Rechtsvergleichung und Rechtswahl: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Ralf Michaels]]''
von ''[[Giesela Rühl]]''
== 1. Begriff und Zweck ==
== 1. Begriff und Funktion ==
Rechtsvergleichung beschäftigt sich, wie der Begriff im Deutschen klarer ausdrückt als in anderen Sprachen (''comparative law'', ''droit comparé'') mit dem Verhältnis von Rechten. Makrovergleichung beschäftigt sich mit ganzen Rechtsordnungen; Mikrovergleichung betrifft spezielle Institute oder auch spezielle Probleme. Rechtsvergleichung geht damit weiter als die oft als „bloße Auslandsrechtskunde“ abgetane Information über ausländisches Recht. Allerdings darf der Unterschied nicht übertrieben werden. Erstens ist gute Kenntnis des ausländischen Rechts unabdingbare Voraussetzung jeder Rechtsvergleichung. Zweitens hat auch die Auslandsrechtskunde notwendig ein vergleichendes Element: Weil der Rechtsvergleicher regelmäßig aus der Perspektive (und auch oft für die Perspektive) einer bestimmten Rechtsordnung auf eine andere schaut, wird das fremde Recht regelmäßig ganz automatisch im Verhältnis zum eigenen Recht verstanden und erklärt.
Die Rechtswahlfreiheit ermöglicht den Parteien die Bestimmung des auf ihr Rechtsverhältnis anwendbaren Rechts. Sie ist neben der Freiheit zur Bestimmung des international zuständigen Gerichts ([[Gerichtsstandsvereinbarung, internationale]]) Ausdruck der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie und stellt sich als Fortsetzung der materiellrechtlichen Privatautonomie dar ([[Vertragsfreiheit]]). Da sie dispositives ebenso wie zwingendes Recht erfasst, geht sie allerdings über die auf materiellrechtlicher Ebene gewährleistete Möglichkeit zur privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen hinaus.


Der eigentliche Vergleich von Rechtsordnungen, also die Erkenntnis, Erklärung und Bewertung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten, ist nur einer mehrerer Schwerpunkte heutiger Rechtsvergleichung als Diszpiplin. Ein zweiter Schwerpunkt betrifft den Einfluss zwischen Rechtsordnungen, insbesondere die [[Rezeption]] einzelner Rechtsinstitute oder auch ganzer Rechtsordnungen. Auf Europa bezogen, umfasst das einerseits den Einfluss auf das europäische Privatrecht durch verschiedene Rechtsordnungen (etwa [[römisches Recht]], die Rechte der Mitgliedstaaten, Recht nichteuropäischer Staaten), andererseits die [[Ausstrahlungen des europäischen Privatrechts auf außereuropäische Rechtsordnungen]]. Ein dritter Schwerpunkt der Rechtsvergleichung, der Anfang des 20. Jahrhunderts viel behandelt wurde und heute wieder im Aufschwung ist, liegt im Verständnis der Rechtsvergleichung als allgemeiner Rechtslehre, also als derjenigen Disziplin, die die verschiedenen Rechtsordnungen in ihrer Gesamtheit und ihrem Verhältnis zueinander zu verstehen versucht, ohne dabei notwendig die bestehenden Unterschiede zu leugnen oder aufzuheben.
Als kollisionsrechtlicher Anknüpfungspunkt ([[Anknüpfung]]) spielt die Rechtswahlfreiheit in einer globalisierten Welt eine herausragende Rolle. Sie ermöglicht die sachgerechte Regelung von Einzelfällen, schafft Klarheit über das anzuwendende Recht und senkt die Kosten der Rechtsermittlung. Aus ökonomischer Sicht spricht für die Rechtswahlfreiheit die Vermutung der Effizienz: Da sich rationale Parteien nur dann auf eine Rechtswahl einlassen, wenn sie sich von ihr eine Steigerung ihres eigenen Nutzens versprechen, führt eine Rechtswahl regelmäßig zu einer Steigerung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt und damit zu dem aus ökonomischer Sicht wünschenswerten Zustand der Pareto-Effizienz. Die Gründe, die die Parteien für eine bestimmte Rechtswahl haben, spielen dabei keine Rolle. Unerheblich ist insbesondere, ob sie sich für ein bestimmtes Recht entscheiden, weil es ihren Bedürfnissen am besten entspricht, oder ob andere Faktoren – Vertrautheit, Neutralität, Reputation – ausschlaggebend sind. Solange die Parteien sich aus freien Stücken heraus einem bestimmten Recht unterwerfen, stellt sich die Wahl aus ökonomischer Sicht als effizient dar. Eine herausragende Rolle spielt die Rechtswahlfreiheit in einer globalisierten Welt aber nicht nur deswegen, weil sie zahlreiche Vorteile für die Parteien mit sich bringt und aus ökonomischer Sicht effizient ist. Von Bedeutung ist sie auch und vor allem deswegen, weil sie sich als wichtiges Instrument zur Ermöglichung eines [[Wettbewerb der Rechtsordnungen|Wettbewerbs der Rechtsordnungen]] darstellt. Da Parteien durch die Wahl eines ausländischen Rechts bestimmte Regelungen des eigentlich anwendbaren Rechts kostengünstig umgehen können, werden nationale Gesetzgeber nämlich dazu angehalten, ihre Rechtsordnung so auszugestalten, dass sie für die Parteien attraktiv ist. Unter der Voraussetzung, dass dieser Markt für rechtliche Regelungen funktioniert, kann die Rechtswahlfreiheit deshalb zu einer qualitativen Verbesserung rechtlicher Regelungen führen (''race to the top'').


Verschiedene Zwecke werden der Rechtsvergleichung zuerkannt: Sie soll die nationale Gesetzgebung inspirieren, Richtern bei der Auslegung schwieriger Fragen helfen und die Grundlage für die Vereinheitlichung oder Harmonisierung des Rechts legen – oder auch einfach nur der Erkenntnis dienen und das Bewusstsein erweitern, insbesondere in der Juristenausbildung. All dies sind indes Zwecke, die Rechtswissenschaft immer erfüllen soll. So gesehen ist Rechtsvergleichung nur eine spezielle Form allgemeiner Rechtswissenschaft oder, andersherum, vollständige Rechtswissenschaft (und mit Einschränkungen Rechtspraxis) muss eine vergleichende Komponente beinhalten.
== 2. Historische Entwicklung ==
Die Rechtswahlfreiheit ist verglichen mit anderen Anknüpfungsprinzipien eine verhältnismäßig junge „Erfindung“. Sie betritt die Bühne des [[internationales Privatrecht|internationalen Privatrechts]] nach Ansicht zahlreicher, insbesondere französischer Autoren im 16. Jahrhundert, und zwar mit dem Franzosen ''Charles Dumoulin ''(1500–1566). In seinen „Conclusiones de Statutis et Consuetudinibus Localibus“ zog er nämlich den vermuteten Parteiwillen heran, um internationale Eheverträge statt dem Recht des Abschlussortes dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Ehemannes zu unterwerfen. Ein genauer Blick zeigt allerdings, dass es ''Dumoulin'' nicht darum ging, die Rechtswahlfreiheit als Anknüpfungsprinzip zu etablieren. Sein Anliegen war vielmehr die argumentative Untermauerung einer von der ''lex loci contractus ''abweichenden objektiven [[Anknüpfung]]. Den Parteiwillen sah er folglich als Argumentationshilfe und nicht als eigenständiges Anknüpfungsprinzip an. Ähnliches gilt für die meisten Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts: Der Niederländer ''Ulrich Huber ''(1636–1694) stellte in „De Conflictu Legum“ auf den vermuteten Parteiwillen ab, um die Anknüpfung von Verträgen an das Recht des Erfüllungsortes zu rechtfertigen. ''Lord Mansfield'' begründete in seinem berühmten ''obiter dictum ''aus dem Jahr 1760 (''Robinson v.'' ''Bland ''(1760) 2 Burr. 1077) die Anwendung englischen Rechts als Recht des Erfüllungsortes mit dem Hinweis darauf, dass die Parteien – vermutlich – die Anwendung englischen Rechts gewollt hätten, weil der vertraglich geschuldete Geldbetrag in England in englischen Pfund zu bezahlen gewesen sei. Und auch ''Joseph Story'' (1779–1845) zog den vermuteten Parteiwillen in seinem „Commentaries on the Conflict of Laws“ lediglich als argumentative Stütze für die Anwendung des Rechts des Erfüllungsortes heran. Keine eigenständige Bedeutung kommt dem Parteiwillen schließlich auch bei ''Friedrich Carl von Savigny ''(1779–1861) zu. Zwar betont er im Hinblick auf das Schuldrecht an verschiedenen Stellen, dass die freiwillige Unterwerfung der Parteien unter ein bestimmtes Rechtsgebiet über den Sitz des Rechtsverhältnisses entscheide und dass die Anknüpfung eines bestimmten Rechtsverhältnisses vom Willen der Parteien abhänge, der entweder ausdrücklich oder stillschweigend erklärt werden könne. Allerdings findet sich nirgendwo ein Hinweis auf die Wahl eines Rechts, das vom Erfüllungsort verschieden ist. Den Parteiwillen betrachtete ''Savigny ''deshalb'' ''entweder – wie ''Huber'', ''Lord Mansfield'' und ''Story'' – als argumentative Stütze für die Anknüpfung an den Erfüllungsort oder als Ausdruck einer indirekten, mittelbaren oder unechten Rechtswahl, die immer dann möglich ist, wenn ein tatsächlich beeinflussbarer Anknüpfungspunkt zur Anwendung kommt.


