Preisangaben

Aus HWB-EuP 2009

von Ina Maria Lindenberg

1. Gegenstand; materielles und formelles Preisrecht

Das Recht der Preisangaben ist Teil des sog. Preisrechts, welches in das materielle und das formelle Preisrecht untergliedert wird. Während sich ersteres auf die Kalkulation und die Höhe von Preisen bezieht und damit unmittelbar den Inhalt der Preise betrifft, regelt das formelle Preisrecht lediglich die äußere Form von Preisen im Sinne der Art und Weise, wie Preise angegeben werden dürfen bzw. müssen (Preisordnungsrecht).

Die Vorschriften des materiellen Preisrechts berühren die Preisgestaltung als wesentliches Element des unternehmerischen Ermessens in ihrem Kern. Sie stehen somit in einem Spannungsverhältnis zum Konzept der freien Marktwirtschaft und dem Prinzip der Vertragsfreiheit. Originär materiell-preisrechtliche Regelungen bestehen daher in der Regel nur in solchen Wirtschaftssektoren, in denen entweder ein freier Preiswettbewerb aufgrund besonderer Marktmacht der Anbieter (noch) nicht funktioniert, und/‌oder in denen aufgrund einer besonderen sozialpolitischen Interessenlage ein unbeaufsichtigter Preiswettbewerb rechtspolitisch nicht gewünscht ist. Man denke etwa an den ehemals durch staatliche Monopole gekennzeichneten Bereich der Netzwirtschaften (z.B. Art. 4 ff. RL 2001/‌44 für Eisenbahnnetze; Art. 13 RL 2002/‌ 19 für Telekommunikationsnetze; Art. 3 RL 2003/‌ 54 bzw. 2003/‌55 für Elektrizitäts- bzw. Erdgasnetze) oder die sensiblen Bereiche des Gesundheitswesens, des Arbeitsrechts und des Wohnraummietrechts. Darüber hinaus kann selbst das allgemeine Wirtschaftsrecht eine materiell-preisrechtliche Regelungswirkung entfalten. Dies trifft namentlich auf das Kartellrecht und teilweise auf das Lauterkeitsrecht zu. So ermöglicht vor allem das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 82 EG/‌102 AEUV) unter bestimmten Umständen eine Preiskontrolle durch die zur Kartellrechtsdurchsetzung berufenen Stellen (Kartellrecht, Rechtsfolgen von Verstößen; Kartellverfahrensrecht; Kartellrecht, private Durchsetzung). Zudem kann eine inhaltliche Überprüfung von Preisen im Einzelfall – z.B. im Falle eines marktschädigenden Verdrängungswettbewerbs mittels Dumping-Preisen – auf der Grundlage der Generalklauseln der mitgliedstaatlichen Lauterkeitsrechte durchgeführt werden (Art. 3(b), 5 RL 2006/‌114 über irreführende und vergleichende Werbung, Art. 5, 11 RL 2005/‌29 über unlautere Geschäftspraktiken; Werbung, vergleichende; Geschäftspraktiken, irreführende; Geschäftspraktiken, aggressive; Unlauterer Wettbewerb (Grundlagen); Unlauterer Wettbewerb (Rechtsfolgen)).

Der Begriff der Preisangaben (price indications/‌indication des prix) bezieht sich im engeren Sinne lediglich auf das formelle Preisrecht. Zentrales europäisches Regelungsinstrument ist in diesem Zusammenhang die RL 98/‌6 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (Preisangabenrichtlinie), die durch mehrere sektorspezifische Regelungswerke überlagert und ergänzt wird. Daneben enthalten die lauterkeitsrechtlichen Richtlinien preisordnungsrechtliche Vorgaben im Zusammenhang mit der Preiswerbung. Der Sache nach legt das Recht der Preisangaben den Anbietern konkrete Informationspflichten bezogen auf den Produktpreis als einem zentralen Differenzierungskriterium im Rahmen der Kaufentscheidung auf (Informationspflichten (Verbrauchervertrag)). Neben der allgemeinen Pflicht zur Preisauszeichnung bestehen eine Vielzahl produktbezogener spezieller Angabepflichten, welche die wertbildenden Faktoren der Erzeugnisse betreffen und in etlichen sektorspezifischen Regelungsinstrumenten niedergelegt sind.

