstruktur und Dienstrecht. Ein Finanzausschuss, zuständig für die Budgetplanung, sowie ''ad hoc'' – z.B. zur Beratung von Novellierungen der Verwaltungsvorschriften – eingesetzte Ausschüsse arbeiten der Generalversammlung zu. Diese tritt einmal jährlich in ordentlicher Sitzung zusammen. Sie kann ferner zu außerordentlichen Sitzungen einberufen werden, wie etwa im November 2008, als sie in gemeinsamer Sitzung mit einem Regierungsexpertenausschuss (s.unten&nbsp;5.) das Modellgesetz zum ''[[Leasing]]'' verabschiedete.
Zumindest die europäischen Rechtsordnungen gestatten es jedoch den Parteien, ihre Streitigkeit im [[Schiedsverfahren, internationales|Schiedsverfahren]] beilegen zu lassen und somit wegen des Verbots der ''révision au fond'' staatlichen Gerichten weitgehend zu entziehen ([[Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche]]). Im Rahmen des Schiedsverfahrens ist es den Parteien möglich, nicht nur staatliches Recht, sondern auch nichtstaatliche Regelwerke als anwendbares Recht zu wählen, was bereits als Erst-Recht-Schluss aus der Möglichkeit folgt, den Schiedsrichtern zu erlauben, nach Billigkeit (''ex aequo et bono'') zu entscheiden. Im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit ist somit eine kollisionsrechtliche Wahl der UNIDROIT PICC als anwendbares Recht möglich.


Der Direktionsrat ist das eigentümlichste, UNIDROIT von anderen intergouvernementalen Organisationen unterscheidende Organ. Seiner Zusammensetzung, seinen Aufgaben und seiner Arbeitsweise verdankt die Organisation ihre historische Bezeichnung „Gelehrtenrepublik“. 25 auf fünf Jahre gewählte Mitglieder sowie ein ehrenamtlicher, von der italienischen Regierung ernannter Präsident formulieren die strategischen Ziele, beraten und unterbreiten der Generalversammlung Vorschläge für das Arbeitsprogramm, nehmen Weichenstellungen in der Entwicklung der einzelnen Arbeitsvorhaben vor und treffen die wesentlichen personalpolitischen Entscheidungen auf der Ebene des Sekretariats. Zum vom Sekretariat vorgelegten Haushaltsentwurf gibt der Rat eine Empfehlung ab. Typischerweise sind die Mitglieder bedeutende Rechtswissenschaftler oder hochrangige Richter oder Ministerialbeamte bzw. Diplomaten. Jede Regierung folgt bei der Aufstellung ihres Kandidaten ihren jeweils eigenen Traditionen, wobei in jüngerer Vergangenheit eine Tendenz zu stärkerer Präsenz der Regierungen selbst feststellbar ist. Nach ihrem Selbstverständnis übten Ratsmitglieder, wenngleich als Kandidaten von ihrer Regierung aufgestellt, ihr Amt nicht als deren Vertreter, sondern in ihrer persönlichen Eigenschaft als Experten der Materie und weisungsunabhängig aus. Solange das betreffende Ratsmitglied – wie überkommenerweise im Fall der kontinentaleuropäischen Staaten, Chinas, Japans oder Australiens – an verantwortlicher Stelle tätiger Regierungsbeamter war, war der Unterschied nur ein scheinbarer. Handelte es sich indessen um eine auf ihre richterliche oder wissenschaftliche Unabhängigkeit Wert legende Persönlichkeit, verringerte dieses die Effektivität der Kommunikation zwischen Mitgliedstaat und Organisation. Die oben erwähnte Tendenzwende bei der Auswahl von Kandidaten dürfte unter anderem eine Reaktion darauf sein. Der Preis erhöhter Effektivität besteht unter Umständen in reduzierter Originalität und Wissenschaftlichkeit inhaltlicher und programmatischer Diskussion im Rahmen des Direktionsrates.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Wahl der UNIDROIT PICC nicht zur Umgehung staatlicher [[Eingriffsnormen]] mit legitimem Anwendungswillen benutzt werden darf (Art.&nbsp;1.4). Ferner sind die UNIDROIT PICC notwendigerweise unvollständig. Dementsprechend bietet die zweite Variante der Modelklausel zur Wahl der UNIDROIT PICC in der Fußnote zur Präambel den Parteien die Möglichkeit, die UNIDROIT PICC durch die Wahl einer bestimmten Rechtsordnung zu ergänzen. Fehlt es an einer solchen subsidiären Rechtswahl muss das Schiedsgericht zur Lückenfüllung gemäß Art.&nbsp;1.6(2) zunächst versuchen, ggf. mit Hilfe der Rechtsvergleichung [[Allgemeine Rechtsgrundsätze|allgemeine Rechtsgrundsätze]] herauszuarbeiten. Ist dies nicht möglich, ist das anwendbare Recht gemäß den Vorschriften zur Lückenfüllung der anwendbaren Schiedsregeln zu bestimmen.


Das Sekretariat ist das Exekutivorgan. Der Generalsekretär wird vom Direktionsrat auf Vorschlag des Präsidenten für eine jeweils fünfjährige Amtszeit gewählt. Der Vorschlag des Präsidenten beruht auf der Entscheidung einer Findungskommission, welche einen mit einer internationalen Ausschreibung beginnenden Auswahlprozess abschließt. Dem Sekretariat gehören ein oder zwei Stellvertretende Generalsekretäre, ein Stab von Juristen, welche in den unterschiedlichsten Ländern und Rechtskreisen ihre Ausbildung empfangen haben, sowie schließlich qualifiziertes Bibliotheks- und Sekretariatspersonal an. Im Jahre 2008 waren 12&nbsp;Nationalitäten im Sekretariat vertreten. Der Generalsekretär ist zugleich Sekretär der Generalversammlung, des Direktionsrates sowie aller von UNIDROIT einberufener Diplomatischer Konferenzen. Zu den Aufgaben des Sekretariats gehören: (1)&nbsp;die Organisation sämtlicher legislatorischer und diese vorbereitende Arbeiten: Entgegennahme und Prüfung von Vorschlägen, die seitens der Mitgliedstaatenregierungen, der Wirtschaft und der Wissenschaft angeregt werden, einschließlich Bedarfsanalysen, Machbarkeitsstudien, Gutachten als Entscheidungshilfen für den Direktionsrat und die Generalversammlung usw.; (2)&nbsp;Zusammenstellung von Arbeitsgruppen, insbesondere Auswahl geeigneter Mitglieder, Vor- und Nachbereitung von deren Sitzungen, Unterstützung des Vorsitzenden; (3)&nbsp;Organisation von Sitzungen der Regierungsexpertenkommissionen, einschließlich der Erstellung vorbereitender Entwürfe, Erläuterungsberichte usw., der Protokollführung und der Erstellung von Sitzungsberichten; (4)&nbsp;Vorbereitung und Organisation der Durchführung zur Verabschiedung internationaler Übereinkommen einberufener Diplomatischer Konferenzen; (5)&nbsp;Promotion fertiggestellter Instrumente und Hilfestellung bei deren Implementierung. Das Sekretariat ist ferner für die Durchführung der nichtlegislatorischen Aktivitäten verantwortlich. Die – neben den Arbeitsvorhaben – ressourcenintensivste Tätigkeit ist die Pflege der Beziehungen zu den Regierungen der Mitgliedstaaten, von Staaten, welche für einen Beitritt interessiert werden können, sowie zu anderen intergouvernementalen und nicht-gouvernementalen Organisationen. Eine enge Kooperation und Koordination der Arbeiten mit den unmittelbar „verwandten“ Organisationen [[Haager Konferenz für IPR]] und [[UNCITRAL]] und dort durchgeführten Vorhaben genießt höchste Priorität. Das Sekretariat vertritt UNIDROIT bei den Sitzungen der beiden genannten sowie bei allen anderen internationalen und regionalen Organisationen, bei denen für die eigene Arbeit relevante Projekte durchgeführt werden, mit Beobachterstatus.
=== b) Anwendung der UNIDROIT PICC mangels ausdrücklicher Wahl ===
Die Präambel der UNIDROIT PICC ermutigt Schiedsrichter ferner, die UNIDROIT PICC anzuwenden, wenn die Parteien die Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze, der ''lex mercatoria'' oder ähnliches gewählt haben. Der implizite Anspruch, die UNIDROIT PICC würden durchweg allgemeine Rechtsgrundsätze oder gar die ''lex mercatoria'' selbst widerspiegeln, ist theoretisch eher zweifelhaft. Jedoch mag sich der Anspruch langfristig bewahrheiten in dem Maße, in dem sie dank ihrer überwiegend überzeugenden Lösungen und der damit einhergehenden relativen Rechtssicherheit in der Praxis an Akzeptanz gewinnen.