== 2. Methode ==
Als eigenständiges Anknüpfungsprinzip gewinnt der – tatsächliche oder vermutete – Parteiwille und damit einhergehend die Rechtswahlfreiheit erst im 19. Jahrhundert mit dem Italiener ''Pasquale Stanislao Mancini'' (1817–1888) Bedeutung. Unter dem Einfluss der kontinentaleuropäischen Willenstheorie verwarf er die territorialen Anknüpfungspunkte, insbesondere die ''lex loci contractus'', die bis dahin die Diskussion dominiert hatten, und ordnete die Rechtswahlfreiheit als eigenständiges und vorrangiges Anknüpfungsprinzip des internationalen Vertragsrechts ein ([[Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)]]). Die Ausführungen ''Mancinis'' zogen allerdings zunächst keine große Aufmerksamkeit auf sich. Erst der politische und ökonomische Liberalismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts bereitete den Nährboden für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Rechtswahlfreiheit. Einigkeit über ihre Rolle im Allgemeinen und ihre Rolle im internationalen Vertragsrecht im Besonderen konnte allerdings auf beiden Seiten des Atlantiks lange nicht erzielt werden: In Europa wurde ihr von den Gerichten der einzelnen Länder bis weit in das 20. Jahrhundert unterschiedliche Bedeutung beigemessen. Während die Rechtsprechung in England, Deutschland und Frankreich ihr im Allgemeinen aufgeschlossen gegenüber stand, waren Gerichte in anderen Staaten äußerst kritisch. Aber nicht nur Gerichte, auch die wissenschaftliche Gemeinschaft konnte lange Zeit keinen gemeinsamen Nenner finden. Während sich einige Kollisionsrechtler unter Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht und die Freiheit des einzelnen den Gerichten anschlossen und weitestgehende Rechtswahlfreiheit forderten, sprachen sich andere in scharfen Worten gegen sie aus. Sie wandten im Wesentlichen ein, dass die Parteien sich nicht durch die Wahl des anwendbaren Rechts über das Gesetz erheben könnten. Langfristig vermochte sich diese Auffassung allerdings nicht durchsetzen. Zunehmende internationale Verflechtungen, zunehmender internationaler Handel sowie der aufkommende politische und ökonomische Liberalismus dezimierten den Kreis der Rechtswahlgegner immer weiter. Bereits in den 1960er Jahren war von substantiellem Widerstand nicht mehr viel zu sehen. Der endgültige Sieg der Rechtswahlfreiheit kam in Europa im Jahr 1980, als sie in Art. 3(1) EVÜ niedergelegt wurde.
In jüngster Zeit werden verstärkt die methodischen und theoretischen Grundlagen der Rechtsvergleichung diskutiert, ohne dass sich bislang ein Konsens herausgebildet hätte oder die Diskussion wesentlichen Einfluss auf die praktische Rechtsvergleichung ausübte. Im Wesentlichen lassen sich zwei Methoden unterscheiden, funktionale und kulturelle Rechtsvergleichung.


Die funktionale Rechtsvergleichung, popularisiert vor allem durch ''Konrad'' ''Zweigert'' und ''Hein'' ''Kötz'', geht davon aus, dass die Funktion des Rechts in der Lösung gesellschaftlicher Probleme liegt und alle Gesellschaften im wesentlichen mit den gleichen Problemen konfrontiert werden. Vergleichbar sind demnach Rechtsinstitute, die die gleiche Funktion erfüllen, selbst wenn sie dogmatisch ganz unterschiedlich ausgestaltet werden; sie sind damit funktionsäquivalent. So kann etwa die ''[[Common law|common law]]''-Figur der ''consideration'' mit [[Formerfordernisse]]n des deutschen Rechts verglichen werden, weil beide die gleichen Funktionen erfüllen: Warnung vor überstürztem Vertragsschluss und Bestätigung der Seriosität eines Vertragsversprechens ([[Seriositätsindizien]]). Die Beziehung von Rechtsnormen auf Probleme soll es auch ermöglichen, das bessere Recht zu bestimmen und auf dieser Grundlage gegebenenfalls nationales Recht zu verbessern oder internationales Einheitsrecht zu schaffen.
Auch in den USA war die Rechtswahlfreiheit lange Zeit umstritten. Ähnlich wie in Europa standen sich noch Anfang des 20. Jahrhunderts zwei Lager diametral gegenüber: Während amerikanische Gerichte, insbesondere der US-amerikanische ''Supreme Court'' (''Pritchard v.'' ''Norton ''(1882) 106 U.S. 124), Rechtswahlklauseln regelmäßig zur Durchsetzung verhalfen, weigerten sich amerikanische Wissenschaftler zum Teil mit großer Vehemenz, die Rechtswahlfreiheit als Anknüpfungsprinzip anzuerkennen. Insbesondere ''Joseph H. Beale'' betrachtete das anwendbare Recht als eine Frage staatlicher Souveränität, die außerhalb der Dispositionsbefugnis der Parteien liege. Da er später zum Berichterstatter für das ''Restatement (First) of Conflict of Laws'' (''[[Restatements]]'') ernannt wurde, verwundert es nicht, dass dieses zur Rechtswahlfreiheit schwieg und damit den Parteien implizit untersagte, das anwendbare Recht zu bestimmen. In der Praxis erwies sich diese rigorose Haltung allerdings als nicht haltbar. Im Laufe der Zeit setzten sich die Gerichte deshalb mit ihrer rechtswahlfreundlichen Position durch. Heute gilt die Rechtswahlfreiheit aufgrund von § 187 ''Restatement (Second)'' und § 1-105 UCC auch in den USA unangefochten. Selbst Bundesstaaten, die noch immer das ''Restatement (First)'' oder andere durch die ''American Conflict of Laws Revolution'' hervorgebrachte kollisionsrechtliche Ansätze zur Anwendung bringen, akzeptieren das Recht der Parteien, das anwendbare Recht zu bestimmen. Nach jahrelanger Diskussion gilt die Rechtswahlfreiheit damit sowohl in Europa als auch in den USA als allgemeines Anknüpfungsprinzip des internationalen Vertragsrechts. In anderen Rechtsgebieten hinkt die Entwicklung bislang noch hinterher.  


Die hier so genannte kulturelle Rechtsvergleichung dagegen (manchmal auch als ''comparative legal studies'' oder ''comparative legal cultures'' bezeichnet) lehnt die Reduzierung des Rechts auf seine Funktion ab und versteht stattdessen das nationale Recht als Ausdruck und Ausprägung der allgemeinen Kultur einer Gesellschaft ([[Rechtskultur]]). Der Schwerpunkt liegt hier auf der Mentalität, die sich in einer Rechtsordnung ausdrückt und die letztlich nicht für Beobachter völlig erklärbar, sondern nur durch Teilnehmer erspürbar sein soll. Weil Kulturen als unüberbrückbar unterschiedlich angesehen werden (insbesondere soll das für den Gegensatz zwischen ''civil'' und ''common law'' gelten) und die Eigenständigkeit verschiedener Kulturen schützenswert sei, wendet sich die kulturelle Rechtsvergleichung meist sowohl gegen die vergleichende Bewertung als auch gegen die Vereinheitlichung des Rechts; sie fordert Toleranz gegenüber dem fremden Recht und der Differenz an sich.
== 3. Anwendungsbereich ==
Der klassische – und bis heute am wenigsten umstrittene – Anwendungsbereich der Rechtswahlfreiheit ist das internationale Vertragsrecht ([[Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)]]). Hier beansprucht sie – mit Ausnahme einiger südamerikanischer Länder – weltweite Geltung. In anderen Rechtsgebieten hat sie demgegenüber erst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Dies gilt insbesondere für das außervertragliche Schuldrecht ([[Außervertragliche Schuldverhältnisse (IPR)]]). Hier hat die Möglichkeit einer Rechtswahl erst in den letzten zehn bis zwanzig Jahren Eingang in nationale Rechtsordnungen und internationale Regelwerke gefunden. Diese sehen häufig vor, dass Vereinbarungen über das anwendbare Recht zulässig sind, ''nachdem'' das Ereignis, durch das das außervertragliche Schuldverhältnis begründet wird, eingetreten ist. Nach Art. 14(1) Rom II-VO (VO 864/‌‌2007) können nicht kommerziell tätige Parteien darüber hinaus auch zu einem früheren Zeitpunkt das anwendbare Recht bestimmen. Im internationalen Familien- und Erbrecht wird den Parteien mittlerweile in vielen Rechtsordnungen gestattet, das anwendbare Recht aus einem vorgegebenen Kreis von Rechten zu wählen ([[Familienrecht, internationales]]; [[Erbrecht, internationales]]). Art. 20a des Vorschlags zur Ergänzung der Brüssel IIa-VO (2201/‌2203) (KOM (2006) 399 endg.), den die Europäische Kommission im Juli 2006 vorgelegt hat, gestattet den Parteien insbesondere die Wahl des Rechts ihrer Staatsangehörigkeit und ihres gewöhnlichen Aufenthalts. Gleiches gilt nach Art. 15 der neuen Unterhalts-VO (VO 4/‌2009) – unter Hinweis auf das Protokoll zum neuen Haager Unterhaltsabkommen – für internationale Unterhaltsverpflichtungen.


