UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts: Unterschied zwischen den Versionen

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<nowiki>Eine solche Übereinstimmung ist jedoch nicht immer zu finden. Dementsprechend beabsichtigen die UNIDROIT PICC in erster Linie, „ein brauchbares Regelwerk zur Verfügung zu stellen für Rechtsverhältnisse, die per Definition grenzüberschreitend sind, während herkömmliche nationale Gesetze im Wesentlichen auf den Bedürfnissen normaler inländischen Rechtsverhältnisse begründet sind; ... [folglich] sollte das Regelwerk nicht in erster Linie versuchen, letztere miteinander in Einklang zu bringen, sondern die Grundsätze und Lösungen niederlegen, die den besonderen Bedürfnisse des internationalen Handels am besten gerecht werden.“ So formulieren viele ihrer Regeln nicht bereits anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze, sondern stellen lediglich Vorschläge dafür dar, was von nun an die beste Regelung für ein spezifisches Problem sein und durch </nowiki>den Gebrauch in der Praxis zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz erstarken könnte.
<nowiki>Eine solche Übereinstimmung ist jedoch nicht immer zu finden. Dementsprechend beabsichtigen die UNIDROIT PICC in erster Linie, „ein brauchbares Regelwerk zur Verfügung zu stellen für Rechtsverhältnisse, die per Definition grenzüberschreitend sind, während herkömmliche nationale Gesetze im Wesentlichen auf den Bedürfnissen normaler inländischen Rechtsverhältnisse begründet sind; ... [folglich] sollte das Regelwerk nicht in erster Linie versuchen, letztere miteinander in Einklang zu bringen, sondern die Grundsätze und Lösungen niederlegen, die den besonderen Bedürfnisse des internationalen Handels am besten gerecht werden.“ So formulieren viele ihrer Regeln nicht bereits anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze, sondern stellen lediglich Vorschläge dafür dar, was von nun an die beste Regelung für ein spezifisches Problem sein und durch </nowiki>den Gebrauch in der Praxis zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz erstarken könnte.


Der offizielle Kommentar zu den UNIDROIT PICC keinerlei Bezüge auf die zur Erarbeitung herangezogenen nationalen Rechtsordnungen wegen der Befürchtung, dies könne ihre nach Art. 1.6(1) gebotene autonome einheitliche Auslegung untergraben. Lediglich dort, wo Regeln dem CISG entnommen wurden, wurde dies angegeben. Dadurch ist häufig nicht klar, ob einzelne Regeln international anerkannte Rechtsgrundsätze widerspiegeln oder ob sie neue Lösungen anbieten. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsvergleichung ein unabdingbares Werkzeug für die praktische Anwendung der UNIDROIT PICC, zumal die bisher auf http://www.unilex.info (zuletzt abgerufen am 29.4.2009) publizierten Entscheidungen, die sich mit den UNIDROIT PICC beschäftigen, quantitativ (und teilweise auch qualitativ) noch sehr spärlich sind. Es ist Aufgabe der Wissenschaft, die (noch) relativ blutleeren UNIDROIT PICC durch Vergleich und Gegenüberstellungen mit den Lösungen der nationalen Vertragsrechte und der internationalen Instrumente mit Leben zu füllen, sie verständlicher, zugänglicher und damit für die Praxis nutzbarer zu machen. Nur durch Kritik und Klarstellung ihrer Lösungen kann ihnen zu der Überzeugungskraft und Legitimität verholfen werden, auf die sie mangels staatlichen Rechtsanwendungsbefehls angewiesen sind.
Der offizielle Kommentar zu den UNIDROIT PICC keinerlei Bezüge auf die zur Erarbeitung herangezogenen nationalen Rechtsordnungen wegen der Befürchtung, dies könne ihre nach Art. 1.6(1) gebotene autonome einheitliche Auslegung untergraben. Lediglich dort, wo Regeln dem CISG entnommen wurden, wurde dies angegeben. Dadurch ist häufig nicht klar, ob einzelne Regeln international anerkannte Rechtsgrundsätze widerspiegeln oder ob sie neue Lösungen anbieten. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsvergleichung ein unabdingbares Werkzeug für die praktische Anwendung der UNIDROIT PICC, zumal die bisher auf <nowiki>http://www.unilex.info</nowiki> (zuletzt abgerufen am 29.4.2009) publizierten Entscheidungen, die sich mit den UNIDROIT PICC beschäftigen, quantitativ (und teilweise auch qualitativ) noch sehr spärlich sind. Es ist Aufgabe der Wissenschaft, die (noch) relativ blutleeren UNIDROIT PICC durch Vergleich und Gegenüberstellungen mit den Lösungen der nationalen Vertragsrechte und der internationalen Instrumente mit Leben zu füllen, sie verständlicher, zugänglicher und damit für die Praxis nutzbarer zu machen. Nur durch Kritik und Klarstellung ihrer Lösungen kann ihnen zu der Überzeugungskraft und Legitimität verholfen werden, auf die sie mangels staatlichen Rechtsanwendungsbefehls angewiesen sind.