== 4. Organisation der Mitarbeit seitens der Mitgliedstaaten ==
Darüber hinaus lädt die Präambel der UNIDROIT PICC dazu ein, sie auf Fälle anzuwenden, in denen die Parteien schlichtweg keine Rechtswahl getroffen haben. Die meisten Schiedsgesetze erlauben den Parteien, die Bestimmung des anwendbaren Rechts dem Schiedsgericht zu überlassen ([[Schiedsrecht, staatliches]]). Dementsprechend sind Schiedsgerichte nach den meisten institutionellen Schiedsregeln und nach einigen nationalen Gesetzen ermächtigt, nicht nur Rechtsordnungen („law“) sondern auch Rechtsregeln („rules of law“) für die Parteien zu wählen. Zwar kann nicht vermutet werden, die Parteien hätten durch ihr Schweigen zum anwendbaren Recht jegliches staatliches Recht abwählen wollen, da das Schweigen ebenso als Abwahl nichtstaatlichen Rechts gedeutet werden könnte. Jedoch kann ein Schiedsgericht, je nach den Umständen des Falles, durchaus zum Ergebnis kommen, dass z.B. gescheiterte Rechtswahlverhandlungen ein Hinweis dafür sind, dass die Wahl eines staatlichen Rechts eine der Parteien unberechtigt bevorzugen und dass das neutrale Regelwerk der UNIDROIT PICC der fehlenden Einigung der Parteien gerechter würde.
Während die Botschaften bzw. Handelsmissionen der Mitgliedstaaten in Italien örtliche Schaltstelle etwa für die kontinuierliche Mitarbeit im Finanzausschuss und der Generalversammlung sind, findet sich in den Regierungszentralen ein breites Spektrum von Organisationsmodellen für die inhaltliche Mitarbeit. Das für UNIDROIT prinzipiell zuständige Ministerium ist das Außenministerium (so etwa in der Mehrzahl der lateinamerikanischen Mitgliedstaaten, einigen europäischen Staaten, darunter Griechenland und Italien, sowie in Indien, Südafrika und den Vereinigten Staaten), das Justizministerium bzw. der ''Attorney General ''(Beispiele sind Australien, die Mehrzahl der kontinentaleuropäischen Staaten, Japan, Kanada oder Nigeria) oder das Handels-, Industrie- oder ein sonstiges für Handels- und Wirtschaftsrecht zuständiges Ministerium (so in China, Polen, der Russischen Föderation und dem Vereinigten Königreich). Ausschlaggebend ist insoweit offenbar, ob das Justizministerium, wie in Deutschland, eine umfassende Gesetzgebungszuständigkeit hat oder, wie z.B. in Italien, im Wesentlichen auf die Rechtspflege im engeren Sinne und den Strafvollzug fokussiert zuständig ist.


Üblicherweise ist es das genannte, erstzuständige Ministerium, welches für die jeweilige Regierung die interne Koordination, einschließlich jener mit der Wirtschaft und ihren Verbänden durchführt. Insoweit schlagen sich fundamentale unterschiedliche Ansätze und Prioritätensetzungen allerorten spürbar nieder. Die effektivste Mitarbeit leisten und den größten Einfluss auf die Ergebnisse nehmen erfahrungsgemäß solche Staaten, die zum einen ihre Politiken und Standpunkte für ''sämtliche'' privat- und wirtschaftsrechtlich relevanten Aktivitäten in ''sämtlichen'' Organisationen (von UNIDROIT und seinen „Schwestern“ bis zur Weltbank und regionalen Entwicklungsbanken, dem Weltwährungsfonds, der OECD sowie den regionalen Organisationen der wirtschaftlichen Integration) an einer Stelle konzentriert formulieren und zum zweiten für eine kontinuierliche Präsenz auch der Interessen des privaten Sektors in den internen Vorbereitungen und sodann den Verhandlungsdelegationen sorgen.
=== c) Auslegung und Ergänzung nationalen und internationalen Rechts ===
Unter den wenigen veröffentlichten Schiedssprüchen sind diejenigen, die ausdrücklich auf den UNIDROIT PICC beruhen, noch relativ rar. Doch haben die UNIDROIT PICC in der Praxis bereits eine beachtliche Bedeutung für die Auslegung und Ergänzung sowohl internationaler Instrumente, insbesondere des CISG, als auch nationalen Rechts, soweit es auf internationale Verträge anzuwenden ist. Staatliche Gerichte haben sich gelegentlich in eklektischer Weise der UNIDROIT PICC bedient, um Fortbildungen in ihrem eigenem Recht zu rechtfertigen und zu untermauern. Schiedsgerichte wenden sich gern den UNIDROIT PICC zu, um sich einen ersten Überblick über ihnen unbekannte Rechtsordnungen zu verschaffen oder um die nach solchen Rechtsordnungen gefunden Ergebnisse mit Verweis auf international anerkannte Prinzipien zu flankieren. Allerdings birgt die Attraktivität der UNIDROIT PICC leider auch die Gefahr, sie bewusst oder unbewusst zu missbrauchen, um einen tieferen Einstieg in das anwendbare Recht oder gar seine eigentlichen Lösungen zu vermeiden, wie vereinzelte Schiedssprüche und Gerichtsurteile zeigen.


== 5. Arbeitsweise ==
=== d) Der Modellcharakter der UNIDROIT PICC ===
Die Organisation der Arbeitsprozesse ist dank der äußerst geringen Regelungsdichte einer unabhängigen Organisation extrem flexibel. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen praktizierten Ansätzen folgt aus der Entscheidung, ob ein Vorhaben zur Verabschiedung eines internationalen Übereinkommens, also eines Staatsvertrages (''hard law''), führen soll oder zu einer der Varianten von ''soft law'' wie Modellgesetzen, „Allgemeinen Prinzipien“, Anleitungen für Gesetzgeber oder für die Transaktionspraxis usw.
Schließlich sieht die Präambel der UNIDROIT PICC vor, dass sie als Modell für nationale und internationale Gesetzgeber dienen können. In der Tat wird heute kaum ein Gesetzgeber, der das allgemeine Vertragsrecht novellieren möchte, die UNIDROIT PICC ignorieren können, auch wenn diese nicht die sonst für Modellgesetze übliche Billigung der UNIDROIT Mitgliedstaaten erhalten haben. Während ihr Einfluss auf die deutsche Schuldrechtsreform von 2002 und auf die derzeitigen französischen Reformbemühungen nur in geringem Maße sichtbar ist, zeigt sich ein deutlicherer Einfluss auf das niederländische ''[[Burgerlijk Wetboek]]'' und die Reformüberlegungen der schottischen ''Law Commission''. Einen bedeutenden Einfluss haben die UNIDROIT PICC bisher auf die Reform des allgemeinen Teils des spanischen Handelsgesetzbuches, auf die neuen Zivilgesetzgebungen von Litauen (2000) und Estland (2002), zusammen mit dem CISG auf das chinesische Vertragsgesetz von 1999, und in geringerem Maße auch auf das russische und das israelische Zivilgesetzbuch gehabt. Weiterhin bilden die UNIDROIT PICC die Grundlage eines mit der Unterstützung von UNIDROIT erarbeiteten Entwurfs eines einheitlichen Vertragsgesetzes für die Organisation der (16) französischsprachigen afrikanischen Staaten, OHADA, das noch auf seine formelle Annahme wartet.


