UNIDROIT

Aus HWB-EuP 2009

von Herbert Kronke

1. Geschichte, Aufgaben, Mitgliedstaaten

Das Internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts, besser bekannt als UNIDROIT, der Kurzform des französischen Namens Institut International pour l’Unification du Droit Privé, wurde im Jahre 1926 als eine von sechs Spezialorganisationen des Völkerbundes (bureaux) gegründet. Die Initiative ging auf Vittorio Scialoja, Professor für römisches Recht und Senator, zurück. Bereits das Gründungsstatut von 1926 (wie das geltende i.d.F. von 1993) umschreibt die Aufgabe der Organisation als „Harmonisierung und Koordinierung des Privatrechts der Staaten und Staatengruppen mit dem Ziel der schrittweisen Vereinheitlichung des Privatrechts“. Der Rat des Völkerbundes ernannte den Direktionsrat des Instituts, während Italien die um einen bedeutenden Bibliotheksanbau erweiterte historische Villa Aldobrandini sowie die Mittel für den laufenden Haushalt bereitstellte. Mit der offiziellen Einweihung in Anwesenheit von König Viktor Emmanuel III und seines Ministerpräsidenten Benito Mussolini und der ersten Sitzung des Direktionsrates nahm das Institut am 30.5.1928 seine Arbeit auf. Ernst Rabel, unter dessen Leitung ebenfalls im Jahre 1926 das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Berlin (heute Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg) errichtet worden war, war Mitglied des ersten Direktionsrats. Er wirkte auf eine Konzentration der Kräfte auf die Arbeiten zur Vereinheitlichung des Rechts des Warenkaufs hin (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)). Im Übrigen standen das Wechsel- und das Scheckrecht (kulminierend in den Genfer Übereinkommen von 1930 und 1931, die Schiedsgerichtsbarkeit (Schiedsrecht, staatliches; Schiedsverfahren, internationales) und die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen (Unterhalt) auf der Tagesordnung. Auf dem Höhepunkt der Arbeiten am Kaufrecht verließen Italien und Deutschland den Völkerbund. Die erzwungene Emigration Ernst Rabels sowie der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs setzten ihnen ein vorläufiges Ende.

UNIDROIT fand seine neue verfassungsmäßige Grundlage als unabhängige intergouvernementale Organisation in einem multilateralen Vertrag, dem Statut von 1940, welches noch im selben Jahr für 23 Mitgliedstaaten in Kraft trat. Dass freilich substantielle Arbeit geleistet wurde und die neue Organisation zunächst mehr als eine formale Hülse war, ist nicht belegt.

Während bis in die 1960er Jahre die europäischen Mitgliedstaaten sowohl zahlenmäßig als auch unter dem Gesichtspunkt der aktiven Mitarbeit dominierten (lediglich Japan und einige lateinamerikanische Staaten repräsentierten außereuropäische Weltregionen von Anbeginn), ist die Organisation heute mit 63 Mitgliedstaaten in allen Regionen der Welt tatsächlich eine globale. Die beiden jüngst (2008) beigetretenen, Saudi Arabien und Indonesien, sind besonders signifikante Beispiele für die weltweit zunehmende Attraktivität der Teilnahme an gemeinsamen Bemühungen um Rechtsreform.

Eine Erwähnung verdienende Besonderheit ist, dass erstmals im Jahre 1988 im Rahmen von UNIDROIT erarbeitete internationale Instrumente auch den Namen der Organisation in ihrer Bezeichnung führen (UNIDROIT Übereinkommen über internationales Factoring [Factoring] und UNIDROIT Übereinkommen über internationales Leasing [Leasing] , Ottawa 1988). Zuvor war das Selbstverständnis eher das eines wissenschaftlichen Forums, in dessen Rahmen Übereinkommen konzipiert und durch Expertenhand ausgearbeitet wurden, um sie sodann zum Zwecke der Verabschiedung an andere Organisationen (z.B. UNO und deren Unterorganisationen, Europarat, Haager Konferenz für IPR) abzugeben. Hervorragende Beispiele für diese intellektuelle Zuarbeiterrolle sind das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) von 1956 sowie die beiden Haager Kaufrechtsübereinkommen von 1964 (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)).