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Aktuelle Version vom 23. November 2021, 22:00 Uhr

von Jan Kleinheisterkamp

1. Konzeption

Die unter der Schirmherrschaft von UNIDROIT geschaffenen Principles of International Commercial Contracts (UNIDROIT PICC) sind die Früchte des bisher erfolgreichsten Projekts, Regeln über das Recht der internationalen Handelsverträge zu erarbeiten. Das Projekt sieht sich in der Tradition der lex mercatoria und verfolgt den Ansatz der US-amerikanischen Restatements auf globaler Ebene. Seine Ursprünge können bis auf Ernst Rabels Arbeiten zum internationalen Warenkauf (Einheitsrecht) zurückverfolgt werden. Nach den Haager Übereinkommen von 1964 zur Einführung einheitlicher Kaufgesetze, an deren Ausarbeitung UNIDROIT bereits maßgeblich beteiligt war, propagierte UNIDROIT 1968 die Idee eines über das Kaufrecht hinausgehenden, unverbindlichen Codex, der die aus den Rechten verschiedener Länder extrahierten gemeinsamen Vertragsrechtsprinzipien widerspiegelt und der eine Art Allgemeiner Teil eines Uniform International Commercial Code darstellen könnte.

Die Arbeiten begannen 1970 unter der Führung von René David (Frankreich), Clive M. Schmitthoff (England) und Tudor Popescu (Rumänien). 1978 legte dieser Ausschuss Entwürfe zu einheitlichen Regeln über den Vertragsschluss (basierend auf dem Haager Einheitsrecht) und über Vertragsauslegung vor, die teilweise ihren Weg in das Wiener Kaufrechtsübereinkommen von 1980 (CISG) von UNCITRAL gefunden haben. Aus dem kleinen Ausschuss wurde 1980 eine wesentlich umfangreichere Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz seines vormaligen Sekretärs, Michael Joachim Bonell. Diese Arbeitsgruppe erarbeitete in 14 Jahren ein Regelwerk, welches das Vertragsrecht von Beginn der Verhandlungen bis hin zur Nichterfüllung umspannt. Die erste Fassung der UNIDROIT PICC mit 119 Artikeln und dazu gehörigen Erklärungen wurde Anfang 1994 fertiggestellt und von UNIDROIT veröffentlicht. Nachdem die erste Fassung der UNIDROIT PICC durchweg positive Kritiken erhalten hatte, wurde 1997 eine neue Arbeitsgruppe zu ihrer Erweiterung eingesetzt, welche die zweite Fassung 2004 vorlegte. Die existierenden Grundregeln wurden inhaltlich praktisch nicht geändert. Vielmehr wurden in erster Linie neue Abschnitte hinzugefügt.