Vorschläge aus dem Kreise der Regierungen der Mitgliedstaaten, anderer internationaler Organisatoren, der Zentralbanken, der Wirtschaft, der Wissenschaft oder von Mitgliedern des Direktionsrates, welche in das Arbeitsprogramm aufgenommen worden sind, werden, nach vom Sekretariat selbst oder in seinem Auftrag extern durchgeführten Vorarbeiten (Machbarkeitsstudien, rechtsvergleichende Gutachten, Gutachten zu erwartbaren wirtschaftlichen Auswirkungen usw.) zunächst einer ausschließlich aus unabhängigen Sachverständigen (Wissenschaftlern und hervorragenden Praktikern) bestehenden Arbeitsgruppe überwiesen. Neben Exzellenz ist das einzige Kriterium das Bestreben, Expertise aus den wichtigsten Rechtskreisen bzw. den von den Arbeiten potentiell meistbetroffenen oder profitierenden Ländern zu versammeln. Traditionell waren diese Gruppen sehr klein (vier bis sieben Experten), neuerdings und wenn vom Gegenstand (z.B. Kreditsicherungs-, Finanz- und Kapitalmarktrecht) her als förderlich erachtet, werden bis zu 14 Experten zur Mitwirkung eingeladen. Das Ergebnis – z.B. ein Positionspapier, ein erster Abkommenstextentwurf – wird sodann dem Direktionsrat zur Prüfung vorgelegt und, bei positivem Ausgang derselben, an einen Regierungsexpertenausschuss überwiesen. Erst in dieser zweiten Phase werden die Regierungen der Mitgliedstaaten unmittelbar beteiligt. Internationale Organisationen, internationale Wirtschaftsdachverbände und Nichtmitgliedstaaten können als Beobachter eingeladen werden. Auch das Ergebnis dieser Phase – meist ein bereits reifer Abkommensentwurf – zu prüfen und gutzuheißen, obliegt dem Direktionsrat. Billigt er es, wird der Entwurf von einer Diplomatischen Konferenz endgültig beraten und verabschiedet. Gastgeber einer solchen ist ein Mitgliedstaat (von 1988 bis 2008 Kanada, Italien, Südafrika, Luxemburg, Schweiz), zur Teilnahme eingeladen werden alle UN-Mitgliedstaaten und relevante internationale Organisationen. Der von einer solchen Konferenz verabschiedete Text muss dann entsprechend den jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorgaben ratifiziert und innerstaatlich umgesetzt werden.
== 4. Regelungsstrukturen ==
Die 185&nbsp;Artikel der UNIDROIT PICC in der Fassung von 2004 verteilen sich auf zehn Kapitel, die teilweise in Abschnitte unterteilt sind und denen eine Präambel mit sieben Absätzen vorangeht, welche die Anwendbarkeit der UNIDROIT PICC für die oben beschriebenen Situationen propagiert. Die Artikel sind jeweils mit offiziellen Kommentaren versehen, die integraler Bestandteil der UNIDROIT PICC sein sollen, jedoch inhaltlich manchmal über die „black letter rule“ hinausgehen, teilweise um die jeweilige Vorschrift so abstrakt wie möglich zu halten, teilweise als Kompromiss hinsichtlich gewisser Punkte, über die in der Arbeitsgruppe keine Einigung erzielt werden konnte. Die Kommentare enthalten häufig Illustrationen, die zur Klärung der praktischen Anwendung der jeweiligen Vorschrift beitragen sollen, was jedoch nicht immer gelingt.


Seit den 1980er Jahren bedient man sich – vorausgesetzt, der Gegenstand erlaubt oder verlangt dieses – vermehrt der vielen Varianten nicht-verbindlicher Instrumente. Das Flaggschiff auf diesem Feld sind die „UNIDROIT Grundsätze der internationalen Handelsverträge“, besser bekannt unter ihrem englischen Titel [[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT'' Principles of International Commercial Contracts'']] (erste Version 1994; zweite, erweiterte Version 2004; dritte, erneut erweiterte, Version geplant für 2010). Dieses internationale ''[[Restatements|Restatement]]'' wird ohne jede Beteiligung der Regierungen durch eine Gruppe von 17 (2004) bzw. 21 (dritte Version) Experten (Rechtswissenschaftler, eminente Praktiker und Richterpersönlichkeiten unter Beteiligung der wichtigsten Organisationen der Schiedsgerichtsbarkeit) entwickelt. Ein abgeschlossener Entwurf von ''black-letter rules'' und kommentierendem Erläuterungstext wird dem Direktionsrat zur Prüfung und Annahme vorgelegt.
Das erste Kapitel enthält „Allgemeine Bestimmungen“ und stellt, in der Tradition des deutschen BGB und des amerikanischen UCC, einen vor die Klammer gezogenen [[Allgemeiner Teil|Allgemeinen Teil]] dar, der jedoch nicht nur Rechtsvorschriften enthält, sondern auch programmatische Bestimmungen wie die Grundsätze ''pacta sunt servanda'' (Art.&nbsp;1.1) und [[Treu und Glauben]] (Art.&nbsp;1.7). Praktisch relevant sind insbesondere der bereits erwähnte allgemeine Vorrang der Eingriffsnormen (Art.&nbsp;1.4), die Regeln über die Auslegung der einheitlichen Regeln (Art.&nbsp;1.6) und die Regeln über den Zugang von Mitteilungen (Art.&nbsp;1.10).


Die beiden bislang im Rahmen von UNIDROIT erarbeiteten Modellgesetze, das Modellgesetz über Informationspflichten beim ''Franchising'' von 2002 (''[[Franchising]]'') und das Modellgesetz über ''Leasing'' von 2008 (''[[Leasing]]'') wurden in der den Arbeiten im engen Expertenkreis folgenden Phase&nbsp;2 im Rahmen eines Regierungsexpertenausschusses zu Ende beraten und verabschiedet. Im letztgenannten Fall war der Ausschuss zur Verabschiedung in gemeinsamer Sitzung mit der Generalversammlung zusammengetreten, um die politische Bedeutung – vor allem für den intendierten Nutzerkreis, Entwicklungsländer und Transitionsökonomien – zu unterstreichen.
Kapitel&nbsp;2 deckt den [[Vertragsschluss]] (Abschnitt 2.1) einschließlich der [[Stellvertretung (IPR)|Stellvertretung]] (Abschnitt 2.2) ab. Auf dem Gebiet des Vertragsschlusses wird die Schwierigkeit deutlich, allgemein akzeptable Lösungen zu finden, ebenso wie die damit einhergehende Notwendigkeit problematischer Kompromisse, insbesondere zwischen den Lösungen des englischen, amerikanischen, französischen und deutschen Rechts, wie z.B. hinsichtlich der Widerruflichkeit des Angebots (Art.&nbsp;2.1.4) oder der Haftung für treuwidriges Verhandeln (Art.&nbsp;2.1.15). Nicht unproblematisch sind auch einige aus dem amerikanischen Kaufrecht übernommene Vorschriften, die den Abschluss des Vertrages trotz Unklarheit seines Inhalts begünstigen, wie z.B. bei modifizierter Annahme (Art.&nbsp;2.1.11) oder bei offen gelassenen Vertragselementen (Art.&nbsp;2.1.14). Von praktischer Bedeutung sind insbesondere die Regeln über [[Allgemeine Geschäftsbedingungen]], die nur eine Einigungs- aber keine Inhaltskontrolle vorsehen (Art.&nbsp;2.1.20) und für den Fall sich widersprechender AGB deren Geltung auf ihre Kongruenz beschränken (''knock-out'' ''rule'', Art.&nbsp;2.1.22).


Eine Anleitung für ''Master'' ''Franchise''-Vereinbarungen erlaubte eine noch informellere Strukturierung des Arbeitsprozesses. Sie wurde von einer kleinen Arbeitsgruppe formuliert, und der Direktionsrat autorisierte lediglich die Publikation.
In Kapitel&nbsp;3 über die Gültigkeit verweisen die UNIDROIT PICC für die Fragen der Rechts- und [[Geschäftsfähigkeit]] sowie der [[Sitten- und Gesetzwidrigkeit von Verträgen]] auf das anwendbare staatliche Recht (Art.&nbsp;3.1), stellen jedoch klar, dass ein Mangel an ''cause'' oder ''consideration'', den [[Seriositätsindizien]] des französischen und englischen Rechts, die Gültigkeit des Vertrages nicht beeinträchtigt (Art.&nbsp;3.2 und 3.3). Es folgen teilweise zwingende Regeln über [[Irrtum]], [[Täuschung]], und [[Drohung]], aber auch über die ''[[Laesio enormis|laesio enormis]]'' und die entsprechenden Rechtsbehelfe der [[Vertragsaufhebung]] und des [[Schadensersatz]]es.


