Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche

Aus HWB-EuP 2009

von Jan Kleinheisterkamp

1. Gegenstand und Zweck

Schiedssprüche sind die Entscheidungen von Schiedsrichtern, d.h. von Individuen, deren Entscheidungsgewalt nicht vom Staat, sondern von den Parteien verliehen worden ist. Parteien können sich der Schiedsgerichtsbarkeit (Schiedsrecht, staatliches; Schiedsverfahren, internationales) unterwerfen und damit für ihre spezifische Streitigkeit den staatlichen Gerichten die Zuständigkeit durch Vereinbarung entziehen. Zur Durchsetzung des Schiedsspruchs können sie auf vertragliche oder institutionelle Mechanismen vertrauen, wie z.B. Erfüllungsgarantien oder schwarze Listen von Handelsvereinigungen. Die Anerkennung der materiellen Rechtskraft des Schiedsspruchs und sein Wert als vollstreckbarer Titel ist dagegen abhängig vom Recht des angerufenen Gerichts, das im Zweifelsfall die grundsätzliche Vereinbarkeit des Schiedsspruchs mit den Grundwerten seiner Rechtsordnung überprüfen kann. Nur wenn diese grundsätzliche Vereinbarkeit gewährleistet ist, wird eine staatliche Stelle in Achtung ihres Verfassungsauftrages die Wirkungen eines Schiedsspruchs zu Ungunsten einer Partei anerkennen oder Vollstreckungsmaßnahmen gegen einen unwilligen Schuldner anordnen. Dieser Logik zufolge, die wesensverwandt auch der Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen (gerichtlichen) Entscheidungen zugrundeliegt, besteht eigentlich keine Notwendigkeit, zwischen ausländischen und inländischen Schiedssprüchen zu unterscheiden. Dennoch ist diese Unterscheidung (in Abkehr des nicht-territorialen Verständnisses des ius commune und des common law) seit Mitte des 19. Jahrhunderts in den meisten Ländern eingeführt worden.

2. Rechtsentwicklung der Anerkennung und Vollstreckung

Das älteste Abkommen, das auch Schiedssprüche abdeckte, wurde 1867 zwischen dem Großherzogtum Baden und dem schweizerischen Kanton Aargau geschlossen, gefolgt von dem französisch-schweizerischen Abkommen von 1869 und dem belgisch-französischen Abkommen von 1899. Diese Abkommen stellten Schiedssprüche und Urteile gleich und schafften für beide die bis dahin weithin übliche vollständige Inhaltskontrolle (révision au fond) ab. Ein Antrag auf Anerkennung oder Vollstreckung erforderte eine beglaubigte Abschrift des Urteils oder Schiedsspruchs, den Nachweis, dass die andere Partei zu dem Verfahren geladen worden war, und ein Zeugnis, mit dem die zuständigen Stelle im Ursprungsland beglaubigte, dass die Entscheidung dort formell rechtskräftig geworden war.

Die in diesen Abkommen geschaffenen Erleichterungen gingen jedoch in späteren Abkommen wieder teilweise verloren. So schloss zwar das schweizerisch-spanische Abkommen von 1896 ebenfalls jede révision au fond aus, erforderte jedoch den Nachweis darüber, dass die Entscheidung im Ursprungsland nicht nur „endgültig“ (im Sinne von rechtskräftig) sondern auch „vollstreckbar“ sei. Dieses Erfordernis war leicht zu erfüllen für Urteile, deren Vollstreckbarkeit ja zusammen mit ihrer formellen Rechtskraft vom Gericht im Ursprungsland bescheinigt werden kann. Schiedssprüche dagegen erforderten zumeist ein separates Vollstreckbarerklärungsverfahren (exequatur) im Ursprungsland, was für den Vollstreckungsgläubiger eine zusätzliche Erschwernis bedeutete. Das zugrunde liegende Verständnis, dass eine im Schiedsverfahren erfolgreiche Partei im Inland nicht mehr erhalten könne als ihr Titel im Ursprungland wert ist, fand seinen Niederschlag deutlicher in dem südamerikanische Vertrag über internationales Prozessrecht von Montevideo (1889), dem ersten multilateralen Übereinkommen auf diesem Gebiet: „Urteile und Schiedssprüche, die ... in einem anderen Vertragsstaat ergangen sind, sollen in den übrigen Staaten die gleiche Wirkungung wie in dem Ursprungsland haben“. Dementsprechend musste der Vollstreckungsgläubiger zuerst eine Vollstreckbarkeitserklärung im Ursprungsland bewirken, bevor er die Vollstreckbarkeitserklärung im Vollstreckungsland erhalten konnte.

