Erbrecht, internationales

Aus HWB-EuP 2009
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von Anatol Dutta

1. Rechtsquellen; europäische Vereinheitlichung

Das internationale Erbrecht harrt seit Längerem einer Vereinheitlichung. Das Erbkollisionsrecht und das internationale Erbverfahrensrecht sind bisher weitgehend im nationalen Recht geregelt. Insbesondere das bestehende europäische internationale Privat- und Verfahrensrecht vernachlässigt das Erbrecht. Seit dem EuGVÜ von 1968 wird das „Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts“ von den meisten europäischen Rechtsakten ausgeklammert (vgl. zuletzt etwa Art. 1(2)(c) Rom I-VO [VO 593/2008]; Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)). Nicht explizit ausgeschlossen wird das Erbrecht lediglich in der Insolvenz-VO (VO 1346/2000; Insolvenz, grenzüberschreitende), der Beweisaufnahme-VO (VO 1206/2001; Beweisrecht, internationales), der Prozesskostenhilfe-RL (RL 2003/8; Prozesskostenhilfe), der Zustellungs-VO (VO 1393/ 2007; Zustellung) sowie der Unterhalts-VO (VO 4/2009; Unterhalt, Europäisches Internationales Familienrecht).

Die Dominanz des nationalen Rechts im internationalen Erbrecht überrascht angesichts der regen Aktivitäten der Haager Konferenz für IPR auf diesem Gebiet. Die vorgelegten Haager Abkommen waren jedoch nur zum Teil erfolgreich. Das umfassende Haager Abkommen von 1989 über das auf die Erbfolge anzuwendende Recht (Haager Erbrechtsübereinkommen) wurde bisher nur von den Niederlanden einseitig in Kraft gesetzt; es hatte allerdings Einfluss auf neuere Kodifikationen etwa in Finnland. Andere Übereinkommen regeln nur Teilaspekte des internationalen Erbrechts und wurden ebenfalls nur zurückhaltend von der internationalen Gemeinschaft angenommen. Das Haager Nachlassverwaltungsübereinkommen von 1973, das einen grenzüberschreitenden Nachweis für Fremdverwalter des Nachlasses, etwa Testamentsvollstrecker, vorsieht, ist bisher nur für wenige Mitgliedstaaten in Kraft getreten. Gewissen Einfluss auf Randbereiche des Erbkollisionsrechts hat in einigen Mitgliedstaaten das Haager Übereinkommen über das auf trusts (Trust und Treuhand) anzuwendende Recht von 1985, das auch auf sog. testamentary trusts Anwendung findet, und das Haager Übereinkommen über das auf Ehegüterstände anwendbare Recht von 1978. Auch ist für einige Mitgliedstaaten das UNIDROIT-Übereinkommen über ein einheitliches Recht der Form eines internationalen Testaments von 1973 in Kraft, das eine zusätzliche Testamentsform für internationale Fälle anbietet. Ferner gilt auch in einigen Mitgliedstaaten das Basler Europäische Übereinkommen über die Einrichtung einer Organisation zur Registrierung von Testamenten von 1972. Großem Erfolg bei der Kollisionsrechtsvereinheitlichung war allein dem Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht von 1961 beschieden, das in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten gilt.