2. Regelungszweck und historische Entwicklung

Der Preis eines Produkts ist neben dessen Qualität das wichtigste Differenzierungskriterium für eine Kaufentscheidung aus der Sicht der Nachfragenden. Nur wer zutreffend, umfassend und in einer klar verständlichen Art und Weise über den Preis eines potentiellen Kaufgegenstands informiert wird, kann Vergleiche zu den Angeboten konkurrierender Unternehmen vornehmen und eine an objektiven Kriterien orientierte Auswahl treffen. Ziel des Preisangabenrechts ist es daher, durch die Auferlegung standardisierter Informationspflichten (Markt‑) Transparenz zu schaffen und den Verbrauchern auf individuellen Preisvergleichen basierende, fundierte Kaufentscheidungen zu ermöglichen (Erwägungsgrund 6 RL 98/‌6). Die Preisangabenrichtlinie wird deshalb als integraler Teil des acquis communautaire im Verbraucherrecht angesehen (Verbraucher und Verbraucherschutz). Der Telos des Preisangabenrechts erschöpft sich indes nicht in seiner verbraucherschutzpolitischen Zielsetzung. Vielmehr steht das Preisordnungsrecht gerade auch im Dienste des Kernanliegens der Europäischen Gemeinschaft, nämlich der Schaffung eines effektiven Wettbewerbs im Binnenmarkt. Denn erst durch die Pflicht zur Angabe unverfälschter Preise wird das allgemeine level playing field bereitet, auf dem sich die Anbieter mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis aus Sicht der Nachfrager durchsetzen können. Mithin dient das Preisangabenrecht auch volkswirtschaftlichen Interessen. Diesen doppelten Regelungszweck bringt der erste Erwägungsgrund der Preisangabenrichtlinie als Leitgedanken zum Ausdruck: „Ein transparenter Markt und korrekte Informationen fördern den Verbraucherschutz und einen gesunden Wettbewerb zwischen Unternehmen und zwischen Erzeugnissen.“ Die Information von Verbrauchern über Produktpreise stellt somit ein wesentliches Element für die Funktionsfähigkeit des Europäischen Binnenmarktes dar. Die Prinzipien der Markttransparenz sowie der Preiswahrheit und der Preisklarheit beschränken sich nicht auf den Anwendungsbereich des Preisordnungsrechts, sondern beeinflussen als übergeordnete Marktprinzipien das gesamte Wirtschaftsrecht.

Schon früh stellte die Europäische Gemeinschaft die Bedeutung von Preisangabenregelungen im Binnenmarkt heraus. So identifizierte der Rat (Rat und Europäischer Rat) bereits in den Jahren 1975 und 1981 in zwei Entschließungen betreffend Programme für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher (ABl. 1975 C 92/‌1, ABl. 1981 C 133/‌1) die Notwendigkeit zur Aufstellung gemeinsamer Grundsätze über die Angabe von Preisen. Ferner wurde in einer Entschließung aus dem Jahre 1992 über künftige Prioritäten für den Ausbau der Verbraucherschutzpolitik (ABl. 1992 C 186/‌1) weiterer Handlungsbedarf auf diesem Gebiet angemahnt. Eine erste Vereinheitlichung preisangabenrechtlicher Grundsätze erfolgte 1979 durch die RL 79/‌581 über die Angabe von Lebensmittelpreisen. Ihr folgte 1988 die zweite preisangabenrechtliche Richtlinie (RL 88/‌314) betreffend andere Erzeugnisse als Lebensmittel. Diese beiden Regelungsinstrumente wurden schließlich im Jahre 1998 durch die umfassendere Preisangabenrichtlinie (RL 98/‌6) ersetzt, welche die preisordnungsrechtlichen Verpflichtungen einerseits erweitern und andererseits in praktischer Hinsicht zu vereinfachen suchte. Insbesondere sollte das bis dahin geltende Preisauszeichnungssystem, welches auf einer Koppelung von Verpackungs- und Preisangabenvorschriften basierte und sich in der praktischen Handhabung als überaus komplex erwiesen hatte, durch ein einfacheres Prinzip abgelöst werden. Zwischenzeitlich sind übrigens die Verpackungsvorgaben, auf welche die preisrechtlichen Normen ursprünglich Bezug genommen haben, weitgehend dereguliert worden (RL 2007/‌45 über Nennfüllmengen für Erzeugnisse in Fertigpackungen).