Die unglückliche Gleichstellung von Schiedssprüchen und Urteilen und das daraus erfolgende Erfordernis des double exequatur haben auch Eingang gefunden in den pan-amerikanischen Código Bustamante (Havanna 1928), in den Vertrag von Montevideo über internationales Prozessrecht (1940) und in das Kairo-Übereinkommen der Arabischen Liga (1952), sowie in zahlreiche bilaterale Abkommen, wie z.B. das belgisch-niederländische Abkommen (1925), das französisch-italienische Abkommen (1930), die Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsübereinkommen der Vereinigten Staaten mit Griechenland (1951), Deutschland (1954) und den Niederlanden (1956), und das belgisch-deutsche Übereinkommen (1958). Das Genfer Übereinkommen von 1927 über die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, das unter der Schirmherrschaft des Völkerbundes geschlossen worden war, erforderte lediglich den Nachweis, dass der Schiedsspruch im Ursprungsland „endgültig“ im Sinne von rechtskräftig war. Viele nationale Gericht lasen jedoch in dieses Erfordernis den Nachweis der Vollstreckbarkeit im Ursprungsland hinein und beraubten das Übereinkommen so weitgehend seiner Wirkung.

Mitte des 20. Jahrhunderts war das Erfordernis des double exequatur auch in zahlreichen nationalen Gesetzen fest verankert, wie z.B. in den meisten nordamerikanischen Staaten, in Österreich, Ungarn, der Tschechoslowakei, Italien, oder Paraguay. Eines der stärksten Bollwerke gegen die Schiedsgerichtsbarkeit war (bis 1996) Brasilien. Der ausländische Schiedsspruch selbst war ohne jeden Wert; lediglich die ausländische Vollstreckbarerkärung konnte in Brasilien für vollstreckbar erklärt werden. Und dies auch nur, wenn sie auf der Grundlage eines streitigen Verfahrens ergangen war, so dass einem widerspenstigen brasilianischen Schiedsspruchsschuldner die gerichtliche Ladung auf dem diplomatischen Wege zugestellt werden musste, was allein schon oft über ein Jahr dauerte. Des Weiteren konnten lange Zeit nur Schiedssprüche anerkannt werden, die – auch im Ausland – auf der Grundlage einer Schiedsvereinbarung über bereits existierende Streitigkeiten, nicht aber über künftige Streitigkeiten, ergangen waren. Im Ergebnis kamen Schiedssprüche gegen widerspenstige Schuldner nur äußerst selten in Brasilien zur Vollstreckung, so dass von Schiedsklauseln mit brasilianischen Vertragspartnern zumeist von vornherein abgesehen wurde.

Vor dem Hintergrund dieser restriktiven oder gar protektionistischen Praxis unterbreitete die Internationale Handelskammer 1953 dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen einen Entwurf für ein Übereinkommen über „internationale Schiedssprüche“, das unabhängig von irgendwelchem nationalen Recht sein sollte, um die gravierenden Hindernisse, die dem freien Verkehr von Schiedssprüchen entgegenstanden, zu beseitigen. Auch wenn dieser vollkommen autonome Ansatz nicht übernommen wurde, erarbeiteten die Vereinten Nationen einen eigenen Text, der letztlich in New York am 10.6.1958 als Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche der Vereinten Nationen (UNÜ) gezeichnet wurde und heute von 143 Staaten ratifiziert ist. Dieser beeindruckende Erfolg und seine außerordentliche Effizienz im internationalen Rechtsverkehr erlauben die Feststellung, dass die Regeln des UNÜ (die im folgenden Abschnitt skizziert werden) heute den internationalen Standard in Sachen Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen darstellen. Dementsprechend ist das Haager Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen von 2005 auf der Grundlage des UNÜ entworfen worden (Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen).

