Leistungspflicht, Inhalt der

Aus HWB-EuP 2009

von Yeşim M. Atamer

1. Bestimmung des Leistungsinhalts

Die Schuld geht durch Erfüllung unter, wenn der Schuldner das Leistungsinteresse des Gläubigers befriedigt. Hierfür kommt es auf den Inhalt der Leistungspflicht an. Dieser wird sich in erster Linie aus der ausdrücklichen oder stillschweigenden Parteiabrede ergeben, falls die Obligation eine vertragliche ist (Auslegung von Verträgen). Da sich die Parteien jedoch oft auf die wesentlichen Punkte begrenzen, halten viele europäische Rechtsordnungen subsidiär gesetzliche Bestimmungen bereit, die den Inhalt und die Modalitäten der Leistung umschreiben. Bei außervertraglichen Schuldverhältnissen finden diese Bestimmungen unmittelbare Anwendung. Auch PECL, UNIDROIT PICC und Draft DCFR umfassen entsprechende allgemeine Vorschriften, wobei PECL und UNIDROIT PICC nur vertragliche Schuldverhältnisse betreffen. Den folgenden Erläuterungen werden diese Regelwerke zugrunde gelegt.

Wieweit der Leistungsgegenstand bestimmt sein muss, damit überhaupt ein Vertrag wirksam zustande kommt, wird in den Regelwerken nicht im Detail umschrieben. Vorausgesetzt wird nur, dass eine „ausreichende Einigung“ erzielt ist (Vertrag). Diese liegt sicherlich vor, wenn die den Vertragstypus bestimmenden objektiv wesentlichen Vertragspunkte (essentialia negotii), wie Leistung und Gegenleistung festgelegt worden sind. Doch alle drei Regelwerke ermöglichen schon den Vertragsschluss, wenn im Vertrag die in Geld bestehende Gegenleistung weder konkret bestimmt noch eine Methode zu ihrer Bestimmung angegeben worden ist. In diesem Fall werden nach den PECL die Parteien so behandelt, als hätten sie sich auf einen angemessenen Preis geeinigt. Der DCFR und die UNIDROIT PICC hingegen geben dem Preis den Vorrang, der bei Vertragsabschluss allgemein für eine derartige Leistung in dem betreffenden Geschäftszweig unter vergleichbaren Umständen berechnet wird. Nur wenn ein solcher Preis nicht feststellbar ist, wird an zweiter Stelle auf das Kriterium des angemessenen Preises zurückgegriffen. Alle drei Regelwerke kennen auch eine dispositive Bestimmung in Bezug auf die Qualität der Leistung (so nur für Gattungsschulden z.B. Deutschland, Frankreich, Griechenland, Niederlande, Polen, Schweiz). Diese darf nicht unter dem Durchschnitt liegen (PECL, UNIDROIT PICC) und nach dem DCFR sogar nicht unter dem Niveau, das die andere Partei nach den Umständen vernünftigerweise zu erwarten berechtigt war.

Die Leistungsbestimmung kann durch Vereinbarung auch einer der Vertragsparteien oder einem Dritten überlassen werden (Leistungsbestimmung, nachträgliche). In diesem Falle finden die Regelwerke nur soweit Anwendung, als sie die Grenzen dieser Ermächtigung und deren Ausübung festlegen.

2. Modalitäten der Leistungs­erbringung

Kap. 7 PECL, Buch III, Kap. 2 DCFR und Kap. 6 der UNIDROIT PICC enthalten Regeln zu den Modalitäten der Leistungserbringung, die mangels vertraglicher Vereinbarung Anwendung finden. Die angebotenen Lösungsansätze stimmen größtenteils überein:

