Haager Konferenz für IPR und Haftpflichtversicherung: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Jörg Pirrung]]''
von ''[[Robert Koch]]''
== 1. Gegenstand und Zweck der Konferenz ==
== 1. Gegenstand, Zweck und Funktion ==


Die Haager Konferenz hat die Aufgabe, an der fortschreitenden Vereinheitlichung der Regeln des [[internationales Privatrecht|internationalen Privatrechts]] (IPR) zu arbeiten, Art. 1 ihrer Satzung vom 31.10.1951. Sie tut dies in erster Linie dadurch, dass sie im Rahmen diplomatischer Tagungen Übereinkünfte zum IPR einschließlich des internationalen Zivilverfahrensrechts ausarbeitet. An ihrer ersten Tagung im September 1893 nahmen Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich-Ungarn, Portugal, Rumänien, Russland, die Schweiz und Spanien teil; 1894 kam Schweden und Norwegen, 1904 als erster außereuropäischer Staat Japan dazu. Sie verfolgte auf niederländische Initiative die Idee der Friedensverwirklichung durch Recht. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Zahl der Mitglieder verdoppelt. Der Konferenz gehören heute 68 Mitgliedstaaten aus allen Erdteilen sowie die [[Europäische Gemeinschaft]] an.
Die Haftpflichtversicherung ist ein Versicherungszweig der [[Schadenversicherung]]. Sie gewährt dem Versicherungsnehmer ''Schutz gegen die Inanspruchnahme auf Schadenersatz'' durch Dritte. Schutzobjekt in der Haftpflichtversicherung ist nicht ein bestimmtes Rechtsgut, sondern das jeweilige Vermögen des Versicherungsnehmers. Die Haftpflichtversicherung zählt zur Gruppe der Nichtpersonenversicherungen.


An weltweiter Rechtsvereinheitlichung arbeitet auch [[UNIDROIT]], jedoch vorrangig auf dem Gebiet des Sachrechts und nur am Rand auf dem des IPR, ähnlich [[UNCITRAL]] für das internationale [[Handelsrecht]]. Der [[Europarat (Privatrechtsvereinheitlichung)|Europarat]] als von vornherein regional begrenzte Organisation beschäftigt sich von Zeit zu Zeit mit Themen, die sich mit solchen der Haager Konferenz berühren, so das Europäische Übereinkommen vom 20.5.1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Sorgerechtsentscheidungen, oder ihnen auf Parallelgebieten folgen wie die Übereinkommen vom 24.11.1977 über die Zustellung von Schriftstücken und vom 15.3.1978 über die Erlangung von Rechtsauskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland. Mit diesen Institutionen arbeitet die Konferenz zusammen, auch um Doppelvorhaben zu vermeiden.
Die Anfänge der modernen Haftpflichtversicherung sind eng mit der einsetzenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert verknüpft. Neue Haftungstatbestände zum Schutz von Arbeitnehmern vor Betriebsgefahren schufen für die Unternehmer ein Bedürfnis nach Versicherungsschutz, der bald auch Angehörigen anderer Personengruppen (Freiberufler, Grund- und Hausbesitzer, Pferde- und Wagenbesitzer etc.) angeboten wurde und nicht nur mehr Schutz gegen deliktische, sondern auch vertragliche Ansprüche bot.


Schwieriger gestaltet sich das Verhältnis zur EU. Seit die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen nach Art. 61(c) EG/‌67(4) AEUV zur ersten Säule dieser Gemeinschaft gehört und nach Art. 65(b) EG/‌81(2)(c) AEUV insbesondere auch das IPR erfasst, decken sich sachlich die potentiellen Arbeitsgebiete der Konferenz insoweit mit denen der EU und unterscheiden sich nur noch durch die regionale Begrenzung der EU im Gegensatz zur heute weltweiten Anlage der Konferenz. Hinzu kommt, dass nicht nur alle 27 Mitgliedstaaten der EU als solche, sondern seit 2007 auch die EG selbst als Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration Mitglieder der Konferenz sind. Das bringt Gefahren für die eigenständige Bedeutung der Konferenz mit sich, zumal die Zahlen der Ratifikationen von Übereinkommen der Konferenz durch wichtige nichteuropäische Mitgliedstaaten der Konferenz wie die USA (5), Kanada (4), Australien (10), Südafrika (5), Russland (4), Japan (6), China (3), Indien (4), Mexiko (5) oder Brasilien (2) sich bislang eher in Grenzen halten.
Während die wirtschaftliche Bedeutung der Haftpflichtversicherung unverändert geblieben ist, hat sich in rechtlicher Hinsicht seit ihrer Einführung ein ''Funktionswandel'' von einer Versicherung des Schädigers hin zu einer auch den Geschädigten schützenden Versicherung vollzogen. In der ersten Phase der Haftpflichtversicherung galt sie allein dem ''Schutz des Versicherungsnehmers''. Diese Schutzrichtung fand ihren Ausdruck vor allem darin, dass die Abwehr von erhobenen Schadenersatzansprüchen im Vordergrund stand und die Feststellung der Haftpflichtforderung durch Urteil Voraussetzung für die Entschädigungspflicht des Versicherers war. Durch die Haftpflichtversicherung wurde die Stellung des Geschädigten also geradezu verschlechtert.


== 2. Organisation ==
In der zweiten Phase wurde die Rechtsstellung des Geschädigten gestärkt, indem ihm die Realisierung seines Anspruchs in der Insolvenz des Versicherungsnehmers durch Einräumung eines Absonderungsrechts garantiert wurde (sozialer Gehalt der Haftpflichtversicherung), die freie Verfügbarkeit des Versicherungsnehmers über seinen Verfügungsanspruch zugunsten des Geschädigten eingeschränkt wurde und der Versicherer, wenn für mehrere Dritte die Versicherungssumme nicht ausreichte, ein Verteilungsverfahren durchführen musste.


Die Konferenz ist förmlich erst seit ihrer auf der 7. Tagung 1951 beschlossenen und 1955 in Kraft getretenen Satzung eine dauerhafte Einrichtung mit einem Ständigen Büro. Vorher war sie auf Anstoß durch die niederländische Regierung zu einzelnen diplomatischen Tagungen mit je mehreren Gegenständen zusammengetreten, und zwar 1893, 1894, 1900, 1904, 1925 und 1928.
Die den vorläufigen Abschluss der Entwicklung markierende dritte Phase ist durch eine starke Ausdehnung der [[Pflichtversicherung]] im Bereich der Haftpflichtversicherung in den europäischen Versicherungsordnungen gekennzeichnet. Hier steht der ''Schutz des Geschädigten'' im Vordergrund. Ihm soll das Risiko genommen werden, seine Ersatzansprüche mangels Solvenz des Schädigers nicht realisieren zu können. Der Schutzgedanke findet seinen besonderen Ausdruck darin, dass dem Geschädigten vielfach und vor allem in der Kfz-Haftpflichtversicherung ein Direktanspruch gegen den Versicherer eingeräumt wird (''action directe'') und dass es dem Versicherer verwehrt ist, dem Geschädigten Einwendungen aus dem [[Versicherungsvertrag]] entgegenzuhalten. Er kann jedoch beim Versicherungsnehmer Rückgriff nehmen kann, soweit er diesem gegenüber zur Ablehnung oder Kürzung seiner Leistung berechtigt ist. Mittlerweile räumen zahlreiche Rechtsordnungen dem Geschädigten auch in der freiwilligen Haftpflichtversicherung ein eigenes, direktes Forderungsrecht ein (z.B. Spanien, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Griechenland).