3. Regelungsgehalt der Preisangabenrichtlinie

Die Preisangabenrichtlinie (bzw. die entsprechende mitgliedstaatliche Umsetzungsmaßnahme) ist immer dann zur Anwendung berufen, wenn ein Händler (Art. 2(d)) einem Verbraucher (Art. 2(e)) ein „Erzeugnis“ (product/‌produit) zum Kauf anbietet (Art. 1). Die Richtlinie erfasst damit grundsätzlich die Preisauszeichnung von Waren jeder Art ohne Beschränkung auf bestimmte Kategorien von Produkten. Demgegenüber fallen Dienstleistungen nicht in ihren Anwendungsbereich. Trotzdem haben über die Hälfte der Mitgliedstaaten die Reichweite ihrer Umsetzungsgesetzgebung auf Dienstleistungen erstreckt. Kernstück der Richtlinie ist die in Art. 3(1) geregelte Pflicht, jedes Angebot mit einer doppelten Preisangabe zu versehen, nämlich einerseits mit dem Verkaufspreis (Art. 2(a)) für das Produkt als solchem und andererseits mit dem Grundpreis des Produktes je verkehrstypischer Maßeinheit (Art. 2(b)), jeweils verstanden als Endpreise einschließlich aller Steuern. Die gleiche Pflicht trifft den Händler im Falle preisbezogener Werbemaßnahmen (Art. 3(4)). Die Auszeichnung hat jeweils in der Art und Weise zu geschehen, dass der Preis „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ ist (Art. 4(1)).

Die Richtlinie versteht sich ausdrücklich nur als eine Maßnahme der Mindestharmonisierung, so dass es den Mitliedstaaten frei steht, ein höheres Verbraucherschutzniveau einzuführen (Art. 10). Umgekehrt räumt die Preisangabenrichtlinie den Mitgliedstaaten zugleich ein beträchtliches Ermessen im Hinblick auf mögliche Ausnahmen von der Preisangabenpflicht ein. So können Produkte, die im Rahmen einer Dienstleistung geliefert (etwa Shampoo beim Friseur) oder im Wege der Versteigerung veräußert werden, sowie Verkäufe von Kunstgegenständen und Antiquitäten vollständig vom Anwendungsbereich ausgenommen werden (Art. 3(2)). Von dieser Option haben nahezu alle Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht. Ferner besteht nach Art. 5 die Möglichkeit, den Verkauf von solchen Erzeugnissen von der Pflicht der Angabe eines Maßeinheitspreises zu befreien, bei denen eine derartige Angabe „nicht sinnvoll oder geeignet wäre, zu Verwechslungen zu führen.“ Auch diese Freistellungsmöglichkeit wurde von praktisch allen Mitgliedstaaten genutzt. Da die Richtlinie diesbezüglich keine klaren Parameter bereit hält, bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den mitgliedstaatlichen Umsetzungen. Dies gilt sowohl für die Frage der eingesetzten Regelungstechnik (Positivlisten, Negativlisten, Generalklauseln) als auch für die Frage der konkret ausgenommenen Erzeugniskategorien. Wegen dieser Divergenzen, die gerade im grenzüberschreitenden Verkehr zu Rechtsunsicherheit führen können, hat sich die Kommission in einer Mitteilung zur Umsetzung der Preisangabenrichtlinie für eine Harmonisierung der entsprechenden Parameter ausgesprochen (KOM(2006) 325 endg.). Schließlich sieht Art. 6 eine potentielle Ausnahme für kleine Einzelhandelsgeschäfte vor, die durch die Angabe von Preisen je Maßeinheit übermäßig belastet würden. Eine etwaige Befreiung soll allerdings nur für eine begrenzte, in der Richtlinie indes nicht näher bestimmte Übergangszeit möglich sein. In der Folge haben die meisten Mitgliedstaaten entsprechende Ausnahmeregelungen erlassen. Diese sind überwiegend noch heute in Kraft und verfügen häufig über kein definiertes Ablaufdatum. Zudem divergieren die nationalen Differenzierungskriterien wiederum erheblich, weshalb die Kommission auch in diesem Bereich eine weitere Angleichung anstrebt.