a) Leistungsort

Leistungsort ist der Ort, an dem die Leistungshandlungen zur richtigen Zeit vorgenommen werden müssen, damit der Schuldner mit dem Eintreten des beabsichtigten Erfolges von seiner Schuld befreit wird. In allen drei Regelwerken wird der Leistungsort nach der Art der Verpflichtung bestimmt (Art. 7:101 PECL; Art. III.-2:101 DCFR; Art. 6.1.6 UNIDROIT PICC): Für Geldschulden ist es die Niederlassung des Gläubigers (Bringschuld), für alle anderen Verpflichtungen die Niederlassung des Schuldners (Holschuld). Viele europäische Rechtsordnungen teilen den schuldnerfreundlichen Ansatz, als allgemeinen Leistungsort die Niederlassung des Schuldners festzusetzen (so etwa Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal, Schweiz). Hingegen ist es nicht genauso verbreitet, für Geldschulden eine Ausnahme zu machen und diese als Bringschulden zu gestalten (wie etwa in Griechenland, Italien, Niederlande, Portugal, Schweiz). Einige Länder z.B. unterscheiden zwischen Geldleistungen und anderen Leistungen gar nicht, so dass auch für diese die Niederlassung des Schuldners der Leistungsort ist (so etwa Deutschland, Frankreich, Österreich, Spanien; diese Lösung wurde auch im römischen Recht favorisiert). Eine Sonderbestimmung für Stückschulden, wonach diese dort zu leisten sind, wo sich ihr Gegenstand zur Zeit der Begründung des Schuldverhältnisses befunden hat, kann man in den Regelwerken nicht finden (so aber Frankreich, Niederlande, Schweiz oder das römische Recht: ibi dari debet ubi est).

In den UNIDROIT PICC und dem DCFR ist die Niederlassung zum Zeitpunkt der Leistung ausschlaggebend, so dass dieser sich nach Vertragsschluss ändern kann. Doch sind Mehrkosten, die durch einen solchen Wechsel entstehen, von der Partei zu tragen, die diese Änderung hervorgerufen hat. Die PECL hingegen gehen grundsätzlich von der Unabänderlichkeit des Leistungsortes aus, da sie ihn als die Niederlassung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses fixieren. Falls der Schuldner oder Gläubiger keine Niederlassung haben sollte, kann gemäß PECL und DCFR ersatzweise auf den gewöhnlichen Wohnsitz zurückgegriffen werden. Im Falle von mehreren Niederlassungen ist diejenige maßgebend, die unter Berücksichtigung der bei Vertragsschluss den Parteien bekannten oder von ihnen in Betracht gezogenen Umständen die engste Beziehung zum Vertrag aufweist.

b) Leistungszeit

Der Schuldner hat zu dem Zeitpunkt oder in dem Zeitraum zu leisten, der im Vertrag bestimmt oder aufgrund des Vertrages bestimmbar ist (Art. 7:102 PECL; Art. III.-2:102 DCFR; Art. 6.1.1 UNIDROIT PICC). Falls dem Schuldner ein Zeitraum zur Verfügung steht, kann er prinzipiell frei entscheiden, wann er leisten möchte, sofern sich aus den Umständen nicht ergibt, dass der Gläubiger den Zeitpunkt zu wählen hat.

Kann dem Vertrag nichts entnommen werden, muss der Schuldner in einer angemessenen Frist leisten. Diesen Ansatz teilt das englische Recht, während kontinentaleuropäische Rechtsordnungen eine sofortige Bewirkung der Leistung verlangen (etwa Deutschland, Griechenland, Italien, Niederlande, Schweiz und auch das römische Recht). Doch der Begriff der sofortigen Fälligkeit wird oft gestützt auf Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte ausgelegt, so dass die Ergebnisse nicht weit auseinander liegen. Wann genau die angemessene Frist anfängt zu laufen, wird in den Regelwerken unterschiedlich festgelegt. Überraschenderweise orientieren sich die PECL und die UNIDROIT PICC an der parallelen Regelung des CISG und setzen den Vertragsschluss als Anfangspunkt, was nur auf Verträge mit einmaligen Leistungshandlungen passt. Der Ansatz des DCFR, der eine Leistung in angemessener Frist ab Entstehung der Obligation vorsieht, scheint der bessere zu sein, da er auch auf nichtvertragliche Verhältnisse anwendbar ist, so wie auf vertragliche Obligationen, die erst nach Vertragsschluss entstehen.

Obwohl viele europäische Gesetzbücher (etwa in Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Schweiz und auch das römische Recht) davon ausgehen, dass im Zweifel die Bestimmung der Leistungszeit zugunsten des Schuldners wirkt, so dass die Schuld vor diesem Zeitpunkt zwar erfüllbar ist, aber nicht fällig wird, folgen die drei Regelwerke dieser Einstellung nicht. Der Gläubiger ist berechtigt, eine frühzeitige Leistung abzulehnen. Die einzige Ausnahme bildet der Fall, dass die Annahme der angebotenen Leistung die Interessen des Gläubigers nicht unangemessen beeinträchtigt. Sollte er wegen dieser Ausnahme verpflichtet sein, die vorzeitig angebotene Leistung anzunehmen, oder tut er dies freiwillig, so berührt dies aber nicht den Zeitpunkt seiner Gegenleistung. Ausnahmebestimmungen im acquis communautaire, wie z.B. im Bereich des Verbraucherkredits (Verbraucherkreditrecht der Gemeinschaft), sollten auch berücksichtigt werden, wo dem Verbraucher das Recht auf eine vorzeitige Rückzahlung unter rechtspolitischen Erwägungen besonders zuerkannt wird.