Die Unterschiede zwischen beiden Ansätzen sind kleiner, als die teilweise heftige Diskussion es erscheinen lässt. Beide Ansätze wenden sich dagegen, die Analyse auf Rechtsregeln (''black letter law'') zu beschränken, und suchen stattdessen nach der Rolle des Rechts in der Gesellschaft. Beide Ansätze lassen die Unterschiede zwischen Rechtsordnungen bestehen – auch die funktionale Rechtsvergleichung postuliert als Vermutung nicht, wie oft behauptet wird, die Identität zwischen verschiedenen Rechtsordnungen, sondern die Funktionsäquivalenz, also die Gleichheit in der Problemlösung bei Verschiedenheit im Lösungsweg. Diese Verschiedenheit lässt sich durchaus sinnvoll mit Rechtskultur bezeichnen. Diese Einsicht wird neuerdings für den Versuch genutzt, Rechtskultur und Funktionsäquivalenz unter dem Aspekt des rechtlichen Paradigmas zusammenzubringen. Paradigma bezeichnet dabei die Art und Weise, mit der rechtsordnungsspezifisch (kulturell) über rechtliche Probleme nachgedacht wird bzw. diese (funktionsäquivalent) gelöst werden.
Der Anwendungsbereich der Rechtswahlfreiheit ist vor diesem Hintergrund ausgesprochen groß. Keine nennenswerte Geltung beansprucht sie bislang lediglich im internationalen Sachenrecht ([[Sachenrecht, internationales]]). Hier wird das anwendbare Recht im Regelfall nach wie vor objektiv mit Hilfe der ''lex rei sitae'' bestimmt. Eine Ausnahme findet sich allerdings im internationalen Wertpapierrecht ([[Finanzsicherheiten]]), wo Art. 4(1)1 des im Juli 2006 von der [[Haager Konferenz für IPR|Haager Konferenz für Internationales Privatrecht]] verabschiedeten Haager Wertpapierübereinkommens anordnet, dass die Verfügung über Wertpapiere im Giroverkehr dem Recht des Staates unterliegt, dessen Rechtsordnung in der Kontovereinbarung ausdrücklich als maßgebend vereinbart wurde. Diese- Rechtswahlmöglichkeit unterscheidet sich allerdings von den im Übrigen hier diskutierten Rechtswahlmöglichkeiten insofern, als sie sich nicht auf das Verhältnis der unmittelbar an der Transaktion – der Wertpapierübertragung – beteiligten Parteien bezieht. Die Rechtswahl wird also nicht unmittelbar zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber eines Wertpapiers getroffen, sondern vielmehr zwischen dem Veräußerer und seiner Bank einerseits und dem Erwerber und seiner Bank andererseits.


== 3. Entwicklung ==
== 4. Gegenstand ==
Rechtsvergleichung im weiteren Sinne gibt es, seit es Recht gibt. Im engeren Sinne freilich wurde Rechtsvergleichung erst möglich, als man unterschiedliche Rechtsordnungen strikt zu trennen begann, also insbesondere mit dem Aufkommen des staatlichen Rechtsetzungsmonopols. Solange sich die Gesetzgeber in Europa mit Rechtsetzung im Privatrecht zurückhielten, wurden Privatrechtswissenschaft und ‑praxis nicht auf explizit vergleichender Grundlage betrieben, sondern innerhalb des gemeinsamen Rahmens von [[Ius commune (Gemeines Recht)|''ius commune'']], ''[[Lex Mercatoria|lex mercatoria]]'' oder [[Naturrecht]]. Der häufige Bezug auf ausländische Autoritäten bedeutete hier nicht die Vergleichung verschiedener Rechtsordnungen sondern die Verwendung von Stimmen zum als gemeinsam verstandenen Recht.
Gegenstand der Rechtswahl kann nach den meisten nationalen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerken lediglich ein staatliches Recht sein. Nicht-staatliches Recht (''[[Lex Mercatoria]]'') wie beispielsweise die UNIDROIT PICC ([[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT ''Principles of International Commercial Contracts'']]) oder die PECL (''[[Principles of European Contract Law]]'') können deshalb grundsätzlich nicht gewählt werden. Für das geltende europäische Recht ergibt sich dies daraus, dass die einschlägigen oder die sie umrahmenden Bestimmungen vom „Recht eines Staates“ sprechen. Für Art. 3 Rom I-VO (VO 593/‌2008) kommt außerdem hinzu, dass der 14. Erwägungsgrund die Wahl vertragsrechtlicher Regelwerke der Europäischen Gemeinschaft ([[Europäische Gemeinschaft]]), insbesondere die Wahl des Gemeinsamen Referenzrahmens ([[Europäisches Privatrecht]]) gestattet. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass nicht-staatliches Recht im Übrigen nicht Gegenstand der Rechtswahl sein kann. Entsprechendes gilt grundsätzlich auch für das Recht der USA. Die einschlägigen Vorschriften, insbesondere § 187 ''Restatement (Second) of Conflict of Laws'' (''[[Restatements]]''), § 1-105 UCC sowie die im Jahr 2001 verabschiedete neue Fassung des § 1-103 UCC sprechen durchgehend von „law of a state”. Lediglich die kürzlich erlassenen IPR-Gesetze von Louisiana und Oregon verzichten auf den Zusatz „of a state“ und bringen damit zum Ausdruck, dass die Parteien das anwendbare Recht – und nicht nur das Recht eines Staates – wählen können. Gleiches gilt nach überwiegender, aber bestrittener Ansicht auf der Grundlage der Konvention von Mexiko von 1994. Zwar findet sich keine ausdrückliche Bestimmung dieses Inhalts. Die Autoren, die die Wählbarkeit nicht-staatlichen Rechts befürworten, stützen sich allerdings auf Art. 9(2)2 der Konvention, der Gerichten die Berücksichtigung und Anwendung von allgemeinen Prinzipien des Wirtschaftsrechts gestattet, die von internationalen Organisationen anerkannt werden.


Erst seit dem 19. Jahrhundert, als das Privatrecht in den kontinentaleuropäischen Staaten kodifiziert und damit nationalisiert wurde ([[Kodifikation]]), entwickelte sich die moderne europäische Rechtsvergleichung. Rechtsvergleichende Zeitschriften entstanden, rechtsvergleichende Gesellschaften wurden gegründet, die bezeichnenderweise national waren, denn der Hauptzweck der Rechtsvergleichung lag lange in der Inspiration für staatliche Gesetzgebung. Gleichzeitig erlebte die Rechtsvergleichung eine doppelte Beschränkung, die bis heute weitgehend anhält. Erstens konzentrierte man sich wesentlich auf Europa. Frühere Kolonien (mit Ausnahme der USA) wurden als nicht genügend eigenständig angesehen und weitgehend vernachlässigt; nicht europäisch geprägte Rechtsordnungen insbesondere in Asien, Afrika und im Pazifik wurden aus der Rechtsvergleichung ausgegliedert und der neu entstehenden Rechtsethnologie zugeschlagen. Zweitens konzentrierte sich die Rechtsvergleichung ganz wesentlich auf das Privatrecht, das als unpolitisch angesehen wurde und daher als einziger Teilbereich des Rechts für eine streng rechtswissenschaftliche Vergleichung geeignet schien. Ein Hauptfokus der Rechtsvergleichung war dabei lange Zeit der Gesetzesvergleich insbesondere zwischen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen, die in verschiedene Rechtskreise aufgeteilt wurden ([[Rechtskreislehre]]). Der Vergleich zwischen kontinentaleuropäischem ''civil law'' (das den von Frankreich geprägten romanistischen und den von Deutschland beeinflussten germanistischen Rechtskreis umfasste) und englischem ''common law'', das unkodifiziert war und traditionell stärker auf Fallrecht und induktiver Methode beruhte, stellte dagegen vor erhebliche Herausforderungen.
Gegenstand der Rechtswahl kann ferner in vielen nationalen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerken nur das Recht eines Staates sein, mit dem der Sachverhalt verbunden ist. Dies gilt insbesondere für das internationale Familien- und Erbrecht ([[Familienrecht, internationales]]; [[Erbrecht, internationales]]). Hier sehen die einschlägigen europäischen Rechtsakte vor, dass die Parteien lediglich aus einem bestimmten Kreis von Rechten wählen dürfen, zu denen die Parteien eine Beziehung haben. Zu diesen Rechten gehören regelmäßig das Recht der Staatsangehörigkeit und das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes. Im internationalen Vertragsrecht gehen die einschlägigen Vorschriften demgegenüber auseinander: In den USA wird einer Rechtswahlklausel auf der Grundlage von § 187(2)(a) ''Restatement (Second)'' und § 1-105 UCC in der bis 2001 geltenden Fassung nur dann zur Durchsetzung verholfen, wenn die Parteien oder der Vertrag eine Verbindung zum gewählten Recht aufweisen ([[Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)]]). In der Europäischen Union dürfen die Parteien nach Art. 3 Rom I-VO ihren Vertrag demgegenüber auch einem unverbundenen Recht unterstellen. Ausnahmen finden sich lediglich im internationalen Beförderungs- und Versicherungsvertragsrecht, wo der Kreis der wählbaren Rechte nach Art. 5 und 7 Rom I-VO wie im internationalen Familien- und Erbrecht eingeschränkt wird ([[Versicherungsvertragsrecht, internationales]]). Die damit bestehenden Unterschiede zwischen dem europäischen und dem US-amerikanischen internationalen Vertragsrecht sind in der Praxis allerdings weit weniger groß, als ein Blick auf die einschlägigen Bestimmungen vermuten lässt: Zum einen kann nach § 187(2)(a) ''Restatement (Second)'' das Fehlen einer Verbindung zum gewählten Recht durch das Vorliegen einer ''reasonable basis'' geheilt werden. Zum anderen stellen US-amerikanische Gerichte keine besonders hohen Anforderungen an das Vorliegen einer Verbindung zum gewählten Recht.


