Rechtsquellen (des europäischen Privatrechts): Unterschied zwischen den Versionen

Aus HWB-EuP 2009
K (1 Version importiert)
 
Zeile 65: Zeile 65:


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Sources_of_European_Private_Law]]

Aktuelle Version vom 28. September 2021, 17:49 Uhr

von Axel Metzger

1. Begriff der „Rechtsquelle“, Übersicht

Der Begriff der Rechtsquelle ist mehrdeutig. Er wird zum Teil in der Weise verstanden, dass er die Institutionen oder „Quellen“ beschreibt, die Rechtsnormen in Kraft setzen können, also bspw. die Gesetzgebung oder die ständige Übung, die Gewohnheitsrecht schafft. Zumeist wird mit der Rechtsquelle jedoch nicht die rechtsetzende Institution, sondern die resultierende Rechtsnorm selbst bezeichnet, aus der sich die konkrete Entscheidung ergibt, also das Gesetz oder Gewohnheitsrecht; im Plural werden mit Rechtsquellen dann die unterschiedlichen Erscheinungsformen des positiven Rechts oder Typen von Rechtsnormen umschrieben. Von den so verstandenen Rechtsquellen (auch „Rechtsgeltungsquellen“) sind die so genannten „Rechtserkenntnisquellen“ abzugrenzen, denen entnommen werden kann, was rein faktisch als Recht praktiziert wird, nicht dagegen, was richtigerweise praktiziert werden sollte. Hier soll Rechtsquelle im engen Sinne von Rechtsgeltungsquelle verwendet werden.

Im europäischen Privatrecht lassen sich die Rechtsquellen nach den verschiedenen Ebenen des europäischen Mehrebenensystems ordnen. Auf der nationalen Ebene (2.) gelten andere Rechtsquellen als auf der Gemeinschaftsebene (3.) und auf der völkerrechtlich-einheitsrechtlichen Ebene (4.).

2. Rechtsquellen der nationalen Privatrechtsordnungen

In der Frage der Rechtsquellen unterscheiden sich die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen vom englischen Recht, auch wenn die Unterschiede mitunter übertrieben dargestellt werden.

a) Kontinentale Privatrechtsordnungen

Die kontinentaleuropäischen Privatrechtsordnungen finden ihre erste und wichtigste Rechtsquelle im Gesetz und hier insbesondere in den privatrechtlichen Kodifikationen. Das Gesetzgebungsmodell der Kodifikation ist ausgehend von den frühen Gesetzbüchern der Naturrechtsepoche, über die Kodifikationen Frankreichs (Code civil, 1804), Österreichs (ABGB, 1811) sowie später Deutschlands (BGB, 1900) und Italiens (Codice civile, 1942) bis in die jüngere Zeit nicht verblasst, wie das Beispiel der Niederlande zeigt ([[Burgerlijk Wetboek, 1970–2003). Der Vollständigkeitsanspruch der Gesetzbücher ist jedoch unterschiedlich weitgehend. Während das niederländische (Nieuw) Burgerlijk Wetboek sowohl das Handels- und Transportrecht als auch das Verbraucherrecht integriert, ist in anderen Staaten eine Tendenz der Ausgliederung von privatrechtlichen Materien in Spezialgesetze zu verzeichnen. In Deutschland hat das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu einer Wiedereingliederung einiger zuvor in Spezialgesetzen geregelten Fragestellungen in das BGB geführt. Der ganz überwiegende Teil der sonderprivatrechtlichen Gebiete einschließlich des Handels- und Gesellschaftsrechts wird dagegen nach wie vor in Spezialgesetzen behandelt.

Neben dem Gesetz wird in den kontinentalen Rechtsordnungen das Gewohnheitsrecht als zweite Rechtsquelle anerkannt, auch wenn die praktische Bedeutung heute gering ist. Der traditionelle Begriff des Gewohnheitsrechts setzt die ständige Übung einer Norm (usus) durch ihre Adressaten, insbesondere eine lokale, gewerbliche oder sonstige Gemeinschaft, und die Überzeugung der entsprechend Handelnden voraus, dass diese Übung dem bestehenden Recht entspricht (opinio iuris). Dagegen ist die vor allem in Deutschland anzutreffende Idee eines „Justizgewohnheitsrechts“, das durch eine ständige Rechtsprechung entstehen soll, international wenig verbreitet.

Des Weiteren sind Allgemeine Rechtsgrundsätze als Rechtsquelle zu nennen. In den nationalen Privatrechtsordnungen dominieren dabei die im Wege der Gesamt- oder Rechtsanalogie aus dem Gesetz abgeleiteten Prinzipien. Dagegen spielen rechtsvergleichend ermittelte Grundsätze, wie die PECL, in der Rechtspraxis bislang nur eine untergeordnete Rolle.