2. Rechtlicher Status, Sprachen

UNIDROIT ist eine unabhängige intergouvernementale Organisation, basierend auf dem Statut i.d.F. von 1993. Danach „genießt das Institut im Gebiet aller Mitgliedstaaten die Rechtsfähigkeit, welche zur Ausübung seiner Funktionen und zur Erfüllung seiner Zwecke erforderlich ist. Vorrechte und Immunitäten des Instituts und seiner Beamten und Vertreter regeln mit den Mitgliedstaaten abzuschließende Vereinbarungen.“ Von zentraler Bedeutung ist das Sitzstaatabkommen mit der Italienischen Republik von 1966 i.d.F. einer Reihe von Ergänzungsvereinbarungen, zuletzt von 1995. Gerichtsbarkeit über interne Streitigkeiten, namentlich in Angelegenheiten des Dienstrechts, hat das UNIDROIT-Verwaltungsgericht, dessen Richter von der Generalversammlung gewählt werden.

Mit den Vereinten Nationen (UNO) besteht ein Kooperationsabkommen. Ebenso mit einer Reihe anderer internationaler und regionaler Organisationen.

Gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Statuts sind die Amtssprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch, eine Auswahl, die auf die Rolle deutscher, italienischer und spanischsprachiger Wissenschaftler in den ersten Jahrzehnten der Institutsgeschichte hindeutet. Die Arbeitssprachen sind heute ausschließlich Englisch und Französisch. Bestimmte Instrumente liegen indes auch in den übrigen Amtssprachen sowie einer Vielzahl anderer Sprachen vor.

3. Organisationsstruktur

Das Statut sieht drei Organe vor: die Generalversammlung, den von ihr gewählten Direktionsrat und das Sekretariat.

Die Generalversammlung als oberstes Organ des Instituts setzt sich zusammen aus den Vertretern aller (derzeit 63) Mitgliedstaaten; sie werden vertreten durch ihren Botschafter in Italien oder einen von diesem delegierten Diplomaten. Präsident ist der Botschafter eines Mitgliedstaates aus einer nach dem Rotationssystem jährlich wechselnden Weltregion. Die Zuständigkeit ist eine allgemeine, doch sind die wichtigsten Kompetenzen die Verabschiedung des Haushalts, des jeweils dreijährigen Arbeitsprogramms sowie die alljährliche Anpassung und Billigung des in einer Wechselbeziehung zu beiden stehenden Strategischen Plans wie schließlich – und von herausragender Bedeutung – die alle fünf Jahre erfolgende Wahl der Mitglieder des Direktionsrats. Die Generalversammlung beschließt zudem die internen Verwaltungsvorschriften über Haushalts- und Finanzangelegenheiten, Personalstruktur und Dienstrecht. Ein Finanzausschuss, zuständig für die Budgetplanung, sowie ad hoc – z.B. zur Beratung von Novellierungen der Verwaltungsvorschriften – eingesetzte Ausschüsse arbeiten der Generalversammlung zu. Diese tritt einmal jährlich in ordentlicher Sitzung zusammen. Sie kann ferner zu außerordentlichen Sitzungen einberufen werden, wie etwa im November 2008, als sie in gemeinsamer Sitzung mit einem Regierungsexpertenausschuss (s.unten 5.) das Modellgesetz zum Leasing verabschiedete.