Die bestehenden Unterschiede im internationalen Erbrecht sind nicht zu rechtfertigen, insbesondere nicht innerhalb der Europäischen Union. Bereits Konrad Zweigert mahnte 1966 eine Vereinheitlichung des Personalstatuts einschließlich des Erbkollisionsrechts in der Gemeinschaft an, da auf längere Sicht „desintegrative Effekte ansonsten nicht ausbleiben“ würden. Insbesondere der fehlende internationale Entscheidungseinklang erschwert eine rechtssichere Nachfolgeplanung, vor allem wenn vor den potentiell für den Erbfall zuständigen Gerichten unterschiedliche – im schlimmsten Fall nicht miteinander vereinbare – Erbrechte Anwendung finden (siehe sogleich 2.). Auch laden die verschiedenen und sich überschneidenden Zuständigkeiten für Erbverfahren zu einem forum shopping ein (siehe sodann 3.). Seit dem Wiener Aktionsplan von 1998 befindet sich deshalb die Vereinheitlichung des internationalen Erbrechts zu Recht auf der europäischen Agenda. Auf Grundlage eines ausführlichen rechtsvergleichenden Gutachtens, das vom Deutschen Notarinstitut in Zusammenarbeit mit Heinrich Dörner und Paul Lagarde 2002 vorgelegt wurde, veröffentlichte die Kommission im Jahr 2005 ein Grünbuch zum Erb- und Testamentsrecht (KOM(2005) 65 endg.), das einen offenkundigen Handlungsbedarf diagnostiziert. Das Grünbuch lässt auf ehrgeizige Pläne der Kommission schließen. Die Fragen der Kommission betreffen nicht nur die klassischen Gebiete des internationalen Erbrechts, sprich das Kollisionsrecht, die internationale Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen. Vor allem bittet das Grünbuch auch um Vorschläge, wie die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung und Nachlassverwaltung vereinfacht werden kann, etwa durch die Anerkennung erbrechtsrelevanter Dokumente und – besonders spektakulär – durch die Einführung eines Europäischen Erbscheins (Erbnachweis) mit einheitlichen Wirkungen in allen Mitgliedstaaten. Ein erster Entwurf der Kommission war für April 2009 angekündigt, liegt aber bisher noch nicht vor. Erste Anhaltspunkte für die Position der Kommission lassen sich aber einem informellen Diskussionspapier aus dem Jahr 2008 entnehmen.

2. Kollisionsrecht

Die Unterschiede der mitgliedstaatlichen Kollisionsrechte im Bereich des Erbrechts sind beträchtlich.

a) Nachlasseinheit und Nachlassspaltung

Ein erster fundamentaler Unterschied betrifft die Frage, ob das Erbstatut einheitlich für den gesamten Nachlass bestimmt wird oder zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen zu unterscheiden ist. Die Mehrzahl der Mitgliedstaaten (etwa Deutschland, Estland, Finnland, Griechenland, Italien, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn) folgen dem Prinzip der Nachlasseinheit. Der gesamte Nachlass wird nach einem Recht vererbt, das dem Erblasser nahesteht, sei es sein Staatsangehörigkeitsrecht oder sein Aufenthaltsrecht. Dieser Lösung folgt auch das Haager Erbrechtsübereinkommen (Art. 7(1)). Dagegen gehen die Rechte anderer Mitgliedstaaten (etwa Belgien, Bulgarien, England und Wales, Frankreich, Litauen, Luxemburg und Rumänien) von dem Prinzip der Nachlassspaltung aus. Diese Rechtsordnungen wenden zwar – wie die Vertreter der Nachlasseinheit – auf die Erbfolge in das bewegliche Vermögen ein dem Erblasser nahestehendes Recht an, aber auf den unbeweglichen Nachlass das Recht am jeweiligen Lageort.

Das Prinzip der Nachlassspaltung überzeugt nicht. Nicht nur führt es zu höheren Transaktionskosten durch die Anwendung verschiedener Rechte auf einen Nachlass. Zudem verursacht es zahlreiche praktische Schwierigkeiten. Sondererbfolgen für Grundstücke wurden im Sachrecht größtenteils abgeschafft. Die meisten Erbrechte gehen heutzutage von einer Nachlasseinheit aus und erfassen den gesamten Nachlass. Finden verschiedene Rechte auf einen Nachlass Anwendung, besteht daher oftmals Anpassungsbedarf, vor allem bei der Nachlassverteilung und bei der Bestimmung des Pflichtteils, die stets in Bezug zum gesamten Nachlass zu erfolgen hat. Nicht zu Unrecht wird das Prinzip der Nachlassspaltung daher scharf kritisiert (siehe nur für England In Re Collens [1986] Ch. 505, 512 ff. (Ch)) und auch das Diskussionspapier der Europäischen Kommission folgt in Art. 3.6(1) dem Prinzip der Nachlasseinheit.