Nach Art. 8 bestimmen die Mitgliedstaaten die Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Auszeichnungspflichten in eigener Verantwortung. Die entsprechenden Sanktionen müssen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein. Wortgleiche Formulierungen findet sich auch in anderen Richtlinien des Gemeinschaftsprivatrechts/‌Unionsprivatrechts (z.B. Art. 20 E‑Commerce-RL (RL 2000/‌31); Art. 11 der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (RL 2002/‌65)). Die Preisangabenrichtlinie wurde in den Mitgliedstaaten ganz überwiegend in öffentlich-rechtlicher Form als Teil des Marktregulierungsrechts umgesetzt, so dass entsprechend ein öffentlich-rechtlicher Sanktionenkatalog vorherrscht. Die Rechtsfolgen reichen von Bußgeldern bis hin zu Freiheitsstrafen. Vielfach werden die Sanktionsmöglichkeiten um privatrechtliche Rechtsbehelfe wie etwa Unterlassungsklagen ergänzt. Die mitgliedstaatlichen Umsetzungsnormen stellen zudem „Gesetze zum Schutz der Verbraucherinteressen“ im Sinne der VO 2006/‌2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz dar, wodurch deren gemeinschaftsweite Durchsetzung durch die zuständigen nationalen Behörden gewährleistet werden soll.

4. Weitere preisordnungsrechtliche Regelungsinstrumente

Neben der Preisangabenrichtlinie bestehen eine Reihe weiterer gemeinschaftsrechtlicher Regelungsinstrumente mit preisordnungsrechtlichem Bezug, von denen nachfolgend exemplarisch einige herausgehoben werden sollen.

Die ersten sektorspezifischen Regelungen gehen auf die RL 87/‌102 über die Angleichung der mitgliedstaatlichen Verbraucherkreditrechte zurück (in der Fassung der RL 90/‌88 und RL 98/‌7; Verbraucherkreditrecht der Gemeinschaft; Verbraucherkredit (Regelungsgrundsätze). Danach muss der Anbieter in den Vertragsunterlagen (Art. 4, 6) sowie in der preisbezogenen Produktwerbung (Art. 3) den effektiven Jahreszins unter Zugrundelegung einer einheitlichen und vergleichbaren Berechnungsmethode (Art. 1a) angeben. Die Vertragsdokumentation muss ferner Informationen über Tilgungsbeträge nebst Zahlungszeitpunkten und zu allen weiteren möglichen Kostenelementen enthalten (Art. 4). Die Verbraucherkreditrichtlinie stellte seinerzeit insofern eine Innovation dar, als sie erstmals eine Preisangabenpflicht für ein Produkt einführte, welches nicht als physische Ware sondern als ein Rechtsprodukt zu qualifizieren ist. Mit Wirkung zum 12.5.2010 wird die Richtlinie vollständig durch eine reformierte Verbraucherkreditrichtlinie (RL 2008/‌48) ersetzt, die umfangreiche vorvertragliche Informationspflichten mit entsprechenden preisangabenrechtlichen Implikationen enthält (Art. 4, 5; z.B. effektiver Jahreszins, Gesamtkreditbetrag, Tilgungsraten, Barzahlungspreis bei Finanzierungshilfen für Waren oder Dienstleistungen). In preisbezogenen Werbemaßnahmen müssen diese „Standardinformationen … in klarer, prägnanter und auffallender Art und Weise“ genannt werden (Art. 4(2)). Im Zusammenhang mit der Preisauszeichnung von Finanzdienstleistungen lassen sich weitere umfassende Aufklärungsgebote anführen, wie etwa Art. 3 der RL 97/‌5 über grenzüberschreitende Überweisungen (Überweisungsverkehr (grenzüberschreitender)) oder Art. 3(1), (3) der RL 2002/‌65 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen.

