Factoring

Aus HWB-EuP 2009

von Franco Ferrari

1. Wirtschaftlicher Zweck des Factoring

Das Factoring, dessen moderne Ausprägung ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten hat, stellt eine vor allem für kleine und mittelständische Betriebe attraktive Alternative zu herkömmlichen Finanzierungsformen dar. Sie ermöglicht es Betrieben, Liquiditätsschwierigkeiten zu vermeiden, die sich daraus ergeben, dass diese oft nur geringes Eigenkapital haben und daher auf den Einsatz ihrer Außenstände angewiesen sind, mit ihren Abnehmern oft aber lange Zahlungsziele vereinbaren. Das Factoring erlaubt diesen Betrieben demnach, nicht auf den Eingang ihrer Außenstände mit mehr oder weniger langen Zahlungszielen warten zu müssen, wodurch zum Beispiel die Aufnahme von Krediten zur Überwindung der erwähnten Liquiditätsschwierigkeiten und die Verpfändung der Forderungen vermieden werden können. Die sich daraus ergebende Liquidität kann etwa zum Abbau von Verbindlichkeiten genutzt werden, wodurch die Bilanz verkürzt und die Eigenkapitalquote erhöht wird, was wiederum zu einem besseren Rating führen kann.

Neben dieser Finanzierungs- bzw. Liquiditätsfunktion, die oft ausschlaggebend ist für die Aufnahme einer Factoringverbindung und die eine umsatzkongruente, also von eventuell bestehenden Kreditgrenzen der eigenen Bank unabhängige Finanzierung garantiert, hat das Factoring auch eine Service-, Dienstleistungs- bzw. Verwaltungsfunktion. Diese Funktion erlaubt es den Betrieben nicht nur, sich auf ihre vorrangigen Aufgaben (nämlich Beschaffung, Produktion und Verkauf), also auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren, sondern auch Personal und Sachmittel einzusparen. Die mit dieser Funktion einhergehenden Tätigkeiten umfassen alle (aus der Sicht der Betriebe im Grunde branchenfremde) Aktivitäten, die auf die Bezahlung – seitens des Schuldners – der Außenstände zielen bzw. diese erleichtern. Dazu gehören ohne weiteres die Rechnungsstellung, formlose oder förmliche Mahnungen, Mahnbescheide, Klageerhebung, Prozessführung, die Zwangsvollstreckung sowie die Debitorenbuchhaltung.

Außerdem kann das Factoring auch eine Risikoabsicherungsfunktion haben, und zwar dann, wenn der Factor – in der Regel nur nach vorheriger und sehr eingehender Prüfung der Kreditwürdigkeit der Kunden seines Klienten – das Bonitäts- oder Ausfallrisiko übernimmt. Die Übernahme dieses Risikos seitens des Factor, die nur bei bestimmten Formen des Factoring erfolgt, schließt aus, dass dieser bei Uneinbringbarkeit der abgetretenen Forderung gegen seinen Kunden Regreß nehmen kann, der bei dieser Form des Factoring daher lediglich für den Bestand der Forderungen haftet. Der Vorteil bei diesen Formen des Factoring liegt für die Kunden des Factor unter anderem darin, dass sie größere Risiken bei der Einräumung von Krediten an ihre Klienten eingehen können.

Natürlich bringt die Übernahme der erwähnten Funktionen durch den Factor für die Kunden auch Kosten mit sich, die je nach Kombination der übernommenen Funktionen unterschiedlich hoch sein können. Diese lassen sich aber grundsätzlich im Voraus bestimmen, was die Planungssicherheit der Kunden erhöht und den Vergleich dieser Kosten mit bei mangelnder Forderungsabtretung anfallenden Kosten (wie etwa durch nicht wahrgenommene Skonti und Einkaufsvorteile, durch das Überziehen des Kreditrahmens bei der Hausbank, durch sich aus schlechtem Rating ergebende ungünstige Konditionen bei der Bank oder durch Aufwand bei der Forderungsverwaltung entstehende Kosten) erleichtert und so die Wahl zwischen Factoring und anderen Finanzierungsformen vereinfacht.

