Darlehen: Unterschied zwischen den Versionen
Admin (Diskussion | Beiträge) K (1 Version importiert) |
Jentz (Diskussion | Beiträge) |
||
Zeile 36: | Zeile 36: | ||
[[Kategorie:A–Z]] | [[Kategorie:A–Z]] | ||
[[en:Loan]] |
Aktuelle Version vom 28. September 2021, 14:33 Uhr
von Tobias Tröger
1. Gegenstand und Zweck
Sämtliche europäischen Rechtsordnungen stellen Standardregeln für die Grundform des Finanzierungsgeschäfts (Kredit) zur Verfügung, die eine zeitliche Überlassung von Geld oder vertretbaren Sachen erfassen. Der Darlehensgeber wird verpflichtet, dem Darlehensnehmer die Valuta für eine begrenzte Zeit zur freien Verfügung zu übertragen. Der Darlehensnehmer hat bei Fälligkeit den Nennbetrag bzw. Sachen gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren und regelmäßig ein Entgelt für die Überlassung zu entrichten. Die in einigen Rechtsordnungen begegnende Bezeichnung des Darlehens als „Verbrauchsleihe“ (z.B. verbruikleening in den Niederlanden und prêt de consommation in Frankreich) verdeutlichen, dass im Gegensatz zu den auf bloße Nutzungsüberlassung gerichteten Verträgen, wie der Leihe oder der Miete, beim Darlehen die Valuta dem Darlehensnehmer übertragen und grundsätzlich zur freien Verfügung gestellt wird, er sie also verbrauchen oder sonst für seine Zwecke verwenden kann.
Durch die Regelung des Darlehens unterstützt das Recht den Austausch zwischen Marktakteuren, von denen der Nachfragende die gegenwärtige Verfügbarkeit von Kapital (Geld oder vertretbare Sachen) höher bewertet als der Anbietende. Auf diese Weise wird zum einen der Markt für Produktionsfaktoren (Aufnahme von Fremdkapital) institutionell abgesichert, zum anderen aber auch die Präferenzbefriedigung der Konsumenten befördert (Verbraucherdarlehen). Die Bedeutung des Darlehensvertrags für die Versorgung mit Fremdkapital ist traditionell in den bankenzentrierten Systemen der Unternehmensfinanzierung Kontinentaleuropas höher als in den angelsächsischen Volkswirtschaften, in denen die entsprechenden Ziele seit jeher stärker mit verbrieften Schuldtiteln am offenen Kapitalmarkt verfolgt werden. Die strategische Neuausrichtung vieler kontinentaleuropäischer Geschäftsbanken hat jedoch in jüngerer Zeit zu einer Verschiebung der Gewichte und einem gewissen Bedeutungsverlust des Bankdarlehens für die Unternehmensfinanzierung auch in Kontinentaleuropa geführt. Seine nicht zu unterschätzende, grundsätzliche Relevanz bleibt aber gleichwohl erhalten. Allerdings hat hier die Vertragspraxis in allen europäischen Staaten zu einem weitgehend selbständigen Recht auf der Grundlage Allgemeiner Geschäftsbedingungen gefunden (Bankrecht). Die technische Abwicklung der Kapitalübertragung erfolgt beim Gelddarlehen regelmäßig durch Buchungsvorgänge auf dem Konto des Kreditnehmers. Dabei wird im Geschäftsverkehr statt den kreditierten Betrag gutzuschreiben meist einfach die Überziehung in der vereinbarten Höhe geduldet. Darlehen an vertretbaren Sachen begegnen im Wirtschaftsleben vor allem in Form von Wertpapierdarlehen (häufig als „Wertpapierleihe“ bezeichnet, vom amerikanischen securities lending), die z.B. die Leerverkäufe von Effekten trotz kurzfristiger Lieferpflichten an den Handelsplätzen erlauben. Die besonderen Gefahren, die bei der Darlehensaufnahme durch Konsumenten begegnen, haben zu einem Sonderrecht des Verbraucherkredits (Verbraucherkreditrecht der Gemeinschaft) geführt, das Gegenstand weitreichender supranationaler Harmonisierung ist.