Wichtig ist zur Vermeidung von Doppelarbeit und zwecks Ressourcenschonung die Koordination mit anderen intergouvernementalen Organisationen. Im Verhältnis zur Haager Konferenz für IPR und UNCITRAL geschieht dies einerseits durch wechselseitige Präsenz in den Sitzungen der Schwesterorganisationen, andererseits durch jährliche Treffen der Generalsekretäre, die der Information über und der Feinabstimmung betreffend den geplanten Arbeitsfortgang in den verschiedenen Projekten dienen. Zurzeit wird ein gemeinsamer Leitfaden über die dem Kreditsicherungsrecht ([[Mobiliarsicherheiten]]) aller drei Organisationen gewidmeten Instrumente erarbeitet.
In Kapitel&nbsp;4 finden sich einheitliche Regeln über die [[Auslegung von Verträgen]] und Rechtshandlungen der Parteien. Das Bedürfnis nach international einheitlichen Auslegungsregeln zeigt sich darin, dass dies die in der Praxis am häufigsten zitierten Vorschriften der UNIDROIT PICC sind. Trotz kleinerer Unterschiede im Detail zwischen nationalen Auslegungsregeln reflektieren die Vorschriften dieses Kapitels überwiegend international anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze.


Die möglichst zweckrationale Koordinierung mit Arbeiten regionaler Organisationen mit verwandten Aufgaben (z.B. Organisation Amerikanischer Staaten – OAS; ''Organisation pour l’Harmonisation du Droit des Affaires en Afrique – ''OHADA; Gemeinsamer Markt des Südens – MERCOSUR/MERCOSUL; unter Umständen in der Zukunft weitere in Afrika und Asien) wird dann komplex und schwierig, wenn es sich – wie bei der Europäischen Union/Europäischen Gemeinschaft – um eine supranationale Organisation mit ihr von ihren Mitgliedstaaten übertragenen Gesetzgebungskompetenzen handelt. Hier bedarf es vor allem der Einigkeit über die Reichweite der Zuständigkeiten der Organisation und eines klaren Verhandlungsmandats für die Kommission ([[Gesetzgebungskompetenz der EG/‌EU]]). Ferner der Einsicht der Europäer, dem Rest der Welt nicht deswegen Zeitpläne und Inhalte diktieren zu können, weil der Gegenstand etwa im Rahmen des Binnenmarkts größerer Regelungstiefe zugänglich oder bedürftig ist.
Kapitel&nbsp;5 behandelt in einem ersten Abschnitt den allgemeinen Inhalt von Verträgen, wie z.B. die Pflicht zur Zusammenarbeit der Vertragsparteien (Art.&nbsp;5.1.3), die vom französischen Recht übernommene Unterscheidung zwischen ''obligations de résultat'' und ''obligations de moyen'' ([[Werkvertrag]]; [[Dienst(leistungs)vertrag|Dienstleistungsvertrag]]) (Art. 5.1.4), die Bestimmung der geschuldeten Qualität (Art.&nbsp;5.1.6) oder des Preises (Art.&nbsp;5.1.7), das von Art.&nbsp;6:109 PECL übernommene Recht auf Beendigung unbefristeter Verträge (Art.&nbsp;5.1.8) und – systematisch etwas unglücklich – die Möglichkeit des Schulderlasses (Art.&nbsp;5.1.9). Der erst 2004 eingeführte Abschnitt&nbsp;5.2 regelt Verträge zugunsten Dritter.


== 6. Wichtige Instrumente ==
Kapitel&nbsp;6 enthält in einem ersten Abschnitt allgemeine Regeln über den Inhalt der [[Leistungspflicht, Inhalt der|Leistungspflicht]], wie Leistungszeit und ‑ort (Art.&nbsp;6.1.1 und 6.1.6), das Recht, die Annahme von Teilleistungen und einer vorzeitigen Leistung zu verweigern (Art.&nbsp;6.1.3 und 6.1.5), Zahlungsmodalitäten (Art.&nbsp;6.1.8-6.1.12), sowie die Wirkungen öffentlich-rechtlicher Genehmigungserfordernisse (Art.&nbsp;6.1.14-6.1.17). Abschnitt&nbsp;6.2 ist bemerkenswert innovativ, da er –&nbsp;trotz der Ablehnung dieser Rechtsfigur in etlichen Rechtsordnungen&nbsp;– Regeln über „veränderte Umstände (''hardship'')“ anbietet ([[Geschäftsgrundlage]]).
Von den seit den 1920er Jahren durchgeführten über 75 Projekten (''Studies'') können nicht einmal alle in Kraft getretenen genannt werden (vollständige Liste bis 2004 bei ''Lena Peters''). Hervorzuheben sind die CMR (1956 – in Kooperation mit UN/ECE und ICC &#91; [[Internationale Handelskammer]] &#93;); die beiden Haager Kaufrechtsübereinkommen, Vorgänger der CISG (1964); die Übereinkommen über internationales ''Factoring ''und internationales ''Leasing'' (1988); UNIDROIT'' Principles of International Commercial Contracts ''(1994, 2004); Übereinkommen über die Rückgabe gestohlener und illegal exportierter Kulturgüter (1995; [[Kulturgüter]]); ''Guide on International Master Franchise Arrangements'' (1998, 2008); Übereinkommen von Kapstadt über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung ([[Mobiliarsicherheiten]]) mit Protokoll über Rechte an Flugzeugen usw. (2001 – in Kooperation mit [[International Civil Aviation Organization|ICAO]]); Luxemburger Protokoll über Rechte an Eisenbahnrollmaterial (2007 – in Kooperation mit OTIF); ALI/UNIDROIT'' Principles of Transnational Civil Procedure ''(2004; [[Prozessrechtsharmonisierung]]); Entwurf eines Einheitlichen Vertragsgesetzes für die Mitgliedstaaten der OHADA (2004/2007); Entwurf eines Übereinkommens über intermediärverwahrte Wertpapiere (erste Session Diplomatische Konferenz 2008, Abschluss 2009; [[Finanzintermediär]]; [[Märkte für Finanzinstrumente]]; [[Verwahrung (Wertpapiere)]]); Modellgesetz ''Leasing'' (2008).


== 7. Nichtlegislatorische Aktivitäten ==
Das Kapitel&nbsp;7 besteht aus vier Abschnitten über die [[Nichterfüllung]]. Abschnitt&nbsp;7.1 ist der Nichterfüllung im Allgemeinen gewidmet. Neben einer Definition der Nichterfüllung (Art.&nbsp;7.1.1) finden sich hier z.B. das [[Zurückbehaltungsrecht]] des Gläubigers (Art.&nbsp;7.1.3) und das Recht des Schuldners auf [[Nacherfüllung]] (Art.&nbsp;7.1.4) sowie die Beschränkung von Freizeichnungsklauseln (Art.&nbsp;7.1.6) und die Entschuldigung von Nichterfüllung bei höherer Gewalt (Art.&nbsp;7.1.7). Abschnitt&nbsp;7.2 stellt klar, dass der Gläubiger einen [[Erfüllungsanspruch]] hat, der jedoch als Konzession an das ''[[common law]]'', das ''specific performance'' nur als Ausnahme kennt, erheblich eingeschränkt ist (Art.&nbsp;7.2.2). Dafür wird das französische Konzept der ''astreintes'' übernommen, d.h. die Möglichkeit des Gerichts, zur Erzwingung der Erfüllung ein Zwangsgeld anzuordnen (Art.&nbsp;7.2.4). Abschnitt 7.3 gewährt, ähnlich wie das CISG, dem Gläubiger das Recht auf [[Vertragsaufhebung]] nur in Fällen „wesentlicher“ Nichterfüllung (Art. 7.3.1), dann allerdings auch schon, wenn eine solche vor Fälligkeit abzusehen ist (Art.&nbsp;7.3.3). Anderenfalls kann der Vertrag nur nach Ablauf einer gesetzten Nachfrist aufgehoben werden (Art.&nbsp;7.1.5). Die einseitige Vertragsaufhebung führt, ohne das Recht auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu beeinträchtigen (Art.&nbsp;7.3.5), zur [[Rückabwicklung von Verträgen|Rückabwicklung des Vertrages]] (Art.&nbsp;7.3.6). Abschnitt&nbsp;7.4 regelt den [[Schadensersatz]] wegen Nichterfüllung, einschließlich Vorschriften über die Pflicht, [[Zins- und Zinseszins|Zinsen]] im Fall des [[Zahlungsverzug]]es zu zahlen (Art.&nbsp;7.4.9), und über [[Vertragsstrafe]]n, die – in Abweichung vom englischen und französischen Recht – von „der benachteiligten Partei unabhängig von ihrem tatsächlichen Schaden“ verlangt werden können (Art.&nbsp;7.4.13).
Die im Statut selbst als Aufgabe festgeschriebene Bibliothek hat einen Bestand von ca. 300.000 Bänden und repräsentiert trotz permanenter Unterfinanzierung speziell auf dem Gebiet der Rechtsvereinheitlichung nach wie vor Weltniveau. Unter den Publikationen ragt die ''Uniform Law Review/Revue de droit uniforme'' (''New Series'' 1996&nbsp;ff.) heraus. Die dem Institut assoziierte Datenbank UNILEX ist den ''Contract Principles'' und der CISG gewidmet. Eine weitere namens UNILAW mit Schwerpunkt Transportrecht ist im Aufbau begriffen. UNIDROITs Rechtshilfeprogramm ruht auf den Pfeilern Stipendien, die jungen Regierungsbeamten, Wissenschaftlern, Richtern usw. aus Entwicklungsländern und Transitionsökonomien Studienaufenthalte in Rom ermöglichen, und Assistenz im Bereich der Entwicklung und Implementierung von einheitlichem Privat- und Wirtschaftsrecht in solchen Staaten.
 