Seit 1958 sind eine Reihe regionaler Übereinkommen geschlossen worden. Erwähnenswert ist das (in der Praxis nur relativ selten anwendbare) Europäische Übereinkommen von 1961, das under der Schirmherrschaft der UN-Wirtschaftskommission für Europa in Ergänzung zum UNÜ (s.u. 4.) erarbeitet wurde und den Gegensatz zwischen westlichen Schiedsgerichten und den sozialistischen Außenhandelsschiedsgerichten überbrücken sollte. Zu einem gemeinschaftseuropäischen Übereinkommen, wie es noch in Art. 293 4. Spiegelstrich EG vorgesehen war, ist es – wohl wegen der ausreichenden Regelungen des UNÜ – nicht gekommen. Ebenfalls erwähnenswert ist die interamerikanische Konvention von Panama (1975), welche die Vorschriften des UNÜ im Wesentlichen kopiert und diesem so in den lateinamerikanischen Staaten den Weg geebnet hat. Des Weiteren folgt die Einheitliche Akte über Schiedsrecht der Organisation für die Harmonisierung von Handelsrecht in Afrika (OHADA), die auf Schiedssprüche aus den 16 Mitgliedstaaten direkt anwendbar ist, den Schiedsvorschriften des französischen Nouveau Code de la procédure civile von 1981 (Art. 1498-1507), die ebenfalls mit dem UNÜ vereinbar sind.

Andere regionale Übereinkommen dagegen stellen einen Rückschritt gegenüben dem UNÜ dar. So untergräbt z.B. die interamerikanische Konvention von Montevideo (1979) den acquis des UNÜ und der Panama-Konvention durch eine Rückkehr zu den Anerkennungskriterien der alten Montevideo-Verträge (1889/1940). Auch die MERCOSUR-Abkommen über internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1998 laufen diesbezüglich fehl, da sie die kumulative Anwendung der (unvereinbaren) Konventionen von Panama und Montevideo anordnen. Wie die Montevideo-Konvention erfordert auch das (in der Praxis ebenso unbedeutende) arabische Übereinkommen über gerichtliche Zusammenarbeit von Riad (1983) noch den Nachweis, dass der Schiedsspruch „endgültig und rechtskräftig“ ist, was allerdings einen Fortschritt gegenüber dem Erfordernis der Vollstreckbarkeit im Ursprungsland seines Vorgängers, dem Kairo-Übereinkommen von 1952, darstellt.

3. Regelungsstrukturen des Einheitsrechts

Im Gegensatz zum Genfer Übereinkommen von 1927 und dem Europäischen Übereinkommen von 1961, erfordert das UNÜ nicht, dass die Parteien oder der Schiedsspruch aus einem der Vertragsstaaten stammen müssen. Die Vorschriften des UNÜ finden also Anwendung auf alle ausländischen Schiedssprüche, außer wenn sich der Vollstreckungsstaat die Reziprozität vorbehalten hat (heute noch 70 Staaten). Seine einheitlichen und autonomen Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln verdrängen widersprechende nationale Vorschriften und überwinden die drei grundlegenden Erschwernisse, an denen das Genfer Übereinkommen gescheitert war:

(1) Das UNÜ garantiert die Wirksamkeit von schriftlichen Schiedsklauseln und erlaubt so die Durchführung von Schiedsverfahren und den Erlass vollstreckbarer Schiedssprüche im Ausland ohne den Abschluss einer getrennten Unterwerfungsvereinbarung (compromis), auch wenn ein solcher nach inländischem Recht erforderlich wäre.

(2) Schiedssprüche müssen lediglich „verbindlich“ sein, aber nicht „endgültig” (wie in dem Genfer Übereinkommen) oder gar „vollstreckbar“ (wie in anderen Abkommen), so dass das Erfordernis des double exequatur ein für alle Mal abgeschafft ist.

(3) Die Gültigkeit von Schiedssprüchen wird vermutet, so dass die Beweislast für die Gründe, die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen, auf den Vollstreckungsgegner fällt, was das Verfahren deutlich vereinfacht und beschleunigt.