Je nach Modalitäten der Rückzahlung lassen sich Darlehen grob danach einteilen, ob sie in einer Summe zurückzuzahlen oder durch wiederkehrende Leistungen zu tilgen sind. Im Hinblick auf eine eventuelle Besicherung sind Personalkredite (prêt personnel, personal loan; Sicherung durch Bonität des Darlehensnehmers oder persönliche Kreditsicherheiten [Bürgschaft; Garantie]) von Real- (prêt réel, real estate loan; Sicherung durch Immobiliarsicherheiten) und Lombardkrediten (prêt Lombard, lombard loan; Sicherung durch Mobiliarsicherheiten, insb. Wertpapiere) zu unterscheiden. Das Verfügungsrecht des Darlehensnehmers kann ferner durch Zweckbindungen eingeschränkt werden (z.B. bei Sanierungskrediten oder subventionierenden Krediten der öffentlichen Hand). Im englischen Recht können diese sogar dazu führen, dass der Darlehensgeber equitable remedies in rem hat, die ihm im Fall zweckwidriger Verwendung die Rückforderung der Valuta auch in der Insolvenz des Darlehensnehmers gestatten.
Neben dem Darlehen bestehen verschiedene, praktisch bedeutsame Institute, die ebenfalls eine ökonomisch dem Darlehen vergleichbare Kreditfunktion haben, gleichwohl aber rechtlich vom Darlehen zu unterscheiden sind. Naturgemäß können im Einzelfall und je nach vertraglicher Ausgestaltung Abgrenzungsschwierigkeiten begegnen. Zu nennen sind z.B. der Warenkredit, der Akzeptkredit oder die Diskont- und verwandten Bankgeschäfte, insbesondere das Factoring. Im Kern verläuft die Abgrenzung anhand der Leitlinie, dass es beim Darlehen zu einer Auskehr von Valuta allein gegen das Versprechen künftiger Rückgewähr kommt. Dem entspricht es, wenn von vielen Rechtsordnungen auch das Einlagengeschäft der Banken als unregelmäßige Verwahrung (dépôt irrégulier; deposito irregulare) dem Darlehensrecht unterstellt wird (ausdrücklich z.B. § 700 BGB, Art. 1782 Codice civile; im Übrigen auf der Grundlage von Rechtsprechung und h.L.). Auch hier zeigt sich die institutionenökonomische Funktion des Darlehensrechts: dieses sichert den allokativ effizienten Austausch zwischen Bank und Kunden, den diese initiieren, weil die Bank die gegenwärtige Verfügbarkeit von Kapital höher bewertet als der Kunde.
2. Grundstrukturen und Tendenzen der Rechtsentwicklung
Breit angelegte, rechtsvergleichende Untersuchungen zu den allgemeinen Fragen des Vertragstypus des Darlehens fehlen bisher, jedoch steht die Veröffentlichung der diesbezüglichen Untersuchung der Study Group on a European Civil Code unmittelbar bevor. Davon abgesehen lässt sich aber konstatieren, dass die europäischen Rechtsordnungen einige wesentliche Problemfelder teilen. Außerhalb der Kernregelungen im bürgerlichen Recht und im Handelsrecht finden sich in vielen europäischen Staaten auch im Recht der Aufsicht über Finanzdienstleistungen Regelungen mit unmittelbarer Relevanz für individuelle Darlehensverträge.