Freilich kann auch das Prinzip der Nachlasseinheit nicht immer eine Nachlassspaltung verhindern, etwa bei einem Teilrenvoi (Renvoi), einer gegenständlich beschränkten Teilrechtswahl (Rechtswahl), der Anerkennung international zwingender Bestimmungen der lex rei sitae für die Erbfolge in bestimmte Gegenstände Eingriffsnormen sowie der faktischen Vollziehung einer Nachlassspaltung durch eine ausländische lex rei sitae, die dem Grundsatz der Nachlassspaltung folgt.

b) Staatsangehörigkeits­prinzip und Aufenthaltsprinzip

Nahezu alle europäischen Kollisionsrechte knüpfen die Erbfolge jedenfalls in das bewegliche Vermögen an ein persönliches Kriterium des Erblassers an. Allein Lettland möchte offenbar das jeweilige Belegenheitsrecht der Nachlassgegenstände angewendet wissen. Die Anknüpfung an ein persönliches Merkmal des Erblassers ist aus Sicht des Erblassers verständlich. Nicht nur wird der Erblasser die rechtlichen Wertungen eines mit ihm eng verbundenen Erbrechts regelmäßig teilen; vor allem wird der Erblasser damit rechnen, dass ein solches, mit ihm eng verbundenes Recht auf seine Erbfolge Anwendung findet und daher sein Verhalten nach seinen Vorstellungen von diesem Recht ausrichten – eine Erwartung, die vor allem vor dem Hintergrund der auch verfassungsrechtlich geschützten (siehe etwa Art. 17(1) der GRCh; Art. 14 Abs. 1 GG) Testierfreiheit nicht enttäuscht werden sollte.

Allerdings besteht innerhalb der europäischen Kollisionsrechtsordnungen Uneinigkeit, wie dieses eng mit dem Erblasser verbundene Recht zu bestimmen ist. Einige Mitgliedstaaten knüpfen die Erbfolge an das Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers an (etwa Deutschland, Griechenland, Italien, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn). Andere Mitgliedstaaten berufen dagegen das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt, domicile oder Wohnsitz des Erblassers (etwa Belgien, Bulgarien, England und Wales, Estland, Frankreich, Litauen und Luxemburg), wobei nicht übersehen werden sollte, dass zwischen diesen Anknüpfungsmomente im Detail beträchtliche Unterschiede bestehen, gerade aufgrund des schillernden domicile-Begriffs des common law. Die Haager Erbrechtskonvention (Art. 3) versucht, gefolgt von den Niederlanden und von Finnland, einen Kompromiss zwischen Staatsangehörigkeitsprinzip und Aufenthaltsprinzip zu finden: Soweit Staatsangehörigkeit und gewöhnlicher Aufenthalt auseinanderfallen, gilt in den ersten fünf Jahren eines Aufenthalts des Erblassers im Ausland das Staatsangehörigkeitsprinzip, danach wird an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft. Beide Anknüpfungen werden durch Ausweichklauseln abgefedert.