Art. III UNÜ legt i.V.m. Art. IV und V die Grundlage des freien Verkehrs von Schiedssprüchen fest. Alle Vertragsstaaten erkennen die Vermutung an, dass ein Schiedsspruch verbindlich ist, sobald er ergangen ist. Seine Vollstreckung erfolgt nach den Verfahrensvorschriften der lex fori des angerufenen Gerichts, die jedoch durch das Einheitsrecht des UNÜ modifiziert werden, um den notwendigen Entscheidungseinklang zu erzielen. Unterschiedliche Verfahren für inländische und ausländische Schiedssprüche sind jedoch erlaubt, soweit letztere nicht „wesentlich strengeren Verfahrenvorschriften oder wesentlich höheren Kosten unterliegen“. Art. IV ergänzt die Vermutung der Verbindlichkeit mit der Vermutung der Gültigkeit: Der Vollstreckungsgläubiger muss lediglich den Schiedsspruch selbst und die Schiedsvereinbarung vorlegen. Nur wenn der Vollstreckungsgegner diese Vermutungen widerlegen kann, darf das angerufene Gericht die Anerkennung und Vollstreckung versagen.

Die Beweislast für die Widerlegung der Vermutungen der Gültigkeit und Verbindlichkeit des Schiedsspruchs obliegt ausschließlich dem Vollstreckungsgegner. Dieser darf sich nur auf die in Art. V(1) UNÜ aufgeführten Gründe berufen, die in erster Linie auf Verfahrensgarantien abzielen. So soll ein Schiedsspruch nicht anerkannt oder vollstreckt werden, wenn der Vollstreckungsgegner beweisen kann, dass der Spruch nicht auf einer gültigen Schiedsvereinbarung beruht oder nicht von deren Anwendungsbereich erfasst ist (Art. V(1)(a) und (c)). Ferner kann das Schiedsverfahren gerügt werden, wenn der Vollstreckungsgegner keine Gelegenheit hatte, sich gebührend zu verteidigen, oder die Bildung des Schiedsgerichts oder das angewandte Verfahren irregulär war (Art. V(1)(b) und (d)). Darüber hinaus kann der Vollstreckungsgegner einwenden (und muss dann beweisen), dass der Schiedsspruch im Ursprungsland noch nicht verbindlich geworden (weil z.B. eine zweite Schiedsinstanz vereinbart ist, weil nach dortigem Recht ordentliche Rechtsmittel gegen den Spruch eingelegt werden können, oder weil eine Umsetzungsfrist in dem Schiedsspruch gewährt wird) oder aufgehoben oder in seiner Wirkung einstweilig gehemmt worden ist (Art. V(1)(e)).

Jenseits der (beschränkten) Versagungsgründe zum Schutze der individuellen Interessen der im Schiedsverfahren verurteilten Partei kennt das UNÜ auch (ebenso beschränkte) Versagungsgründe zum Schutze des öffentlichen Interesses des Vollstreckungslandes, d.h. des Landes, in dem der Schiedsspruch letztlich seine Wirksamkeit entfalten soll. Diese Gründe sind vom angerufenen Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen. So erlaubt Art. V(2)(a) UNÜ, die Anerkennung und Vollstreckung zu verweigern, wenn die lex fori den im Schiedsspruch entschiedenen Streitgegenstand als nicht schiedsfähig anerkennt, d.h. gewisse „sensible“ Streitigkeiten inländischen Gerichten ausschließlich vorbehält. Dieser Filter dessen, was Schiedsrichtern zur Entscheidung überlassen werden kann, rechtfertigt es, die Überprüfung des Schiedsspruchs auf ein Minimum zu reduzieren. Eine gerichtliche Inhaltskontrolle des Schiedsspruchs (révision au fond) ist grundsätzlich nicht erlaubt. Selbst eine eindeutig falsche Anwendung des Rechts in dem Schiedsspruch ist kein Grund, seine Vollstreckung zu versagen, sondern vielmehr ein Risiko, auf das sich die Parteien (im Rahmen der Schiedsfähigkeit) einlassen (dürfen).