Neu hinzugekommen sind in der 2.&nbsp;Fassung der UNIDROIT PICC von 2004 Kapitel&nbsp;8 über die [[Aufrechnung]], Kapitel 9 über die [[Abtretung]], [[Schuldübernahme]] und [[Vertragsübernahme]], und Kapitel&nbsp;10 über [[Verjährung]], das maßgeblich von den PECL beeinflusst ist.
 
== 5. Ausblick ==
Mit der formellen Annahme der Fassung von 2004 empfahl der Direktionsrat von UNIDROIT, die Arbeiten an den UNIDROIT PICC zu einem kontinuierlichen Projekt auszubauen. 2005 ist eine neue Arbeitsgruppe unter dem erneuten Vorsitz von ''Bonell'' eingesetzt worden, die sich nun für die dritte Fassung der UNIDROIT PICC mit der Ausarbeitung neuer Kapitel beschäftigt. Gearbeitet wird an einheitlichen Regeln zum bisher von Art.&nbsp;3.1 ausgeklammerten Thema der Rechtswidrigkeit (''Rapporteur'': ''Michael'' ''Furmston''), zu den in der Praxis relevanten Themen der Schuldner- und Gläubigermehrheit (''Rapporteur'': ''Marcel'' ''Fontaine'') und über Bedingungen (''Rapporteur'': ''Benedicte'' ''Fauvarque-Cosson'') – alles Themenbereiche, die von den PECL bereits aufgegriffen wurden – sowie den neuen Themen der Abwicklung gescheiterter Verträge (''Rapporteur'': ''Reinhard'' ''Zimmermann'') und der Beendigung langfristiger Verträge (''Rapporteur'': ''François'' ''Dessemontet'').
 
Dank der zunehmenden wissenschaftlichen Durchdringung der UNIDROIT PICC bestehen berechtigte Hoffnungen, dass diese in den nächsten Jahrzehnten zu einer festen Größe zumindest in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit werden. Sie haben jedenfalls das notwendige Potential, entsprechend den ursprünglichen Hoffnungen ihrer Verfasser als [[Allgemeiner Teil]] des transnationalen Vertragsrechts anerkannt zu werden. Die von UNCITRAL 2007 ausgesprochene allgemeine Empfehlung der UNIDROIT'' ''PICC ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.


== Literatur==
== Literatur==
''Ernst Rabel'', On Institutes of Comparative Law, in Hans Georg Leser (Hg.), Ernst Rabel, Gesammelte Aufsätze III, 1967, 235&nbsp;ff.; ''René David'', The international unification of private law, in: IECL II, Kap.&nbsp;5, 1969; ''Riccardo Monaco'', L’unification du droit dans le cadre d’Unidroit (1926-1986), Uniform Law Review&nbsp;1986, 46&nbsp;ff.; ''Gonzalo Parra-Arranguren'', La importancia del Instituto para la Unificación del Derecho Privado (UNIDROIT) en la futura uniformidad juridica del hemisferio americano, Revista de la Facultad de Ciencias Jurídicas y Políticas, 1992, 34&nbsp;ff.; ''Peter Winship'', Introduction to Harmonization of Private Law, in: Introduction to Transnational Legal Transactions, 1995, 159&nbsp;ff.; ''Walter Rodinò'', Malcolm Evans and UNIDROIT: A Chronology, Uniform Law Review 1998, 249&nbsp;ff.; ''Pierre Widmer'', The International Institute for the Unification of Private Law: Ship-Yard for World-Wide Unification of Private Law, European Journal of Law Reform 1999, 181&nbsp;ff.; ''Walter Rodinò'', UNIDROIT, Digesto, IV&nbsp;Edizione, Discipline Privatistiche – Sezione Civile, Aggiornamento, 2000, 742&nbsp;ff.; ''Herbert Kronke'', Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, Juristenzeitung 2001, 1149&nbsp;ff.; ''Lena Peters'', International Institute for the Unification of Private Law (UNIDROIT), in: Roger Blanpain, Jan Wouters (Hg.), International Encyclopedia of Laws, Intergovernmental Organizations, Bd.&nbsp;2, Suppl.&nbsp;23, 2005; ''Herbert Kronke'', Methodical Freedom and Organizational Constraints in the Development of Transnational Commercial Law, Loyola Law Review 51 (2005) 287&nbsp;ff.; ''Roy Goode'', ''Herbert Kronke'', ''Ewan McKendrick'', Transnational Commercial Law: Text, Cases and Materials, 2007, Kap.&nbsp;5.
''Michael Joachim Bonell'', Das UNIDROIT-Projekt für die Ausarbeitung von Regeln für internationale Handelsverträge, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 56 (1992) 274&nbsp;ff.; ''Ralf Michaels'', Privatautonomie und Privatkodifikation, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 62 (1998) 581&nbsp;ff.;'' Michael Joachim Bonell'', An International Restatement of Contract Law: The UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 3.&nbsp;Aufl. 2005; ''Reinhard Zimmermann'', Die Unidroit-Grundregeln der internationalen Handelsverträge 2004 in vergleichender Perspektive, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 13 (2005) 264&nbsp;ff.;'' Eleanor Cashin Ritaine'','' Eva Lein ''(Hg.), The UNIDROIT Principles 2004, 2007; ''Stefan Vogenauer'', ''Jan Kleinheisterkamp'' (Hg.), Commentary on the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 2009; ''Ralf Michaels'', Umdenken für die UNIDROIT-Prinzipien, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 73 (2009) 866&nbsp;ff.


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Version vom 14. September 2016, 13:10 Uhr

von Jan Kleinheisterkamp

1. Konzeption

Die unter der Schirmherrschaft von UNIDROIT geschaffenen Principles of International Commercial Contracts (UNIDROIT PICC) sind die Früchte des bisher erfolgreichsten Projekts, Regeln über das Recht der internationalen Handelsverträge zu erarbeiten. Das Projekt sieht sich in der Tradition der lex mercatoria und verfolgt den Ansatz der US-amerikanischen Restatements auf globaler Ebene. Seine Ursprünge können bis auf Ernst Rabels Arbeiten zum internationalen Warenkauf (Einheitsrecht) zurückverfolgt werden. Nach den Haager Übereinkommen von 1964 zur Einführung einheitlicher Kaufgesetze, an deren Ausarbeitung UNIDROIT bereits maßgeblich beteiligt war, propagierte UNIDROIT 1968 die Idee eines über das Kaufrecht hinausgehenden, unverbindlichen Codex, der die aus den Rechten verschiedener Länder extrahierten gemeinsamen Vertragsrechtsprinzipien widerspiegelt und der eine Art Allgemeiner Teil eines Uniform International Commercial Code darstellen könnte.