2. Definition und Erscheinungsformen

Eine Legaldefinition des Factoringvertrags findet sich nur in wenigen europäischen Rechtsordnungen. Beispielhaft sei auf das estnische Recht verwiesen, das in § 256 des Schuldrechtsgesetzes vom 26.9.2001 den Factoringvertrag definiert als den Vertrag, aufgrund dessen sich „eine Partei (Factorkunde) verpflichtet einer anderen Partei (Factor) Geldforderungen gegen Dritte (Schuldner) abzutreten, die sich aus einem Vertrag ergeben, kraft dessen der Factorkunde im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit an den Schuldner Waren verkauft oder Dienste leistet, und sich der Factor verpflichtet (1) die Geldforderung zu bezahlen und das Risiko der Nichterfüllung zu tragen, oder (2) dem Kunden Kredit zu gewähren, die Forderung für den Kunden zu verwalten, wozu auch die Organisation der Buchführung gehört, die sich aus der Forderung ergebende Recht auszuüben und die Forderung einzutreiben“.

Auch in anderen europäischen Rechtsordnungen finden sich Legaldefinitionen des Factoringvertrags. So wird der Factoringvertrag etwa in § 1 Abs. 1 Ziff. 16 des österreichischen Bundesgesetzes über das Bankwesen vom 7.7.1993 definiert, das 1993 das damals das Bankwesen regelnde Kreditwesengesetz vom 24.1.1979 ablöste, dessen § 1 Abs. 2 Ziff. 13 bereits eine Definition des Factoringvertrags enthielt. Dies erlaubt jedoch nicht, von einem Trend in Richtung normativer Typisierung des Factoring zu sprechen. In den meisten europäischen Rechtsordnungen ist der Factoringvertrag nämlich trotz seiner Verkehrstypizität und weiten Verbreitung (etwa in Frankreich und Deutschland) auch weiterhin ein Innominatvertrag, also ein normativ vom Gesetzgeber nicht aufgegriffener Vertrag. Dies ist insoweit vorteilhaft, als dass es erlaubt, eine – flexible – Umschreibung anzustreben, unter die die verschiedenen von der Praxis entwickelten Erscheinungsformen des Factoring subsumiert werden können. Auf der anderen Seite führt aber gerade diese Flexibilität zum Fehlen einer allgemein anerkannten, einheitlichen Definition. Da den eingangs erwähnten Funktionen des Factoring von Lehre und Rechtsprechung bei Versuchen der Begriffsbestimmung ein unterschiedliches Gewicht beigemessen wird, und dies nicht nur in den verschiedenen Rechtsordnungen, sondern auch innerhalb ein und derselben Rechtsordnung, ist dies aber nicht weiter verwunderlich.

Aus dem soeben Gesagten ergibt sich, dass lediglich eine die verschiedenen Funktionen des Factoring nicht gegeneinander abwägende Definition allgemeine Geltung beanspruchen kann. Im Ergebnis kann der Factoringvertrag daher definiert werden als der Vertrag, durch den oder auf dessen Grundlage der Lieferant (bzw. Anschlusskunde) in der Regel kurzfristige Geldforderungen gegen Dritte (Schuldner) entgeltlich an den Factor (oder Zessionar) überträgt, und dieser sich zur Übernahme von mindestens zwei der oben genanten Funktionen, nämlich Finanzierungs-, Dienstleistungs- und Risikoabsicherungsfunktion, verpflichtet.

Diese Definition mag auf den ersten Blick sehr vage und daher nur wenig praxisrelevant anmuten, ist es aber nicht, erlaubt sie es doch, den Factoringvertrag von anderen Vertragstypen abzugrenzen, etwa vom Forfaiting, also dem An- bzw. Verkauf einer in der Regel einzelnen, abgesicherten Geldforderung mit längerer Laufzeit, bei dem bekanntlich das Risiko der Zahlungsunfähigkeit bzw. ‑willigkeit des Schuldners, genauso wie das Kursrisiko, immer dem Forderungskäufer auferlegt wird. Beim Forfaiting steht also die Kreditsicherungsfunktion im Vordergrund; wie sich unschwer aus der obigen Definition ergibt, muss dem beim Factoring nicht unbedingt so sein. Dies schließt nicht aus, dass der Factor bei bestimmten Arten des Factoring diese Funktion übernimmt. Dies trifft etwa beim echten Factoring zu, bei dem der Factor – neben der Dienstleistungsfunktion und (grundsätzlich auch) der Finanzierungsfunktion – das Risiko der wirtschaftlichen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (aber nicht das der Nichtzahlung aus politischen Gründen oder wegen Schlechtleistung des Kunden) übernimmt, mit der Folge, dass der Kunde nur für den Bestand der Forderung haftet. Beim unechten Factoring, hingegen, übernimmt der Factor sowohl Finanzierungs- als auch Dienstleistungsfunktion, nicht jedoch die Risikoabsicherungsfunktion, weshalb der Kunde bei dieser Art des Factoring auch für die Durchsetzbarkeit der Forderungen haftet.