Erwähnenswert ist, dass die UNIDROIT PICC nicht nur in Wechselwirkung mit dem CISG, sondern vor allem auch mit den Principles of European Contract Law (PECL) entstanden sind. Etliche Mitglieder der UNIDROIT PICC Arbeitsgruppe waren auch Mitglieder der PECL Kommission, nämlich Bonell, Ole Lando, Ulrich Drobnig, Arthur Hartkamp, Denis Tallon und nunmehr auch Reinhard Zimmermann. Die deutsche Übersetzung der Fassung von 2004 erfolgte unter der Leitung von Zimmermann auch mit dem Ziel, sprachlich soweit wie möglich Einklang zwischen den beiden Regelwerken zu gewährleisten.

2. Methode

Hinsichtlich der Arbeitsmethode zur Erarbeitung der international einheitlichen Regeln war von Anfang an klar, dass als Ausgangspunkt rechtsvergleichende Studien verschiedener nationaler Rechtsordnungen (Rechtsvergleichung), einschließlich ihrer Gesetzgebung, Rechtsprechung und wissenschaftlichen Literatur, dienen würden. Sofern übereinstimmende nationale Lösungen für spezifische vertragsrechtliche Problematiken gefunden werden können, erlaubt dies die Formulierung allgemeiner Regeln, die den gemeinsamen Kerngehalt (common core) des internationalen Vertragsrechts widerspiegeln. Insoweit stellen die UNIDROIT PICC ähnlich wie die US-amerikanischen Restatements keine (primäre) Rechtsquelle dar, sondern eine (sekundäre) Rechtserkenntnisquelle, die den Zugriff auf die darin widergespiegelten international anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze des Vertragsrechts in systematischer Form erlaubt.

Eine solche Übereinstimmung ist jedoch nicht immer zu finden. Dementsprechend beabsichtigen die UNIDROIT PICC in erster Linie, „ein brauchbares Regelwerk zur Verfügung zu stellen für Rechtsverhältnisse, die per Definition grenzüberschreitend sind, während herkömmliche nationale Gesetze im Wesentlichen auf den Bedürfnissen normaler inländischen Rechtsverhältnisse begründet sind; ... [folglich] sollte das Regelwerk nicht in erster Linie versuchen, letztere miteinander in Einklang zu bringen, sondern die Grundsätze und Lösungen niederlegen, die den besonderen Bedürfnisse des internationalen Handels am besten gerecht werden.“ So formulieren viele ihrer Regeln nicht bereits anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze, sondern stellen lediglich Vorschläge dafür dar, was von nun an die beste Regelung für ein spezifisches Problem sein und durch den Gebrauch in der Praxis zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz erstarken könnte.

Der offizielle Kommentar zu den UNIDROIT PICC keinerlei Bezüge auf die zur Erarbeitung herangezogenen nationalen Rechtsordnungen wegen der Befürchtung, dies könne ihre nach Art. 1.6(1) gebotene autonome einheitliche Auslegung untergraben. Lediglich dort, wo Regeln dem CISG entnommen wurden, wurde dies angegeben. Dadurch ist häufig nicht klar, ob einzelne Regeln international anerkannte Rechtsgrundsätze widerspiegeln oder ob sie neue Lösungen anbieten. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsvergleichung ein unabdingbares Werkzeug für die praktische Anwendung der UNIDROIT PICC, zumal die bisher auf http://www.unilex.info (zuletzt abgerufen am 29.4.2009) publizierten Entscheidungen, die sich mit den UNIDROIT PICC beschäftigen, quantitativ (und teilweise auch qualitativ) noch sehr spärlich sind. Es ist Aufgabe der Wissenschaft, die (noch) relativ blutleeren UNIDROIT PICC durch Vergleich und Gegenüberstellungen mit den Lösungen der nationalen Vertragsrechte und der internationalen Instrumente mit Leben zu füllen, sie verständlicher, zugänglicher und damit für die Praxis nutzbarer zu machen. Nur durch Kritik und Klarstellung ihrer Lösungen kann ihnen zu der Überzeugungskraft und Legitimität verholfen werden, auf die sie mangels staatlichen Rechtsanwendungsbefehls angewiesen sind.