Seit 1956 finden die Tagungen grundsätzlich alle vier Jahre statt (1956–1988, 1993, 1996, 2002, 2005 und 2007); daneben gab es 1966, 1985 und 1999 außerordentliche Tagungen zu je einem speziellen Thema. Das Ständige Büro in Den Haag besteht aus einem Generalsekretär und ursprünglich zwei, heute vier Sekretären, welche die Regierung der Niederlande ernennt. Generalsekretäre waren der Niederländer ''M.H. van Hoogstraten'' (1948–1978) und der Franzose ''G.A.L. Droz'' (1978–1993); heute ist es der Niederländer ''J.H.A. van Loon'' (seit 1993). Während bis 2006 die 1897 eingerichtete Niederländische Staatskommission für das Funktionieren der Konferenz verantwortlich war und sich dafür des Ständigen Büros bediente, ist es nach der heute geltenden Fassung der Satzung Aufgabe des aus allen Mitgliedern bestehenden Rates für allgemeine Angelegenheiten und die Politik der Konferenz, den Fortgang der Arbeiten der Konferenz mit Hilfe des Ständigen Büros zu sichern. Die Sitzungen des Rates finden jährlich statt und dienen der Prüfung aller Vorschläge für Themen, die auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden sollen.
== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==


== 3. Schwerpunkte ==
Rechtstatsächlich ist eine Zunahme ''obligatorischer Haftpflichtversicherungen'' in Europa zu verzeichnen, die nur zum Teil ihren Grund in der Gesetzgebung der EU hat. Obligatorische Haftpflichtversicherungen begegnen einem sowohl in Bereichen, in denen eine Gefährdungshaftung besteht, als auch in Fällen reiner Verschuldenshaftung. Neben der gemeinschaftsrechtlich angeordneten Kfz-Haftpflichtversicherung, Berufshaftpflichtversicherung von [[Versicherungsvermittler]]n, Luftverkehrshaftpflichtversicherung, Eisenbahn-Unfallhaftpflichtversicherung kennen die meisten europäischen Versicherungsrechtsordnungen obligatorische Haftpflichtversicherungen im Hinblick auf besonders gefahrgeneigte Tätigkeiten (z.B. Jagd), das Halten von Tieren (z.B. Hunden), bestimmte berufliche Tätigkeiten (z.B. Rechtsanwälte, Notare, Architekten, Wirtschaftsprüfer), den Betrieb gefährlicher/‌umweltgefährdender Anlagen ([[Umwelthaftung]]), den gewerblichen Güterverkehr, die Herstellung und/‌oder den Vertrieb medizinischer Produkte ([[Pflichtversicherung]]). In der Tendenz dürfte die Zahl der Pflichtversicherungen vor allem zur Absicherung von Haftpflichtrisiken aus gewerblicher und selbständig beruflicher Tätigkeit ([[Berufshaftung]]) als Reaktion auf die Verschärfung bestehender und die Einführung neuer Haftungstatbestände weiter zunehmen.


Die Übereinkommen der Konferenzen aus der Zeit vor 1951, nämlich vom 12.6.1902 über (das IPR der) Eheschließung, Ehescheidung bzw. Vormundschaft sowie vom 17.7.1905 über Ehewirkungen bzw. Entmündigung, folgten vorrangig der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit der Anknüpfungspersonen. Sie spielen heute praktisch nur noch eine sehr geringe Rolle, weil sie überholt sind, allenfalls noch für sehr wenige Staaten gelten oder von den meisten früheren Vertragsstaaten gekündigt worden sind. Die Arbeiten der Konferenz nach 1951 lassen sich im Wesentlichen drei Hauptgebieten des IPR zuordnen, (a) der grenzüberschreitenden Rechtshilfe sowie der Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen, (b) dem internationalen Familien- und Erbrecht und (c) dem internationalen Schuld-, insbesondere Handelsrecht. Bis etwa 1970 standen Erfolge beim ersten Bereich im Vordergrund, danach solche zum Kinderschutz.
Im Bereich der ''freiwilligen Haftpflichtversicherung'' ist ebenfalls mit einer Ausdehnung der ''action directe'' zu rechnen. So sieht der Vorentwurf zur Gesamtrevision des schweizerischen Versicherungsvertragsgesetzes die Einführung eines eigenen Forderungsrechts des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer in allen Haftpflichtversicherungen vor. In Deutschland ist für absehbare Zeit allerdings keine Ausdehnung zu erwarten, da sich der Gesetzgeber im Rahmen der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes, das am 1.8.2008 in Kraft trat, nicht einmal zur Einführung eines allgemeinen Direktanspruchs in der obligatorischen Haftpflichtversicherung durchringen konnte, sondern nur im Falle der Insolvenz oder bei unbekanntem Aufenthalt des versicherungspflichtigen Schädigers. Vergleichbare Einschränkungen hinsichtlich des Direktanspruchs in der freiwilligen Haftpflichtversicherung enthält das finnische Versicherungsvertragsgesetz.


=== a) Rechtshilfe und allgemeines internationales Verfahrenrecht ===
Im Vereinigten Königreich und in Irland kommt es bei Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers zum Übergang des Versicherungsanspruchs auf den Geschädigten. Auch in den Niederlanden wird der Dritte nicht aus eigenem Recht Gläubiger des Versicherers. Er kann lediglich verlangen, dass eine dem Versicherungsnehmer geschuldete Versicherungsleistung direkt an ihn gezahlt wird. Der Versicherer bleibt jedoch gegenüber dem Versicherungsnehmer verpflichtet. Die Haftung des Versicherungsnehmers gegenüber dem geschädigten Dritten wird nicht berührt. Es handelt sich bei dem Direktanspruch somit eher um einen Fall des abgekürzten Zahlungsweges. Das direkte Vorgehen des Dritten gegen den Versicherer setzt zudem voraus, dass der Versicherungsnehmer den Haftpflichtfall seinem Versicherer gemeldet hat. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, kann der Geschädigte den Versicherer nur dann direkt auf Zahlung in Anspruch nehmen, wenn er zuvor den Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmer pfänden und sich überweisen lässt.


Das Übereinkommen über den Zivilprozeß vom 1.3.1954, das auf Vorläufern vom 14.11.1896 und 17.7.1905 aufbaut, erleichtert die grenzüberschreitende Zustellung von Schriftstücken und Beweisaufnahmen im Ausland aufgrund gerichtlicher Rechtshilfeersuchen sowie den Zugang zu den Gerichten durch Befreiung vom Erfordernis der Prozesskostensicherheit und Gleichbehandlung beim Armenrecht (heute Prozesskostenbefreiung); es hat 45 Vertragsstaaten, davon 21 aus der EU. Es wurde sachgebietsweise nacheinander überarbeitet: Dem Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965 gehören 56 Vertragsstaaten an, davon 25 aus der EU, dem Beweisaufnahmeübereinkommen vom 18.3.1970 44 (davon 23 EU-Staaten), dem Zugangsübereinkommen vom 25.10.1980 24 (darunter 16 EU-Staaten). Diese Übereinkommen haben zu entscheidenden Fortschritten bei der Wirksamkeit und Vereinheitlichung der internationalen Rechtshilfe geführt. Sie entsprechen den heutigen Bedürfnissen, indem sie für den tatsächlichen Zugang zuzustellender Schriftstücke an den Adressaten im Ausland auf praktikablem Weg mit Hilfe von Zentralen Behörden in jedem Vertragsstaat sorgen und bei der Beweisaufnahme den Erfordernissen von ''common law''-Rechtsordnungen (''[[common law]]'') Rechnung tragen, etwa durch die Zulassung der Beweiserhebung im Ausland durch ''commissioners''. Das Zugangsübereinkommen mit 24 Vertragsstaaten (davon 16 EU-Staaten, aber nicht Deutschland) bringt vor allem die Vorschriften über grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe auf den neuesten Stand. Mit 93 Vertragsstaaten, darunter allen 27 EU-Staaten, das erfolgreichste Übereinkommen der Konferenz überhaupt ist dasjenige vom 5.10.1961 über die Befreiung vom Erfordernis der Legalisation (Beglaubigung) von Urkunden bei Verwendung im Ausland durch Einführung einer „Apostille“, welche die Behörden des Ursprungsstaats allein erteilen.
In den Rechtsordnungen, die dem Geschädigten einen direkten Anspruch gegen den Versicherer in der freiwilligen Haftpflichtversicherung einräumen, finden sich teilweise Beschränkungen, die daran anknüpfen, ob der Geschädigte einen Personen-, Sach- oder Vermögensschaden erlitten hat. Im niederländischen Versicherungsvertragsrecht besteht die Möglichkeit des direkten Vorgehens nur bei Personenschäden. Im schweizerischen Gesetzentwurf eines Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag werden echte Vermögensschäden vom Anwendungsbereich des Direktanspruchs ausgenommen. Die Schutzwürdigkeit des Geschädigten wird somit in den europäischen Versicherungsrechtsordnungen zum Teil in Abhängigkeit von der Art des erlittenen Schadens unterschiedlich bewertet.