Auch die anderen eingangs genannten Funktionen des Factoringvertrags müssen nicht notwendigerweise vorliegen, damit von Factoringvertrag gesprochen werden kann, solange der Factor sich zur Erfüllung von insgesamt zwei der erwähnten Funktionen verpflichtet. So liegt Factoring selbst bei fehlender Übernahme der Finanzierungsfunktion vor; in der Tat fehlt diese Funktion beim Fälligkeitsfactoring, bei dem der Factor erst bei Fälligkeit bzw. Zahlungseingang zahlt, also ohne Bevorschussung, die der Factor beim Factoring im Vorschussverfahren hingegen leistet, sobald die Verität der Forderungen feststeht und die Bonität des Schuldners überprüft ist.

Die verschiedenen Erscheinungsformen des Factoring werden aber nicht nur auf der Grundlage der möglichen Kombinationen der vom Factor übernommenen Funktionen bzw. Leistungen differenziert, sondern auch danach, ob dem Schuldner die erfolgte Abtretung angezeigt werden muss (bzw. wird) oder nicht, was zur Differenzierung zwischen offenem und stillem bzw. verdecktem Factoring führt. Der Unterschied liegt darin, dass der Schuldner bei stillem Factoring in der Regel weiterhin an den Lieferanten befreiend zahlen kann, der Lieferant also das Weiterleitungsrisiko trägt. Bei dem viel weiter verbreiteten offenen Factoring, hingegen, nimmt die Offenlegung des Gläubigerwechsels durch einen sich auf genau bestimmte Forderungen gegen den Schuldner beziehenden, meist auf den Rechnungen erscheinenden Vermerk diesem die Möglichkeit, befreiend an den Lieferanten zu zahlen, was für den Factor insoweit vorteilhaft ist, als er vor Falschleistung an den Lieferanten geschützt ist.

3. Einzelausgestaltung des Factoring

Trotz der oben erwähnten Verkehrstypizität des Factoring wird der Factoringvertrag in den verschiedenen Rechtsordnungen bisweilen unterschiedlich geregelt, was mit den unterschiedlichen nationalen Regelungen der Forderungsabtretung zusammenhängt, auf denen die Regeln des Factoring in den meisten – aber eben nicht allen (Frankreich, Belgien) – Rechtsordnungen beruhen. Der wohl größte Unterschied betrifft die Rechtsfolgen der Abtretung von mit einem Abtretungsverbot behafteten Forderungen, auf das Schuldner vor allem deshalb bestehen, weil sie glauben, dass das Abtretungsverbot ihnen ein in der Regel unbeschränktes Aufrechungsrecht gewährleistet und es ihnen erlaubt, nicht einer bei Abschluss des Grundvertrags unübersehbaren Anzahl von Gläubigern gegenüber zu stehen. Dem ist aber nicht unbedingt so, denn nur in wenigen Rechtsordnungen hat ein Abtretungsverbot absolute Wirkung; in nur wenigen Rechtsordnungen führt das Abtretungsverbot also zur Unwirksamkeit einer abredewidrig vorgenommenen Zession sowohl zwischen den Parteien als auch gegenüber Dritten. Dies ist etwa in den Niederlanden und in Deutschland der Fall, letzteres aber nur, soweit § 399 BGB nicht durch den spezielleren, im Jahre 1994 eingeführten § 354a HGB verdrängt wird, der eine Abtretung zwischen Kaufleuten i.S.v. §§ 1 ff. HGB trotz Abtretungsverbots für wirksam erklärt, soweit sie Geldforderungen zum Gegenstand hat, die sich nicht aus einem Darlehehnsvertrag ergeben, deren Gläubiger ein Kreditinstitut im Sinne des Kreditwesengesetzes ist (eine Einschränkung, die durch das Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken – Risikobegrenzungsgesetz – vom 12.8.2008 eingeführt worden ist). Somit hat der deutsche Gesetzgeber die gemäß § 399 BGB absolute Wirkung eines Abtretungsverbots relativiert und so die Kreditfinanzierung vor allem von kleinen und mittelständischen Betrieben erleichtert. In den meisten anderen europäischen Rechtsordnungen hat ein Abtretungsverbot aber von vorneherein lediglich Wirkung zwischen den Parteien (Frankreich, Italien) – wenn überhaupt (England).