3. Anwendbarkeit und Bedeutung

In welcher Form die UNIDROIT PICC in einem spezifischen Fall zur praktischen Anwendung kommen können, hängt von der jeweiligen lex fori des mit der Frage ihrer Anwendbarkeit befassten Gerichts ab. Dabei ist der Anwendungswille der UNIDROIT PICC, wie er in ihrer Präambel zum Ausdruck kommt, als solcher rechtlich irrelevant.

a) Wahl der UNIDROIT PICC als anwendbares Recht

Die Anwendung der UNIDROIT PICC auf eine Streitigkeit ist unproblematisch, soweit ihre Wahl lediglich eine materiellrechtliche ist, d.h. dass sie durch Verweisung als vorformulierte Klauseln in den Vertrag übernommen werden (wie z.B. auch die Incoterms) und dementsprechend dem zwingenden Recht der anwendbaren Rechtsordnung unterworfen sind. Ihre Anwendbarkeit im Wege einer echten kollisionsrechtlichen Rechtswahl ist dagegen problematischer, zumindest vor staatlichen Gerichten. Abgesehen vom IPR des US-amerikanischen Bundesstaates Oregon erlaubt nämlich noch keine Rechtsordnung die Wahl nichtstaatlichen Rechts zur Anwendung vor staatlichen Gerichten. Ein ursprünglicher Vorschlag der europäischen Kommission für die 2008 in Kraft getretene Rom I-VO (VO 593/2008) sah vor, „Parteien ... als anzuwendendes Recht auch auf internationaler oder Gemeinschaftsebene anerkannte Grundsätze und Regeln des materiellen Vertragsrechts wählen [zu lassen]“. Dies scheiterte jedoch am Widerstand der Mitgliedstaaten, u.a. wegen der Schwierigkeiten, Kriterien für die Anerkennung solcher Regelwerke im Allgemeinen aufzustellen, und wegen Befürchtungen, staatliches zwingendes Rechts zu untergraben.

Zumindest die europäischen Rechtsordnungen gestatten es jedoch den Parteien, ihre Streitigkeit im Schiedsverfahren beilegen zu lassen und somit wegen des Verbots der révision au fond staatlichen Gerichten weitgehend zu entziehen (Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche). Im Rahmen des Schiedsverfahrens ist es den Parteien möglich, nicht nur staatliches Recht, sondern auch nichtstaatliche Regelwerke als anwendbares Recht zu wählen, was bereits als Erst-Recht-Schluss aus der Möglichkeit folgt, den Schiedsrichtern zu erlauben, nach Billigkeit (ex aequo et bono) zu entscheiden. Im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit ist somit eine kollisionsrechtliche Wahl der UNIDROIT PICC als anwendbares Recht möglich.

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Wahl der UNIDROIT PICC nicht zur Umgehung staatlicher Eingriffsnormen mit legitimem Anwendungswillen benutzt werden darf (Art. 1.4). Ferner sind die UNIDROIT PICC notwendigerweise unvollständig. Dementsprechend bietet die zweite Variante der Modelklausel zur Wahl der UNIDROIT PICC in der Fußnote zur Präambel den Parteien die Möglichkeit, die UNIDROIT PICC durch die Wahl einer bestimmten Rechtsordnung zu ergänzen. Fehlt es an einer solchen subsidiären Rechtswahl muss das Schiedsgericht zur Lückenfüllung gemäß Art. 1.6(2) zunächst versuchen, ggf. mit Hilfe der Rechtsvergleichung allgemeine Rechtsgrundsätze herauszuarbeiten. Ist dies nicht möglich, ist das anwendbare Recht gemäß den Vorschriften zur Lückenfüllung der anwendbaren Schiedsregeln zu bestimmen.

b) Anwendung der UNIDROIT PICC mangels ausdrücklicher Wahl

Die Präambel der UNIDROIT PICC ermutigt Schiedsrichter ferner, die UNIDROIT PICC anzuwenden, wenn die Parteien die Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze, der lex mercatoria oder ähnliches gewählt haben. Der implizite Anspruch, die UNIDROIT PICC würden durchweg allgemeine Rechtsgrundsätze oder gar die lex mercatoria selbst widerspiegeln, ist theoretisch eher zweifelhaft. Jedoch mag sich der Anspruch langfristig bewahrheiten in dem Maße, in dem sie dank ihrer überwiegend überzeugenden Lösungen und der damit einhergehenden relativen Rechtssicherheit in der Praxis an Akzeptanz gewinnen.