a) Rechtsnatur des Darlehens
Zu den konzeptionellen Grundfragen der bürgerlich-rechtlichen Regelung des Darlehens gehört zunächst die dogmatische Ausgestaltung als Konsensual- oder Realvertrag. Insoweit geht es darum, ob bereits die Einigung der Beteiligten darüber, Kapital zeitweise zur Verfügung zu stellen, oder erst die Auskehr der Valuta die für das Darlehen vertragstypischen Verpflichtungen begründet. In letzterem Fall stellt das Darlehen einen nur einseitig verpflichtenden Vertrag dar, aus dem lediglich der Darlehensnehmer die Rückgewähr der Valuta und ggf. die Zahlung von Zinsen schuldet. Das klassische römische Recht verstand das mutuum als Realvertrag und bejahte folglich nur eine Rückgewährpflicht des Darlehensnehmers über die condictio, nachdem eine Vermehrung seines Vermögens eingetreten war. Ebenso wurde für das depositum entschieden, bei dem durchsetzbare Rechtspflichten (zur Rückgewähr) ebenfalls erst mit der Hingabe (datio) der vertraglichen Summe entstanden. Die großen kontinentaleuropäischen Kodifikationen des 19. Jahrhunderts hielten im Ausgangspunkt an dieser Konzeption fest (vgl. z.B. Frankreich Art. 1892 Code civil; Italien Art. 1813 Codice civile, Spanien Art. 1753 Código civil, Niederlande Art. 7A:1791 BW 1838; § 983 Abs. 1 ABGB; § 607 BGB a.F.). Dies vor allem, um Missverständnisse dahingehend zu vermeiden, es könne aus dem Vertrag auf Rückzahlung geklagt werden, ohne dass hierfür die Behauptung der Valutierung notwendig sei. Selbst unter Geltung dieser positivrechtlichen Vorgaben wurde in der Rechtslehre freilich auch die Gegenposition vertreten, die sich nicht zuletzt in Deutschland im Verlauf durchsetzte. Ebenso kommen jüngere Kodifikationen wie das schweizer Obligationenrecht (Art. 312 OR), das reformierte BGB (§§ 488 Abs. 1, 607 Abs. 1 BGB) sowie die Entwürfe für die einschlägigen Teile des niederländischen Burgerlijk Wetboek ohne die atavistisch anmutende Figur des Realvertrags aus und behandeln das Darlehen als Konsensualvertrag. Diese jüngere Entwicklung entsprach seit jeher dem Standpunkt des englischen common law. Dieses betrachtet, ausgehend von seinem abweichenden Vertragsverständnis, das Versprechen der Rückzahlung als vertragskonstituierende Gegenleistung (consideration) sowohl für die Auskehr als auch das Versprechen der Auskehr der Valuta und konstruiert somit den loan je nach den Umständen entweder als Real- oder als Konsensualvertrag. Die praktische Bedeutung der scharfen dogmatischen Trennung darf in der Tat nicht überschätzt werden. So erkennen auch die am traditionellen Verständnis festhaltenden, kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen eine rechtlich verbindliche Verpflichtung zur Darlehensgewährung in Form der Krediteröffnungszusage an, die den Kreditgeber zur Bereitstellung von Kapital bis zum festgelegten Höchstbetrag verpflichtet. Umstritten ist lediglich die Rechtsnatur dieser Zusage. Diese wird teilweise als Vorvertrag (so ausdrücklich § 983 Abs. 2 ABGB, aber z.B. auch die h.M. in Frankreich, die eine ouverture de credit als promesse de prêt einordnet), aber auch als untypischer Vertrag sui generis (z.B. Spanien) oder als zur Ausreichung von Einzeldarlehen verpflichtender Rahmenvertrag (z.B. Deutschland) verstanden. Wieder anders wird im common law selbst die Krediteröffnung unter einen weit verstandenen Begriff des loan gefasst. In dieser Hinsicht ist freilich von erheblicher Bedeutung, dass das common law beim Darlehen in aller Regel keinen durchsetzbaren Anspruch auf Naturalerfüllung gewährt (Sichel v. Mosenthal (1862) 30 Beav 371; South African Territories v. Wallington [1898] AC 309 (HL)). Umgekehrt eröffnen die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen unabhängig von der Rechtsnatur der Darlehensvereinbarung regelmäßig die Möglichkeit, sich von der verbindlichen Zusage zu lösen und die Auszahlung der Valuta zu verweigern, wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers eine nachhaltige Verschlechterung eintritt, die die Rückzahlung gefährdet (vgl. z.B. Art. 1822 Codice civile; § 490 Abs. 1 BGB, oder die auf den Rechtsmissbrauchseinwand (abus de droit) gestützte Verweigerungsmöglichkeit in Frankreich).