Der Direktionsrat ist das eigentümlichste, UNIDROIT von anderen intergouvernementalen Organisationen unterscheidende Organ. Seiner Zusammensetzung, seinen Aufgaben und seiner Arbeitsweise verdankt die Organisation ihre historische Bezeichnung „Gelehrtenrepublik“. 25 auf fünf Jahre gewählte Mitglieder sowie ein ehrenamtlicher, von der italienischen Regierung ernannter Präsident formulieren die strategischen Ziele, beraten und unterbreiten der Generalversammlung Vorschläge für das Arbeitsprogramm, nehmen Weichenstellungen in der Entwicklung der einzelnen Arbeitsvorhaben vor und treffen die wesentlichen personalpolitischen Entscheidungen auf der Ebene des Sekretariats. Zum vom Sekretariat vorgelegten Haushaltsentwurf gibt der Rat eine Empfehlung ab. Typischerweise sind die Mitglieder bedeutende Rechtswissenschaftler oder hochrangige Richter oder Ministerialbeamte bzw. Diplomaten. Jede Regierung folgt bei der Aufstellung ihres Kandidaten ihren jeweils eigenen Traditionen, wobei in jüngerer Vergangenheit eine Tendenz zu stärkerer Präsenz der Regierungen selbst feststellbar ist. Nach ihrem Selbstverständnis übten Ratsmitglieder, wenngleich als Kandidaten von ihrer Regierung aufgestellt, ihr Amt nicht als deren Vertreter, sondern in ihrer persönlichen Eigenschaft als Experten der Materie und weisungsunabhängig aus. Solange das betreffende Ratsmitglied – wie überkommenerweise im Fall der kontinentaleuropäischen Staaten, Chinas, Japans oder Australiens – an verantwortlicher Stelle tätiger Regierungsbeamter war, war der Unterschied nur ein scheinbarer. Handelte es sich indessen um eine auf ihre richterliche oder wissenschaftliche Unabhängigkeit Wert legende Persönlichkeit, verringerte dieses die Effektivität der Kommunikation zwischen Mitgliedstaat und Organisation. Die oben erwähnte Tendenzwende bei der Auswahl von Kandidaten dürfte unter anderem eine Reaktion darauf sein. Der Preis erhöhter Effektivität besteht unter Umständen in reduzierter Originalität und Wissenschaftlichkeit inhaltlicher und programmatischer Diskussion im Rahmen des Direktionsrates.

Das Sekretariat ist das Exekutivorgan. Der Generalsekretär wird vom Direktionsrat auf Vorschlag des Präsidenten für eine jeweils fünfjährige Amtszeit gewählt. Der Vorschlag des Präsidenten beruht auf der Entscheidung einer Findungskommission, welche einen mit einer internationalen Ausschreibung beginnenden Auswahlprozess abschließt. Dem Sekretariat gehören ein oder zwei Stellvertretende Generalsekretäre, ein Stab von Juristen, welche in den unterschiedlichsten Ländern und Rechtskreisen ihre Ausbildung empfangen haben, sowie schließlich qualifiziertes Bibliotheks- und Sekretariatspersonal an. Im Jahre 2008 waren 12 Nationalitäten im Sekretariat vertreten. Der Generalsekretär ist zugleich Sekretär der Generalversammlung, des Direktionsrates sowie aller von UNIDROIT einberufener Diplomatischer Konferenzen. Zu den Aufgaben des Sekretariats gehören: (1) die Organisation sämtlicher legislatorischer und diese vorbereitende Arbeiten: Entgegennahme und Prüfung von Vorschlägen, die seitens der Mitgliedstaatenregierungen, der Wirtschaft und der Wissenschaft angeregt werden, einschließlich Bedarfsanalysen, Machbarkeitsstudien, Gutachten als Entscheidungshilfen für den Direktionsrat und die Generalversammlung usw.; (2) Zusammenstellung von Arbeitsgruppen, insbesondere Auswahl geeigneter Mitglieder, Vor- und Nachbereitung von deren Sitzungen, Unterstützung des Vorsitzenden; (3) Organisation von Sitzungen der Regierungsexpertenkommissionen, einschließlich der Erstellung vorbereitender Entwürfe, Erläuterungsberichte usw., der Protokollführung und der Erstellung von Sitzungsberichten; (4) Vorbereitung und Organisation der Durchführung zur Verabschiedung internationaler Übereinkommen einberufener Diplomatischer Konferenzen; (5) Promotion fertiggestellter Instrumente und Hilfestellung bei deren Implementierung. Das Sekretariat ist ferner für die Durchführung der nichtlegislatorischen Aktivitäten verantwortlich. Die – neben den Arbeitsvorhaben – ressourcenintensivste Tätigkeit ist die Pflege der Beziehungen zu den Regierungen der Mitgliedstaaten, von Staaten, welche für einen Beitritt interessiert werden können, sowie zu anderen intergouvernementalen und nicht-gouvernementalen Organisationen. Eine enge Kooperation und Koordination der Arbeiten mit den unmittelbar „verwandten“ Organisationen Haager Konferenz für IPR und UNCITRAL und dort durchgeführten Vorhaben genießt höchste Priorität. Das Sekretariat vertritt UNIDROIT bei den Sitzungen der beiden genannten sowie bei allen anderen internationalen und regionalen Organisationen, bei denen für die eigene Arbeit relevante Projekte durchgeführt werden, mit Beobachterstatus.