Darüber hinaus lädt die Präambel der UNIDROIT PICC dazu ein, sie auf Fälle anzuwenden, in denen die Parteien schlichtweg keine Rechtswahl getroffen haben. Die meisten Schiedsgesetze erlauben den Parteien, die Bestimmung des anwendbaren Rechts dem Schiedsgericht zu überlassen (Schiedsrecht, staatliches). Dementsprechend sind Schiedsgerichte nach den meisten institutionellen Schiedsregeln und nach einigen nationalen Gesetzen ermächtigt, nicht nur Rechtsordnungen („law“) sondern auch Rechtsregeln („rules of law“) für die Parteien zu wählen. Zwar kann nicht vermutet werden, die Parteien hätten durch ihr Schweigen zum anwendbaren Recht jegliches staatliches Recht abwählen wollen, da das Schweigen ebenso als Abwahl nichtstaatlichen Rechts gedeutet werden könnte. Jedoch kann ein Schiedsgericht, je nach den Umständen des Falles, durchaus zum Ergebnis kommen, dass z.B. gescheiterte Rechtswahlverhandlungen ein Hinweis dafür sind, dass die Wahl eines staatlichen Rechts eine der Parteien unberechtigt bevorzugen und dass das neutrale Regelwerk der UNIDROIT PICC der fehlenden Einigung der Parteien gerechter würde.

c) Auslegung und Ergänzung nationalen und internationalen Rechts

Unter den wenigen veröffentlichten Schiedssprüchen sind diejenigen, die ausdrücklich auf den UNIDROIT PICC beruhen, noch relativ rar. Doch haben die UNIDROIT PICC in der Praxis bereits eine beachtliche Bedeutung für die Auslegung und Ergänzung sowohl internationaler Instrumente, insbesondere des CISG, als auch nationalen Rechts, soweit es auf internationale Verträge anzuwenden ist. Staatliche Gerichte haben sich gelegentlich in eklektischer Weise der UNIDROIT PICC bedient, um Fortbildungen in ihrem eigenem Recht zu rechtfertigen und zu untermauern. Schiedsgerichte wenden sich gern den UNIDROIT PICC zu, um sich einen ersten Überblick über ihnen unbekannte Rechtsordnungen zu verschaffen oder um die nach solchen Rechtsordnungen gefunden Ergebnisse mit Verweis auf international anerkannte Prinzipien zu flankieren. Allerdings birgt die Attraktivität der UNIDROIT PICC leider auch die Gefahr, sie bewusst oder unbewusst zu missbrauchen, um einen tieferen Einstieg in das anwendbare Recht oder gar seine eigentlichen Lösungen zu vermeiden, wie vereinzelte Schiedssprüche und Gerichtsurteile zeigen.