Seit dem ersten rechtsvergleichenden Weltkongress 1900 in Paris (der etwas willkürlich als Geburtsstunde moderner Rechtsvergleichung angesehen wird) hat die wissenschaftliche Rechtsvergleichung Fortschritte gemacht. Die Rechtsvergleichung geht nun über den Text von Rechtsregeln hinaus und vergleicht das ''law in action''<nowiki>; das erleichtert den Vergleich zwischen </nowiki>''civil'' und ''common law''. Zudem zielt man nun stärker auf die Erarbeitung eines gemeinsamen supranationalen Rechts – wenn schon nicht auf weltweiter, so doch auf europäischer Ebene. Im 20.&nbsp;Jahrhundert haben sich verstärkt internationale Arbeitsgruppen gebildet, die diese Vereinheitlichung vorantreiben, sei es auf politischer oder auf rechtswissenschaftlicher Basis. Die doppelte Beschränkung des 19.&nbsp;Jahrhunderts auf Europa und auf als unpolitisch angesehenes Privatrecht wirkt aber fort. Nur so lässt sich erklären, dass es lange umstritten blieb, ob man westliches mit sozialistischem Recht sinnvoll vergleichen könne. Auch blieb das Privatrechtsverständnis der Rechtsvergleichung lange im Ideal des 19.&nbsp;Jahrhunderts verhaftet; die Wandlungen des Privatrechts im 20.&nbsp;Jahrhundert (Konstitutionalisierung, Materialisierung, Privatrecht als regulatives Instrument) werden noch heute häufig entweder ignoriert oder als Verfälschungen eines Privatrechtsideals abgelehnt. Aus diesem Grunde ist die Verbindung zwischen dem apolitischen Privatrecht der klassischen Rechtsvergleichung und dem regulativen Privatrechtsverständnis des Gemeinschaftsrechts bis heute unvollkommen.
== 5. Schranken ==
Die Rechtswahlfreiheit unterliegt in allen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerken gewissen Schranken. Diese sind entweder funktionaler, situativer oder technischer Natur.  


== 4. Europäische Privatrechtswissenschaft ==
=== a) Funktionale Schranken ===
Die europäische Privatrechtswissenschaft ist aus der Rechtsvergleichung entstanden, geht aber mittlerweile über diese hinaus. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es erste Forderungen nach einem europaweiten auf rechtsvergleichender Grundlage zu erstellenden Privatrecht. Etwa seit Anfang der 1990er Jahre sind solche Stimmen intensiver geworden; man erstrebt ein europäisch-einheitliches Privatrecht, das entweder mithilfe der durch funktionale Rechtsvergleichung gefundenen Gemeinsamkeiten oder auf Grundlage des alten oder eines neu zu schaffenden ''ius commune'' zu erreichen ist. Seitdem hat die innereuropäische Rechtsvergleichung in Lehre und Wissenschaft mehr Beachtung erhalten. Rechtsvergleichende Lehrbücher zum europäischen Privatrecht, teilweise in Form von ''casebooks'' mit Primärtexten aus dem jeweiligen Recht, ermöglichen Studenten den Zugang zu anderen Rechts-ordnungen. Größere rechtswissenschaftliche Untersuchungen zu rechtsdogmatischen Fragen enthalten regelmäßig einen rechtsvergleichenden Teil; explizit rechtsvergleichende Projekte sind höher geschätzt als früher. Schließlich ist auch die internationale Zusammenarbeit angestiegen (teilweise durch Fördergelder der EU). Es gibt mehrere neue rechtsvergleichend-/‌europäischrechtliche Zeitschriften. Vor allem arbeiten verschiedene internationale Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Zielen explizit rechtsvergleichend an einem Europäischen Privatrecht.
Funktionale Schranken zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Rechtswahl zum Schutz einer als „schwächer“ empfundenen Partei oder zum Schutz von Dritten oder der Allgemeinheit nicht oder nur in eingeschränkter Weise zulassen. Soweit es um den Schutz einer als „schwächer“ empfundenen Partei, insbesondere um den Schutz von Verbrauchern und Arbeitnehmern geht, kommt darin die Sorge vor Informationsasymmetrien zum Ausdruck: Die strukturell schlechter informierte Partei soll vor der Übervorteilung durch die strukturell besser informierte Partei geschützt werden. Soweit es um den Schutz Dritter oder der Allgemeinheit geht, liegt den einschlägigen Regelungen die Sorge vor negativen externen Effekte zugrunde: Unbeteiligte Dritte und die Allgemeinheit sollen davor geschützt werden, dass die Parteien einer Rechtswahl, die Kosten ihrer Wahl ohne Entschädigung auf sie abwälzen.


Unter den verschiedenen Projekten ist die Rechtsvergleichung am wichtigsten für das ''common core''-Projekt, das aufgrund detaillierter rechtsvergleichender Fallstudien Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen europäischen Rechtsordnungen erarbeitet und weitgehend ohne eigene Wertungen darstellt. Andere Gruppen wie die Lando-Komission (''[[Principles of European Contract Law]]'') und die daraus hervorgegangene ''[[Study Group on a European Civil Code]]'' sowie die ''European Group on Tort Law'' (''[[Principles of European Tort Law]]'') verbinden rechtsvergleichende Bestandsaufnahme mit normativer Suche nach der besten Lösung (''[[Restatements]]''). Für Projekte der Gemeinschaft, die ein stärker regulatives Privatrechtsverständnis haben, gleich ob sie stärker ein liberal-marktbezogenes oder ein ausgleichend-soziales Privatrecht bevorzugen, ist die Vergleichung der regelmäßig weniger regulativen Privatrechte der Mitgliedstaaten oft weniger wichtig als der Zusammenhang zum Gemeinschaftsrecht. Insgesamt ist die Rechtsvergleichung nur noch eines von mehreren Elementen europäischer Privatrechtswissenschaft; weder als Grundlage noch als Legitimation ist sie allein ausreichend.
Unterschiedlich ist in den einzelnen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerken die rechtstechnische Ausgestaltung der funktionalen Schranken. So wird in den USA der Schutz einer Partei oder der Schutz von Dritten regelmäßig durch die Anwendung der allgemeinen ''fundamental'' ''public policy doctrine ''erreicht. In Europa werden die relevanten Fälle demgegenüber durch genaue gesetzliche Bestimmungen erfasst: Soweit es um den Schutz einer Partei geht, beschränken Art.&nbsp;6 und 8 Rom&nbsp;I-VO beispielsweise die Wirkung einer Rechtswahl zum Schutz von Verbrauchern und Arbeitnehmern ([[Verbraucherverträge (IPR und IZPR)]]; [[Arbeitsrecht, internationales]]). Art.&nbsp;5 und 7 Rom&nbsp;I-VO begrenzen den Kreis der wählbaren Rechte zum Schutz von Reisenden und Versicherungsnehmern ([[Versicherungsvertragsrecht, internationales]]). Art.&nbsp;14 Rom&nbsp;II-VO gestattet eine Rechtswahl zum Schutz nicht-kommerziell tätiger Parteien nur nach Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses. Und Art.&nbsp;15 der neuen Unterhalts-VO erklärt – unter Verweis auf das Protokoll zum neuen Haager Unterhaltsübereinkommen – eine Rechtswahl zum Schutz von Kindern unter 18 Jahren und zum Schutz von Erwachsenen für unzulässig, deren Fähigkeiten so eingeschränkt sind, dass sie ihre Interessen nicht selbst vertreten können. Soweit es um den Schutz von Dritten geht, bestimmen sowohl Art.&nbsp;3(3)2 Rom&nbsp;I-VO als auch Art.&nbsp;14(1)2 Rom&nbsp;II-VO in allgemeiner Form, dass eine nachträgliche Rechtswahl die Rechte Dritter nicht berühren darf. Darüber hinaus finden sich in beiden schuldrechtlichen Verordnungen konkrete Bestimmungen, die die Rechtswahl zum Schutz Dritter einschränken oder sogar ausschließen. Beispielsweise begrenzt Art.&nbsp;14(2) Rom&nbsp;I-VO die Wirkung einer Rechtswahl zwischen Zedent und Zessionar, indem bestimmte Fragen, die die Stellung des Schuldners berühren, zwingend dem Forderungsstatut unterworfen werden. Und Art.&nbsp;6(4) Rom&nbsp;II-VO schließt eine Rechtswahl bei außervertraglichen Schuldverhältnissen aus unlauterem Wettbewerbsverhalten vollständig aus, da das Wettbewerbsrecht nach überwiegender Ansicht dem Schutz Dritter und der Allgemeinheit dient.


Ähnliches gilt unter Gegnern einer europäisierten Privatrechtswissenschaft. Lange Zeit waren Rechtsvergleicher fast geschlossen für eine europäisierte Privatrechtswissenschaft; Widerstand kam nur von auf nationales Recht beschränkten Wissenschaftlern. Inzwischen gibt es auch Rechtsvergleicher, die ein notwendig national geprägtes Rechtsverständnis als Argument gegen europäisierte Privatrechtswissenschaft anführen, und andere, die eine europäische Diskussion befürworten, nicht aber eine europäische Privatrechtsvereinheitlichung. Die lange Zeit als fast notwendig angesehene Verbindung zwischen Rechtsvergleichung und &#8209;vereinheitlichung wird so gelockert, was neue Freiheiten für beide Seiten erzeugt.
=== b) Situative Schranken ===
Situative Schranken sind dadurch gekennzeichnet, dass sie einer Rechtswahl bei Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts nur begrenzte Wirkung beimessen. Die wichtigsten Schranken in diesem Sinne beziehen sich auf reine Inlandssachverhalte und sollen verhindern, dass die Parteien bei Fällen, die keine Bezüge zum Ausland aufweisen, durch die Wahl ausländischen Rechts die zwingenden Bestimmungen des Inlands aushebeln. Nach Art.&nbsp;3(3) Rom&nbsp;I-VO und Art.&nbsp;14(2) Rom&nbsp;II-VO lässt eine Rechtswahl dementsprechend die Anwendung der zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates unberührt, zu dem die alleinige Verbindung besteht. Nach Art.&nbsp;3(4) Rom&nbsp;I-VO und Art.&nbsp;14(3) Rom&nbsp;II-VO gilt das Gleiche im Hinblick auf die zwingenden Normen des Gemeinschaftsrechts, wenn der Sachverhalt lediglich Bezüge zu einem oder mehreren Mitgliedstaaten aufweist. Sowohl bei vertraglichen als auch bei außervertraglichen Schuldverhältnissen findet damit bei Inlands- und Gemeinschaftssachverhalten das gewählte Recht nur insoweit Anwendung, als es dem zwingenden Recht des einzig betroffenen Staates oder dem zwingenden Gemeinschaftsrecht nicht widerspricht. In den USA gilt Entsprechendes nach §&nbsp;187 ''Restatement (Second) of Conflict of Laws'' (''[[Restatements]]'') und nach §&nbsp;1-105 UCC in der bis 2001 geltenden Fassung. Zwar fehlt es hier an ähnlich klaren Bestimmungen wie im europäischen Kollisionsrecht. Der offizielle Kommentar zu §&nbsp;187 ''Restatement (Second)'' stellt jedoch fest, dass die Vorschrift nur dann Anwendung findet, wenn zwei oder mehr Staaten ein Interesse an der Regelung des in Rede stehenden Sachverhalts haben. §&nbsp;187 ''Restatement (Second)'' ist deshalb nicht anzuwenden, wenn es nur einen interessierten Staat gibt, was dann der Fall ist, wenn ein Inlandssachverhalt im Sinne von Art.&nbsp;3(4) und (5) Rom&nbsp;I-VO oder Art.&nbsp;14(2) und (3) Rom&nbsp;II-VO vorliegt. Im internationalen Familien- und Erbrecht ([[Familienrecht, internationales]]; [[Erbrecht, internationales]]) wird in den meisten Rechtsordnungen das gleiche Ergebnis dadurch erreicht, dass der Kreis der wählbaren Rechte eingeschränkt wird.