Die Arbeiten begannen 1970 unter der Führung von René David (Frankreich), Clive M. Schmitthoff (England) und Tudor Popescu (Rumänien). 1978 legte dieser Ausschuss Entwürfe zu einheitlichen Regeln über den Vertragsschluss (basierend auf dem Haager Einheitsrecht) und über Vertragsauslegung vor, die teilweise ihren Weg in das Wiener Kaufrechtsübereinkommen von 1980 (CISG) von UNCITRAL gefunden haben. Aus dem kleinen Ausschuss wurde 1980 eine wesentlich umfangreichere Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz seines vormaligen Sekretärs, Michael Joachim Bonell. Diese Arbeitsgruppe erarbeitete in 14 Jahren ein Regelwerk, welches das Vertragsrecht von Beginn der Verhandlungen bis hin zur Nichterfüllung umspannt. Die erste Fassung der UNIDROIT PICC mit 119 Artikeln und dazu gehörigen Erklärungen wurde Anfang 1994 fertiggestellt und von UNIDROIT veröffentlicht. Nachdem die erste Fassung der UNIDROIT PICC durchweg positive Kritiken erhalten hatte, wurde 1997 eine neue Arbeitsgruppe zu ihrer Erweiterung eingesetzt, welche die zweite Fassung 2004 vorlegte. Die existierenden Grundregeln wurden inhaltlich praktisch nicht geändert. Vielmehr wurden in erster Linie neue Abschnitte hinzugefügt.

Erwähnenswert ist, dass die UNIDROIT PICC nicht nur in Wechselwirkung mit dem CISG, sondern vor allem auch mit den Principles of European Contract Law (PECL) entstanden sind. Etliche Mitglieder der UNIDROIT PICC Arbeitsgruppe waren auch Mitglieder der PECL Kommission, nämlich Bonell, Ole Lando, Ulrich Drobnig, Arthur Hartkamp, Denis Tallon und nunmehr auch Reinhard Zimmermann. Die deutsche Übersetzung der Fassung von 2004 erfolgte unter der Leitung von Zimmermann auch mit dem Ziel, sprachlich soweit wie möglich Einklang zwischen den beiden Regelwerken zu gewährleisten.

2. Methode

Hinsichtlich der Arbeitsmethode zur Erarbeitung der international einheitlichen Regeln war von Anfang an klar, dass als Ausgangspunkt rechtsvergleichende Studien verschiedener nationaler Rechtsordnungen (Rechtsvergleichung), einschließlich ihrer Gesetzgebung, Rechtsprechung und wissenschaftlichen Literatur, dienen würden. Sofern übereinstimmende nationale Lösungen für spezifische vertragsrechtliche Problematiken gefunden werden können, erlaubt dies die Formulierung allgemeiner Regeln, die den gemeinsamen Kerngehalt (common core) des internationalen Vertragsrechts widerspiegeln. Insoweit stellen die UNIDROIT PICC ähnlich wie die US-amerikanischen Restatements keine (primäre) Rechtsquelle dar, sondern eine (sekundäre) Rechtserkenntnisquelle, die den Zugriff auf die darin widergespiegelten international anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze des Vertragsrechts in systematischer Form erlaubt.

Eine solche Übereinstimmung ist jedoch nicht immer zu finden. Dementsprechend beabsichtigen die UNIDROIT PICC in erster Linie, „ein brauchbares Regelwerk zur Verfügung zu stellen für Rechtsverhältnisse, die per Definition grenzüberschreitend sind, während herkömmliche nationale Gesetze im Wesentlichen auf den Bedürfnissen normaler inländischen Rechtsverhältnisse begründet sind; ... [folglich] sollte das Regelwerk nicht in erster Linie versuchen, letztere miteinander in Einklang zu bringen, sondern die Grundsätze und Lösungen niederlegen, die den besonderen Bedürfnisse des internationalen Handels am besten gerecht werden.“ So formulieren viele ihrer Regeln nicht bereits anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze, sondern stellen lediglich Vorschläge dafür dar, was von nun an die beste Regelung für ein spezifisches Problem sein und durch den Gebrauch in der Praxis zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz erstarken könnte.

Der offizielle Kommentar zu den UNIDROIT PICC keinerlei Bezüge auf die zur Erarbeitung herangezogenen nationalen Rechtsordnungen wegen der Befürchtung, dies könne ihre nach Art. 1.6(1) gebotene autonome einheitliche Auslegung untergraben. Lediglich dort, wo Regeln dem CISG entnommen wurden, wurde dies angegeben. Dadurch ist häufig nicht klar, ob einzelne Regeln international anerkannte Rechtsgrundsätze widerspiegeln oder ob sie neue Lösungen anbieten. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsvergleichung ein unabdingbares Werkzeug für die praktische Anwendung der UNIDROIT PICC, zumal die bisher auf http://www.unilex.info (zuletzt abgerufen am 29.4.2009) publizierten Entscheidungen, die sich mit den UNIDROIT PICC beschäftigen, quantitativ (und teilweise auch qualitativ) noch sehr spärlich sind. Es ist Aufgabe der Wissenschaft, die (noch) relativ blutleeren UNIDROIT PICC durch Vergleich und Gegenüberstellungen mit den Lösungen der nationalen Vertragsrechte und der internationalen Instrumente mit Leben zu füllen, sie verständlicher, zugänglicher und damit für die Praxis nutzbarer zu machen. Nur durch Kritik und Klarstellung ihrer Lösungen kann ihnen zu der Überzeugungskraft und Legitimität verholfen werden, auf die sie mangels staatlichen Rechtsanwendungsbefehls angewiesen sind.

3. Anwendbarkeit und Bedeutung

In welcher Form die UNIDROIT PICC in einem spezifischen Fall zur praktischen Anwendung kommen können, hängt von der jeweiligen lex fori des mit der Frage ihrer Anwendbarkeit befassten Gerichts ab. Dabei ist der Anwendungswille der UNIDROIT PICC, wie er in ihrer Präambel zum Ausdruck kommt, als solcher rechtlich irrelevant.

a) Wahl der UNIDROIT PICC als anwendbares Recht

Die Anwendung der UNIDROIT PICC auf eine Streitigkeit ist unproblematisch, soweit ihre Wahl lediglich eine materiellrechtliche ist, d.h. dass sie durch Verweisung als vorformulierte Klauseln in den Vertrag übernommen werden (wie z.B. auch die Incoterms) und dementsprechend dem zwingenden Recht der anwendbaren Rechtsordnung unterworfen sind. Ihre Anwendbarkeit im Wege einer echten kollisionsrechtlichen Rechtswahl ist dagegen problematischer, zumindest vor staatlichen Gerichten. Abgesehen vom IPR des US-amerikanischen Bundesstaates Oregon erlaubt nämlich noch keine Rechtsordnung die Wahl nichtstaatlichen Rechts zur Anwendung vor staatlichen Gerichten. Ein ursprünglicher Vorschlag der europäischen Kommission für die 2008 in Kraft getretene Rom I-VO (VO 593/2008) sah vor, „Parteien ... als anzuwendendes Recht auch auf internationaler oder Gemeinschaftsebene anerkannte Grundsätze und Regeln des materiellen Vertragsrechts wählen [zu lassen]“. Dies scheiterte jedoch am Widerstand der Mitgliedstaaten, u.a. wegen der Schwierigkeiten, Kriterien für die Anerkennung solcher Regelwerke im Allgemeinen aufzustellen, und wegen Befürchtungen, staatliches zwingendes Rechts zu untergraben.

Zumindest die europäischen Rechtsordnungen gestatten es jedoch den Parteien, ihre Streitigkeit im Schiedsverfahren beilegen zu lassen und somit wegen des Verbots der révision au fond staatlichen Gerichten weitgehend zu entziehen (Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche). Im Rahmen des Schiedsverfahrens ist es den Parteien möglich, nicht nur staatliches Recht, sondern auch nichtstaatliche Regelwerke als anwendbares Recht zu wählen, was bereits als Erst-Recht-Schluss aus der Möglichkeit folgt, den Schiedsrichtern zu erlauben, nach Billigkeit (ex aequo et bono) zu entscheiden. Im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit ist somit eine kollisionsrechtliche Wahl der UNIDROIT PICC als anwendbares Recht möglich.