Ob richterliche Entscheidungen (Richterrecht) als Rechtsquelle anzuerkennen sind, ist umstritten und wird in Deutschland und Österreich überwiegend abgelehnt, in den Niederlanden und in Frankreich jedoch zunehmend positiv beantwortet. Allerdings gestehen auch die Gegner echten Richterrechts ein, dass die Rechtspraxis höchstrichterliche Entscheidungen als ähnlich autoritative Quelle behandelt wie das Gesetzesrecht. Sie billigen dem Richterrecht gleichwohl nur die Qualität einer „Rechtserkenntnisquelle“ zu.

Einigkeit besteht dagegen heute darin, dass wissenschaftlichen Äußerungen („Doktrin“) nicht die Eigenschaft einer Rechtsgeltungsquelle zukommt. Anders als im gemeinen Recht hat auch eine communis opinio doctorum keine autoritative Bedeutung. Das Schrifttum kann das geltende Recht erläutern und Vorschläge für die künftige Entwicklung ausarbeiten, es kann jedoch kein bindendes Recht erzeugen.

b) Englisches Recht

Im englischen Privatrecht ist das Präjudiz die bedeutsamste Rechtsquelle. Dies gilt insbesondere für die klassischen Bereiche des common law, wie das Vertrags- und Deliktsrecht. Die rechtliche Bindung an Präjudizien im Sinne der stare decisis-Regel ([[Precedent, Rule of)bildet hierbei nur einen Teilbereich der tatsächlichen Praxis des case law ab, weil sich die Gerichte auch ohne rechtliche Pflicht bemühen, ihre Entscheidungen durch Verweis auf ältere Fälle zu begründen, sei es durch Bezugnahme auf nicht bindende obiter dicta, sei es durch Verweis auf Entscheidungen von Gerichten aus unteren Instanzen oder anderen Jurisdiktionen (persuasive authority).

Doch ist auch englischen Recht das legislativ gesetzte Recht von zunehmender Bedeutung. Zwar hat die im 18. Jahrhundert in ganz Europa einsetzende Kodifikationsbewegung nicht zu einer Überführung des Fallrechts in ein Gesetzbuch geführt. Dennoch wurden ab dem Ende des 19. Jahrhunderts eine Reihe größerer Gesetzesvorhaben für einzelne zivilrechtliche Themengebiete abgeschlossen. Zu nennen sind hier beispielhaft der Bills of Exchange Act 1882, der Partnership Act 1890, der Sale of Goods Act 1893 und der Marine Insurance Act 1906.

Im englischen Recht besteht schließlich ebenfalls die Möglichkeit der Herausbildung von Gewohnheitsrecht. Die praktische Bedeutung ist allerdings ebenso gering wie auf dem Kontinent.

3. Rechtsquellen des Gemeinschaftsprivatrechts

Die zweite Ebene des europäischen Privatrechts bildet das europäische Gemeinschaftsrecht, das heißt, das im EG-Vertrag bzw. AEUV enthaltene sowie das auf Grundlage dieser Verträge gesetzte oder anderweitig anerkannte Privatrecht. An erster Stelle sind auch hier die legislativen Rechtsquellen zu nennen, namentlich das Primär- und Sekundärrecht der Gemeinschaft. Hinzu treten das Fallrecht der Gemeinschaftsgerichte, sofern man dieses als eigenständige Rechtsquelle anerkennt, sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Schließlich sind die völkerrechtlichen Abkommen im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft zu nennen.

a) Primärrecht

Fragt man nach dem privatrechtlichen Primärrecht, so sind zunächst die Grundfreiheiten zu beachten, welche trotz ihres mitgliedstaatlichen Adressatenkreises heute in vielfältiger Weise direkt in die Privatrechtsbeziehungen hineinwirken. Die Auswirkungen der [[Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit der Art. 28 und 49 EG/‌34 und 40 AEUV reichen vom Vertragsrecht über das Lauterkeitsrecht bis hin zum Recht des geistigen Eigentums. Die Personenverkehrs- und Niederlassungsfreiheit der Art. 43 und 48 EG/‌‌49 und 54 AEUV hat sich vor allem im Arbeits- und im Gesellschaftsrecht ausgewirkt. Die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit in Art. 56 EG/‌63 AEUV beeinflusst zunehmend das [[Bank-, Versicherungs- [[und Kapitalmarktrecht. Eine besonders wichtige Materie des europäischen Privatrechts findet sich schließlich in den Wettbewerbsvorschriften der Art. 81–86 EG/‌101–106 AEUV.