Ob und wie Unterschiede durch Vereinheitlichung überwunden werden sollen, lässt sich nur mit Argumenten beurteilen, die der rechtsvergleichenden Analyse selbst nur beschränkt entnommen werden können. Eben deshalb ist die Rechtsvergleichung für die Herausbildung eines Europäischen Privatrechts zwar nötig aber allein unzureichend. Denn das Europäische Privatrecht muss die Unterschiede zwischen Rechtsordnungen überwinden oder zumindest verarbeiten, und es muss nicht nur die Rolle des Rechts in der Gesellschaft bestimmen, sondern zuallererst Rechtsregeln und eine europäische Rechtsdogmatik erarbeiten.
=== c) Technische Schranken ===
 
Technische Schranken der Rechtswahlfreiheit zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Wahlfreiheit der Parteien mit Hilfe eines bestimmten rechtlichen Instrumentariums zum Schutz übergeordneter Interessen beschränken. Die einzelnen nationalen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerke unterscheiden dabei zwischen [[Eingriffsnormen]] und ''[[ordre public]]''. Eingriffsnormen sind nationale Vorschriften, die bei internationalen Sachverhalten unabhängig von dem gewählten Recht Geltung beanspruchen (siehe auch [[Unilateralismus (IPR)]]). Sie sind daran zu erkennen, dass sie ein öffentliches Interesse im weitesten Sinne zum Ausdruck bringen und anders als Normen des klassischen Privatrechts nicht nur dem Ausgleich privater Interessen dienen. Häufig sind sie wirtschafts- und sozialpolitischer Natur und bezwecken die staatliche Regulierung einzelner Lebensbereiche. Der ''ordre public'' verhindert die Anwendung des gewählten Rechts, wenn dies zu einem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung des Forums führt. Er greift als ''ultima ratio ''ein, wenn grundlegenden Wertvorstellungen des Forums nicht auf andere Weise zum Durchbruch verholfen werden.
== 5. Europäische Rechtsetzung ==
Für Institutionen der [[Europäische Union|Europäischen Union]] ist rechtsvergleichende Arbeit aus mehreren Gründen wesentlich. Schon die Frage, ob die EU überhaupt tätig werden soll und darf, hat regelmäßig eine rechtsvergleichende Komponente. Ob etwa Rechtsunterschiede bestehen, die den [[Europäischer Binnenmarkt|europäischen Binnenmarkt]] behindern, ob das nationale Recht gemäß dem Subsidiaritätsprinzip zur Regelung unzureichend ist; all das lässt sich im Grunde ohne rechtsvergleichende Untersuchung mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen nicht bestimmen. Freilich werden die eigentlich vom [[EG-Vertrag]] geforderten empirischen Untersuchungen insoweit nur sehr selten umfassend geleistet; oft sind Binnenmarktrelevanz und Notwendigkeit der Regelung auf europäischer Ebene bloße unsubstantiierte Behauptungen.
 
Beschließt die EU, eine Regelung zu erlassen, so ist sie allerdings stärker auf rechtsvergleichende Vorarbeiten angewiesen als es bei der Rechtsetzung im Einzelstaat der Fall ist. Wenn die EU neue Regelungsbereiche erschließt, fehlt es ihr insoweit oft an einer eigenen Rechtstradition, an die sie anschließen kann; sie muss schon deshalb auf die Erfahrungen der Mitgliedstaaten zurückgreifen oder sich an den Erfahrungen nichteuropäischer Rechtssysteme orientieren. Dem Erlass gemeinschaftsrechtlicher Regelungen gehen häufig umfangreiche rechtsvergleichende Vorarbeiten voraus, die, wenn sie intern erarbeitet werden, bedauerlicherweise nicht veröffentlicht werden. Für größere Projekte werden oft Wissenschaftler außerhalb der EU-Institutionen mit solchen Vorarbeiten betraut.
 
Schließlich ist Rechtsvergleichung auch in der Implementationsphase wesentlich. Weil das Gemeinschaftsrecht das mitgliedstaatliche Recht nicht einfach ersetzt, sondern auf komplexe Weise mit ihm verzahnt ist, setzen die erfolgreiche Implementierung des Gemeinschaftsrechts und deren in Art.&nbsp;211&nbsp;EGV/‌17 AEUV geforderte Überwachung ein gutes Verständnis der jeweiligen mitgliedstaatlichen Rechtsordnung voraus, und zwar im Vergleich sowohl mit anderen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen als auch mit dem Gemeinschaftsrecht selbst.
 
== 6. Europäische Rechtsprechung ==
Rechtsvergleichung ist wichtig auch beim [[Europäischer Gerichtshof|Europäischen Gerichtshof]], obwohl dieser auf die Auslegung des Gemeinschaftsrechts beschränkt ist und zur korrekten Auslegung des mitgliedstaatlichen Rechts nicht Stellung nimmt. Ob etwa die Anwendung mitgliedstaatlicher Regelungen dadurch die [[Grundfreiheiten (allgemeine Grundsätze)|Grundfreiheiten]] verletzen, dass sie Angehörigen anderer Mitgliedstaaten gegenüber den Anforderungen ihres Heimatrechts zusätzliche Belastungen auferlegen, kann oft nur im Vergleich der betroffenen Rechtsordnungen ermittelt werden. Die [[Auslegung des Gemeinschaftsrechts]] erfolgt zwar grundsätzlich autonom. Das schließt aber nur den unmittelbaren Rückgriff auf das Recht eines einzelnen Mitgliedstaats aus, nicht notwendig aber den auf die rechtsvergleichende Bestandsaufnahme der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. Unbestreitbar erforderlich ist die „wertende“ Rechtsvergleichung zur Ermittlung [[Allgemeine Rechtsgrundsätze|allgemeiner Rechtsgrundsätze]]. Daneben wird die Rechtsvergleichung auch zur Ausfüllung von Lücken im Gemeinschaftsrecht herangezogen, wo die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen übereinstimmen oder zumindest eine dominante Tendenz erkennen lassen. Das kann problematisch werden, insofern es die Kompetenzordnung des Gemeinschaftsrechts zu untergraben droht. Wo das Gemeinschaftsrecht eigene Ziele gerade im Widerspruch zu den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen verfolgt, ist der Rückgriff wohl ausgeschlossen.
 
Beim EuGH übernimmt hauptsächlich der Generalanwalt die rechtsvergleichende Vorarbeit, wenn auch mit starken Unterschieden in Umfang und Qualität. Der EuGH kann aber auch die Parteien, insbesondere die Kommission, zu rechtsvergleichender Vorarbeit auffordern; er erarbeitet zudem interne, unveröffentlichte, rechtsvergleichende Studien.
 
Keine echte Rechtsvergleichung ist es, wenn mitgliedstaatliche oder europäische Gerichte sich auf die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch die Gerichte anderer Mitgliedstaaten berufen (was sie nicht immer genügend tun), denn dabei handelt es sich um Diskussion innerhalb ein und derselben Rechtsordnung. Anders ist es bei der rechtsvergleichenden Interpretation des innerstaatlichen Rechts; diese kann langfristig zur Konvergenz eines gemeineuropäischen Privatrechts führen.
 
== 7. Ausblick ==
Insgesamt emanzipiert sich die europäische Privatrechtswissenschaft zur Zeit von der Rechtsvergleichung in ähnlicher Weise, wie sich das Europarecht vor längerem vom Völkerrecht und dem nationalen Verfassungsrecht emanzipiert hat. Nun, da ein erheblicher Kenntnisstand in der innereuropäischen Privatrechtsvergleichung erreicht ist, ist die Rechtsvergleichung nur noch eines von vielen Momenten des Europäischen Privatrechts. Sollte ein [[Common Frame of Reference|Gemeinsamer Referenzrahmen]] oder gar ein [[Europäisches Zivilgesetzbuch]] Erfolg haben, so können diese Texte nicht nur auf Rechtsvergleichung beruhen, sondern müssen auch aus anderen Gründen überzeugen. Dass damit die Bedeutung der innereuropäischen Privatrechtsvergleichung relativiert wird, hilft dem Europäischen Privatrecht, sich stärker auch auf seine normativen Ziele und seine Verbindung zur Gemeinschaft und ihrem sonstigen Recht zu konzentrieren. Gleichzeitig hilft es der europäischen Rechtsvergleichung dabei, wieder verstärkt auch andere Fragen als die der europäischen Privatrechtsvereinheitlichung ins Auge zu fassen. In dem Maße, in dem das Europäische Privatrecht sich von der Rechtsvergleichung emanzipiert, ist auch zu hoffen, dass die Rechtsvergleichung sich wieder stärker anderen Materien als dem Privatrecht zuwendet und dass der Vergleich mit außereuropäischen Rechtsordnungen, der über lange Zeit stark in den Hintergrund getreten ist, umfassender betrieben wird.