4. Organisation der Mitarbeit seitens der Mitgliedstaaten

Während die Botschaften bzw. Handelsmissionen der Mitgliedstaaten in Italien örtliche Schaltstelle etwa für die kontinuierliche Mitarbeit im Finanzausschuss und der Generalversammlung sind, findet sich in den Regierungszentralen ein breites Spektrum von Organisationsmodellen für die inhaltliche Mitarbeit. Das für UNIDROIT prinzipiell zuständige Ministerium ist das Außenministerium (so etwa in der Mehrzahl der lateinamerikanischen Mitgliedstaaten, einigen europäischen Staaten, darunter Griechenland und Italien, sowie in Indien, Südafrika und den Vereinigten Staaten), das Justizministerium bzw. der Attorney General (Beispiele sind Australien, die Mehrzahl der kontinentaleuropäischen Staaten, Japan, Kanada oder Nigeria) oder das Handels-, Industrie- oder ein sonstiges für Handels- und Wirtschaftsrecht zuständiges Ministerium (so in China, Polen, der Russischen Föderation und dem Vereinigten Königreich). Ausschlaggebend ist insoweit offenbar, ob das Justizministerium, wie in Deutschland, eine umfassende Gesetzgebungszuständigkeit hat oder, wie z.B. in Italien, im Wesentlichen auf die Rechtspflege im engeren Sinne und den Strafvollzug fokussiert zuständig ist.

Üblicherweise ist es das genannte, erstzuständige Ministerium, welches für die jeweilige Regierung die interne Koordination, einschließlich jener mit der Wirtschaft und ihren Verbänden durchführt. Insoweit schlagen sich fundamentale unterschiedliche Ansätze und Prioritätensetzungen allerorten spürbar nieder. Die effektivste Mitarbeit leisten und den größten Einfluss auf die Ergebnisse nehmen erfahrungsgemäß solche Staaten, die zum einen ihre Politiken und Standpunkte für sämtliche privat- und wirtschaftsrechtlich relevanten Aktivitäten in sämtlichen Organisationen (von UNIDROIT und seinen „Schwestern“ bis zur Weltbank und regionalen Entwicklungsbanken, dem Weltwährungsfonds, der OECD sowie den regionalen Organisationen der wirtschaftlichen Integration) an einer Stelle konzentriert formulieren und zum zweiten für eine kontinuierliche Präsenz auch der Interessen des privaten Sektors in den internen Vorbereitungen und sodann den Verhandlungsdelegationen sorgen.

5. Arbeitsweise

Die Organisation der Arbeitsprozesse ist dank der äußerst geringen Regelungsdichte einer unabhängigen Organisation extrem flexibel. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen praktizierten Ansätzen folgt aus der Entscheidung, ob ein Vorhaben zur Verabschiedung eines internationalen Übereinkommens, also eines Staatsvertrages (hard law), führen soll oder zu einer der Varianten von soft law wie Modellgesetzen, „Allgemeinen Prinzipien“, Anleitungen für Gesetzgeber oder für die Transaktionspraxis usw.