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Wahl der UNIDROIT PICC nicht zur Umgehung staatlicher Eingriffsnormen mit legitimem Anwendungswillen benutzt werden darf (Art. 1.4). Ferner sind die UNIDROIT PICC notwendigerweise unvollständig. Dementsprechend bietet die zweite Variante der Modelklausel zur Wahl der UNIDROIT PICC in der Fußnote zur Präambel den Parteien die Möglichkeit, die UNIDROIT PICC durch die Wahl einer bestimmten Rechtsordnung zu ergänzen. Fehlt es an einer solchen subsidiären Rechtswahl muss das Schiedsgericht zur Lückenfüllung gemäß Art. 1.6(2) zunächst versuchen, ggf. mit Hilfe der Rechtsvergleichung allgemeine Rechtsgrundsätze herauszuarbeiten. Ist dies nicht möglich, ist das anwendbare Recht gemäß den Vorschriften zur Lückenfüllung der anwendbaren Schiedsregeln zu bestimmen.

b) Anwendung der UNIDROIT PICC mangels ausdrücklicher Wahl

Die Präambel der UNIDROIT PICC ermutigt Schiedsrichter ferner, die UNIDROIT PICC anzuwenden, wenn die Parteien die Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze, der lex mercatoria oder ähnliches gewählt haben. Der implizite Anspruch, die UNIDROIT PICC würden durchweg allgemeine Rechtsgrundsätze oder gar die lex mercatoria selbst widerspiegeln, ist theoretisch eher zweifelhaft. Jedoch mag sich der Anspruch langfristig bewahrheiten in dem Maße, in dem sie dank ihrer überwiegend überzeugenden Lösungen und der damit einhergehenden relativen Rechtssicherheit in der Praxis an Akzeptanz gewinnen.

Darüber hinaus lädt die Präambel der UNIDROIT PICC dazu ein, sie auf Fälle anzuwenden, in denen die Parteien schlichtweg keine Rechtswahl getroffen haben. Die meisten Schiedsgesetze erlauben den Parteien, die Bestimmung des anwendbaren Rechts dem Schiedsgericht zu überlassen (Schiedsrecht, staatliches). Dementsprechend sind Schiedsgerichte nach den meisten institutionellen Schiedsregeln und nach einigen nationalen Gesetzen ermächtigt, nicht nur Rechtsordnungen („law“) sondern auch Rechtsregeln („rules of law“) für die Parteien zu wählen. Zwar kann nicht vermutet werden, die Parteien hätten durch ihr Schweigen zum anwendbaren Recht jegliches staatliches Recht abwählen wollen, da das Schweigen ebenso als Abwahl nichtstaatlichen Rechts gedeutet werden könnte. Jedoch kann ein Schiedsgericht, je nach den Umständen des Falles, durchaus zum Ergebnis kommen, dass z.B. gescheiterte Rechtswahlverhandlungen ein Hinweis dafür sind, dass die Wahl eines staatlichen Rechts eine der Parteien unberechtigt bevorzugen und dass das neutrale Regelwerk der UNIDROIT PICC der fehlenden Einigung der Parteien gerechter würde.

c) Auslegung und Ergänzung nationalen und internationalen Rechts

Unter den wenigen veröffentlichten Schiedssprüchen sind diejenigen, die ausdrücklich auf den UNIDROIT PICC beruhen, noch relativ rar. Doch haben die UNIDROIT PICC in der Praxis bereits eine beachtliche Bedeutung für die Auslegung und Ergänzung sowohl internationaler Instrumente, insbesondere des CISG, als auch nationalen Rechts, soweit es auf internationale Verträge anzuwenden ist. Staatliche Gerichte haben sich gelegentlich in eklektischer Weise der UNIDROIT PICC bedient, um Fortbildungen in ihrem eigenem Recht zu rechtfertigen und zu untermauern. Schiedsgerichte wenden sich gern den UNIDROIT PICC zu, um sich einen ersten Überblick über ihnen unbekannte Rechtsordnungen zu verschaffen oder um die nach solchen Rechtsordnungen gefunden Ergebnisse mit Verweis auf international anerkannte Prinzipien zu flankieren. Allerdings birgt die Attraktivität der UNIDROIT PICC leider auch die Gefahr, sie bewusst oder unbewusst zu missbrauchen, um einen tieferen Einstieg in das anwendbare Recht oder gar seine eigentlichen Lösungen zu vermeiden, wie vereinzelte Schiedssprüche und Gerichtsurteile zeigen.

d) Der Modellcharakter der UNIDROIT PICC

Schließlich sieht die Präambel der UNIDROIT PICC vor, dass sie als Modell für nationale und internationale Gesetzgeber dienen können. In der Tat wird heute kaum ein Gesetzgeber, der das allgemeine Vertragsrecht novellieren möchte, die UNIDROIT PICC ignorieren können, auch wenn diese nicht die sonst für Modellgesetze übliche Billigung der UNIDROIT Mitgliedstaaten erhalten haben. Während ihr Einfluss auf die deutsche Schuldrechtsreform von 2002 und auf die derzeitigen französischen Reformbemühungen nur in geringem Maße sichtbar ist, zeigt sich ein deutlicherer Einfluss auf das niederländische Burgerlijk Wetboek und die Reformüberlegungen der schottischen Law Commission. Einen bedeutenden Einfluss haben die UNIDROIT PICC bisher auf die Reform des allgemeinen Teils des spanischen Handelsgesetzbuches, auf die neuen Zivilgesetzgebungen von Litauen (2000) und Estland (2002), zusammen mit dem CISG auf das chinesische Vertragsgesetz von 1999, und in geringerem Maße auch auf das russische und das israelische Zivilgesetzbuch gehabt. Weiterhin bilden die UNIDROIT PICC die Grundlage eines mit der Unterstützung von UNIDROIT erarbeiteten Entwurfs eines einheitlichen Vertragsgesetzes für die Organisation der (16) französischsprachigen afrikanischen Staaten, OHADA, das noch auf seine formelle Annahme wartet.

4. Regelungsstrukturen

Die 185 Artikel der UNIDROIT PICC in der Fassung von 2004 verteilen sich auf zehn Kapitel, die teilweise in Abschnitte unterteilt sind und denen eine Präambel mit sieben Absätzen vorangeht, welche die Anwendbarkeit der UNIDROIT PICC für die oben beschriebenen Situationen propagiert. Die Artikel sind jeweils mit offiziellen Kommentaren versehen, die integraler Bestandteil der UNIDROIT PICC sein sollen, jedoch inhaltlich manchmal über die „black letter rule“ hinausgehen, teilweise um die jeweilige Vorschrift so abstrakt wie möglich zu halten, teilweise als Kompromiss hinsichtlich gewisser Punkte, über die in der Arbeitsgruppe keine Einigung erzielt werden konnte. Die Kommentare enthalten häufig Illustrationen, die zur Klärung der praktischen Anwendung der jeweiligen Vorschrift beitragen sollen, was jedoch nicht immer gelingt.

Das erste Kapitel enthält „Allgemeine Bestimmungen“ und stellt, in der Tradition des deutschen BGB und des amerikanischen UCC, einen vor die Klammer gezogenen Allgemeinen Teil dar, der jedoch nicht nur Rechtsvorschriften enthält, sondern auch programmatische Bestimmungen wie die Grundsätze pacta sunt servanda (Art. 1.1) und Treu und Glauben (Art. 1.7). Praktisch relevant sind insbesondere der bereits erwähnte allgemeine Vorrang der Eingriffsnormen (Art. 1.4), die Regeln über die Auslegung der einheitlichen Regeln (Art. 1.6) und die Regeln über den Zugang von Mitteilungen (Art. 1.10).

Kapitel 2 deckt den Vertragsschluss (Abschnitt 2.1) einschließlich der Stellvertretung (Abschnitt 2.2) ab. Auf dem Gebiet des Vertragsschlusses wird die Schwierigkeit deutlich, allgemein akzeptable Lösungen zu finden, ebenso wie die damit einhergehende Notwendigkeit problematischer Kompromisse, insbesondere zwischen den Lösungen des englischen, amerikanischen, französischen und deutschen Rechts, wie z.B. hinsichtlich der Widerruflichkeit des Angebots (Art. 2.1.4) oder der Haftung für treuwidriges Verhandeln (Art. 2.1.15). Nicht unproblematisch sind auch einige aus dem amerikanischen Kaufrecht übernommene Vorschriften, die den Abschluss des Vertrages trotz Unklarheit seines Inhalts begünstigen, wie z.B. bei modifizierter Annahme (Art. 2.1.11) oder bei offen gelassenen Vertragselementen (Art. 2.1.14). Von praktischer Bedeutung sind insbesondere die Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nur eine Einigungs- aber keine Inhaltskontrolle vorsehen (Art. 2.1.20) und für den Fall sich widersprechender AGB deren Geltung auf ihre Kongruenz beschränken (knock-out rule, Art. 2.1.22).