==Literatur==
==Literatur==
International Encyclopedia of Comparative Law (IECL), 1967 ff.; ''Konrad Zweigert'', ''Hein Kötz'', Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiet des Privatrechts, 3. Aufl. 1996; ''Mathias Reimann'', The Progress and Failure of Comparative Law in the Second Half of the Twentieth Century, American Journal of Comparative Law 50 (2002) 671 ff.; ''Pierre Legrand'','' Roderick Munday'' (Hg.), Comparative Legal Studies: Traditions and Transitions, 2003; ''François R. van der Mensbrugghe'' (Hg.), L’utilisation de la méthode comparative en droit européen, 2003; ''Mathias Reimann'','' Reinhard Zimmermann'' (Hg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, 2006; ''Jan M. Smits'' (Hg.), Elgar Encyclopedia of Comparative Law, 2006; ''Ralf Michaels'', Two Paradigms of Jurisdiction, Michigan Journal of International Law 27 (2006) 1003 ff.; ''James Gordley'', Foundations of Private Law: Property, Tort, Contract, Unjust Enrichment, 2007; ''Esin Örücü'', ''David Nelken'' (Hg.), Comparative Law: A Handbook, 2007.
''Hessel E. Yntema'', “Autonomy“ in Choice of Law, American Journal of Comparative Law&nbsp;1 (1952) 341&nbsp;ff; ''Hessel E. Yntema'', Contract and Conflict of Laws: “Autonomy“ in Choice of Law in the United States, New York Law Forum 1 (1955) 45&nbsp;ff; ''André Aloys Wicki'', Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht, 1965; ''Larry E. Ribstein'', Choosing Law by Contract, Journal of Corporation Law 18 (1993) 245&nbsp;ff; ''Dorothee Einsele'', Rechtswahlfreiheit im Internationalen Privatrecht, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privaterecht 60 (1996) 417&nbsp;ff; ''Peter E. Nygh'', Autonomy in International Contracts, 1999; ''Yuko Nishitani'', Mancini und die Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht, 2000; ''Stefan Leible'', Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht: Verlegenheitslösung oder Allgemeines Anknüpfungsprinzip?, in: Festschrift für Erik Jayme, Bd.&nbsp;I, 2004, 485&nbsp;ff; ''Giesela Rühl'', Party Autonomy in the Private International Law of Contracts: Transatlantic Convergence and Economic Efficiency, in: Eckart Gottschalk, Ralf Michaels, Giesela Rühl, Jan von Hein (Hg.), Conflict of Laws in a Globalized World, 2007, 153&nbsp;ff; ''Giesela Rühl'', Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht, in: Festschrift für Jan Kropholler, 2008, 187&nbsp;ff.


[[Kategorie:A–Z]]
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[[en:Comparative_Law]]
[[en:Choice_of_Law_by_the_Parties]]

Version vom 8. September 2021, 12:19 Uhr

von Giesela Rühl

1. Begriff und Funktion

Die Rechtswahlfreiheit ermöglicht den Parteien die Bestimmung des auf ihr Rechtsverhältnis anwendbaren Rechts. Sie ist neben der Freiheit zur Bestimmung des international zuständigen Gerichts (Gerichtsstandsvereinbarung, internationale) Ausdruck der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie und stellt sich als Fortsetzung der materiellrechtlichen Privatautonomie dar (Vertragsfreiheit). Da sie dispositives ebenso wie zwingendes Recht erfasst, geht sie allerdings über die auf materiellrechtlicher Ebene gewährleistete Möglichkeit zur privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen hinaus.

Als kollisionsrechtlicher Anknüpfungspunkt (Anknüpfung) spielt die Rechtswahlfreiheit in einer globalisierten Welt eine herausragende Rolle. Sie ermöglicht die sachgerechte Regelung von Einzelfällen, schafft Klarheit über das anzuwendende Recht und senkt die Kosten der Rechtsermittlung. Aus ökonomischer Sicht spricht für die Rechtswahlfreiheit die Vermutung der Effizienz: Da sich rationale Parteien nur dann auf eine Rechtswahl einlassen, wenn sie sich von ihr eine Steigerung ihres eigenen Nutzens versprechen, führt eine Rechtswahl regelmäßig zu einer Steigerung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt und damit zu dem aus ökonomischer Sicht wünschenswerten Zustand der Pareto-Effizienz. Die Gründe, die die Parteien für eine bestimmte Rechtswahl haben, spielen dabei keine Rolle. Unerheblich ist insbesondere, ob sie sich für ein bestimmtes Recht entscheiden, weil es ihren Bedürfnissen am besten entspricht, oder ob andere Faktoren – Vertrautheit, Neutralität, Reputation – ausschlaggebend sind. Solange die Parteien sich aus freien Stücken heraus einem bestimmten Recht unterwerfen, stellt sich die Wahl aus ökonomischer Sicht als effizient dar. Eine herausragende Rolle spielt die Rechtswahlfreiheit in einer globalisierten Welt aber nicht nur deswegen, weil sie zahlreiche Vorteile für die Parteien mit sich bringt und aus ökonomischer Sicht effizient ist. Von Bedeutung ist sie auch und vor allem deswegen, weil sie sich als wichtiges Instrument zur Ermöglichung eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen darstellt. Da Parteien durch die Wahl eines ausländischen Rechts bestimmte Regelungen des eigentlich anwendbaren Rechts kostengünstig umgehen können, werden nationale Gesetzgeber nämlich dazu angehalten, ihre Rechtsordnung so auszugestalten, dass sie für die Parteien attraktiv ist. Unter der Voraussetzung, dass dieser Markt für rechtliche Regelungen funktioniert, kann die Rechtswahlfreiheit deshalb zu einer qualitativen Verbesserung rechtlicher Regelungen führen (race to the top).

2. Historische Entwicklung

Die Rechtswahlfreiheit ist verglichen mit anderen Anknüpfungsprinzipien eine verhältnismäßig junge „Erfindung“. Sie betritt die Bühne des internationalen Privatrechts nach Ansicht zahlreicher, insbesondere französischer Autoren im 16. Jahrhundert, und zwar mit dem Franzosen Charles Dumoulin (1500–1566). In seinen „Conclusiones de Statutis et Consuetudinibus Localibus“ zog er nämlich den vermuteten Parteiwillen heran, um internationale Eheverträge statt dem Recht des Abschlussortes dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Ehemannes zu unterwerfen. Ein genauer Blick zeigt allerdings, dass es Dumoulin nicht darum ging, die Rechtswahlfreiheit als Anknüpfungsprinzip zu etablieren. Sein Anliegen war vielmehr die argumentative Untermauerung einer von der lex loci contractus abweichenden objektiven Anknüpfung. Den Parteiwillen sah er folglich als Argumentationshilfe und nicht als eigenständiges Anknüpfungsprinzip an. Ähnliches gilt für die meisten Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts: Der Niederländer Ulrich Huber (1636–1694) stellte in „De Conflictu Legum“ auf den vermuteten Parteiwillen ab, um die Anknüpfung von Verträgen an das Recht des Erfüllungsortes zu rechtfertigen. Lord Mansfield begründete in seinem berühmten obiter dictum aus dem Jahr 1760 (Robinson v. Bland (1760) 2 Burr. 1077) die Anwendung englischen Rechts als Recht des Erfüllungsortes mit dem Hinweis darauf, dass die Parteien – vermutlich – die Anwendung englischen Rechts gewollt hätten, weil der vertraglich geschuldete Geldbetrag in England in englischen Pfund zu bezahlen gewesen sei. Und auch Joseph Story (1779–1845) zog den vermuteten Parteiwillen in seinem „Commentaries on the Conflict of Laws“ lediglich als argumentative Stütze für die Anwendung des Rechts des Erfüllungsortes heran. Keine eigenständige Bedeutung kommt dem Parteiwillen schließlich auch bei Friedrich Carl von Savigny (1779–1861) zu. Zwar betont er im Hinblick auf das Schuldrecht an verschiedenen Stellen, dass die freiwillige Unterwerfung der Parteien unter ein bestimmtes Rechtsgebiet über den Sitz des Rechtsverhältnisses entscheide und dass die Anknüpfung eines bestimmten Rechtsverhältnisses vom Willen der Parteien abhänge, der entweder ausdrücklich oder stillschweigend erklärt werden könne. Allerdings findet sich nirgendwo ein Hinweis auf die Wahl eines Rechts, das vom Erfüllungsort verschieden ist. Den Parteiwillen betrachtete Savigny deshalb entweder – wie Huber, Lord Mansfield und Story – als argumentative Stütze für die Anknüpfung an den Erfüllungsort oder als Ausdruck einer indirekten, mittelbaren oder unechten Rechtswahl, die immer dann möglich ist, wenn ein tatsächlich beeinflussbarer Anknüpfungspunkt zur Anwendung kommt.