Eine letzte Bestimmung, die für die Bestimmung der Leistungszeit von Bedeutung sein kann, befasst sich mit der Reihenfolge der Leistungen bei synallagmatisch verknüpften Obligationen (Art. 7:104 PECL; Art. III.-2:104 DCFR; Art. 6.1.4 UNIDROIT PICC). Demnach sind die Parteien verpflichtet, ihre Leistungen gleichzeitig zu erbringen, soweit dies möglich ist und sich aus den Umständen nichts anderes ergibt. Alle drei Regelwerke gehen von dem Grundsatz aus, dass die gegenseitigen Leistungen Zug um Zug (do ut des) ausgetauscht werden müssen und keine Partei vorleistungspflichtig ist. Diese Regel muss als lex specialis in Bezug auf die Bestimmung der Leistungszeit der Gegenleistung angesehen werden. Ist nämlich in einem Vertrag nur für eine der Obligationen eine Leistungszeit vereinbart worden, so wird sich die Leistungszeit für die abhängige Gegenleistung zuerst nach der Regel bestimmen, die Simultaneität vorsieht. Die generelle dispositive Norm, dass die Leistung in angemessener Frist nach Vertragsschluss erfolgen muss, findet hier keine Anwendung.

c) Teilleistung

Parallel zum Ansatz vieler europäischer Gesetze (etwa Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Schweiz) geben die UNIDROIT PICC dem Gläubiger das Recht, Teilleistungen abzulehnen, außer wenn er kein berechtigtes Interesse an einer solchen Ablehnung hat. Falls er ausnahmsweise eine Teilleistung annehmen muss, so sind zusätzliche Kosten, die ihm dadurch entstanden sind, vom Schuldner zu tragen. Trotz fehlender Bestimmung in den PECL und dem DCFR wird man im Rahmen dieser Regelwerke auch zum Schluss kommen, dass Teilleistung Nichterfüllung bedeutet und somit die entsprechenden Rechtsbehelfe hervorruft.

d) Leistung durch andere als den Schuldner

Andere Personen als der Schuldner können auf verschiedenen Wegen am Leistungsvorgang mitwirken. Die von vielen europäischen Rechtsordnungen und auch den soft-law Instrumenten als unproblematisch erachtete Variante, ist die Hinzuziehung von Hilfspersonen mit Willen des Schuldners. Dies ist außer bei manchen höchstpersönlichen Leistungen grundsätzlich erlaubt, doch der Schuldner, der die Leistungshandlungen einer Hilfsperson anvertraut, bleibt weiterhin für die Befriedigung des Leistungsinteresses des Gläubigers verantwortlich (so etwa explizit Art. III.-2.106 DCFR).

Wieweit es jedoch Dritten erlaubt ist, aus eigenem Antrieb, unabhängig von einer Veranlassung des Schuldners zu leisten und die Befriedigung des Gläubigers zu bewirken, wird nicht einheitlich geregelt. Nach Art. 7:106 PECL ist der Gläubiger grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Drittleistung anzunehmen, d.h. dass eine Ablehnung keine Rechtsfolgen auslöst (anders etwa Deutschland, Italien, Niederlande, Schweiz). Diese Regel ist absolut, falls die Persönlichkeit des Schuldners für die Erfüllung der Schuld von Bedeutung ist. Ob eine solche höchstpersönliche Leistungspflicht gegeben ist, bestimmt sich nach der Parteivereinbarung, der Natur des Schuldverhältnisses oder nach dispositivem Recht. Sollte keine höchstpersönliche Leistungspflicht gegeben sein, so muss eine Drittleistung ausnahmsweise dann entgegengenommen werden, wenn der Schuldner dieser zugestimmt hat oder dann, wenn der Dritte ein berechtigtes Interesse an der Leistung hat und entweder der Schuldner die Leistung zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht erbracht hat oder offensichtlich ist, dass er sie nicht erbringen wird. In diesen Ausnahmefällen wird der Schuldner durch die Leistung eines Dritten befreit. Verweigert der Gläubiger die Annahme, können eventuell Nichterfüllungsfolgen zur Anwendung kommen sowie eine Möglichkeit der Hinterlegung gegeben sein.