Dagegen wurden die Übereinkommen(sentwürfe) über Kaufgerichtsstandsvereinbarungen und die Anerkennung von Entscheidungen auf ihrer Grundlage vom 15.4.1958 oder über allgemeine Gerichtsstandsvereinbarungen vom 25.11.1965 von keinem Staat ratifiziert. Auch das Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen und das dazugehörige Protokoll vom 1.2.1971 waren mit nur drei Ratifikationen und einem Beitritt (Kuwait) wenig erfolgreich. Mit dem bisher erst von einem Staat (Mexiko) ratifizierten, am 19.1.2009 aber immerhin von den USA und am 1.4.2009 von der Europäischen Gemeinschaft unterzeichneten Übereinkommen vom 30.6.2006 über [[Gerichtsstandsvereinbarung, internationale|Gerichtsstandsvereinbarung]] hat die Konferenz nach ehrgeizigem Beginn von den USA angeregter Verhandlungen einen sehr begrenzten und daher wohl ebenfalls nicht sehr aussichtsreichen Versuch unternommen, hierzu weltweite Verbesserung und Vereinheitlichung zu erreichen.
Im Vergleich zur obligatorischen Haftpflichtversicherung weist der Direktanspruch in der freiwilligen Haftpflichtversicherung Besonderheiten auf. Während bei einer obligatorischen Haftpflichtversicherung der Schutz des Geschädigten so weit reicht, dass der Versicherer diesem gegenüber Einwendungen aus dem Versicherungsvertragsgesetz oder dem Versicherungsvertrag nicht entgegenhalten kann, schlagen in der freiwilligen Haftpflichtversicherung Einwendungen, die vor Eintritt des Schadens entstanden sind und an das Verhalten des Versicherungsnehmers anknüpfen, auf den Direktanspruch des Geschädigten im Allgemeinen durch. Der Anspruch des Geschädigten reicht insoweit nicht weiter, als der Schädiger selbst aufgrund seines Vertrages Versicherungsschutz genießt (z.B. Spanien, Belgien, Frankreich, Luxemburg). Dahinter steht die Überlegung, dass der Ausschluss von Einwendungen nur dort sinnvoll ist, wo der Deckungsumfang der Versicherung gesetzlich vorgeschrieben wird. Ist dies – wie in der freiwilligen Haftpflichtversicherung – nicht der Fall, würde ein Einwendungsausschluss vertraglichen Ausschlussklauseln jegliche Wirkung nehmen. Es gibt allerdings Ausnahmen. So bleibt der Direktanspruch des Geschädigten in Finnland unberührt, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Einwendungen, die nach Eintritt des Schadens entstanden sind, kann der Versicherer dem Geschädigten nicht entgegenhalten. Dies gilt auch für die Einrede der Verjährung, da der Direktanspruch nicht davon abhängig sein kann, dass der Versicherungsnehmer seine Ansprüche aus dem Haftpflichtfall beim Versicherer geltend macht. Damit der Geschädigte das ihm eingeräumte direkte Forderungsrecht gegenüber dem Versicherer ausüben kann, muss ihm gegenüber dem Haftpflichtigen ein Auskunftsanspruch hinsichtlich des Haftpflichtversicherungsschutzes eingeräumt werden.


=== b) Familien- und Erbrecht ===
== 3. Ausgestaltung der Haftpflichtversicherung ==


Im internationalen Familien- ([[Familienrecht, internationales]]) und Erbrecht ([[Erbrecht, internationales]])<nowiki> liegen die größten Erfolge der Konferenz auf dem Gebiet des Kinderschutzes. Die Übereinkommen vom 24.10.1956/‌15.4.1958 zum Kindesunterhalt regelten das IPR der Unterhaltsansprüche (heute 13 Vertragsstaaten, davon 9 EU-Staaten) unter hauptsächlicher Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes und, mit etwas größerem Erfolg (19 Vertragsstaaten, darunter 14 EU-Staaten), die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen zugunsten von Kindern. Bei der Überarbeitung dieser Gebiete durch die Übereinkommen vom 2.10.1973 hielt man an den früheren Ansätzen fest und erweiterte sie auf den Erwachsenenunterhalt (14 [11 EU-] bzw. beim Vollstreckungsübereinkommen 21 [17 EU-]Vertragsstaaten). Am 23.11.2007 wurde ein Übereinkommen über die internationale Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen vorgelegt, das bereits u.a. von den USA unterzeichnet, jedoch noch nicht ratifiziert worden ist.</nowiki>
Zu den Wesensmerkmalen der Haftpflichtversicherung zählt die Ausgestaltung des Versicherungsanspruchs als Anspruch, der auf die Befreiung von begründeten Ansprüchen und unbegründeten Ansprüchen Dritter gerichtet ist. Solange der ''Befreiungsanspruch'' sich nicht in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat, steht es im Ermessen des Versicherers, den Anspruch dadurch zu erfüllen, dass er den vom Dritten geltend gemachten Anspruch abwehrt und dem Versicherungsnehmer Rechtsschutz gewährt oder diesen – wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass der Anspruch des Dritten begründet ist – freistellt. Hinsichtlich der Rechtsschutzgewährung besteht selbst in den Fällen, in denen dem Geschädigten ein Direktanspruch eingeräumt wird, ein Bedürfnis, da der Anspruch des Geschädigten gegen den schädigenden Versicherungsnehmer bestehen bleibt und insoweit eine Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers (zusammen mit dem Versicherer als Gesamtschuldner) droht.


Auch das Minderjährigenschutzübereinkommen vom 5.10.1961 mit 13 (11 EU&#8209;)Vertragsstaaten setzte beim Sorgerecht für Kinder nach dem Gleichlaufprinzip in erster Linie an Recht und Gerichtsstand des Staates an, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, was den praktischen Bedürfnissen besonders entgegenkommt, ließ aber dem Heimatrecht des Kindes besonders bei gesetzlichen Gewaltverhältnissen noch zu viel Raum. Es versuchte, die Zusammenarbeit der Vertragsstaaten durch in der Praxis nicht immer befolgte Mitteilungspflichten zu verbessern, und versprach zwar Anerkennung, aber sicherte nicht die Vollstreckbarerklärung von Sorgerechtsentscheidungen. Diese Mängel behob das Kinderschutzübereinkommen vom 19.10.1996, welches das Minderjährigenschutzübereinkommen konsequent zur grundsätzlichen Anwendung des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes fortentwickelte und die Zusammenarbeit der Vertragsstaaten durch Einführung von Zentralen Behörden verbesserte. Die heute schon 16 Vertragsstaaten werden voraussichtlich in der nächsten Jahren um 18 EU-Staaten vermehrt, die das Übereinkommen im Gefolge der bislang acht EU-Vertragsstaaten aufgrund eines Beschlusses im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit (also ohne Dänemark) gemeinsam ratifizieren wollen. Das bisher von Großbritannien, Deutschland und Frankreich sowie am 27.3.2009 von der Schweiz ratifizierte Erwachsenenschutzübereinkommen vom 13.1. 2000, das am 1.1.2009 in Kraft getreten ist, weitet die Grundsätze des Übereinkommens von 1996 auf die Betreuung von Erwachsenen aus.
Gesetzliche Regelungen zum Anspruch auf Rechtsschutz und zum Umfang des Ersatzes der Rechtsschutzkosten finden sich z.B. in Belgien, Deutschland, Italien, Luxemburg, Österreich, Spanien und Schweden. Eine Anrechnung der Rechtsschutzkosten auf die Versicherungssumme ist dort nach dem Gesetz nicht vorgesehen, kann sich aber aus einer entsprechenden Vereinbarung im Versicherungsvertrag ergeben. In anderen Rechtsordnungen ergibt sich der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Rechtsschutz und Ersatz der Kosten für die Anspruchsabwehr nicht aus dem Gesetz (z.B. Schweiz, Vereinigtes Königreich), sondern aus dem Versicherungsvertrag. Nach dem Recht des Vereinigten Königreichs besteht die Möglichkeit für den Geschädigten, wenn der Versicherungsnehmer in dem Haftungsprozess unterliegt und nicht zur Kostenerstattung in der Lage ist, einen Kostentitel gegen den Haftpflichtversicherer zu erwirken, wenn dieser die Anspruchsabwehr finanziert hat.