Die einzige Ausnahme zum Verbot der révision au fond ist der Vorbehalt des ordre public in Art. V(2)(b) UNÜ. Das angerufene Gericht kann dem Schiedsspruch die Anerkennung und Vollstreckbarkeit verweigern, wenn dies zu Ergebnissen führen würde, die „der öffentlichen Ordnung dieses Landes widersprechen würden“. Im Lichte der Eingangskontrolle der Schiedsfähigkeit ist allgemein anerkannt, dass nur offensichtliche Unvereinbarkeit mit grundlegenden wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Werten der Rechtsordnung des Anerkennungslandes eine Versagung rechtfertigen kann. Es wird insofern von einem ordre public attenué oder auch ordre public international gesprochen, also den Werten der heimischen öffentlichen Ordnung, die selbst angesichts der internationalen Dimension des zugrunde liegenden Sachverhalts zu schützen sind.

4. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Das Einheitsrecht des UNÜ bietet eine weitgehend unangefochtene und sehr effiziente globale Regelung der Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedssprüchen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Art. VII(1) UNÜ eine Meistbegünstigungsklausel enthält, die es den Vertragsstaaten erlaubt, noch liberalere, schiedsfreundliche Regeln im autonomen Recht zu haben. Dies nutzen manche Länder im Wettbewerb als schiedsfreundlicher Standort, so insbesondere Frankreich. Eines der umstrittensten Themen in diesem Zusammenhang ist die Anerkennng von Schiedssprüchen, die im Ausland aufgehoben worden sind. Art. V(1)(e) UNÜ führt die Aufhebung im Ursprungsland als einen Versagungsgrund auf. Die – jedoch nur selten anwendbare – Europäische Konvention (1961) beschränkt diesen Versagungsgrund in Art. IX auf Fälle, in denen die Aufhebung im Ausland auf Gründen beruht, die denen von Art. V(1)(a)-(d) UNÜ gleichwertig sind. Französische Gerichte nehmen darüber hinausgehend den radikalen Standpunkt ein, dass eine ausländische Aufhebung grundsätzlich irrelevant sei, „weil der internationale Schiedsspruch, der an keine staatliche Rechtsordnung angeknüpft ist, eine Entscheidung der internationalen Justiz ist, dessen Unregelmäßigkeiten auf der Grundlage der anwendbaren Regeln des Landes zu überprüfen sind, in dem ihre Anerkennung und Vollstreckung beantragt wird“ (Cour de cassation, Cass. civ. 1re 29.6.2007, Revue de l’arbitrage 2007, 507). Dieser extrem schiedsfreundliche Ansatz des autonomen französischen Rechts widerspricht dem deutschen und niederländischen Verständ- nis, nach dem – außer in Anwendung von Art. IX des Europäischen Übereinkommens – ein aufgehobener Schiedsspruch nur dann vollstreckt werden kann, wenn die ausländische Aufhebungsentscheidung der öffentlichen Ordnung widerspricht (OLG Dresden, 31.1.2007, IHR 2008, 152 ff.; Gerechtshof Amsterdam, 28.4.2009, AZ 200.005.269/01, LJN BI2451 http://www.rechtspraak.nl). Dies ist neuerdings auch der Maßstab US-amerikanischer Gerichte Court of Appeals for the District of Columbia, 487 F.3d 928 (2007)), die zuvor ähnlich wie die französischen entschieden hatten.

Die französische These der Irrelevanz des Rechts des Ursprungslandes, welche bereits den UNÜ-Entwurf der ICC von 1953 beeinflusst hatte, hat auch im UNCITRAL-Modellgesetz (1985/ 2006) einen bescheidenen Niederschlag gefunden (Schiedsrecht, staatliches). Dieses kopiert wörtlich die Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften des UNÜ, bestimmt aber – unter dem Einfluss der französischen Schiedsnovelle von 1981 (Art. 1492, 1498 CPC) – deren Anwendbarkeit „unabhängig von dem Land, in dem der Schiedsspruch ergangen ist“, also auch auf inländische Schiedssprüche, mit dem Ziel, einheitliche Vollstreckungsregeln für alle „internationalen“ Schiedssprüche aufzustellen. Diese Aufhebung der traditionellen Unterscheidung von ausländischen und inländischen Schiedssprüchen ist jedoch von etlichen der ca. 60 Länder, auf deren Schiedsrecht das Modellgesetz einen Einfluss gehabt hat, abgelehnt worden, so auch das deutsche (§§ 1060 und 1061 ZPO).