In Kapitel 3 über die Gültigkeit verweisen die UNIDROIT PICC für die Fragen der Rechts- und Geschäftsfähigkeit sowie der Sitten- und Gesetzwidrigkeit von Verträgen auf das anwendbare staatliche Recht (Art. 3.1), stellen jedoch klar, dass ein Mangel an cause oder consideration, den Seriositätsindizien des französischen und englischen Rechts, die Gültigkeit des Vertrages nicht beeinträchtigt (Art. 3.2 und 3.3). Es folgen teilweise zwingende Regeln über Irrtum, Täuschung, und Drohung, aber auch über die laesio enormis und die entsprechenden Rechtsbehelfe der Vertragsaufhebung und des Schadensersatzes.

In Kapitel 4 finden sich einheitliche Regeln über die Auslegung von Verträgen und Rechtshandlungen der Parteien. Das Bedürfnis nach international einheitlichen Auslegungsregeln zeigt sich darin, dass dies die in der Praxis am häufigsten zitierten Vorschriften der UNIDROIT PICC sind. Trotz kleinerer Unterschiede im Detail zwischen nationalen Auslegungsregeln reflektieren die Vorschriften dieses Kapitels überwiegend international anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze.

Kapitel 5 behandelt in einem ersten Abschnitt den allgemeinen Inhalt von Verträgen, wie z.B. die Pflicht zur Zusammenarbeit der Vertragsparteien (Art. 5.1.3), die vom französischen Recht übernommene Unterscheidung zwischen obligations de résultat und obligations de moyen (Werkvertrag; Dienstleistungsvertrag) (Art. 5.1.4), die Bestimmung der geschuldeten Qualität (Art. 5.1.6) oder des Preises (Art. 5.1.7), das von Art. 6:109 PECL übernommene Recht auf Beendigung unbefristeter Verträge (Art. 5.1.8) und – systematisch etwas unglücklich – die Möglichkeit des Schulderlasses (Art. 5.1.9). Der erst 2004 eingeführte Abschnitt 5.2 regelt Verträge zugunsten Dritter.

Kapitel 6 enthält in einem ersten Abschnitt allgemeine Regeln über den Inhalt der Leistungspflicht, wie Leistungszeit und ‑ort (Art. 6.1.1 und 6.1.6), das Recht, die Annahme von Teilleistungen und einer vorzeitigen Leistung zu verweigern (Art. 6.1.3 und 6.1.5), Zahlungsmodalitäten (Art. 6.1.8-6.1.12), sowie die Wirkungen öffentlich-rechtlicher Genehmigungserfordernisse (Art. 6.1.14-6.1.17). Abschnitt 6.2 ist bemerkenswert innovativ, da er – trotz der Ablehnung dieser Rechtsfigur in etlichen Rechtsordnungen – Regeln über „veränderte Umstände (hardship)“ anbietet (Geschäftsgrundlage).

Das Kapitel 7 besteht aus vier Abschnitten über die Nichterfüllung. Abschnitt 7.1 ist der Nichterfüllung im Allgemeinen gewidmet. Neben einer Definition der Nichterfüllung (Art. 7.1.1) finden sich hier z.B. das Zurückbehaltungsrecht des Gläubigers (Art. 7.1.3) und das Recht des Schuldners auf Nacherfüllung (Art. 7.1.4) sowie die Beschränkung von Freizeichnungsklauseln (Art. 7.1.6) und die Entschuldigung von Nichterfüllung bei höherer Gewalt (Art. 7.1.7). Abschnitt 7.2 stellt klar, dass der Gläubiger einen Erfüllungsanspruch hat, der jedoch als Konzession an das common law, das specific performance nur als Ausnahme kennt, erheblich eingeschränkt ist (Art. 7.2.2). Dafür wird das französische Konzept der astreintes übernommen, d.h. die Möglichkeit des Gerichts, zur Erzwingung der Erfüllung ein Zwangsgeld anzuordnen (Art. 7.2.4). Abschnitt 7.3 gewährt, ähnlich wie das CISG, dem Gläubiger das Recht auf Vertragsaufhebung nur in Fällen „wesentlicher“ Nichterfüllung (Art. 7.3.1), dann allerdings auch schon, wenn eine solche vor Fälligkeit abzusehen ist (Art. 7.3.3). Anderenfalls kann der Vertrag nur nach Ablauf einer gesetzten Nachfrist aufgehoben werden (Art. 7.1.5). Die einseitige Vertragsaufhebung führt, ohne das Recht auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu beeinträchtigen (Art. 7.3.5), zur Rückabwicklung des Vertrages (Art. 7.3.6). Abschnitt 7.4 regelt den Schadensersatz wegen Nichterfüllung, einschließlich Vorschriften über die Pflicht, Zinsen im Fall des Zahlungsverzuges zu zahlen (Art. 7.4.9), und über Vertragsstrafen, die – in Abweichung vom englischen und französischen Recht – von „der benachteiligten Partei unabhängig von ihrem tatsächlichen Schaden“ verlangt werden können (Art. 7.4.13).

Neu hinzugekommen sind in der 2. Fassung der UNIDROIT PICC von 2004 Kapitel 8 über die Aufrechnung, Kapitel 9 über die Abtretung, Schuldübernahme und Vertragsübernahme, und Kapitel 10 über Verjährung, das maßgeblich von den PECL beeinflusst ist.

5. Ausblick

Mit der formellen Annahme der Fassung von 2004 empfahl der Direktionsrat von UNIDROIT, die Arbeiten an den UNIDROIT PICC zu einem kontinuierlichen Projekt auszubauen. 2005 ist eine neue Arbeitsgruppe unter dem erneuten Vorsitz von Bonell eingesetzt worden, die sich nun für die dritte Fassung der UNIDROIT PICC mit der Ausarbeitung neuer Kapitel beschäftigt. Gearbeitet wird an einheitlichen Regeln zum bisher von Art. 3.1 ausgeklammerten Thema der Rechtswidrigkeit (Rapporteur: Michael Furmston), zu den in der Praxis relevanten Themen der Schuldner- und Gläubigermehrheit (Rapporteur: Marcel Fontaine) und über Bedingungen (Rapporteur: Benedicte Fauvarque-Cosson) – alles Themenbereiche, die von den PECL bereits aufgegriffen wurden – sowie den neuen Themen der Abwicklung gescheiterter Verträge (Rapporteur: Reinhard Zimmermann) und der Beendigung langfristiger Verträge (Rapporteur: François Dessemontet).

Dank der zunehmenden wissenschaftlichen Durchdringung der UNIDROIT PICC bestehen berechtigte Hoffnungen, dass diese in den nächsten Jahrzehnten zu einer festen Größe zumindest in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit werden. Sie haben jedenfalls das notwendige Potential, entsprechend den ursprünglichen Hoffnungen ihrer Verfasser als Allgemeiner Teil des transnationalen Vertragsrechts anerkannt zu werden. Die von UNCITRAL 2007 ausgesprochene allgemeine Empfehlung der UNIDROIT PICC ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Literatur

Michael Joachim Bonell, Das UNIDROIT-Projekt für die Ausarbeitung von Regeln für internationale Handelsverträge, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 56 (1992) 274 ff.; Ralf Michaels, Privatautonomie und Privatkodifikation, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 62 (1998) 581 ff.; Michael Joachim Bonell, An International Restatement of Contract Law: The UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 3. Aufl. 2005; Reinhard Zimmermann, Die Unidroit-Grundregeln der internationalen Handelsverträge 2004 in vergleichender Perspektive, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 13 (2005) 264 ff.; Eleanor Cashin Ritaine, Eva Lein (Hg.), The UNIDROIT Principles 2004, 2007; Stefan Vogenauer, Jan Kleinheisterkamp (Hg.), Commentary on the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 2009; Ralf Michaels, Umdenken für die UNIDROIT-Prinzipien, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 73 (2009) 866 ff.

Abgerufen von UNIDROIT – HWB-EuP 2009 am 26. April 2024.

Nutzungshinweise

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