Das Kinderschutzübereinkommen enthält auch Regeln für grenzüberschreitenden Umgang und bei Kindesentführungen durch Elternteile, den Gegenstand des Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980. Dieses Übereinkommen ist mit heute 81 Vertragsstaaten, darunter alle EU-Mitglieder, in den letzten Jahrzehnten zu einem in diesem Ausmaß weltweit nicht zu erwartenden Erfolg geworden. Die nach Rechtshilfegrundsätzen organisierte Übereinkunft sichert die umgehende Rückgabe von unter Verstoß gegen Sorgerechtsregelungen in Gesetz oder Entscheidungen zurückgehaltenen Kindern mit Hilfe von Zentralen Behörden. Eine innerhalb noch weit kürzerer Zeit erreichte Vertragsstaatenzahl von 76 hat das Übereinkommen vom 29.5.1993 zu internationalen Annahmen als Kind erzielt, das ebenfalls Rechts- und Amtshilfeprinzipien durch Zusammenarbeit von Zentralstellen bei grenzüberschreitenden Adoptionen verwirklicht. Ein Übereinkommen vom 25.11.1965 zum IPR der Adoption war nur von wenigen Staaten ratifiziert worden und ist inzwischen von allen gekündigt worden.
Die Definition des Versicherungsfalls (z.B. Schadenereignis, Verstoß, Anspruchserhebung), Versicherungssummen, Selbstbehalte oder die Behandlung von Serienschäden sind als Mittel der Risikobegrenzung ebenfalls Gegenstand vertraglicher Regelungen. Dabei ist die Zunahme von Deckungen zu beobachten, die auf dem Anspruchserhebungsprinzip (''claims made'') basieren. Bei diesem Prinzip tritt der Versicherungsfall ein, wenn während des versicherten Zeitraums erstmalig schriftlich ein Anspruch gegen einen Versicherten geltend gemacht wird. Ansprüche, die später geltend gemacht werden, sind nur bei Vereinbarung einer Nachmeldefrist versichert, soweit eine solche nicht gesetzlich vorgesehen ist (z.B. Frankreich). Bei obligatorischen Haftpflichtversicherungen ergibt sich die Besonderheit, dass in aller Regel ein Mindestinhalt vorgeschrieben wird, der die versicherten Gefahren/‌ Schäden und den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers (Versicherungssumme) umfasst ([[Pflichtversicherung]]).


Immerhin 16 (13 EU&#8209;)Vertragstaaten hat das Übereinkommen vom 1.6.1970 über die Anerkennung von Scheidungen. Dagegen waren zwei Übereinkommen vom 14.3.1978 über die Anerkennung von Eheschließungen und das IPR des Ehegüterrechts mit je nur drei Ratifikationen keine großen Erfolge.
Einwendungen des Versicherers (Ausschlüsse, Leistungsfreiheit infolge von Obliegenheitsverletzungen) sind nur in geringem Umfang gesetzlich geregelt (z.B. Ausschluss der Deckung bei vorsätzlicher Schadenzufügung durch den Versicherungsnehmer, Leistungsfreiheit wegen Verletzung von Rettungsobliegenheiten).


Nach dem Übereinkommen vom 5.10.1961 über das auf die Testamentsform anzuwendende Recht mit 38 (16 EU&#8209;)Vertragsstaaten, das dem Günstigkeitsprinzip (''favor testamenti'') durch vielfache Formanknüpfungen Rechnung trägt, ist das Übereinkommen über das auf die Erbfolge anzuwendende Recht vom 1.8.1989 mit deutlicher Hinwendung zur Zulassung der Rechtswahl durch den Erblasser sowie – bei fehlender Wahl – zur Heranziehung des Rechts am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers, wenn dieser mindestens fünf Jahre betrug, bisher nicht einmal in Kraft getreten. Das Übereinkommen über die Nachlaßverwaltung vom 2.10.1973 haben nur drei Staaten ratifiziert. Das Übereinkommen vom 1.7.1985 über das auf ''trusts'' ([[Trust und Treuhand|''Trust'' und Treuhand]]) anzuwendende Recht und ihre Anerkennung hat immerhin 12 (5 EU&#8209;) Vertragsstaaten vor allem aus der Treuhand gegenüber aufgeschlossenen (Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg) und ''common law''-Staaten (Großbritannien, Australien, Kanada, Hongkong), aber u.a. auch Niederlande, Italien'' ''und Malta.
In manchen Ländern sind einzelnen Zweige der Haftpflichtversicherung wie z.B. die Betriebshaftpflichtversicherung kraft Gesetzes als Versicherung für fremde Rechnung ausgestaltet (Deutschland, Österreich), in anderen Rechtsordnungen ergibt sich die Versicherung fremder Interessen aus dem Versicherungsvertrag (z.B. zugunsten der Familienangehörigen in der Privathaftpflichtversicherung).


=== c) Vermögensrecht ===
== 4. Einheitsrecht ==


Auf dem Gebiet des IPR zum Schuld-, [[Sachenrecht, internationales|Sachen-]] und Wertpapierrecht haben nur die Übereinkommen vom 4.5.1971 zum auf Verkehrsunfälle anzuwendenden Recht mit 19 (davon 12 EU-Staaten) und vom 2.10.1973 zum Produkthaftungs-IPR mit 11 Vertragsstaaten (davon 6 EU-Staaten) gewisse Erfolge erzielt ([[Außervertragliche Schuldverhältnisse (IPR)]]). Auf Verkehrsunfälle ist das Recht des Unfallorts sowie – beschränkt – des abweichenden Registrierungsstaats, auf die Produkthaftung das des Ortes des Schadensereignisses bzw. in bestimmten Grenzen des gewöhnlichen Aufenthalts des Verletzten, des Verantwortlichen oder des Erwerbsorts der schädigenden Sache anzuwenden. Einem Übereinkommen zum IPR von Warenkäufen vom 15.6.1955 mit 9 (5 EU&#8209;)Vertragsstaaten folgte ein entsprechendes weltweites, aber bisher nicht in Kraft getretenes Übereinkommen vom 22.12.1986. Das bislang noch von keinem Staat ratifizierte Übereinkommen vom 5.7.2006 zu Intermediär-verwalteten Wertpapieren regelt, welches Recht auf Verfügungen über bestimmte Wertpapiere in Depots anzuwenden ist. Maßgeblich ist grundsätzlich eine ausdrückliche [[Rechtswahl]] der am Depotverhältnis beteiligten Personen, falls das gewählte Recht dasjenige eines Staates ist, mit dem der Finanzintermediär mittels Geschäftsstelle verbunden ist. Völlige Misserfolge waren zwei Übereinkommen vom 15.4.1958 über IPR (Eigentumsübergang) bzw. Gerichtsstandsvereinbarungen bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen sowie zwei weitere über Konflikte zwischen Heimatrecht und Domizilrecht vom 15.5.1955 sowie Anerkennung von Gesellschaften vom 1.6.1956. Auch das Übereinkommen über das auf die Stellvertretung anzuwendende Recht vom 14.3.1978 hat nur 4 (3 EU&#8209;)Vertragsstaaten. Allerdings muss man bei der Beurteilung des Erfolgs der Haager Übereinkommen, vor allem soweit es um anwendbares Recht geht, berücksichtigen, dass die Lösungen oder wenigstens die Grundsätze vieler Übereinkommen in regionales oder nationales Recht übernommen worden sind, ohne dass die Übereinkommen selbst ratifiziert wurden.
Auf der Ebene des Versicherungsvertragsrechts existieren lediglich im Bereich der obligatorischen Haftpflichtversicherung völkerrechtliche und gemeinschaftsrechtlichen Regelungen ([[Pflichtversicherung]]). Der im Jahr 1979 veröffentlichte Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie zur Angleichung des Versicherungsvertragsrechts, der im Jahr darauf abgeändert wurde und dessen Realisierung scheiterte, enthielt keine Bestimmungen zur Haftpflichtversicherung. Mit einer Harmonisierung des Rechts der freiwilligen Haftpflichtversicherung durch den europäischen Gesetzgeber ist auf absehbare Zeit nicht zu rechnen. Mittelbar wirkt die Gruppenfreistellungs-VO für die Versicherungswirtschaft (VO&nbsp;3932/‌92; [[Gruppenfreistellungsverordnungen]]) auf die Ausgestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein. Im Rahmen der Inhaltskontrolle von allgemeinen Versicherungsbedingungen schränkt auch die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen die Vertragsgestaltungsfreiheit des Versicherers ein.