Auch in Bezug auf die mehrfache Abtretung derselben Forderungen sind große Unterschiede ersichtlich: In einigen Rechtsordnungen bestimmt ein Publizitätsakt, welcher der verschiedenen Zessionare Gläubiger ist. Dies ist etwa in Italien der Fall, wo es zur Bestimmung des Gläubigers allein auf die zeitliche Priorität der an den Schuldner gemachten Anzeige oder der von diesem in einer bestimmten Form angenommenen Abtretung ankommt (Art. 1265 Abs. 1 Codice civile). Gleiches gilt auch für das englische Recht, sofern der Zessionar nicht bereits vor Anzeige Kenntnis von der konkurrierenden Abtretung erlangt hat (vgl. Dearle v. Hall (1823) 3 Russ. 1 (HL)). In anderen Rechtsordnungen, wie etwa der deutschen und der französischen – zumindest bei einer Abtretung auf der Grundlage der Loi Dailly –, kommt es hingegen auf den Zeitpunkt der Abtretung an.

Auch hinsichtlich des Übergangs des Eigentumsvorbehaltes, der als Nebenrecht eine abzutretende Forderung sichert, gibt es Unterschiede: Während in Frankreich und Italien eine Abtretung den Eigentumsvorbehalt automatisch übergehen lässt, ist nach deutschem Recht eine gesonderte Vereinbarung erforderlich. Im englischen Recht folgen Nebenrechte grundsätzlich nicht automatisch der Hauptforderung, weshalb bei einer Forderungsabtretung die relevanten Sicherungs- und Vorzugsrechte ausdrücklich in die Abtretung eingeschlossen werden müssen.

Schließlich sei noch erwähnt, dass während in einigen Staaten die Wirksamkeit einer Abtretung gegenüber Dritten grundsätzlich von einem Registereintrag abhängt, nach deutschem Recht die Wirksamkeit gegenüber Dritten nicht nur keines Registereintrages bedarf, sondern auch keiner Anzeige, die hingegen nach italienischem Recht (alternativ zur Annahme der Abtretung seitens des Schuldners oder, wenn das italienische Factoring-Gesetz von 1991 anwendbar ist, zur Erbringung – zu einem nachweisbaren Zeitpunkt – seitens des Zessionars der für die Abtretung vereinbarten Gegenleistung) erforderlich ist. In Bezug auf das französische Recht ist hervorzuheben, dass weder im Falle einer Abtretung nach der Loi Dailly noch im Falle von subrogations eine formelle Anzeige notwendig ist.

4. Rechtsvereinheitlichung

Aus dem soeben Gesagten ergibt sich unschwer, dass der Factoringvertrag bisweilen sehr unterschiedlichen nationalen Regeln unterstellt ist. Dies führt dann zu Rechtsunsicherheit, wenn das Factoringgeschäft Bezüge zu mehr als einem Staat aufweist; dies kann sich negativ auf die Bereitschaft der Unternehmen auswirken, auf die hier dargestellte Finanzierungsform zurückzugreifen. Um die Rechtssicherheit zu erhöhen und somit den international tätigen Unternehmen den Rückgriff auf das Factoring zu erleichtern, hat das Internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT) das UNIDROIT Übereinkommen über internationales Factoring erarbeit, das 1988 in Ottawa verabschiedet worden ist und am 1.5.1995 in Kraft getreten ist.

Ausgangspunkt der Regelung ist die in Art. 1 festgeschriebene Definition des Factoringvertrags, wonach Factoringvertrag der zwischen dem Lieferanten und dem Factor geschlossene Vertrag ist, auf Grund dessen ersterer an den Factor sich aus Warenkauf- oder Dienstleistungsverträgen ergebende Forderungen abtreten kann oder muss, und der Factor mindestens zwei der folgenden Aufgaben zu erfüllen hat: Finanzierung des Lieferanten, Buchhaltung, Einziehung der Forderungen, Schutz gegen Nichtzahlung oder verspätete Zahlung der Schulden. Trotz dieser sehr weit gefassten Definition der dem Übereinkommen unterliegenden Factoringverträge fallen nicht alle Arten des „sozial typischen“ Factoring in den Anwendungsbereich des Übereinkommens. Da Art. 1 des Übereinkommens auch zur Anzeige der Forderungsabtretung verpflichtet, fällt das so genannte „stille“ Factoring nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens. Gleiches gilt auch für das sog. Invoice Discounting, das etwa in Großbritannien von Factoringinstituten betrieben wird.