Erweiterte preisbezogene Informationspflichten für Leistungen aller Art finden sich in Art. 4(1) der allgemeinen Fernabsatzrichtlinie (RL 97/‌5; Fernabsatzverträge). Danach muss der Verbraucher vor dem Vertragsschluss rechtzeitig und vollständig über den Preis der Ware oder der Dienstleistung einschließlich Steuern und etwaiger Lieferkosten informiert werden. Im Zusammenhang mit internetbasierten Angeboten hat zudem die E‑Commerce-RL Einfluss auf das Preisangabenrecht. In deren Art. 3(2) wird nämlich das viel diskutierte Herkunftslandprinzip niedergelegt. Dieses ist auch für das Preisordnungsrecht als einem durch RL 98/‌6 koordinierten Bereich maßgeblich. Zugleich schreibt die E‑Commerce-RL als Mindeststandard vor, dass – sofern Dienste auf Preise verweisen – diese „klar und unzweideutig“ unter Angabe von Steuern und Versandkosten auszuweisen sind. Für sog. Universaldienste legt Art. 21 RL 2002/‌22 darüber hinaus besondere Anforderungen an die Transparenz und die Zugänglichkeit von Tarifinformationen fest (zusätzlich ist in Art. 9 eine Möglichkeit zur materiellen Preiskontrolle vorgesehen). Ein ähnliches besonderes Transparenzgebot wurde z.B. durch Art. 3(3) RL 2003/‌54 im Hinblick auf den europäischen Elektrizitätsmarkt eingeführt.

Weitgehend unbeachtet vom preisrechtlichen Schrifttum statuiert nunmehr auch die Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/‌123) eine für sämtliche Anbieter von Dienstleistungen geltende Pflicht, dem Abnehmer den Preis der Dienstleistung oder die maßgebliche Berechnungsgrundlage „klar und unzweideutig und rechtzeitig vor Abschluss des Vertrages“ mitzuteilen (Art. 3). Hierdurch wird die Beschränkung der Preisangabenrichtlinie auf „Erzeugnisse“ teilweise aufgehoben, wobei die Dienstleistungsrichtlinie freilich keine Pflicht zur Angabe des Preises je Maßeinheit vorsieht (sofern ein solcher für die Dienstleistung überhaupt besteht).

Für die Frage der Zulässigkeit von Preiswerbung sind neben der Preisangabenrichtlinie vor allem die lauterkeitsrechtlichen Richtlinien von wesentlicher Bedeutung. Danach ist nämlich die bewusste Fehlinformation über den Preis oder dessen Preisberechnung wettbewerbsrechtlich unzulässig (Art. 6(1)(c) RL 2005/‌29 über unlautere Geschäftspraktiken; Art. 3(c) RL 2006/‌114 über irreführende und vergleichende Werbung). Als unlauter werden ferner solche Werbemaßnahmen qualifiziert, die es versäumen, den Verkaufspreis und den Preis je Maßeinheit korrekt im Sinne der Preisangabenrichtlinie anzugeben (Art. 7(4)(c), (5), Anh. II RL 2005/‌29; Art. 3(b) RL 2006/‌114). Auf diese Weise erstreckt sich der Sanktionenkanon des Lauterkeitsrechts auch auf bestimmte Verstöße gegen preisangabenrechtliche Normen (Unlauterer Wettbewerb (Rechtsfolgen)). Spezielle Anforderungen an die Produktpräsentation enthalten schließlich die Richtlinien über Werbung für Humanarzneimittel und über Werbung für Tabakprodukte.

5. Reform des Verbraucher-Acquis

Derzeit unterzieht der europäische Gesetzgeber den Acquis im Verbraucherschutzrecht einer eingehenden Überprüfung (Grünbuch, ABl. 2007 C 61/‌1). Hierzu hat die Kommission zwei eingehende rechtsvergleichende Untersuchungen in Auftrag gegeben, in deren Rahmen auch die RL 98/‌6 nebst Implementation begutachtet wurde (KOM(2006) 325 endg.). Im Ergebnis wurde die Preisangabenrichtlinie weitgehend für angemessen und deren Umsetzung für überwiegend gelungen befunden, obgleich die bereits genannten Harmonisierungsdefizite identifiziert worden sind. Im Rahmen der folgenden Konsultationsphase ist bisher noch keine Lösung für die gewünschte Angleichung der Ausnahmetatbestände gefunden worden. Daher wurden die Mitgliedstaaten vom europäischen Gesetzgeber mit Blick auf Art. 6 der Preisangabenrichtlinie lediglich informell im Wege einer interessanten Regelungstechnik zur Prüfung aufgerufen, „ob sie die Richtlinie 98/‌6/‌EG freiwillig in Bezug auf bestimmte kleine Einzelhandelsgeschäfte durchführen wollen“. Bemerkenswerterweise wurde dieser Hinweis auf die innerstaatliche Umsetzung der Preisangabenrichtlinie in den 4. Erwägungsgrund der eigentlich sachfremden RL 2007/‌45 über Nennfüllmengen für Erzeugnisse in Fertigpackungen aufgenommen. Im Übrigen wurde die Reform der Preisangabenrichtlinie bis auf Weiteres von der Überprüfung des übrigen Verbraucher-Acquis abgekoppelt, weil es sich beim Preisordnungsrecht in erster Linie um eine Frage der öffentlich-rechtlichen Marktregulierung handele, während das Verbraucherschutzrecht im engeren Sinne originäres Vertragsrecht betreffe.