b) Sekundärrecht

Im Mittelpunkt des Interesses der europäischen Privatrechtswissenschaft steht das sekundäre Gemeinschaftsrecht der Verordnungen und Richtlinien. Die Kompetenzen der Gemeinschaft zum Erlass von legislativen Maßnahmen sind nach dem EG-Vertrag bzw. AEUV zwar auf einzelne Ermächtigungsgrundlagen begrenzt. Die europäische Gemeinschaft hat seit den 1960er Jahren dennoch ein dichtes Geflecht sekundärrechtlicher Instrumente erlassen, wobei für die Kernbereiche des Privatrechts besonders häufig auf die Binnenmarktkompetenz in Art 95 EG/‌116 AEUV sowie die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 55, 47(2) EG/‌62, 53(2) AEUV zurückgegriffen wurde. Die von Jürgen Basedow zwischen 1999 und 2002 herausgegebene Sammlung des acquis communautaire, der allein oder vorwiegend Fragen des Privatrechts betrifft, kommt auf insgesamt ca. 70 Verordnungen und Richtlinien, und zwar ohne Berücksichtigung des Banken-, Börsen-, Versicherungs-, Transport- und (sekundären) Wettbewerbsrechts. Hinzu kommen eine Reihe von Empfehlungen und Beschlüssen. Der Besitzstand ist in der Zwischenzeit weiter angewachsen.

Natürlich sind nicht alle Rechtsakte gleich bedeutsam, auch betreffen sie zum größeren Teil Aspekte besonderer Privatrechtsgebiete, insbesondere das Gesellschafts- und Arbeitsrecht, das Recht des geistigen Eigentums sowie das Verbraucherschutzrecht. Greift man aber beispielhaft die Klausel-RL (RL 93/‌13) aus dem Jahr 1993 oder die Verbrauchsgüterkauf-RL (RL 1999/‌‌44) aus dem Jahr 1999 heraus, so wird deutlich, dass es sich beim ius communitatis keineswegs um eine Randerscheinung handelt. Schon seit längerem werden auch Kernbereiche des allgemeinen Privatrechts vom europäischen Recht erfasst. Dass die begrenzten Kompetenzen des EG-Vertrags als Grundlage für eine solch weitreichende Harmonisierung mancher Gebiete des Privatrechts herangezogen werden konnten, liegt nicht zuletzt an der integrationsfreundlichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der bislang überhaupt nur einmal eine Richtlinie der Gemeinschaft aufgrund fehlender Gemeinschaftskompetenz für nichtig erklärt hat (EuGH Rs. C-376/‌98 – Tabakwerberichtlinie, Slg. 2000, I-8419; Werbung für Tabakprodukte), ansonsten aber die Hürden für die Zulässigkeit legislativer Maßnahmen der Gemeinschaft nicht besonders hoch ansetzt.

Während Verordnungen unmittelbar in den Mitgliedstaaten gelten und damit auch private Parteien zu ihren Adressaten zählen, richten sich die Richtlinien der Gemeinschaft an sich nur an die Mitgliedstaaten. Es wurde deswegen vorgeschlagen, nicht die Richtlinien selbst, sondern nur die von den Mitgliedstaaten erlassenen Umsetzungsbestimmungen dem europäischen Privatrecht zuzuschlagen. Dies würde jedoch die Betrachtung des Richtlinienrechts erheblich erschweren. Im Mittelpunkt des Interesses steht letztlich der inhaltsgleiche Kern der – unzweifelhaft privatrechtlichen – Umsetzungsvorschriften und dieser findet sich in den Richtlinien selbst. Stellt man in diesem Sinne auf den Inhalt der Richtlinien ab, so ist es gerechtfertigt, diese dem Privatrecht zuzuschlagen.

c) Allgemeine Rechtsgrundsätze, Rechtsprechung

Von besonderer Bedeutung für das Gemeinschaftsrecht sind Allgemeine Rechtsgrundsätze, auf die der Europäische Gerichtshof regelmäßig zur Auslegung und Ergänzung des Gemeinschaftsrechts zurückgreift. Diese werden zum Teil rechtsvergleichend durch Rückgriff auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ermittelt, zum Teil aber auch im Wege der Gesamt- oder Rechtsanalogie aus dem acquis communautaire abgeleitet. Zu den auf diesem Wege anerkannten Grundsätzen zählen auch einige elementare Prinzipien des Privatrechts, auch wenn diese vielfach zunächst in öffentlich-rechtlichen Fallgestaltungen herangezogen wurden, etwa der Grundsatz pacta sunt servanda, Treu und Glauben, das Bereicherungsverbot, die Zinspflicht, Kausalität als Haftungsvoraussetzung oder die Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns im Rahmen von Schadensersatzforderungen.