== 4. Tendenzen ==
Die von der Projektgruppe ''Restatement of European Insurance Contract Law'' Ende 2007 vorgelegten ''[[Principles of European Insurance Contract Law]]'' (PEICL) enthalten noch keine speziellen Regelungen zur Haftpflichtversicherung; eine diesbezügliche Ergänzung der PEICL befindet sich in Vorbereitung.  


Der Kampf zwischen den Anhängern der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen und denjenigen der Anwendung des Rechts an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt ist im Rahmen der Konferenz im Wesentlichen zugunsten des letzten Ansatzes entschieden worden, der sich besonders bei der Beurteilung von anderen Fragen als solchen zu Statusverhältnissen bewährt hat. Immer deutlicher zeigt sich jedoch, dass isolierte IPR-Regeln ohne parallele oder sogar im selben Instrument enthaltene internationalverfahrensrechtliche Bestimmungen über internationale Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und/‌oder internationale Zusammenarbeit durch Zentrale Behörden keinen großen Erfolg mehr versprechen.  
Auf der Ebene des internationalen [[Versicherungsvertragsrecht, internationales|Versicherungsvertragsrechts]] haben die Richtlinien von 1988 und 1992 ein vielschichtiges System von Kollisionsnormen geschaffen, die auch für die Haftpflichtversicherung das Maß geben ([[Versicherungsvertragsrecht, internationales]]). Sie sind nur anwendbar auf Risiken, die innerhalb der EU bzw. innerhalb des EWR belegen sind. Die Risikobelegenheit bestimmt sich bei der Kfz-Haftpflichtversicherung nach dem Zulassungsmitgliedstaat, in allen anderen Haftpflichtversicherungssparten nach dem Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer seinen [[Gewöhnlicher Aufenthalt|gewöhnlichen Aufenthalt]] hat. Ist der Versicherungsnehmer eine juristische Person, ist das Risiko in dem Mitgliedstaat belegen, in dem sich die Niederlassung dieser juristischen Person befindet, auf die sich der Vertrag bezieht. Verträge über außerhalb der EU bzw. außerhalb des EWR belegene Risiken beurteilen sich nach dem Römischen Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht von 1980 (EVÜ).


Dem entspricht es, dass seit Mitte der 1970er Jahre Arbeitssitzungen zur gegenseitigen Information über das Funktionieren von Übereinkünften im Rahmen der Konferenz immer größere Bedeutung erlangt haben. Beginnend mit den Reformübereinkommen von 1965 und 1970 zur Rechtshilfe und später vor allem zum Kindesentführungsübereinkommen haben solche Treffen den an einer möglichen Ratifikation interessierten Staaten die Beurteilung von Übereinkommen erleichtert und zum besseren Verständnis bei Konflikten zwischen Gerichten verschiedener Vertragsstaaten beigetragen, auch dadurch, dass dabei die Erfahrungen von Praktikern gesammelt, bewertet und in Berichten mitgeteilt wurden. Ein Beispiel ist die gut dokumentierte Sitzung von 2006 zu Kindesentführungs- und Kinderschutzübereinkommen mit zahlreichen vorbereitenden Unterlagen.
Die Rom&nbsp;I-VO (VO&nbsp;593/‌2008), die für alle Verträge gilt, die nach dem 17.12.2009 geschlossen werden, beendet die Verteilung des Versicherungs-Kollisionsrechts auf verschiedene mitgliedstaatliche Rechtsquellen (EVÜ-Umsetzung, Richtlinienrecht). In der Sache sind die Kollisionsnormen für Versicherungsverträge nach der Rom&nbsp;I-VO gegenüber der bisherigen Rechtslage nur wenig verändert. Für Haftpflichtversicherungs-Großrisiken ist unabhängig von der Belegenheit des Risikos die Rechtswahl zugelassen. Fehlt es an einer Rechtswahl, gilt das Statut des Versicherers. Bei Versicherungsverträgen, die nicht dem Großrisikobereich zuzuordnende Risiken betreffen, geben die versicherungsrechtlichen Kollisionsregeln das Maß, wenn das Risiko in der EU belegen ist. Wie beim EVÜ haben die Vertragsparteien eine beschränkte Rechtswahlmöglichkeit, die sich entweder an persönlichen oder sachlichen Kriterien des Falls orientiert. Stets wählbar ist das Recht der Risikobelegenheit zur Zeit des Vertragsschlusses oder das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Versicherungsnehmers. Soweit die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben, unterliegt der Vertrag dem Recht des Mitgliedstaats, in dem zum Zeitpunkt des [[Vertragsschluss]]es das Risiko belegen ist. Für Risiken, die außerhalb der Union belegen sind, gilt dagegen wiederum die volle Rechtswahlfreiheit gemäß Art.&nbsp;3 Rom&nbsp;I-VO ([[Rechtswahl]]). Sonderregelungen gelten für die obligatorische Haftpflichtversicherung ([[Pflichtversicherung]]).
 
Heute ist die Frage aufzuwerfen, wie sich das Verhältnis zwischen der Konferenz und der EU auf längere Sicht gestalten wird. Die bisherigen [[Verordnung]]en <nowiki>der EG zur justiziellen Zusammenarbeit sind z.T. direkt auf die Vorarbeiten der Konferenz zurückzuführen, so diejenigen zu Zustellung (VO&nbsp;1348/‌2000, mittlerweile abgelöst durch VO&nbsp;1393/‌2007), Beweisaufnahme (VO&nbsp;1206/‌2001), Scheidungs- und Sorgerechtssachen (Brüssel&nbsp;IIa-VO [VO&nbsp;2201/‌2003]) und die Richtlinie zum Zugang zu den Gerichten (RL 2003/‌8) ([[Europäisches Zivilprozessrecht]]). Es wird abzuwarten sein, ob die EU der Konferenz in Europa auf Dauer ausreichenden Lebensraum lassen wird. Die Auswirkungen der Mitgliedschaft der Gemeinschaft selbst in der Konferenz seit 2007 sind im Einzelnen, auch im Hinblick auf die außereuropäischen Mitgliedstaaten, noch nicht abzusehen, werden aber derzeit sowohl von der EU als auch vonseiten der Haager Konferenz positiv bewertet.</nowiki>
 
== 5. Pläne ==
 
Auf den Sitzungen zu den allgemeinen Angelegenheiten und der Politik der Konferenz im April 2007, 2008 und 2009 hat der Rat einige z.T. schon seit langem auf der Tagesordnung der Konferenz stehende Themen erneut bekräftigt, etwa zum internationalen Verfahrensrecht bei nicht verheirateten Paaren, in Erbrechtssachen sowie zu Umweltschäden oder zur internationalen Informationsgesellschaft. Ferner soll der Erfahrungsaustausch zu wichtigen Übereinkünften fortgesetzt werden. Unter den neu genannten Gegenständen werden – bisher ohne Priorität – die grenzüberschreitende Familienmediation, das IPR internationaler Verträge, die Erteilung von Auskünften über fremdes Recht und die eventuelle Ausarbeitung eines Protokolls zum Kindesentführungsübereinkommen von 1980, das dessen Anwendung verbessern soll, genannt.