Trotzdem haben die Reformbestrebungen des Verbrauchervertragsrechts eine wesentliche preisangabenrechtliche Bedeutung, was insbesondere auf den Vorschlag für eine allgemeine Richtlinie über Rechte der Verbraucher zutrifft (KOM(2008) 614 endg.). Dessen Ziel ist es, die einzelnen Regelungswerke zu Fernabsatzverträgen, Haustürgeschäften, zum Verbrauchsgüterkauf und zu [Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Verbraucherverträgen in einem einheitlichen aktualisierten Instrument zu bündeln. Der Entwurf enthält in Art. 5(1) eine an Art. 4(1) RL 97/‌7 angelehnte umfassende Informationspflicht. Danach haben Gewerbetreibende vor dem Abschluss eines Kauf- oder Dienstleistungsvertrags Verbrauchern u.a. den „Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben“ sowie ggf. aller „zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Zustellkosten“ mitzuteilen. Bemerkenswert ist, dass Art. 6(1) eine originär vertragsrechtliche Sanktion für einen Verstoß gegen die Informationspflicht über potentielle Zusatzkosten vorsieht, nämlich den Ausschluss einer diesbezüglichen Zahlungspflicht. Die Rechtsfolgen für Verstöße gegen die übrigen Informationspflichten des Art. 5(1) richten sich nach dem mitgliedstaatlichen Recht, welches „wirksame vertragsrechtliche Rechtsbehelfe“ bereitzustellen hat (Art. 6(2)).

Literatur

Stefan Völker, Preisangabenrecht, 2. Aufl. 2002; Norbert Reich, Hans-Wolfgang Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, 4. Aufl. 2003; Jacqueline Snijders, Micha van Lin, Jolanda Hessels, Appraisal of Directive 98/‌6/‌EC on Consumer Protection in the Indication of Unit Prices of Products offered to Consumers, EIM Business & Policy Research, 2004; Geraint G. Howells, Stephen Weatherill, Consumer Protection Law, 2. Aufl. 2005, 417 ff.; Georg Wenglorz, Preisangabenrecht, in: Karl-Heinz Fezer (Hg.), Lauterkeitsrecht, Kommentar zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Bd. 1, 2005, 1733 ff. (§ 4‑S14 Rn. 1 ff); Wolfgang Micklitz, Preiswerbung, Werbung mit verkaufsfördernden Maßnahmen und Qualitätswerbung, in: Peter W. Herrmann, Günter Hirsch (Hg.), Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, Bd. 1, 2006, 887 ff. (EG G Rn. 1 ff.); Hans Schulte-Nölke, Verbraucherpolitische Aspekte des deutschen Preissystems, 2007; Hans Schulte-Nölke, Leonie Meyer-Schwickerath, Price Indication Directive (98/‌6), in: Hans Schulte-Nölke, Christian Twigg-Flesner, Martin Ebers (Hg.), EC Consumer Law Compendium, The Consumer Acquis and its transposition in the Member States, 2008, 364 ff.; Marco B.M. Loos, Review of the European Consumer Acquis, Centre for the Study of European Contract Law Working Paper Series No. 2008/‌03, 32 ff.; Bernhard Koch, Informations-, Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten bei der Kreditvergabe nach der neuen Richtlinie 2008/‌48/‌EG vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge, Österreichisches BankArchiv 2009, 98 ff.

Abgerufen von Preisangaben – HWB-EuP 2009 am 19. März 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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