Der DCFR hat die Regeln der PECL hinsichtlich der Drittleistung zwar übernommen, aber um einige Bestimmungen ergänzt. Demnach geht die Leistungspflicht auch unter, falls der Gläubiger eine Drittleistung angenommen hat, obwohl er dazu nicht verpflichtet war, d.h. keine von den Ausnahmen gegeben war. Doch in diesem Fall soll der Gläubiger dem Schuldner für die aus der Drittleitung entstehenden eventuellen Schäden haften. Der DCFR tendiert dadurch ganz offensichtlich in Richtung der Lösung derjenigen civil law-Systeme, in denen durch Drittleistung die Schuld entgegen dem Willen des Schuldners prinzipiell getilgt werden kann, während die PECL mehr auf eine Kompromisslösung mit dem englischen Recht bedacht zu sein scheinen, das eine befreiende Wirkung solcher Drittleistungen grundsätzlich verneint.

Anders als die PECL erwähnt der DCFR die Subrogation und die Abtretung als Ausnahmefälle, in denen trotz Leistung eines Dritten die Obligation nicht untergeht. Doch werden keine näheren Angaben darüber gemacht, wann konkret eine Subrogation eintritt.

3. Besondere Leistungsinhalte

a) Geldschuld

Barzahlung von Geldschulden bildet bis heute die allgemeine Regel in europäischen Rechtsordnungen (etwa Deutschland, England, Frankreich, Italien, Portugal, Spanien, Schweiz). Bargeldlose Zahlungsmethoden können grundsätzlich nur genutzt werden, falls eine ausdrückliche oder konkludente Parteiabrede vorhanden ist. Nur selten findet man wie in den Niederlanden eine Bestimmung über eine Zahlungsmöglichkeit durch Überweisung. PECL, DCFR und UNIDROIT PICC haben diesen inzwischen veralteten Ansatz nicht übernommen und erlauben dem Schuldner, seine Geldschuld in jeder Form, die im allgemeinen Geschäftsverkehr üblich ist, zu tilgen (Art. 7:107 PECL; Art. III.-2:108 DCFR; Art. 6.1.7 UNIDROIT PICC). Das bedeutet, dass er, auch wenn keine entsprechende vertragliche Abrede gegeben ist, auf alternative Zahlungsmethoden wie Überweisung oder Ausstellung eines Schecks als Erfüllungssurrogate (Erfüllung und ihre Surrogate) ausweichen kann. Die einzige Voraussetzung dafür ist, dass die Zahlungsmethode auch im Geschäftsverkehr verbreitet genutzt wird, was natürlich für den Gläubigerschutz von besonderer Bedeutung ist. Die UNIDROIT PICC verweisen hier offen auf den Geschäftsverkehr am Zahlungsort – eine Konkretisierung, die in den PECL und in dem DCFR fehlt. Trotzdem wird man auch für diese Regelwerke zu keinem anderen Ergebnis kommen.

Alle drei Regelwerke enthalten Bestimmungen über Fremdwährungsverbindlichkeiten (Währung). Sie stimmen darin überein, dass sie eine Tilgung von diesen Verbindlichkeiten ersatzweise (facultas alternativa) in der Währung des Zahlungsortes erlauben (so etwa auch Deutschland, Griechenland, Italien, Niederlande, Schweiz). Die Ersetzungsbefugnis des Schuldners entfällt jedoch, falls eine Zahlung in der Fremdwährung ausdrücklich vereinbart worden ist (effektive Valutaschuld). Die UNIDROIT PICC erwähnen eine eingeschränkte Konvertibilität der Währung des Zahlungsortes und das Unmöglichwerden der Zahlung in der vereinbarten Währung als weitere Gründe des Wegfalls der Ersetzungsbefugnis. Bei der ersten Variante muss in der vertraglichen Währung, bei der zweiten in der Währung des Zahlungsortes geleistet werden. Falls keine solchen Ausnahmen gegeben sind und der Schuldner eine Tilgung in der Währung des Zahlungsortes vorzieht, wird die Umrechnung nach dem Wechselkurs erfolgen, der zum Zeitpunkt der Fälligkeit an diesem Ort gilt. Sollte der Schuldner nicht rechtzeitig zahlen, so erkennen alle drei Regelwerke an, dass der Gläubiger zwischen den Umrechnungskursen bei Fälligkeit und zum Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung wählen kann. Dadurch soll vermieden werden, dass der Gläubiger das Risiko von Kursschwankungen nach Fälligkeit trägt. Doch der gewährte Schutz bleibt bei den UNIDROIT PICC ungenügend, da der Schuldner seine Ersetzungsbefugnis behält (Art. 6.1.9 (4)). Deswegen kann er weiterhin Leistung in Fremdwährung wählen mit der Folge, dass das Wahlrecht des Gläubigers hinsichtlich des Umrechnungszeitpunktes obsolet wird. Art. 7:108(3) PECL und Art. III.-2:109(3) DCFR hingegen geben dem Gläubiger auch das Recht, bei ausstehender Zahlung statt der Fremdwährungseinheit direkt Zahlung in der Währung des Zahlungsortes zu verlangen.