Ein weiterer streitiger Punkt ist die Überprüfungstiefe im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren von Schiedssprüchen, deren Streitgegenstand im öffentlichen Interesse ist. Die o.g. restriktive Auslegung des ordre public-Vorbehalts von Art. V(2)(b) UNÜ beruht ursprünglich auf der traditionellen Annahme, dass solche Streitgegenstände von vornherein nicht schiedsfähig sind. Diese Hypothese hat sich jedoch radikal geändert infolge der US-amerikanischen Mitsubishi-Entscheidung (U.S. Supreme Court, 473 U.S. 614 (1985)), die auch mit dem EcoSwiss Urteil des EuGH (EuGH Rs. C-126/97, Slg. 1999, I-3055) in Europa ihren Widerhall gefunden hat: Das öffentliche Interesse z.B. an wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten (Wettbewerbsrecht, internationales) ist kein Hindernis mehr dafür, deren Entscheidung Schiedsgerichten zu überlassen, sondern ist im Rahmen des ordre public-Vorbehalts zu berücksichtigen. Diese Verschiebung der ursprünglichen Balance zwischen Art. V(2)(a) und (b) UNÜ erfordert folgerichtig eine nicht nur minimale Überprüfung des angerufenen Gerichts im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren, um die Durchsetzung des zwingenden Rechts der öffentlichen Ordnung auch im Schiedsverfahren zu gewährleisten (second look doctrine) (OLG Dresden 20.4.2005, SchiedsVZ 2005, 210 ff.). Im Versagensfall kann dann die Schiedsvereinbarung, welche diese Verletzung des ordre public möglich gemacht hat, für unwirksam erklärt werden, so dass eine erneute Klage vor staatlichen Gerichten auf der Grundlage des zwingenden Rechts möglich wird. Französische Gerichte dagegen haben auch hier ihre radikal schiedsfreundliche Einstellung bestätigt. So sollen nur „unverhohlene, tatsächliche und spezifische“ Verletzungen von Wettbewerbsregeln (Wettbewerbsregeln, Anwendbarkeit) erlauben, die Anerkennung oder Vollstreckung auf der Grundlage des ordre public-Vorbehalts zu versagen (Cour d’appel Paris, 18.11.2004, Revue de l’arbitrage 2005, 751). Es ist fraglich, ob ein derart liberaler Ansatz dem Vertrauen in den Schiedsrichter und in seine Rolle als juge naturel du commerce international zuträglich ist.

Literatur

J. Westheimer, Der ausländische Schiedsspruch: Seine Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit im Inlande, Zeitschrift für Zivilprozess 39 (1909) 241 ff.; Antoine Pillet, Traité pratique de droit international privé, Bd. 2, 1924; Ernst Lorenzen, Commercial Arbitration: Enforcement of Foreign Awards, Yale Law Journal 45 (1935) 39 ff.; Paolo Contini, International Commercial Arbitration: The United Nations Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, American Journal of Comparative Law 8 (1959) 283 ff; Jan Albert van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981; Emmanuel Gaillard, John Savage, Fouchard Gaillard Goldman on International Commercial Arbitration, 1999; Sylvain Bollée, Les méthodes du droit international privé à l’épreuve des sentences arbitrales, 2004; Jan Kleinheisterkamp, International Commercial Arbitration in Latin America: Regulation and Practice in the MERCOSUR and the Associated Countries, 2005; Jean-François Poudret, Sébastien Besson, Comparative Law of International Arbitration, 2. Aufl. 2007; Pierre Mayer, L’étendue du contrôle, par le juge étatique, de la conformité des sentences arbitrales aux lois de police, in: Liber Amicorum Hélène Gaudemet-Tallon, 2008, 459 ff.

Abgerufen von Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche – HWB-EuP 2009 am 19. März 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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