Die rechtspolitische Entscheidung zwischen Staatsangehörigkeitsprinzip und Aufenthaltsprinzip ist keine einfache. Zu welchem der in Frage kommenden Rechte der Erblasser am engsten verbunden ist, hängt zu einem großen Anteil davon ab, ob sein Stabilitätsinteresse an der Verbindung mit seinem Heimatstaat oder sein Integrationsinteresse an der Eingliederung in den Aufenthaltsstaat überwiegt. Diese Entscheidung kann vor allem für das künftige europäische Kollisionsrecht mangels aktueller empirischer Daten nicht allgemein, aber auch nicht im Einzelfall getroffen werden. Insbesondere ist auch eine individuelle Entscheidung auf der Grundlage von Ausweichklauseln nur eingeschränkt sinnvoll, da das erkennende Gericht hierzu innere Vorgänge des Erblassers nach dessen Tod nachträglich beurteilen müsste und daher – bereits auf der kollisionsrechtlichen Ebene – umfangreiche Ermittlungen über den Erblasserwillen anstellen müsste. Vollständige Klarheit über die innere Verbundenheit des Erblassers kann nur durch eine einseitige Rechtswahl gewonnen werden (s.u. 2. c). Die rechtspolitische Entscheidung zwischen Staatsangehörigkeitsprinzip und Aufenthaltsprinzip kann daher nur schwerlich auf Grundlage typisierter Erblasserinteressen getroffen werden. Allerdings ist das Aufenthaltsprinzip im Vordringen begriffen. Nicht nur setzt sich das Aufenthaltsprinzip international, etwa in den Haager Konventionen, aber auch in Europa zunehmend durch (Gewöhnlicher Aufenthalt); diesem Trend wird sich das Erbrecht nicht verschließen können, vor allem um einen wünschenswerten Gleichlauf des anwendbaren Erbrechts mit angrenzenden Rechtsgebieten nicht zu gefährden. Bei einer Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt ergäbe sich zudem oftmals ein Gleichlauf mit der internationalen Zuständigkeit (dazu sogleich 3), weil sich im Aufenthaltsstaat des Erblassers regelmäßig auch die Erben und größtenteils der Nachlass befinden werden. Eine gerichtliche Entscheidung soll vor allem auch an diesem Ort Wirkung entfalten; die Parteien werden deshalb eine dort eröffnete Zuständigkeit regelmäßig in Anspruch nehmen. Auch spricht rechtspolitisch für eine Aufenthaltsanknüpfung auf europäische Ebene das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG/18 AEUV und die bisherige gemeinsame europäische Einwanderungspolitik; beide betonen beim Auseinanderfallen von Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt die Integration in den Aufenthaltsstaat. Es verwundert deshalb nicht, dass auch das Diskussionspapier der Europäischen Kommission in Art. 3.1 die Erbfolge an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers anknüpft.

c) Rechtswahl des Erblassers

Derzeit spielt die Parteiautonomie im Erbrecht eine eher untergeordnete Rolle. Nur wenige Mitgliedstaaten lassen eine Rechtswahl des Erblassers zu, und wenn, dann nur beschränkt auf einige wenige wählbare Rechte (etwa Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland und Italien). Auch die Haager Erbrechtskonvention gestattet lediglich eine beschränkte Rechtswahl (Art. 5); der Erblasser darf das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes oder seiner Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes wählen. Nach Art. 3.2(1) des Diskussionspapiers der Europäischen Kommission soll der Erblasser jedenfalls seine Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Wahl wählen dürfen.

Rechtspolitisch ist zumindest eine beschränkte Rechtswahlfreiheit für den Erblasser wünschenswert, vor allem wenn objektiv an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers angeknüpft und damit von einem überwiegenden Integrationsinteresse des Erblassers ausgegangen wird. Sollte nämlich beim Erblasser das Stabilitätsinteresse an der Verbindung mit seinem Heimatstaat, oder gar einem anderen Staat – etwa einem früheren Aufenthaltsstaat – überwiegen, so muss der Erblasser diese Stabilitätsinteressen auch durch eine Rechtswahl schützen dürfen. Der Schutz von Stabilitätsinteressen ist gerade im europäischen Binnenmarkt von großer Bedeutung, vor allem in Bezug auf die Personenfreizügigkeit des Art. 18 EG/21 AEUV. Die Wahrnehmung der Grundfreiheiten – die bei einer Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt schnell zu einem Statutenwechsel führen kann – sollte keinen Rechtsverlust verursachen. Ähnliche Stabilitätserwägungen finden sich auch beim sog. Herkunftslandprinzip, der Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften und beim Prinzip der gegenseitigen Anerkennung. Schließlich ist eine Rechtswahlfreiheit auch mit den allgemeinen Grenzen der Testierfreiheit des Erblassers vereinbar. Zwar wird die Testierfreiheit in den meisten Rechtssystemen durch das Pflichtteilsrecht und die Grenze der Sittenwidrigkeit (Sitten- und Gesetzwidrigkeit von Verträgen) beschränkt. Aber die Interessen naher Familienangehöriger und des Staates werden bereits bei der objektiven Anknüpfung an ein persönliches Merkmal des Erblassers und nicht etwa der Familienangehörigen nur sehr mittelbar wahrgenommen. Vor allem aber werden die Interessen naher Familienangehöriger und des Staates ausreichend geschützt: Pflichtteilsrechte oder ähnliche Schutzmechanismen existieren in den meisten Staaten; die öffentliche Sittenordnung kann über die Berücksichtigung von Eingriffsnormen und den ordre-public-Vorbehalt (ordre public) gewahrt werden.