Als eigenständiges Anknüpfungsprinzip gewinnt der – tatsächliche oder vermutete – Parteiwille und damit einhergehend die Rechtswahlfreiheit erst im 19. Jahrhundert mit dem Italiener Pasquale Stanislao Mancini (1817–1888) Bedeutung. Unter dem Einfluss der kontinentaleuropäischen Willenstheorie verwarf er die territorialen Anknüpfungspunkte, insbesondere die lex loci contractus, die bis dahin die Diskussion dominiert hatten, und ordnete die Rechtswahlfreiheit als eigenständiges und vorrangiges Anknüpfungsprinzip des internationalen Vertragsrechts ein (Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)). Die Ausführungen Mancinis zogen allerdings zunächst keine große Aufmerksamkeit auf sich. Erst der politische und ökonomische Liberalismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts bereitete den Nährboden für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Rechtswahlfreiheit. Einigkeit über ihre Rolle im Allgemeinen und ihre Rolle im internationalen Vertragsrecht im Besonderen konnte allerdings auf beiden Seiten des Atlantiks lange nicht erzielt werden: In Europa wurde ihr von den Gerichten der einzelnen Länder bis weit in das 20. Jahrhundert unterschiedliche Bedeutung beigemessen. Während die Rechtsprechung in England, Deutschland und Frankreich ihr im Allgemeinen aufgeschlossen gegenüber stand, waren Gerichte in anderen Staaten äußerst kritisch. Aber nicht nur Gerichte, auch die wissenschaftliche Gemeinschaft konnte lange Zeit keinen gemeinsamen Nenner finden. Während sich einige Kollisionsrechtler unter Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht und die Freiheit des einzelnen den Gerichten anschlossen und weitestgehende Rechtswahlfreiheit forderten, sprachen sich andere in scharfen Worten gegen sie aus. Sie wandten im Wesentlichen ein, dass die Parteien sich nicht durch die Wahl des anwendbaren Rechts über das Gesetz erheben könnten. Langfristig vermochte sich diese Auffassung allerdings nicht durchsetzen. Zunehmende internationale Verflechtungen, zunehmender internationaler Handel sowie der aufkommende politische und ökonomische Liberalismus dezimierten den Kreis der Rechtswahlgegner immer weiter. Bereits in den 1960er Jahren war von substantiellem Widerstand nicht mehr viel zu sehen. Der endgültige Sieg der Rechtswahlfreiheit kam in Europa im Jahr 1980, als sie in Art. 3(1) EVÜ niedergelegt wurde.

Auch in den USA war die Rechtswahlfreiheit lange Zeit umstritten. Ähnlich wie in Europa standen sich noch Anfang des 20. Jahrhunderts zwei Lager diametral gegenüber: Während amerikanische Gerichte, insbesondere der US-amerikanische Supreme Court (Pritchard v. Norton (1882) 106 U.S. 124), Rechtswahlklauseln regelmäßig zur Durchsetzung verhalfen, weigerten sich amerikanische Wissenschaftler zum Teil mit großer Vehemenz, die Rechtswahlfreiheit als Anknüpfungsprinzip anzuerkennen. Insbesondere Joseph H. Beale betrachtete das anwendbare Recht als eine Frage staatlicher Souveränität, die außerhalb der Dispositionsbefugnis der Parteien liege. Da er später zum Berichterstatter für das Restatement (First) of Conflict of Laws (Restatements) ernannt wurde, verwundert es nicht, dass dieses zur Rechtswahlfreiheit schwieg und damit den Parteien implizit untersagte, das anwendbare Recht zu bestimmen. In der Praxis erwies sich diese rigorose Haltung allerdings als nicht haltbar. Im Laufe der Zeit setzten sich die Gerichte deshalb mit ihrer rechtswahlfreundlichen Position durch. Heute gilt die Rechtswahlfreiheit aufgrund von § 187 Restatement (Second) und § 1-105 UCC auch in den USA unangefochten. Selbst Bundesstaaten, die noch immer das Restatement (First) oder andere durch die American Conflict of Laws Revolution hervorgebrachte kollisionsrechtliche Ansätze zur Anwendung bringen, akzeptieren das Recht der Parteien, das anwendbare Recht zu bestimmen. Nach jahrelanger Diskussion gilt die Rechtswahlfreiheit damit sowohl in Europa als auch in den USA als allgemeines Anknüpfungsprinzip des internationalen Vertragsrechts. In anderen Rechtsgebieten hinkt die Entwicklung bislang noch hinterher.

3. Anwendungsbereich

Der klassische – und bis heute am wenigsten umstrittene – Anwendungsbereich der Rechtswahlfreiheit ist das internationale Vertragsrecht (Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)). Hier beansprucht sie – mit Ausnahme einiger südamerikanischer Länder – weltweite Geltung. In anderen Rechtsgebieten hat sie demgegenüber erst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Dies gilt insbesondere für das außervertragliche Schuldrecht (Außervertragliche Schuldverhältnisse (IPR)). Hier hat die Möglichkeit einer Rechtswahl erst in den letzten zehn bis zwanzig Jahren Eingang in nationale Rechtsordnungen und internationale Regelwerke gefunden. Diese sehen häufig vor, dass Vereinbarungen über das anwendbare Recht zulässig sind, nachdem das Ereignis, durch das das außervertragliche Schuldverhältnis begründet wird, eingetreten ist. Nach Art. 14(1) Rom II-VO (VO 864/‌‌2007) können nicht kommerziell tätige Parteien darüber hinaus auch zu einem früheren Zeitpunkt das anwendbare Recht bestimmen. Im internationalen Familien- und Erbrecht wird den Parteien mittlerweile in vielen Rechtsordnungen gestattet, das anwendbare Recht aus einem vorgegebenen Kreis von Rechten zu wählen (Familienrecht, internationales; Erbrecht, internationales). Art. 20a des Vorschlags zur Ergänzung der Brüssel IIa-VO (2201/‌2203) (KOM (2006) 399 endg.), den die Europäische Kommission im Juli 2006 vorgelegt hat, gestattet den Parteien insbesondere die Wahl des Rechts ihrer Staatsangehörigkeit und ihres gewöhnlichen Aufenthalts. Gleiches gilt nach Art. 15 der neuen Unterhalts-VO (VO 4/‌2009) – unter Hinweis auf das Protokoll zum neuen Haager Unterhaltsabkommen – für internationale Unterhaltsverpflichtungen.

Der Anwendungsbereich der Rechtswahlfreiheit ist vor diesem Hintergrund ausgesprochen groß. Keine nennenswerte Geltung beansprucht sie bislang lediglich im internationalen Sachenrecht (Sachenrecht, internationales). Hier wird das anwendbare Recht im Regelfall nach wie vor objektiv mit Hilfe der lex rei sitae bestimmt. Eine Ausnahme findet sich allerdings im internationalen Wertpapierrecht (Finanzsicherheiten), wo Art. 4(1)1 des im Juli 2006 von der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht verabschiedeten Haager Wertpapierübereinkommens anordnet, dass die Verfügung über Wertpapiere im Giroverkehr dem Recht des Staates unterliegt, dessen Rechtsordnung in der Kontovereinbarung ausdrücklich als maßgebend vereinbart wurde. Diese- Rechtswahlmöglichkeit unterscheidet sich allerdings von den im Übrigen hier diskutierten Rechtswahlmöglichkeiten insofern, als sie sich nicht auf das Verhältnis der unmittelbar an der Transaktion – der Wertpapierübertragung – beteiligten Parteien bezieht. Die Rechtswahl wird also nicht unmittelbar zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber eines Wertpapiers getroffen, sondern vielmehr zwischen dem Veräußerer und seiner Bank einerseits und dem Erwerber und seiner Bank andererseits.

4. Gegenstand

Gegenstand der Rechtswahl kann nach den meisten nationalen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerken lediglich ein staatliches Recht sein. Nicht-staatliches Recht (Lex Mercatoria) wie beispielsweise die UNIDROIT PICC (UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts) oder die PECL (Principles of European Contract Law) können deshalb grundsätzlich nicht gewählt werden. Für das geltende europäische Recht ergibt sich dies daraus, dass die einschlägigen oder die sie umrahmenden Bestimmungen vom „Recht eines Staates“ sprechen. Für Art. 3 Rom I-VO (VO 593/‌2008) kommt außerdem hinzu, dass der 14. Erwägungsgrund die Wahl vertragsrechtlicher Regelwerke der Europäischen Gemeinschaft (Europäische Gemeinschaft), insbesondere die Wahl des Gemeinsamen Referenzrahmens (Europäisches Privatrecht) gestattet. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass nicht-staatliches Recht im Übrigen nicht Gegenstand der Rechtswahl sein kann. Entsprechendes gilt grundsätzlich auch für das Recht der USA. Die einschlägigen Vorschriften, insbesondere § 187 Restatement (Second) of Conflict of Laws (Restatements), § 1-105 UCC sowie die im Jahr 2001 verabschiedete neue Fassung des § 1-103 UCC sprechen durchgehend von „law of a state”. Lediglich die kürzlich erlassenen IPR-Gesetze von Louisiana und Oregon verzichten auf den Zusatz „of a state“ und bringen damit zum Ausdruck, dass die Parteien das anwendbare Recht – und nicht nur das Recht eines Staates – wählen können. Gleiches gilt nach überwiegender, aber bestrittener Ansicht auf der Grundlage der Konvention von Mexiko von 1994. Zwar findet sich keine ausdrückliche Bestimmung dieses Inhalts. Die Autoren, die die Wählbarkeit nicht-staatlichen Rechts befürworten, stützen sich allerdings auf Art. 9(2)2 der Konvention, der Gerichten die Berücksichtigung und Anwendung von allgemeinen Prinzipien des Wirtschaftsrechts gestattet, die von internationalen Organisationen anerkannt werden.