d) Der Modellcharakter der UNIDROIT PICC

Schließlich sieht die Präambel der UNIDROIT PICC vor, dass sie als Modell für nationale und internationale Gesetzgeber dienen können. In der Tat wird heute kaum ein Gesetzgeber, der das allgemeine Vertragsrecht novellieren möchte, die UNIDROIT PICC ignorieren können, auch wenn diese nicht die sonst für Modellgesetze übliche Billigung der UNIDROIT Mitgliedstaaten erhalten haben. Während ihr Einfluss auf die deutsche Schuldrechtsreform von 2002 und auf die derzeitigen französischen Reformbemühungen nur in geringem Maße sichtbar ist, zeigt sich ein deutlicherer Einfluss auf das niederländische Burgerlijk Wetboek und die Reformüberlegungen der schottischen Law Commission. Einen bedeutenden Einfluss haben die UNIDROIT PICC bisher auf die Reform des allgemeinen Teils des spanischen Handelsgesetzbuches, auf die neuen Zivilgesetzgebungen von Litauen (2000) und Estland (2002), zusammen mit dem CISG auf das chinesische Vertragsgesetz von 1999, und in geringerem Maße auch auf das russische und das israelische Zivilgesetzbuch gehabt. Weiterhin bilden die UNIDROIT PICC die Grundlage eines mit der Unterstützung von UNIDROIT erarbeiteten Entwurfs eines einheitlichen Vertragsgesetzes für die Organisation der (16) französischsprachigen afrikanischen Staaten, OHADA, das noch auf seine formelle Annahme wartet.

4. Regelungsstrukturen

Die 185 Artikel der UNIDROIT PICC in der Fassung von 2004 verteilen sich auf zehn Kapitel, die teilweise in Abschnitte unterteilt sind und denen eine Präambel mit sieben Absätzen vorangeht, welche die Anwendbarkeit der UNIDROIT PICC für die oben beschriebenen Situationen propagiert. Die Artikel sind jeweils mit offiziellen Kommentaren versehen, die integraler Bestandteil der UNIDROIT PICC sein sollen, jedoch inhaltlich manchmal über die „black letter rule“ hinausgehen, teilweise um die jeweilige Vorschrift so abstrakt wie möglich zu halten, teilweise als Kompromiss hinsichtlich gewisser Punkte, über die in der Arbeitsgruppe keine Einigung erzielt werden konnte. Die Kommentare enthalten häufig Illustrationen, die zur Klärung der praktischen Anwendung der jeweiligen Vorschrift beitragen sollen, was jedoch nicht immer gelingt.

Das erste Kapitel enthält „Allgemeine Bestimmungen“ und stellt, in der Tradition des deutschen BGB und des amerikanischen UCC, einen vor die Klammer gezogenen Allgemeinen Teil dar, der jedoch nicht nur Rechtsvorschriften enthält, sondern auch programmatische Bestimmungen wie die Grundsätze pacta sunt servanda (Art. 1.1) und Treu und Glauben (Art. 1.7). Praktisch relevant sind insbesondere der bereits erwähnte allgemeine Vorrang der Eingriffsnormen (Art. 1.4), die Regeln über die Auslegung der einheitlichen Regeln (Art. 1.6) und die Regeln über den Zugang von Mitteilungen (Art. 1.10).

Kapitel 2 deckt den Vertragsschluss (Abschnitt 2.1) einschließlich der Stellvertretung (Abschnitt 2.2) ab. Auf dem Gebiet des Vertragsschlusses wird die Schwierigkeit deutlich, allgemein akzeptable Lösungen zu finden, ebenso wie die damit einhergehende Notwendigkeit problematischer Kompromisse, insbesondere zwischen den Lösungen des englischen, amerikanischen, französischen und deutschen Rechts, wie z.B. hinsichtlich der Widerruflichkeit des Angebots (Art. 2.1.4) oder der Haftung für treuwidriges Verhandeln (Art. 2.1.15). Nicht unproblematisch sind auch einige aus dem amerikanischen Kaufrecht übernommene Vorschriften, die den Abschluss des Vertrages trotz Unklarheit seines Inhalts begünstigen, wie z.B. bei modifizierter Annahme (Art. 2.1.11) oder bei offen gelassenen Vertragselementen (Art. 2.1.14). Von praktischer Bedeutung sind insbesondere die Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nur eine Einigungs- aber keine Inhaltskontrolle vorsehen (Art. 2.1.20) und für den Fall sich widersprechender AGB deren Geltung auf ihre Kongruenz beschränken (knock-out rule, Art. 2.1.22).