d) Umfang der Verweisung

In den meisten europäischen Kollisionsrechtssystemen umfasst das Erbstatut alle sich aus dem Tod einer Person mit der Vermögenszuordnung ergebenden Fragestellungen. Problematisch ist in einigen Ländern (etwa England und Wales sowie Österreich) allerdings, inwieweit die Nachlassverwaltung und Nachlassabwicklung in den Anwendungsbereich des Erbstatuts fällt. In diesen Ländern wird nämlich bereits sachrechtlich zwischen Erbberechtigung und Nachlassverwaltung getrennt. Der Nachlass fällt nicht automatisch mit seinen Aktiva und Passiva den Erben zu. Vielmehr wird in England der Nachlass zunächst durch einen vom Erblasser bestimmten oder Gericht bestellten personal representative als Treuhänder bereinigt und erst anschließend der Überschuss an die Erben ausgekehrt; in Österreich bedarf es einer gerichtlichen Einantwortung des Nachlasses auf die Erben (Testamentsvollstreckung). Diese besonderen Fremdverwaltungsverfahren unterliegen in diesen Ländern nicht dem Erbstatut sondern der lex fori. Solange ein solches Nachlassverwaltungsverfahren nicht zwingend ist, sollte allerdings eine Sonderanknüpfung der Nachlassverwaltung unterbleiben, da ansonsten ein einheitliches Erbstatut auseinandergerissen würde, wie auch das Diskussionspapier der Europäischen Kommission in Art. 3.6(2)1 und in Art. 3.6(2)(i) anerkennt.

e) Sonderanknüpfung, insbesondere Verfügungen von Todes wegen

Einige andere Fragen, die in den Anwendungsbereich des Erbstatuts fallen, bedürfen allerdings einer Sonderanknüpfung. Das betrifft insbesondere das Statut der Verfügungen von Todes wegen. Wären die allgemeinen Kollisionsnormen für die Rechtsnachfolge von Todes wegen auch auf Verfügungen von Todes wegen anwendbar, so könnte der Erblasser bei der Testamentserrichtung womöglich nicht absehen, ob etwa sein Testament zum Zeitpunkt des Erbfalles wirksam sein wird. Der Erblasser weiß zum Zeitpunkt der Errichtung noch nicht, welche Staatsangehörigkeit oder welchen gewöhnlichen Aufenthaltsort er zum Zeitpunkt seines Todes haben wird. Diese Ungewissheit würde zwar durch eine Rechtswahlmöglichkeit gemildert (oben 2. c), sollte aber durch eine unwandelbare Anknüpfung beseitigt werden.

Hinsichtlich der Form einer Verfügung von Todes wegen finden sich entsprechende Vorschriften – zumindest für Testamente und gemeinschaftliche Testamente – im Haager Testamentsformübereinkommen. Dieses Abkommen folgt dem favor-negotii-Grundsatz und begünstigt die formelle Gültigkeit einer Verfügung von Todes wegen dadurch, dass es diese alternativ an eine Vielzahl von Rechten anknüpft, etwa an das Recht des Ortes, wo der Erblasser verfügt hat oder das Heimatrecht oder das Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers zum Zeitpunkt der entsprechenden Verfügung oder seines Todes.