Gegenstand der Rechtswahl kann ferner in vielen nationalen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerken nur das Recht eines Staates sein, mit dem der Sachverhalt verbunden ist. Dies gilt insbesondere für das internationale Familien- und Erbrecht (Familienrecht, internationales; Erbrecht, internationales). Hier sehen die einschlägigen europäischen Rechtsakte vor, dass die Parteien lediglich aus einem bestimmten Kreis von Rechten wählen dürfen, zu denen die Parteien eine Beziehung haben. Zu diesen Rechten gehören regelmäßig das Recht der Staatsangehörigkeit und das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes. Im internationalen Vertragsrecht gehen die einschlägigen Vorschriften demgegenüber auseinander: In den USA wird einer Rechtswahlklausel auf der Grundlage von § 187(2)(a) Restatement (Second) und § 1-105 UCC in der bis 2001 geltenden Fassung nur dann zur Durchsetzung verholfen, wenn die Parteien oder der Vertrag eine Verbindung zum gewählten Recht aufweisen (Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)). In der Europäischen Union dürfen die Parteien nach Art. 3 Rom I-VO ihren Vertrag demgegenüber auch einem unverbundenen Recht unterstellen. Ausnahmen finden sich lediglich im internationalen Beförderungs- und Versicherungsvertragsrecht, wo der Kreis der wählbaren Rechte nach Art. 5 und 7 Rom I-VO wie im internationalen Familien- und Erbrecht eingeschränkt wird (Versicherungsvertragsrecht, internationales). Die damit bestehenden Unterschiede zwischen dem europäischen und dem US-amerikanischen internationalen Vertragsrecht sind in der Praxis allerdings weit weniger groß, als ein Blick auf die einschlägigen Bestimmungen vermuten lässt: Zum einen kann nach § 187(2)(a) Restatement (Second) das Fehlen einer Verbindung zum gewählten Recht durch das Vorliegen einer reasonable basis geheilt werden. Zum anderen stellen US-amerikanische Gerichte keine besonders hohen Anforderungen an das Vorliegen einer Verbindung zum gewählten Recht.

5. Schranken

Die Rechtswahlfreiheit unterliegt in allen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerken gewissen Schranken. Diese sind entweder funktionaler, situativer oder technischer Natur.

a) Funktionale Schranken

Funktionale Schranken zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Rechtswahl zum Schutz einer als „schwächer“ empfundenen Partei oder zum Schutz von Dritten oder der Allgemeinheit nicht oder nur in eingeschränkter Weise zulassen. Soweit es um den Schutz einer als „schwächer“ empfundenen Partei, insbesondere um den Schutz von Verbrauchern und Arbeitnehmern geht, kommt darin die Sorge vor Informationsasymmetrien zum Ausdruck: Die strukturell schlechter informierte Partei soll vor der Übervorteilung durch die strukturell besser informierte Partei geschützt werden. Soweit es um den Schutz Dritter oder der Allgemeinheit geht, liegt den einschlägigen Regelungen die Sorge vor negativen externen Effekte zugrunde: Unbeteiligte Dritte und die Allgemeinheit sollen davor geschützt werden, dass die Parteien einer Rechtswahl, die Kosten ihrer Wahl ohne Entschädigung auf sie abwälzen.

Unterschiedlich ist in den einzelnen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerken die rechtstechnische Ausgestaltung der funktionalen Schranken. So wird in den USA der Schutz einer Partei oder der Schutz von Dritten regelmäßig durch die Anwendung der allgemeinen fundamental public policy doctrine erreicht. In Europa werden die relevanten Fälle demgegenüber durch genaue gesetzliche Bestimmungen erfasst: Soweit es um den Schutz einer Partei geht, beschränken Art. 6 und 8 Rom I-VO beispielsweise die Wirkung einer Rechtswahl zum Schutz von Verbrauchern und Arbeitnehmern (Verbraucherverträge (IPR und IZPR); Arbeitsrecht, internationales). Art. 5 und 7 Rom I-VO begrenzen den Kreis der wählbaren Rechte zum Schutz von Reisenden und Versicherungsnehmern (Versicherungsvertragsrecht, internationales). Art. 14 Rom II-VO gestattet eine Rechtswahl zum Schutz nicht-kommerziell tätiger Parteien nur nach Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses. Und Art. 15 der neuen Unterhalts-VO erklärt – unter Verweis auf das Protokoll zum neuen Haager Unterhaltsübereinkommen – eine Rechtswahl zum Schutz von Kindern unter 18 Jahren und zum Schutz von Erwachsenen für unzulässig, deren Fähigkeiten so eingeschränkt sind, dass sie ihre Interessen nicht selbst vertreten können. Soweit es um den Schutz von Dritten geht, bestimmen sowohl Art. 3(3)2 Rom I-VO als auch Art. 14(1)2 Rom II-VO in allgemeiner Form, dass eine nachträgliche Rechtswahl die Rechte Dritter nicht berühren darf. Darüber hinaus finden sich in beiden schuldrechtlichen Verordnungen konkrete Bestimmungen, die die Rechtswahl zum Schutz Dritter einschränken oder sogar ausschließen. Beispielsweise begrenzt Art. 14(2) Rom I-VO die Wirkung einer Rechtswahl zwischen Zedent und Zessionar, indem bestimmte Fragen, die die Stellung des Schuldners berühren, zwingend dem Forderungsstatut unterworfen werden. Und Art. 6(4) Rom II-VO schließt eine Rechtswahl bei außervertraglichen Schuldverhältnissen aus unlauterem Wettbewerbsverhalten vollständig aus, da das Wettbewerbsrecht nach überwiegender Ansicht dem Schutz Dritter und der Allgemeinheit dient.

b) Situative Schranken

Situative Schranken sind dadurch gekennzeichnet, dass sie einer Rechtswahl bei Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts nur begrenzte Wirkung beimessen. Die wichtigsten Schranken in diesem Sinne beziehen sich auf reine Inlandssachverhalte und sollen verhindern, dass die Parteien bei Fällen, die keine Bezüge zum Ausland aufweisen, durch die Wahl ausländischen Rechts die zwingenden Bestimmungen des Inlands aushebeln. Nach Art. 3(3) Rom I-VO und Art. 14(2) Rom II-VO lässt eine Rechtswahl dementsprechend die Anwendung der zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates unberührt, zu dem die alleinige Verbindung besteht. Nach Art. 3(4) Rom I-VO und Art. 14(3) Rom II-VO gilt das Gleiche im Hinblick auf die zwingenden Normen des Gemeinschaftsrechts, wenn der Sachverhalt lediglich Bezüge zu einem oder mehreren Mitgliedstaaten aufweist. Sowohl bei vertraglichen als auch bei außervertraglichen Schuldverhältnissen findet damit bei Inlands- und Gemeinschaftssachverhalten das gewählte Recht nur insoweit Anwendung, als es dem zwingenden Recht des einzig betroffenen Staates oder dem zwingenden Gemeinschaftsrecht nicht widerspricht. In den USA gilt Entsprechendes nach § 187 Restatement (Second) of Conflict of Laws (Restatements) und nach § 1-105 UCC in der bis 2001 geltenden Fassung. Zwar fehlt es hier an ähnlich klaren Bestimmungen wie im europäischen Kollisionsrecht. Der offizielle Kommentar zu § 187 Restatement (Second) stellt jedoch fest, dass die Vorschrift nur dann Anwendung findet, wenn zwei oder mehr Staaten ein Interesse an der Regelung des in Rede stehenden Sachverhalts haben. § 187 Restatement (Second) ist deshalb nicht anzuwenden, wenn es nur einen interessierten Staat gibt, was dann der Fall ist, wenn ein Inlandssachverhalt im Sinne von Art. 3(4) und (5) Rom I-VO oder Art. 14(2) und (3) Rom II-VO vorliegt. Im internationalen Familien- und Erbrecht (Familienrecht, internationales; Erbrecht, internationales) wird in den meisten Rechtsordnungen das gleiche Ergebnis dadurch erreicht, dass der Kreis der wählbaren Rechte eingeschränkt wird.

c) Technische Schranken

Technische Schranken der Rechtswahlfreiheit zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Wahlfreiheit der Parteien mit Hilfe eines bestimmten rechtlichen Instrumentariums zum Schutz übergeordneter Interessen beschränken. Die einzelnen nationalen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerke unterscheiden dabei zwischen Eingriffsnormen und ordre public. Eingriffsnormen sind nationale Vorschriften, die bei internationalen Sachverhalten unabhängig von dem gewählten Recht Geltung beanspruchen (siehe auch Unilateralismus (IPR)). Sie sind daran zu erkennen, dass sie ein öffentliches Interesse im weitesten Sinne zum Ausdruck bringen und anders als Normen des klassischen Privatrechts nicht nur dem Ausgleich privater Interessen dienen. Häufig sind sie wirtschafts- und sozialpolitischer Natur und bezwecken die staatliche Regulierung einzelner Lebensbereiche. Der ordre public verhindert die Anwendung des gewählten Rechts, wenn dies zu einem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung des Forums führt. Er greift als ultima ratio ein, wenn grundlegenden Wertvorstellungen des Forums nicht auf andere Weise zum Durchbruch verholfen werden.

Literatur

Hessel E. Yntema, “Autonomy“ in Choice of Law, American Journal of Comparative Law 1 (1952) 341 ff; Hessel E. Yntema, Contract and Conflict of Laws: “Autonomy“ in Choice of Law in the United States, New York Law Forum 1 (1955) 45 ff; André Aloys Wicki, Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht, 1965; Larry E. Ribstein, Choosing Law by Contract, Journal of Corporation Law 18 (1993) 245 ff; Dorothee Einsele, Rechtswahlfreiheit im Internationalen Privatrecht, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privaterecht 60 (1996) 417 ff; Peter E. Nygh, Autonomy in International Contracts, 1999; Yuko Nishitani, Mancini und die Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht, 2000; Stefan Leible, Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht: Verlegenheitslösung oder Allgemeines Anknüpfungsprinzip?, in: Festschrift für Erik Jayme, Bd. I, 2004, 485 ff; Giesela Rühl, Party Autonomy in the Private International Law of Contracts: Transatlantic Convergence and Economic Efficiency, in: Eckart Gottschalk, Ralf Michaels, Giesela Rühl, Jan von Hein (Hg.), Conflict of Laws in a Globalized World, 2007, 153 ff; Giesela Rühl, Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht, in: Festschrift für Jan Kropholler, 2008, 187 ff.