Vorschläge aus dem Kreise der Regierungen der Mitgliedstaaten, anderer internationaler Organisatoren, der Zentralbanken, der Wirtschaft, der Wissenschaft oder von Mitgliedern des Direktionsrates, welche in das Arbeitsprogramm aufgenommen worden sind, werden, nach vom Sekretariat selbst oder in seinem Auftrag extern durchgeführten Vorarbeiten (Machbarkeitsstudien, rechtsvergleichende Gutachten, Gutachten zu erwartbaren wirtschaftlichen Auswirkungen usw.) zunächst einer ausschließlich aus unabhängigen Sachverständigen (Wissenschaftlern und hervorragenden Praktikern) bestehenden Arbeitsgruppe überwiesen. Neben Exzellenz ist das einzige Kriterium das Bestreben, Expertise aus den wichtigsten Rechtskreisen bzw. den von den Arbeiten potentiell meistbetroffenen oder profitierenden Ländern zu versammeln. Traditionell waren diese Gruppen sehr klein (vier bis sieben Experten), neuerdings und wenn vom Gegenstand (z.B. Kreditsicherungs-, Finanz- und Kapitalmarktrecht) her als förderlich erachtet, werden bis zu 14 Experten zur Mitwirkung eingeladen. Das Ergebnis – z.B. ein Positionspapier, ein erster Abkommenstextentwurf – wird sodann dem Direktionsrat zur Prüfung vorgelegt und, bei positivem Ausgang derselben, an einen Regierungsexpertenausschuss überwiesen. Erst in dieser zweiten Phase werden die Regierungen der Mitgliedstaaten unmittelbar beteiligt. Internationale Organisationen, internationale Wirtschaftsdachverbände und Nichtmitgliedstaaten können als Beobachter eingeladen werden. Auch das Ergebnis dieser Phase – meist ein bereits reifer Abkommensentwurf – zu prüfen und gutzuheißen, obliegt dem Direktionsrat. Billigt er es, wird der Entwurf von einer Diplomatischen Konferenz endgültig beraten und verabschiedet. Gastgeber einer solchen ist ein Mitgliedstaat (von 1988 bis 2008 Kanada, Italien, Südafrika, Luxemburg, Schweiz), zur Teilnahme eingeladen werden alle UN-Mitgliedstaaten und relevante internationale Organisationen. Der von einer solchen Konferenz verabschiedete Text muss dann entsprechend den jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorgaben ratifiziert und innerstaatlich umgesetzt werden.

Seit den 1980er Jahren bedient man sich – vorausgesetzt, der Gegenstand erlaubt oder verlangt dieses – vermehrt der vielen Varianten nicht-verbindlicher Instrumente. Das Flaggschiff auf diesem Feld sind die „UNIDROIT Grundsätze der internationalen Handelsverträge“, besser bekannt unter ihrem englischen Titel UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts (erste Version 1994; zweite, erweiterte Version 2004; dritte, erneut erweiterte, Version geplant für 2010). Dieses internationale Restatement wird ohne jede Beteiligung der Regierungen durch eine Gruppe von 17 (2004) bzw. 21 (dritte Version) Experten (Rechtswissenschaftler, eminente Praktiker und Richterpersönlichkeiten unter Beteiligung der wichtigsten Organisationen der Schiedsgerichtsbarkeit) entwickelt. Ein abgeschlossener Entwurf von black-letter rules und kommentierendem Erläuterungstext wird dem Direktionsrat zur Prüfung und Annahme vorgelegt.

Die beiden bislang im Rahmen von UNIDROIT erarbeiteten Modellgesetze, das Modellgesetz über Informationspflichten beim Franchising von 2002 (Franchising) und das Modellgesetz über Leasing von 2008 (Leasing) wurden in der den Arbeiten im engen Expertenkreis folgenden Phase 2 im Rahmen eines Regierungsexpertenausschusses zu Ende beraten und verabschiedet. Im letztgenannten Fall war der Ausschuss zur Verabschiedung in gemeinsamer Sitzung mit der Generalversammlung zusammengetreten, um die politische Bedeutung – vor allem für den intendierten Nutzerkreis, Entwicklungsländer und Transitionsökonomien – zu unterstreichen.