In Kapitel 3 über die Gültigkeit verweisen die UNIDROIT PICC für die Fragen der Rechts- und Geschäftsfähigkeit sowie der Sitten- und Gesetzwidrigkeit von Verträgen auf das anwendbare staatliche Recht (Art. 3.1), stellen jedoch klar, dass ein Mangel an cause oder consideration, den Seriositätsindizien des französischen und englischen Rechts, die Gültigkeit des Vertrages nicht beeinträchtigt (Art. 3.2 und 3.3). Es folgen teilweise zwingende Regeln über Irrtum, Täuschung, und Drohung, aber auch über die laesio enormis und die entsprechenden Rechtsbehelfe der Vertragsaufhebung und des Schadensersatzes.

In Kapitel 4 finden sich einheitliche Regeln über die Auslegung von Verträgen und Rechtshandlungen der Parteien. Das Bedürfnis nach international einheitlichen Auslegungsregeln zeigt sich darin, dass dies die in der Praxis am häufigsten zitierten Vorschriften der UNIDROIT PICC sind. Trotz kleinerer Unterschiede im Detail zwischen nationalen Auslegungsregeln reflektieren die Vorschriften dieses Kapitels überwiegend international anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze.

Kapitel 5 behandelt in einem ersten Abschnitt den allgemeinen Inhalt von Verträgen, wie z.B. die Pflicht zur Zusammenarbeit der Vertragsparteien (Art. 5.1.3), die vom französischen Recht übernommene Unterscheidung zwischen obligations de résultat und obligations de moyen (Werkvertrag; Dienstleistungsvertrag) (Art. 5.1.4), die Bestimmung der geschuldeten Qualität (Art. 5.1.6) oder des Preises (Art. 5.1.7), das von Art. 6:109 PECL übernommene Recht auf Beendigung unbefristeter Verträge (Art. 5.1.8) und – systematisch etwas unglücklich – die Möglichkeit des Schulderlasses (Art. 5.1.9). Der erst 2004 eingeführte Abschnitt 5.2 regelt Verträge zugunsten Dritter.

Kapitel 6 enthält in einem ersten Abschnitt allgemeine Regeln über den Inhalt der Leistungspflicht, wie Leistungszeit und ‑ort (Art. 6.1.1 und 6.1.6), das Recht, die Annahme von Teilleistungen und einer vorzeitigen Leistung zu verweigern (Art. 6.1.3 und 6.1.5), Zahlungsmodalitäten (Art. 6.1.8-6.1.12), sowie die Wirkungen öffentlich-rechtlicher Genehmigungserfordernisse (Art. 6.1.14-6.1.17). Abschnitt 6.2 ist bemerkenswert innovativ, da er – trotz der Ablehnung dieser Rechtsfigur in etlichen Rechtsordnungen – Regeln über „veränderte Umstände (hardship)“ anbietet (Geschäftsgrundlage).

Das Kapitel 7 besteht aus vier Abschnitten über die Nichterfüllung. Abschnitt 7.1 ist der Nichterfüllung im Allgemeinen gewidmet. Neben einer Definition der Nichterfüllung (Art. 7.1.1) finden sich hier z.B. das Zurückbehaltungsrecht des Gläubigers (Art. 7.1.3) und das Recht des Schuldners auf Nacherfüllung (Art. 7.1.4) sowie die Beschränkung von Freizeichnungsklauseln (Art. 7.1.6) und die Entschuldigung von Nichterfüllung bei höherer Gewalt (Art. 7.1.7). Abschnitt 7.2 stellt klar, dass der Gläubiger einen Erfüllungsanspruch hat, der jedoch als Konzession an das common law, das specific performance nur als Ausnahme kennt, erheblich eingeschränkt ist (Art. 7.2.2). Dafür wird das französische Konzept der astreintes übernommen, d.h. die Möglichkeit des Gerichts, zur Erzwingung der Erfüllung ein Zwangsgeld anzuordnen (Art. 7.2.4). Abschnitt 7.3 gewährt, ähnlich wie das CISG, dem Gläubiger das Recht auf Vertragsaufhebung nur in Fällen „wesentlicher“ Nichterfüllung (Art. 7.3.1), dann allerdings auch schon, wenn eine solche vor Fälligkeit abzusehen ist (Art. 7.3.3). Anderenfalls kann der Vertrag nur nach Ablauf einer gesetzten Nachfrist aufgehoben werden (Art. 7.1.5). Die einseitige Vertragsaufhebung führt, ohne das Recht auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu beeinträchtigen (Art. 7.3.5), zur Rückabwicklung des Vertrages (Art. 7.3.6). Abschnitt 7.4 regelt den Schadensersatz wegen Nichterfüllung, einschließlich Vorschriften über die Pflicht, Zinsen im Fall des Zahlungsverzuges zu zahlen (Art. 7.4.9), und über Vertragsstrafen, die – in Abweichung vom englischen und französischen Recht – von „der benachteiligten Partei unabhängig von ihrem tatsächlichen Schaden“ verlangt werden können (Art. 7.4.13).