Erkennt man die Rechtsprechung der europäischen Gerichte als Rechtsquelle an, was im Schrifttum kontrovers diskutiert wird, so wären die auf diese Weise entstandenen fallrechtlichen Normen ebenfalls der Gemeinschaftsebene zuzuordnen.

d) Im Rahmen der Gemeinschaft geschlossene Staatsverträge

Zum Gemeinschaftsrecht sind schließlich auch die im Rahmen der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Abkommen zu zählen. Art. 293 EG bildete die primärrechtliche Grundlage für zwischenstaatliche Verträge (im AEUV ist die Vorschrift aufgehoben worden), die allein den Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaft offen stehen und von allen neuen Mitgliedern gezeichnet und ratifiziert werden müssen. Das wichtigste Beispiel für einen solchen Vertrag, das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen von 1968 (EuGVÜ), ist auf Grundlage der durch den Amsterdamer Vertrag erweiterten Kompetenzen der Gemeinschaft mittlerweile in eine Verordnung, die Brüssel I-VO (VO 44/‌2001), umgewandelt worden ([[Europäisches Zivilverfahrensrecht). Das Gleiche gilt für eine Reihe weiterer Abkommen auf dem Gebiet des internationalen Privat- und Verfahrensrechts. Das letzte verbliebene Beispiel stellte bis vor Kurzem das Römische Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ) von 1980 (Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR) dar, das jedoch insofern eine besondere Stellung einnahm, als es nicht auf der Grundlage von Art. 293 EG, sondern unabhängig davon zustande gekommen war. Auch das EVÜ ist mittlerweile in eine Verordnung umgewandelt worden, die Rom I-VO (VO 593/‌2008).

4. Privatrechtliche Quellen des internationalen Rechts

Die dritte Ebene des europäischen Privatrechts bildet der internationale Rahmen, in den das Recht der Mitgliedstaaten und der europäischen Gemeinschaft eingebunden sind. Die Entwicklung des Privatrechts ist seit dem 19. Jahrhundert durch die Zusammenarbeit der führenden Wirtschaftsnationen beeinflusst worden. Zahlreiche Entscheidungen der Wirtschafts- und Handelspolitik wurden seitdem auf der internationalen Ebene getroffen. Das Bild vom heute in Europa geltenden Privatrecht wäre unvollständig, wenn es nicht die internationale Ebene berücksichtigen würde.

Für die privatrechtlichen Aspekte des internationalen Rechts sind zwei Strömungen zu unterscheiden. Während die klassisch-positivistische allein das durch völkerrechtliche Verträge geschaffene Einheitsrecht als internationale Ebene des Privatrechts anerkennen möchte, akzeptiert der zweite Ansatz auch nicht-gesetzte internationale Normen des Handels- und Wirtschaftsrechts, wobei Allgemeine Rechtsgrundsätze und lex mercatoria als mögliche Kandidaten für eine entsprechende Erweiterung des Kanons der Rechtsquellen genannt werden.

a) Einheitsrecht der Staatsverträge

Welche der Rechtssätze des kodifizierten Einheitsrechts der Staatsverträge sind als Teil des europäischen Privatrechts anzusehen? Keine Probleme bereitet die Einordnung der Staatsverträge, die von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet und ratifiziert worden sind. Dies gilt auch dann, wenn die Konvention Drittstaaten offen steht. Dass sich die fraglichen Normen zugleich außerhalb der Gemeinschaft finden, ändert nichts an dem Umstand, dass sie für Europa faktisch eine Schicht gemeinsamen Rechts bilden. Beispiele sind die Revidierte Berner Übereinkunft für das Urheberrecht (Geistiges Eigentum (Kollisionsrecht)), das Europäische Patentübereinkommen (Patentrecht) oder das Montrealer Abkommen aus dem zivilen Luftverkehrsrecht (Luftverkehr). Hinzu sind diejenigen Staatsverträge zu rechnen, die von der Europäischen Gemeinschaft (mit‑)verhandelt und unterzeichnet wurden, etwa die unter dem gemeinsamen Dach der WTO geschlossenen Übereinkommen.