Eine Anleitung für Master Franchise-Vereinbarungen erlaubte eine noch informellere Strukturierung des Arbeitsprozesses. Sie wurde von einer kleinen Arbeitsgruppe formuliert, und der Direktionsrat autorisierte lediglich die Publikation.

Wichtig ist zur Vermeidung von Doppelarbeit und zwecks Ressourcenschonung die Koordination mit anderen intergouvernementalen Organisationen. Im Verhältnis zur Haager Konferenz für IPR und UNCITRAL geschieht dies einerseits durch wechselseitige Präsenz in den Sitzungen der Schwesterorganisationen, andererseits durch jährliche Treffen der Generalsekretäre, die der Information über und der Feinabstimmung betreffend den geplanten Arbeitsfortgang in den verschiedenen Projekten dienen. Zurzeit wird ein gemeinsamer Leitfaden über die dem Kreditsicherungsrecht (Mobiliarsicherheiten) aller drei Organisationen gewidmeten Instrumente erarbeitet.

Die möglichst zweckrationale Koordinierung mit Arbeiten regionaler Organisationen mit verwandten Aufgaben (z.B. Organisation Amerikanischer Staaten – OAS; Organisation pour l’Harmonisation du Droit des Affaires en Afrique – OHADA; Gemeinsamer Markt des Südens – MERCOSUR/MERCOSUL; unter Umständen in der Zukunft weitere in Afrika und Asien) wird dann komplex und schwierig, wenn es sich – wie bei der Europäischen Union/Europäischen Gemeinschaft – um eine supranationale Organisation mit ihr von ihren Mitgliedstaaten übertragenen Gesetzgebungskompetenzen handelt. Hier bedarf es vor allem der Einigkeit über die Reichweite der Zuständigkeiten der Organisation und eines klaren Verhandlungsmandats für die Kommission (Gesetzgebungskompetenz der EG/‌EU). Ferner der Einsicht der Europäer, dem Rest der Welt nicht deswegen Zeitpläne und Inhalte diktieren zu können, weil der Gegenstand etwa im Rahmen des Binnenmarkts größerer Regelungstiefe zugänglich oder bedürftig ist.

6. Wichtige Instrumente

Von den seit den 1920er Jahren durchgeführten über 75 Projekten (Studies) können nicht einmal alle in Kraft getretenen genannt werden (vollständige Liste bis 2004 bei Lena Peters). Hervorzuheben sind die CMR (1956 – in Kooperation mit UN/ECE und ICC [ Internationale Handelskammer ]); die beiden Haager Kaufrechtsübereinkommen, Vorgänger der CISG (1964); die Übereinkommen über internationales Factoring und internationales Leasing (1988); UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts (1994, 2004); Übereinkommen über die Rückgabe gestohlener und illegal exportierter Kulturgüter (1995; Kulturgüter); Guide on International Master Franchise Arrangements (1998, 2008); Übereinkommen von Kapstadt über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung (Mobiliarsicherheiten) mit Protokoll über Rechte an Flugzeugen usw. (2001 – in Kooperation mit ICAO); Luxemburger Protokoll über Rechte an Eisenbahnrollmaterial (2007 – in Kooperation mit OTIF); ALI/UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procedure (2004; Prozessrechtsharmonisierung); Entwurf eines Einheitlichen Vertragsgesetzes für die Mitgliedstaaten der OHADA (2004/2007); Entwurf eines Übereinkommens über intermediärverwahrte Wertpapiere (erste Session Diplomatische Konferenz 2008, Abschluss 2009; Finanzintermediär; Märkte für Finanzinstrumente; Verwahrung (Wertpapiere)); Modellgesetz Leasing (2008).