Hinsichtlich der materiellen Gültigkeit und der Wirkungen der Verfügung knüpfen dagegen einige Rechtsordnungen an das hypothetische Erbstatut zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung von Todes wegen an (vgl. die Rechtslage in Deutschland, England, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien Tschechien und Polen). Einige Mitgliedstaaten (etwa Österreich) begünstigen die materielle Wirksamkeit sogar noch zusätzlich dadurch, dass eine nach dem hypothetischen Erbstatut materiell unwirksame Verfügung dann wirksam wird, wenn sie nach dem tatsächlichen Erbstatut wirksam ist. Die Haager Erbrechtskonvention (Art. 9) enthält eine entsprechende Regelung zumindest für Erbverträge.

3. Internationales Verfahrensrecht

Auch die internationalen Erbverfahrensrechte der Mitgliedstaaten weisen erhebliche Unterschiede auf. Das betrifft vor allem die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit. Zum Teil wird an den letzten Wohnsitz oder die Staatsangehörigkeit des Erblassers angeknüpft. Teils sind die Gerichte am Belegenheitsort des Nachlasses zuständig. Für einige Streitigkeiten kommt es auf die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz der streitenden Parteien an. Teilweise ist auch eine Gerichtsstandsvereinbarung möglich. Bemerkenswert war vor allem für Nachlasssachen in Deutschland die sog. Gleichlauftheorie, wonach die Nachlassgerichte im Grundsatz nur Maßnahmen treffen dürfen, wenn deutsches Erbrecht kollisionsrechtlich berufen ist (siehe etwa BayObLG 13.11.1986, NJW 1987, 1148) – ein gewohnheitsrechtlich anerkannter Rechtssatz, der aber vom Gesetzgeber im Rahmen der Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit abgeschafft wurde (siehe § 105 FamFG). Die Schwierigkeiten bei der Systematisierung der Zuständigkeiten ergeben sich vor allem daraus, dass die meisten Zuständigkeitssysteme in Europa für verschiedene erbrechtliche Verfahren unterschiedliche Zuständigkeitsvorschriften besitzen: Etwa in Deutschland bemisst sich die internationale Zuständigkeit unterschiedlich für Verfahren der streitigen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ein künftiges europäisches Zuständigkeitsrecht für Erbsachen sollte grundsätzlich zwischen echten Zivilstreitigkeiten mit erbrechtlichem Bezug (etwa Prätendenstreitigkeiten) und Verfahren, die sich auf die Nachlassverwaltung und Nachlassabwicklung beziehen, unterscheiden. Während Erstere in das allgemeine europäische Zuständigkeitsrecht etwa der EuGVO (VO 44/ 2001) einbezogen werden könnten, sollten für Letztere grundsätzlich die Gerichte am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers international zuständig sein, wobei vor allem im Falle eines Erblassers mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Drittstaat, aber mit Vermögen in der Gemeinschaft entsprechende Restzuständigkeiten der mitgliedstaatlichen Gerichte geschaffen werden müssten – eine Lösung, die sich grundsätzlich auch im Diskussionspapier der Europäischen Kommission findet (siehe Art. 2.1 und Art. 2.3). Daneben schlägt das Diskussionspapier auch eine Lockerung der Aufenthaltszuständigkeit durch eine forum-non-conveniens-Regel oder eine Gerichtsstandswahlmöglichkeit (Art. 2.2) vor.

Auch im Bereich der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Erbsachen unterscheiden sich die mitgliedstaatlichen Rechte; insoweit finden regelmäßig die autonomen Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften Anwendung, die in den meisten anderen Bereichen in Europa durch die EuGVO verdrängt wurden. Nach den Vorstellungen des Diskussionspapiers der Europäischen Kommission soll das geplante europäische Instrument zum Erbrecht auch Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung enthalten (Art. 4.1 ff.).

Literatur

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Abgerufen von Erbrecht, internationales – HWB-EuP 2009 am 24. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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