==Literatur==
==Literatur==
''Alfred E. von Overbeck'', La contribution de la Conférence de La Haye au développement du droit international privé, in: Recueil des cours 233 (1992-II) 9&nbsp;ff.;'' Antonio Boggiano'', The Contribution of the Hague Conference to the Development of Private International Law in Latin America. Universality and ''genius loci'', Recueil des cours 233 (1992 II) 99&nbsp;ff.;'' John David McClean'', The Contribution of the Hague Conference to the Development of Private International Law in Common Law Countries, Recueil des cours 233 (1992 II) 267&nbsp;ff.; Hundert Jahre Haager Konferenz 1893–1993 (mit Beiträgen von ''Gerfried Fischer'', 1&nbsp;ff., ''Eugen Dietrich Graue'', 26&nbsp;ff., ''Christian v. Bar'', 63&nbsp;ff., ''Jörg Pirrung'', 124&nbsp;ff., ''Ole Lando'', 155&nbsp;ff., ''Werner Lorenz'', 175&nbsp;ff., ''Jan Kropholler'', 207&nbsp;ff., ''Haimo Schack'', 224&nbsp;ff., ''Dagmar Coester-Waltjen'', 263&nbsp;ff.), Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 57 (1993) 1&nbsp;ff.; The Hague Conference on Private International Law 1883–1993 (mit Beiträgen von ''Th. M. de Boer'', 1&nbsp;ff., ''J.G. Castel'', 15&nbsp;ff., ''Hélène Gaudemet-Tallon'', 31&nbsp;ff., ''M. Jänterä-Jareborg'', 49&nbsp;ff., ''David McClean'', 67&nbsp;ff., ''Rui Manuel Moura Ramos'', 79&nbsp;ff., ''Alfred E. von Overbeck'', 93&nbsp;ff., ''M. Pryles'', 107&nbsp;ff., ''Fernand Schockweiler'', 115&nbsp;ff., ''Kurt Siehr'','' ''129&nbsp;ff.), Netherlands International Law Review 40 (1993) 1&nbsp;ff.; The Hague Conference on Private International Law (mit Beiträgen von ''Georges A.L.&nbsp;Droz'', 3&nbsp;ff., ''Robert B. von Mehren'', 13&nbsp;ff., ''Hans Smit'', 25&nbsp;ff., ''Cornelis D. van Boeschoten'', 47&nbsp;ff., ''Takeshi Kojima'', 59&nbsp;ff., ''Gary B. Born'', 77&nbsp;ff., ''Stephan B. Burbank'', 103&nbsp;ff., ''J. Dickson Philipps'', ''Paul D. Carrington'', 153&nbsp;ff., ''Peter H. Pfund'', 159&nbsp;ff., ''Joseph F. Weis'', 165&nbsp;ff., ''Doug Rendleman'', 179&nbsp;ff., ''George K. Walker'', 183&nbsp;ff., ''Linda Silberman'', 209&nbsp;ff., ''Arthur T. von Mehren'', 271&nbsp;ff., ''Andreas F. Lowenfeld'', 289&nbsp;ff., ''Joan E. Donoghe'', 305&nbsp;ff., ''Horace B. Robertson'', 323&nbsp;ff.), Law and Contemporary Problems 57 (1994) 1&nbsp;ff.; ''Alegría Borrás'', ''Andreas Bucher'', ''Teun H.D. Struycken'', ''Michel Verwilghen'' (Hg.), E pluribus unum. Liber amicorum Georges A.L. Droz, 1996; ''Jürgen Basedow'', Was wird aus der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht?, in: Festschrift für Werner Lorenz, 2001, 463&nbsp;ff.; ''Gustavo Vieira da Costa Cerqueira''<nowiki>, La Conférence de La Haye de droit international privé, Uniform Law Review 2007, 761&nbsp;ff.; Conférence de La Haye de droit international privé, [zuletzt]</nowiki>'' ''Actes et documents de la (19.) session (Tome I, 2008, II, 2006)/‌Hague Conference on private international law, Proceedings of the (19.) Session; ''Rolf Wagner'', Die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht zehn Jahre nach der Vergemeinschaftung der Gesetzgebungskompetenz in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 73 (2009) 215&nbsp;ff.; HccH, Annual Report 2007, 2008; Dokumentation zu allen Übereinkommen unter <nowiki>http://www.hcch.net</nowiki>.
''Christian v. Bar'', Das „Trennungsprinzip“ und die Geschichte des Wandels der Haftpflichtversicherung, Archiv für die civilistische Praxis 181 (1981) 289&nbsp;ff.; ''Karl Sieg'', Haftpflichtversicherung, in: Alfred Manes (Hg.), Handwörterbuch der Versicherung, 1988, 261&nbsp;ff.;'' Jürgen Basedow'', Die Gesetzgebung zum Versicherungsvertrag zwischen europäischer Integration und Verbraucherpolitik, in: Fritz Reichert-Facilides, Anton K. Schnyder'' ''(Hg.), Versicherungsrecht in Europa, 2000, 13&nbsp;ff.; ''Jürgen Basedow'','' Till Fock'' (Hg.), Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bde.&nbsp;I-III, 2002/‌2003;'' Helmut Heiss'', Europäischer Versicherungsvertrag, Versicherungsrecht 2005, 1&nbsp;ff.; ''Jürgen Basedow'', Der Gemeinsame Referenzrahmen und das Versicherungsvertragsrecht, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 15 (2007) 280&nbsp;ff.; ''Martin Fricke'', Das Internationale Privatrecht der Versicherungsverträge nach Inkrafttreten der Rom-I-Verordnung, Versicherungsrecht 2008, 443&nbsp;ff.


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Version vom 28. September 2021, 17:17 Uhr

von Robert Koch

1. Gegenstand, Zweck und Funktion

Die Haftpflichtversicherung ist ein Versicherungszweig der Schadenversicherung. Sie gewährt dem Versicherungsnehmer Schutz gegen die Inanspruchnahme auf Schadenersatz durch Dritte. Schutzobjekt in der Haftpflichtversicherung ist nicht ein bestimmtes Rechtsgut, sondern das jeweilige Vermögen des Versicherungsnehmers. Die Haftpflichtversicherung zählt zur Gruppe der Nichtpersonenversicherungen.

Die Anfänge der modernen Haftpflichtversicherung sind eng mit der einsetzenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert verknüpft. Neue Haftungstatbestände zum Schutz von Arbeitnehmern vor Betriebsgefahren schufen für die Unternehmer ein Bedürfnis nach Versicherungsschutz, der bald auch Angehörigen anderer Personengruppen (Freiberufler, Grund- und Hausbesitzer, Pferde- und Wagenbesitzer etc.) angeboten wurde und nicht nur mehr Schutz gegen deliktische, sondern auch vertragliche Ansprüche bot.

Während die wirtschaftliche Bedeutung der Haftpflichtversicherung unverändert geblieben ist, hat sich in rechtlicher Hinsicht seit ihrer Einführung ein Funktionswandel von einer Versicherung des Schädigers hin zu einer auch den Geschädigten schützenden Versicherung vollzogen. In der ersten Phase der Haftpflichtversicherung galt sie allein dem Schutz des Versicherungsnehmers. Diese Schutzrichtung fand ihren Ausdruck vor allem darin, dass die Abwehr von erhobenen Schadenersatzansprüchen im Vordergrund stand und die Feststellung der Haftpflichtforderung durch Urteil Voraussetzung für die Entschädigungspflicht des Versicherers war. Durch die Haftpflichtversicherung wurde die Stellung des Geschädigten also geradezu verschlechtert.

In der zweiten Phase wurde die Rechtsstellung des Geschädigten gestärkt, indem ihm die Realisierung seines Anspruchs in der Insolvenz des Versicherungsnehmers durch Einräumung eines Absonderungsrechts garantiert wurde (sozialer Gehalt der Haftpflichtversicherung), die freie Verfügbarkeit des Versicherungsnehmers über seinen Verfügungsanspruch zugunsten des Geschädigten eingeschränkt wurde und der Versicherer, wenn für mehrere Dritte die Versicherungssumme nicht ausreichte, ein Verteilungsverfahren durchführen musste.