b) Alternative Leistungen

Falls in einem Schuldverhältnis mindestens zwei Leistungen alternativ geschuldet sind oder eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Leistungsmodalitäten gegeben ist, so muss bestimmt werden, wem das Wahlrecht zusteht. Ergibt sich aus dem Rechtsverhältnis nichts anderes, steht das Wahlrecht nach Art. 7:105 PECL und dem DCFR der zur Leistung verpflichteten Partei zu. Eine parallele, subsidiäre Regelung ist in vielen kontinentaleuropäischen Gesetzen zu finden (etwa Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Polen, Schweiz, Spanien) und geht auf das römische Recht zurück, wonach die Unbestimmtheit der Leistung dem Schuldner zugute kommt (favor debitoris).

Weniger einheitlich sind jedoch die Lösungen für den Fall einer Verzögerung bei der Ausübung des Wahlrechts. Manche Länder lassen die üblichen Nichterfüllungsfolgen eintreten (etwa Schweiz), manche geben dem Gläubiger das Recht, eine Frist zu setzen, nach deren erfolglosem Ablauf das Wahlrecht auf den Gläubiger übergeht (etwa Polen), manche verlangen eine gerichtliche Fristsetzung (etwa Italien), und manche wiederum lassen das Wahlrecht nach einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. dem Beginn der Zwangvollstreckung in Deutschland und Griechenland) automatisch auf den Gläubiger übergehen. PECL und DCFR ziehen es auch vor, das Wahlrecht auf den Gläubiger übergehen zu lassen, doch der relevante Zeitpunkt unterscheidet sich. Nach den PECL ist der Ablauf der für die Wahl vertraglich vorgesehenen Frist relevant, während der DCFR auf den (oft späteren Moment) der Fälligkeit abstellt. In beiden Regelwerken wird nach der Wesentlichkeit der Verzögerung differenziert: Ist es eine wesentliche, so geht das Wahlrecht sofort auf den Gläubiger über, ist es eine unwesentliche, so muss zuerst eine zusätzliche Frist von angemessener Dauer gesetzt werden, nach deren erfolglosem Ablauf erst das Wahlrecht auf die andere Partei übergeht.

Keines der soft-law Instrumente enthält eine Regelung hinsichtlich der anfänglichen oder nachträglichen Unmöglichkeit einer der alternativ geschuldeten Leistungen, obwohl entsprechende Regelungen etwa im französischen oder deutschem Rechtskreis zu finden sind.

Literatur

Joachim Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, 2. Aufl. 1994; Wolfgang Ernst, Die Verpflichtung zur Leistung in den Principles of European Contract Law und in den Principles of International Commercial Contracts, in: Jürgen Basedow (Hg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, 129 ff.; Helmut Koziol, Rudolf Welser, Grundriss des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, 12. Aufl. 2001, Kap. 3; J.G.J Rinkes, Kap. 7: Performance, in: Danny Busch, Ewoud H. Hondius, Hugo J. van Kooten, Harriët N. Schelhaas, Wendy M. Schrama (Hg.), The Principles of European Contract Law and Dutch Law, 2002, 291 ff.; Ewan McKendrick, Performance and Discharge, in: Hugh Beale (Hg.), Chitty on Contracts, 29. Aufl. 2004, Kap. 21; Arianna Pretto-Sakmann, Valentina M. Donini, Performance (Art. 7:101–105 und Art 7:106–112), in: Luisa Antoniolli, Anna Veneziano (Hg.), Principles of European Contract Law and Italian Law, 2005, 332 ff.; François Terré, Philippe Simler, Yves Lequette, Les obligations, 9. Aufl. 2005, 1179 f.; 1255 ff.; Ingeborg Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2006, §§ 6–10.

Abgerufen von Leistungspflicht, Inhalt der – HWB-EuP 2009 am 10. Dezember 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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