Weniger eindeutig ist die Einbeziehung der Konventionen, die nicht von allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ratifiziert worden sind. So gehören der den Güterverkehr auf der Straße betreffenden CMR (Straßengüterverkehr) alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Malta an. Dem CISG (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)) sind bis heute Großbritannien, Irland, Malta und Portugal ferngeblieben. Andere Rechtsvereinheitlichungsprojekte sind von vornherein regional begrenzt, beispielsweise die Zusammenarbeit der nordischen Staaten, die unter anderem zum Erlass einheitlicher Kaufrechts- und Vertragsgesetze in Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland und Island geführt hat (Skandinavische Rechtsvereinheitlichung), oder die gemeinsamen Initiativen der Benelux-Staaten, die beispielsweise eine Konvention auf dem Gebiet des geistigen Eigentums (Marken und Geschmacksmuster) und ein einheitliches Handelsvertretergesetz hervorgebracht haben. Auch insoweit sprechen die besseren Gründe für eine Einbeziehung. Sollen mit dem Begriff „europäisches Privatrecht“ nicht nur die Gemeinsamkeiten abgebildet werden, sondern auch die Unterschiede der Privatrechtsordnungen, dann müssen auch die international-einheitsrechtlichen Quellen einbezogen werden, die nur in einzelnen Mitgliedstaaten gelten. Im Übrigen lässt sich die Europäische Gemeinschaft bei ihrer legislativen Tätigkeit immer wieder von solchen Staatsverträgen beeinflussen, die nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert worden sind. Beispielsweise hat das CISG in mancherlei Hinsicht die Verbrauchsgüterkauf-RL beeinflusst.


b) Ungeschriebene Quelle des internationalen Rechts

In ähnlicher Weise wird man auch für die ungeschriebenen Quellen des internationalen Rechts, insbesondere allgemeine Rechtsgrundsätze und lex mercatoria, nicht verlangen dürfen, dass sie in der gesamten europäischen Gemeinschaft anerkannt sind, um unter den Begriff des europäischen Privatrechts subsumiert werden zu können. Besondere Bedeutung im internationalen Rechtsverkehr kommt den UNIDROIT PICC zu, die 2004 in einer überarbeiteten, zweiten Fassung vorgelegt worden sind und die in der Praxis der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit (Schiedsverfahren, internationales) zunehmend Bedeutung gewinnen. Die UNIDROIT PICC bilden zugleich zusammen mit der Schiedsgerichtspraxis und den international einheitlich verwendeten Vertragsklauseln den Kernbestand der im Entstehen begriffenen transnationalen Handelsrechtsordnung oder lex mercatoria.

Literatur

René David, Sources of law, in: IECL II, Kap. 3, 1984; Franz Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991; Karl Larenz, Juristische Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991; Helmut Coing, Einleitung zum BGB, in: Julius von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Nebengesetzen, 13. Bearb. 1995; Johannes B.M. Vranken, Mr. C. Asser's Handleiding tot de beoefening van het Nederlands burgerlijk recht, Algemeen deel, 1995; Klaus Peter Berger, Formalisierte oder „schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschaftsrechts, 1996; Jürgen Basedow, Das BGB im künftigen europäischen Privatrecht: Der hybride Kodex, Archiv für die civilistische Praxis 200 (2000) 445 ff.; Claus-Wilhelm Canaris, Die Stellung der „UNIDROIT Principles“ und der „Principles of European Contract Law“ im System der Rechtsquellen, in: Jürgen Basedow (Hg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, 5 ff.; Jürgen Basedow (Hg.), Europäisches Privatrecht: Quellen I, II und III, 1999–2002; Philippe Malaurie, Patrick Morvan, Introduction générale, 2004.

Abgerufen von Rechtsquellen (des europäischen Privatrechts) – HWB-EuP 2009 am 24. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

Die hier veröffentlichten Artikel unterliegen exklusiven Nutzungsrechten der Rechteinhaber des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht und des Verlages Mohr Siebeck; sie dürfen nur für nichtkommerzielle Zwecke genutzt werden. Nutzer dürfen auf die öffentlich frei zugänglich gemachten Artikel zugreifen, diese herunterladen, Ausdrucke anfertigen und Kopien der Dateien anfertigen. Weiterhin dürfen Nutzer die Artikel auszugsweise übersetzen und im Rahmen von wissenschaftlicher Arbeit zitieren, sofern folgende Anforderungen erfüllt werden:

  • Nutzung zu nichtkommerziellen Zwecken
  • Erhalt der Text-Integrität des Artikels und seiner Bestandteile
  • Zitieren der Fundstelle gemäß wissenschaftlichen Standards unter Angabe von Autoren, Stichworttitel, Werkname, Jahr der Veröffentlichung (siehe Zitiervorschlag).