Die den vorläufigen Abschluss der Entwicklung markierende dritte Phase ist durch eine starke Ausdehnung der Pflichtversicherung im Bereich der Haftpflichtversicherung in den europäischen Versicherungsordnungen gekennzeichnet. Hier steht der Schutz des Geschädigten im Vordergrund. Ihm soll das Risiko genommen werden, seine Ersatzansprüche mangels Solvenz des Schädigers nicht realisieren zu können. Der Schutzgedanke findet seinen besonderen Ausdruck darin, dass dem Geschädigten vielfach und vor allem in der Kfz-Haftpflichtversicherung ein Direktanspruch gegen den Versicherer eingeräumt wird (action directe) und dass es dem Versicherer verwehrt ist, dem Geschädigten Einwendungen aus dem Versicherungsvertrag entgegenzuhalten. Er kann jedoch beim Versicherungsnehmer Rückgriff nehmen kann, soweit er diesem gegenüber zur Ablehnung oder Kürzung seiner Leistung berechtigt ist. Mittlerweile räumen zahlreiche Rechtsordnungen dem Geschädigten auch in der freiwilligen Haftpflichtversicherung ein eigenes, direktes Forderungsrecht ein (z.B. Spanien, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Griechenland).

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Rechtstatsächlich ist eine Zunahme obligatorischer Haftpflichtversicherungen in Europa zu verzeichnen, die nur zum Teil ihren Grund in der Gesetzgebung der EU hat. Obligatorische Haftpflichtversicherungen begegnen einem sowohl in Bereichen, in denen eine Gefährdungshaftung besteht, als auch in Fällen reiner Verschuldenshaftung. Neben der gemeinschaftsrechtlich angeordneten Kfz-Haftpflichtversicherung, Berufshaftpflichtversicherung von Versicherungsvermittlern, Luftverkehrshaftpflichtversicherung, Eisenbahn-Unfallhaftpflichtversicherung kennen die meisten europäischen Versicherungsrechtsordnungen obligatorische Haftpflichtversicherungen im Hinblick auf besonders gefahrgeneigte Tätigkeiten (z.B. Jagd), das Halten von Tieren (z.B. Hunden), bestimmte berufliche Tätigkeiten (z.B. Rechtsanwälte, Notare, Architekten, Wirtschaftsprüfer), den Betrieb gefährlicher/‌umweltgefährdender Anlagen (Umwelthaftung), den gewerblichen Güterverkehr, die Herstellung und/‌oder den Vertrieb medizinischer Produkte (Pflichtversicherung). In der Tendenz dürfte die Zahl der Pflichtversicherungen vor allem zur Absicherung von Haftpflichtrisiken aus gewerblicher und selbständig beruflicher Tätigkeit (Berufshaftung) als Reaktion auf die Verschärfung bestehender und die Einführung neuer Haftungstatbestände weiter zunehmen.

Im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung ist ebenfalls mit einer Ausdehnung der action directe zu rechnen. So sieht der Vorentwurf zur Gesamtrevision des schweizerischen Versicherungsvertragsgesetzes die Einführung eines eigenen Forderungsrechts des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer in allen Haftpflichtversicherungen vor. In Deutschland ist für absehbare Zeit allerdings keine Ausdehnung zu erwarten, da sich der Gesetzgeber im Rahmen der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes, das am 1.8.2008 in Kraft trat, nicht einmal zur Einführung eines allgemeinen Direktanspruchs in der obligatorischen Haftpflichtversicherung durchringen konnte, sondern nur im Falle der Insolvenz oder bei unbekanntem Aufenthalt des versicherungspflichtigen Schädigers. Vergleichbare Einschränkungen hinsichtlich des Direktanspruchs in der freiwilligen Haftpflichtversicherung enthält das finnische Versicherungsvertragsgesetz.

Im Vereinigten Königreich und in Irland kommt es bei Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers zum Übergang des Versicherungsanspruchs auf den Geschädigten. Auch in den Niederlanden wird der Dritte nicht aus eigenem Recht Gläubiger des Versicherers. Er kann lediglich verlangen, dass eine dem Versicherungsnehmer geschuldete Versicherungsleistung direkt an ihn gezahlt wird. Der Versicherer bleibt jedoch gegenüber dem Versicherungsnehmer verpflichtet. Die Haftung des Versicherungsnehmers gegenüber dem geschädigten Dritten wird nicht berührt. Es handelt sich bei dem Direktanspruch somit eher um einen Fall des abgekürzten Zahlungsweges. Das direkte Vorgehen des Dritten gegen den Versicherer setzt zudem voraus, dass der Versicherungsnehmer den Haftpflichtfall seinem Versicherer gemeldet hat. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, kann der Geschädigte den Versicherer nur dann direkt auf Zahlung in Anspruch nehmen, wenn er zuvor den Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmer pfänden und sich überweisen lässt.

In den Rechtsordnungen, die dem Geschädigten einen direkten Anspruch gegen den Versicherer in der freiwilligen Haftpflichtversicherung einräumen, finden sich teilweise Beschränkungen, die daran anknüpfen, ob der Geschädigte einen Personen-, Sach- oder Vermögensschaden erlitten hat. Im niederländischen Versicherungsvertragsrecht besteht die Möglichkeit des direkten Vorgehens nur bei Personenschäden. Im schweizerischen Gesetzentwurf eines Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag werden echte Vermögensschäden vom Anwendungsbereich des Direktanspruchs ausgenommen. Die Schutzwürdigkeit des Geschädigten wird somit in den europäischen Versicherungsrechtsordnungen zum Teil in Abhängigkeit von der Art des erlittenen Schadens unterschiedlich bewertet.

Im Vergleich zur obligatorischen Haftpflichtversicherung weist der Direktanspruch in der freiwilligen Haftpflichtversicherung Besonderheiten auf. Während bei einer obligatorischen Haftpflichtversicherung der Schutz des Geschädigten so weit reicht, dass der Versicherer diesem gegenüber Einwendungen aus dem Versicherungsvertragsgesetz oder dem Versicherungsvertrag nicht entgegenhalten kann, schlagen in der freiwilligen Haftpflichtversicherung Einwendungen, die vor Eintritt des Schadens entstanden sind und an das Verhalten des Versicherungsnehmers anknüpfen, auf den Direktanspruch des Geschädigten im Allgemeinen durch. Der Anspruch des Geschädigten reicht insoweit nicht weiter, als der Schädiger selbst aufgrund seines Vertrages Versicherungsschutz genießt (z.B. Spanien, Belgien, Frankreich, Luxemburg). Dahinter steht die Überlegung, dass der Ausschluss von Einwendungen nur dort sinnvoll ist, wo der Deckungsumfang der Versicherung gesetzlich vorgeschrieben wird. Ist dies – wie in der freiwilligen Haftpflichtversicherung – nicht der Fall, würde ein Einwendungsausschluss vertraglichen Ausschlussklauseln jegliche Wirkung nehmen. Es gibt allerdings Ausnahmen. So bleibt der Direktanspruch des Geschädigten in Finnland unberührt, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Einwendungen, die nach Eintritt des Schadens entstanden sind, kann der Versicherer dem Geschädigten nicht entgegenhalten. Dies gilt auch für die Einrede der Verjährung, da der Direktanspruch nicht davon abhängig sein kann, dass der Versicherungsnehmer seine Ansprüche aus dem Haftpflichtfall beim Versicherer geltend macht. Damit der Geschädigte das ihm eingeräumte direkte Forderungsrecht gegenüber dem Versicherer ausüben kann, muss ihm gegenüber dem Haftpflichtigen ein Auskunftsanspruch hinsichtlich des Haftpflichtversicherungsschutzes eingeräumt werden.

3. Ausgestaltung der Haftpflichtversicherung

Zu den Wesensmerkmalen der Haftpflichtversicherung zählt die Ausgestaltung des Versicherungsanspruchs als Anspruch, der auf die Befreiung von begründeten Ansprüchen und unbegründeten Ansprüchen Dritter gerichtet ist. Solange der Befreiungsanspruch sich nicht in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat, steht es im Ermessen des Versicherers, den Anspruch dadurch zu erfüllen, dass er den vom Dritten geltend gemachten Anspruch abwehrt und dem Versicherungsnehmer Rechtsschutz gewährt oder diesen – wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass der Anspruch des Dritten begründet ist – freistellt. Hinsichtlich der Rechtsschutzgewährung besteht selbst in den Fällen, in denen dem Geschädigten ein Direktanspruch eingeräumt wird, ein Bedürfnis, da der Anspruch des Geschädigten gegen den schädigenden Versicherungsnehmer bestehen bleibt und insoweit eine Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers (zusammen mit dem Versicherer als Gesamtschuldner) droht.