Was den Gegenstand der vom Übereinkommen erfassten internationalen Factoringverträge angeht, ist vielfach darauf hingewiesen worden, dass diese sowohl die Abtretung einzelner als auch einer Masse bestehender oder künftiger Forderungen zum Gegenstand haben können (Art. 5). Damit wollten die Konventionsgeber unter anderem sicherstellen, dass der für das Factoring charakteristischen Globalzession bestehender und zukünftiger Forderungen nicht, wie in einigen Rechtsordnungen (wie zum Beispiel der niederländischen), die Wirksamkeit versagt wird. An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass das Übereinkommen auch im Verhältnis zu einigen Rechtsordnungen innovativ ist, welche die Globalzession künftiger Forderungen durchaus anerkennen. So ist zum Beispiel die Globalabtretung künftiger Forderungen in Italien ausdrücklich im Gesetz vom 21.2.1991, Nr. 52, vorgesehen. Im Gegensatz zum italienischen Factoring-Gesetz sieht das Übereinkommen aber nicht vor, dass die künftigen Verträge, aus denen sich die (künftigen) Forderungen ergeben, innerhalb einer Zweijahresfrist nach der Abfassung des Factoringvertrages abgeschlossen werden müssen.

In Bezug auf den Geltungsbereich des Übereinkommens muss hervorgehoben werden, dass das Übereinkommen sich nicht mit allen Fragen beschäftigt, die sich aus einem Factoringvertrag ergeben können. Das Übereinkommen regelt vielmehr nur einige – wenn auch wichtige – Fragen, wie etwa die Wirksamkeit einer abredewidrigen Zession (Art. 6), den Übergang von Nebenrechten (Art. 7), die Auswirkungen einer Abtretungsanzeige auf die Zahlungspflicht des Schuldners (Art. 8), die Frage, welche Einwendungen der Schuldner geltend machen kann (Art. 9), und die Frage nach den dem Schuldner bei Schlechtleistung des Lieferanten gegenüber dem Factor zustehenden Rückforderungsansprüchen (Art. 10).

Zu den vom Übereinkommen nicht geregelten (wichtigen) Fragen gehören hingegen: die Priorität mehrerer Gläubiger einer Forderung, die Abgeltung der gegenseitigen Leistungen, die Insolvenz eines Beteiligten, sowie die Kollision einer Factoring-Globalzession mit der Globalzession im Rahmen des verlängerten Eigentumsvorbehalts, genauso wie Fragen des allgemeinen Vertragsrechts („innerer“ und „äußerer“ Konsens, etc.). Diese Fragen müssen, da sie im Übereinkommen nicht geregelt sind, unter Rückgriff auf das über den üblichen kollisionsrechtlichen Weg zu bestimmende anwendbare (nationale) Recht gelöst werden, ein Umstand, der dem vom Übereinkommen angestrebten Vereinheitlichungseffekt durchaus abträglich ist. Um ebendiesen Rückgriff auf nationales Recht zu vermeiden, haben die Verfasser des noch nicht in Kraft getretenen, von UNCITRAL erarbeiteten Übereinkommens über die Abtretung von Forderungen im internationalen Handel vom 12.12. 2001, das auch auf Factoringverträge Anwendung finden kann, einige dieser Fragen ausdrücklich geregelt. Aber auch die Verfasser dieses Übereinkommens konnten den Rückgriff auf nationales Recht nicht gänzlich ausschließen; im Gegensatz zu den Verfassern des Factoringübereinkommens haben sie jedoch zumindest einheitliche IPR-Regeln vorgesehen, um so die Rechtsunsicherheit bei internationalen Forderungsabtretungen zu reduzieren.

Literatur

Ermanno Calzolaio, Il factoring in Europa, 1997; Javier Garcia de Enterria, Contrato de factoring y cesion de creditos, 2. Aufl. 1995; Jean-Pierre Deschanel, Laurent Lemoine, L’affacturage, 1993; Jürgen Basedow, Internationales Factoring zwischen Kollisionsrecht und UNIDROIT-Konvention, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 5 (1997) 615 ff.; Karl F. Hagenmüller, Klaus Bette (Hg.), Handbuch des nationalen und internationalen Factoring, 3. Aufl. 1997; Christoph Häusler, Das UNIDROIT Übereinkommen über internationales Factoring (Ottawa 1988) unter besonderer Berücksichtigung seiner Anwendbarkeit: Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom internationalen Einheitsrecht, 1998; Franco Ferrari, Il factoring internazionale, 1999; Francesco Santi, Il factoring, 1999; Klaus Bette, Factoring, 2001; Noel Ruddy, Simon Mills, Nigel Davidson, Salinger on Factoring: The Law and Practice of Invoice Finance, 4. Aufl. 2005; Mauro Bussani, Marta Infantino, Cessione del credito e factoring, 2006.

Abgerufen von Factoring – HWB-EuP 2009 am 19. März 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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