7. Nichtlegislatorische Aktivitäten

Die im Statut selbst als Aufgabe festgeschriebene Bibliothek hat einen Bestand von ca. 300.000 Bänden und repräsentiert trotz permanenter Unterfinanzierung speziell auf dem Gebiet der Rechtsvereinheitlichung nach wie vor Weltniveau. Unter den Publikationen ragt die Uniform Law Review/Revue de droit uniforme (New Series 1996 ff.) heraus. Die dem Institut assoziierte Datenbank UNILEX ist den Contract Principles und der CISG gewidmet. Eine weitere namens UNILAW mit Schwerpunkt Transportrecht ist im Aufbau begriffen. UNIDROITs Rechtshilfeprogramm ruht auf den Pfeilern Stipendien, die jungen Regierungsbeamten, Wissenschaftlern, Richtern usw. aus Entwicklungsländern und Transitionsökonomien Studienaufenthalte in Rom ermöglichen, und Assistenz im Bereich der Entwicklung und Implementierung von einheitlichem Privat- und Wirtschaftsrecht in solchen Staaten.

Literatur

Ernst Rabel, On Institutes of Comparative Law, in Hans Georg Leser (Hg.), Ernst Rabel, Gesammelte Aufsätze III, 1967, 235 ff.; René David, The international unification of private law, in: IECL II, Kap. 5, 1969; Riccardo Monaco, L’unification du droit dans le cadre d’Unidroit (1926-1986), Uniform Law Review 1986, 46 ff.; Gonzalo Parra-Arranguren, La importancia del Instituto para la Unificación del Derecho Privado (UNIDROIT) en la futura uniformidad juridica del hemisferio americano, Revista de la Facultad de Ciencias Jurídicas y Políticas, 1992, 34 ff.; Peter Winship, Introduction to Harmonization of Private Law, in: Introduction to Transnational Legal Transactions, 1995, 159 ff.; Walter Rodinò, Malcolm Evans and UNIDROIT: A Chronology, Uniform Law Review 1998, 249 ff.; Pierre Widmer, The International Institute for the Unification of Private Law: Ship-Yard for World-Wide Unification of Private Law, European Journal of Law Reform 1999, 181 ff.; Walter Rodinò, UNIDROIT, Digesto, IV Edizione, Discipline Privatistiche – Sezione Civile, Aggiornamento, 2000, 742 ff.; Herbert Kronke, Ziele – Methoden, Kosten – Nutzen: Perspektiven der Privatrechtsharmonisierung nach 75 Jahren UNIDROIT, Juristenzeitung 2001, 1149 ff.; Lena Peters, International Institute for the Unification of Private Law (UNIDROIT), in: Roger Blanpain, Jan Wouters (Hg.), International Encyclopedia of Laws, Intergovernmental Organizations, Bd. 2, Suppl. 23, 2005; Herbert Kronke, Methodical Freedom and Organizational Constraints in the Development of Transnational Commercial Law, Loyola Law Review 51 (2005) 287 ff.; Roy Goode, Herbert Kronke, Ewan McKendrick, Transnational Commercial Law: Text, Cases and Materials, 2007, Kap. 5.

Abgerufen von UNIDROIT – HWB-EuP 2009 am 30. Oktober 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

Die hier veröffentlichten Artikel unterliegen exklusiven Nutzungsrechten der Rechteinhaber des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht und des Verlages Mohr Siebeck; sie dürfen nur für nichtkommerzielle Zwecke genutzt werden. Nutzer dürfen auf die öffentlich frei zugänglich gemachten Artikel zugreifen, diese herunterladen, Ausdrucke anfertigen und Kopien der Dateien anfertigen. Weiterhin dürfen Nutzer die Artikel auszugsweise übersetzen und im Rahmen von wissenschaftlicher Arbeit zitieren, sofern folgende Anforderungen erfüllt werden:

  • Nutzung zu nichtkommerziellen Zwecken
  • Erhalt der Text-Integrität des Artikels und seiner Bestandteile
  • Zitieren der Fundstelle gemäß wissenschaftlichen Standards unter Angabe von Autoren, Stichworttitel, Werkname, Jahr der Veröffentlichung (siehe Zitiervorschlag).