Gesetzliche Regelungen zum Anspruch auf Rechtsschutz und zum Umfang des Ersatzes der Rechtsschutzkosten finden sich z.B. in Belgien, Deutschland, Italien, Luxemburg, Österreich, Spanien und Schweden. Eine Anrechnung der Rechtsschutzkosten auf die Versicherungssumme ist dort nach dem Gesetz nicht vorgesehen, kann sich aber aus einer entsprechenden Vereinbarung im Versicherungsvertrag ergeben. In anderen Rechtsordnungen ergibt sich der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Rechtsschutz und Ersatz der Kosten für die Anspruchsabwehr nicht aus dem Gesetz (z.B. Schweiz, Vereinigtes Königreich), sondern aus dem Versicherungsvertrag. Nach dem Recht des Vereinigten Königreichs besteht die Möglichkeit für den Geschädigten, wenn der Versicherungsnehmer in dem Haftungsprozess unterliegt und nicht zur Kostenerstattung in der Lage ist, einen Kostentitel gegen den Haftpflichtversicherer zu erwirken, wenn dieser die Anspruchsabwehr finanziert hat.

Die Definition des Versicherungsfalls (z.B. Schadenereignis, Verstoß, Anspruchserhebung), Versicherungssummen, Selbstbehalte oder die Behandlung von Serienschäden sind als Mittel der Risikobegrenzung ebenfalls Gegenstand vertraglicher Regelungen. Dabei ist die Zunahme von Deckungen zu beobachten, die auf dem Anspruchserhebungsprinzip (claims made) basieren. Bei diesem Prinzip tritt der Versicherungsfall ein, wenn während des versicherten Zeitraums erstmalig schriftlich ein Anspruch gegen einen Versicherten geltend gemacht wird. Ansprüche, die später geltend gemacht werden, sind nur bei Vereinbarung einer Nachmeldefrist versichert, soweit eine solche nicht gesetzlich vorgesehen ist (z.B. Frankreich). Bei obligatorischen Haftpflichtversicherungen ergibt sich die Besonderheit, dass in aller Regel ein Mindestinhalt vorgeschrieben wird, der die versicherten Gefahren/‌ Schäden und den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers (Versicherungssumme) umfasst (Pflichtversicherung).

Einwendungen des Versicherers (Ausschlüsse, Leistungsfreiheit infolge von Obliegenheitsverletzungen) sind nur in geringem Umfang gesetzlich geregelt (z.B. Ausschluss der Deckung bei vorsätzlicher Schadenzufügung durch den Versicherungsnehmer, Leistungsfreiheit wegen Verletzung von Rettungsobliegenheiten).

In manchen Ländern sind einzelnen Zweige der Haftpflichtversicherung wie z.B. die Betriebshaftpflichtversicherung kraft Gesetzes als Versicherung für fremde Rechnung ausgestaltet (Deutschland, Österreich), in anderen Rechtsordnungen ergibt sich die Versicherung fremder Interessen aus dem Versicherungsvertrag (z.B. zugunsten der Familienangehörigen in der Privathaftpflichtversicherung).

4. Einheitsrecht

Auf der Ebene des Versicherungsvertragsrechts existieren lediglich im Bereich der obligatorischen Haftpflichtversicherung völkerrechtliche und gemeinschaftsrechtlichen Regelungen (Pflichtversicherung). Der im Jahr 1979 veröffentlichte Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie zur Angleichung des Versicherungsvertragsrechts, der im Jahr darauf abgeändert wurde und dessen Realisierung scheiterte, enthielt keine Bestimmungen zur Haftpflichtversicherung. Mit einer Harmonisierung des Rechts der freiwilligen Haftpflichtversicherung durch den europäischen Gesetzgeber ist auf absehbare Zeit nicht zu rechnen. Mittelbar wirkt die Gruppenfreistellungs-VO für die Versicherungswirtschaft (VO 3932/‌92; Gruppenfreistellungsverordnungen) auf die Ausgestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein. Im Rahmen der Inhaltskontrolle von allgemeinen Versicherungsbedingungen schränkt auch die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen die Vertragsgestaltungsfreiheit des Versicherers ein.

Die von der Projektgruppe Restatement of European Insurance Contract Law Ende 2007 vorgelegten Principles of European Insurance Contract Law (PEICL) enthalten noch keine speziellen Regelungen zur Haftpflichtversicherung; eine diesbezügliche Ergänzung der PEICL befindet sich in Vorbereitung.

Auf der Ebene des internationalen Versicherungsvertragsrechts haben die Richtlinien von 1988 und 1992 ein vielschichtiges System von Kollisionsnormen geschaffen, die auch für die Haftpflichtversicherung das Maß geben (Versicherungsvertragsrecht, internationales). Sie sind nur anwendbar auf Risiken, die innerhalb der EU bzw. innerhalb des EWR belegen sind. Die Risikobelegenheit bestimmt sich bei der Kfz-Haftpflichtversicherung nach dem Zulassungsmitgliedstaat, in allen anderen Haftpflichtversicherungssparten nach dem Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist der Versicherungsnehmer eine juristische Person, ist das Risiko in dem Mitgliedstaat belegen, in dem sich die Niederlassung dieser juristischen Person befindet, auf die sich der Vertrag bezieht. Verträge über außerhalb der EU bzw. außerhalb des EWR belegene Risiken beurteilen sich nach dem Römischen Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht von 1980 (EVÜ).

Die Rom I-VO (VO 593/‌2008), die für alle Verträge gilt, die nach dem 17.12.2009 geschlossen werden, beendet die Verteilung des Versicherungs-Kollisionsrechts auf verschiedene mitgliedstaatliche Rechtsquellen (EVÜ-Umsetzung, Richtlinienrecht). In der Sache sind die Kollisionsnormen für Versicherungsverträge nach der Rom I-VO gegenüber der bisherigen Rechtslage nur wenig verändert. Für Haftpflichtversicherungs-Großrisiken ist unabhängig von der Belegenheit des Risikos die Rechtswahl zugelassen. Fehlt es an einer Rechtswahl, gilt das Statut des Versicherers. Bei Versicherungsverträgen, die nicht dem Großrisikobereich zuzuordnende Risiken betreffen, geben die versicherungsrechtlichen Kollisionsregeln das Maß, wenn das Risiko in der EU belegen ist. Wie beim EVÜ haben die Vertragsparteien eine beschränkte Rechtswahlmöglichkeit, die sich entweder an persönlichen oder sachlichen Kriterien des Falls orientiert. Stets wählbar ist das Recht der Risikobelegenheit zur Zeit des Vertragsschlusses oder das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Versicherungsnehmers. Soweit die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben, unterliegt der Vertrag dem Recht des Mitgliedstaats, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Risiko belegen ist. Für Risiken, die außerhalb der Union belegen sind, gilt dagegen wiederum die volle Rechtswahlfreiheit gemäß Art. 3 Rom I-VO (Rechtswahl). Sonderregelungen gelten für die obligatorische Haftpflichtversicherung (Pflichtversicherung).

Literatur

Christian v. Bar, Das „Trennungsprinzip“ und die Geschichte des Wandels der Haftpflichtversicherung, Archiv für die civilistische Praxis 181 (1981) 289 ff.; Karl Sieg, Haftpflichtversicherung, in: Alfred Manes (Hg.), Handwörterbuch der Versicherung, 1988, 261 ff.; Jürgen Basedow, Die Gesetzgebung zum Versicherungsvertrag zwischen europäischer Integration und Verbraucherpolitik, in: Fritz Reichert-Facilides, Anton K. Schnyder (Hg.), Versicherungsrecht in Europa, 2000, 13 ff.; Jürgen Basedow, Till Fock (Hg.), Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bde. I-III, 2002/‌2003; Helmut Heiss, Europäischer Versicherungsvertrag, Versicherungsrecht 2005, 1 ff.; Jürgen Basedow, Der Gemeinsame Referenzrahmen und das Versicherungsvertragsrecht, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 15 (2007) 280 ff.; Martin Fricke, Das Internationale Privatrecht der Versicherungsverträge nach Inkrafttreten der Rom-I-Verordnung, Versicherungsrecht 2008, 443 ff.