Neu hinzugekommen sind in der 2. Fassung der UNIDROIT PICC von 2004 Kapitel 8 über die Aufrechnung, Kapitel 9 über die Abtretung, Schuldübernahme und Vertragsübernahme, und Kapitel 10 über Verjährung, das maßgeblich von den PECL beeinflusst ist.

5. Ausblick

Mit der formellen Annahme der Fassung von 2004 empfahl der Direktionsrat von UNIDROIT, die Arbeiten an den UNIDROIT PICC zu einem kontinuierlichen Projekt auszubauen. 2005 ist eine neue Arbeitsgruppe unter dem erneuten Vorsitz von Bonell eingesetzt worden, die sich nun für die dritte Fassung der UNIDROIT PICC mit der Ausarbeitung neuer Kapitel beschäftigt. Gearbeitet wird an einheitlichen Regeln zum bisher von Art. 3.1 ausgeklammerten Thema der Rechtswidrigkeit (Rapporteur: Michael Furmston), zu den in der Praxis relevanten Themen der Schuldner- und Gläubigermehrheit (Rapporteur: Marcel Fontaine) und über Bedingungen (Rapporteur: Benedicte Fauvarque-Cosson) – alles Themenbereiche, die von den PECL bereits aufgegriffen wurden – sowie den neuen Themen der Abwicklung gescheiterter Verträge (Rapporteur: Reinhard Zimmermann) und der Beendigung langfristiger Verträge (Rapporteur: François Dessemontet).

Dank der zunehmenden wissenschaftlichen Durchdringung der UNIDROIT PICC bestehen berechtigte Hoffnungen, dass diese in den nächsten Jahrzehnten zu einer festen Größe zumindest in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit werden. Sie haben jedenfalls das notwendige Potential, entsprechend den ursprünglichen Hoffnungen ihrer Verfasser als Allgemeiner Teil des transnationalen Vertragsrechts anerkannt zu werden. Die von UNCITRAL 2007 ausgesprochene allgemeine Empfehlung der UNIDROIT PICC ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Literatur

Michael Joachim Bonell, Das UNIDROIT-Projekt für die Ausarbeitung von Regeln für internationale Handelsverträge, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 56 (1992) 274 ff.; Ralf Michaels, Privatautonomie und Privatkodifikation, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 62 (1998) 581 ff.; Michael Joachim Bonell, An International Restatement of Contract Law: The UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 3. Aufl. 2005; Reinhard Zimmermann, Die Unidroit-Grundregeln der internationalen Handelsverträge 2004 in vergleichender Perspektive, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 13 (2005) 264 ff.; Eleanor Cashin Ritaine, Eva Lein (Hg.), The UNIDROIT Principles 2004, 2007; Stefan Vogenauer, Jan Kleinheisterkamp (Hg.), Commentary on the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 2009; Ralf Michaels, Umdenken für die UNIDROIT-Prinzipien, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 73 (2009) 866 ff.

Abgerufen von UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts – HWB-EuP 2009 am 21. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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