b) Entgeltlichkeit
Ebenfalls historisch tiefreichende Wurzeln hat die Frage, ob das Darlehen in seinem Grundtypus einen entgeltlichen oder unentgeltlichen Vertrag darstellt. So wie in der frühen Zeit das später verdrängte nexum war im klassischen römischen Recht das mutuum – ebenso wie das depositum – im Ausgangspunkt unentgeltlich. Von Entgeltlichkeit war nur auszugehen, wenn die Zinszahlung in einer eigenständigen Stipulation versprochen wurde. Bei dem besonderen Regeln folgenden Seedarlehen ist zwar wahrscheinlich, dass die Entgeltlichkeit über die Auszahlung einer um die Zinsen verringerten Summe des voll zurück zu gewährenden Nennbetrags hergestellt wurde. Indessen lässt sich diese Praxis des Disagio nach neuerer Auffassung für das gewöhnliche Darlehen erst für das sich im Spätmittelalter entwickelnde Bankwesen der oberitalienischen Städte belegen. Auch wenn heute das zinslose Gefälligkeitsdarlehen allenfalls noch unter Freunden und Verwandten begegnet, hat sich die grundsätzliche Unentgeltlichkeit des Darlehens in den gesetzlichen Regelungen vieler Rechtsordnungen gehalten (vgl. z.B. Art. 1905 frz. Code civil, Art. 1755 span. Código civil; Art. 7A:1804 BW; Art. 313 Abs. 1 OR; anders aber z.B. Art. 1815 Abs. 1 Codice civile und seit 2002 § 488 Abs. 1 S. 2 BGB). Auch das englische common law geht im Grundsatz von Entgeltlichkeit nur im Fall einer express stipulation aus, es sei denn, die Verzinslichkeit entspricht einem dahingehenden Handelsbrauch oder der Übung zwischen den Parteien (Page v. Newman (1829) 9 B & C 378, 381; President of India v. La Pintada Compania Navegacion SA [1985] AC 104 (HL)). Allerdings existieren zahlreiche Durchbrechungen in der equity, wo insbesondere der mortgage loan als verzinslich angesehen wird, auch wenn die Vertragsurkunde hierfür keinen Anhaltspunkt bietet (Re Kerr’s Policy (1869) L.R. 8 Eq. 331; Al Wazir v. Islamic Press Agency Inc. [2002] Lloyd’s Rep. 410 (CA)). Auf entsprechenden Erwägungen, einen typischerweise auf Entgeltlichkeit gerichteten Parteiwillen abzubilden, beruhen schließlich die Vorschriften des Handelsrechts, die seit jeher für Kredite unter Kaufleuten bzw. Unternehmen das Regel/Ausnahme-Verhältnis umkehren und von einer abdingbaren Verzinslichkeit des Darlehens ausgehen (§ 354 Abs. 2 HGB bzw. UGB; Art. 313 Abs. 2 OR); vielfach wird aber auch im Handelsverkehr an der prinzipiellen Unentgeltlichkeit des Darlehens festgehalten (sogar schriftliche Entgeltvereinbarung fordert Art. 314 Código de comercio). Sämtliche europäischen Rechtsordnungen lassen den Parteien bei der Vereinbarung des Entgelts weitgehend freie Hand, insbesondere können auch beim Gelddarlehen andere Gegenleistungen als Zinsen vereinbart werden. Dies geschieht insbesondere beim partiarischen Darlehen, das dem Darlehensgeber eine Beteiligung am Gewinn zuspricht, der aus der Investition der Valuta fließt. Grenzen findet die Privatautonomie insbesondere in den Vorschriften über den Wucher (Zins- und Zinseszins).
c) Risikoverteilung
Die vertragsimmanente Risikoverteilung sieht zunächst vor, dass der Darlehensgeber das Risiko der Geldentwertung trägt, der Darlehensnehmer von seiner Pflicht den Nennbetrag zurückzuzahlen aber nur im Fall der Unmöglichkeit und verwandten Tatbeständen entlastet wird, was bei Gelddarlehen regelmäßig ausscheidet. Die letztere Feststellung impliziert, dass der Darlehensnehmer grundsätzlich auch das Verwendungsrisiko trägt. Beschränkte Ausnahmen bestehen insoweit allerdings bei verbundenen Darlehensverträgen im Recht des Verbraucherkredits, also bei solchen Transaktionen, die den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen von einem Dritten mit dem Finanzierungsgeschäft zu einer wirtschaftlichen Einheit verschmelzen (Art. 3(n) Verbraucherkredit-RL (RL 2008/48)). Weitergehend ist eine zunehmende Überwälzung des Verwendungsrisikos auf den Darlehensgeber durch die Etablierung von zum Teil weitreichenden Aufklärungs- und Informationspflichten zu beobachten, die – jenseits positivrechtlicher Vorgaben des Verbraucherrechts – dogmatisch entweder auf ein deliktisches (z.B. Frankreich, Italien, Schweiz, England) oder quasi-vertragliches (z.B. Deutschland) Fundament gestützt werden. Rechtspolitisch lässt sich diese Entwicklung im Ausgangspunkt mit dem wünschenswerten Abbau von Informationsasymmetrien rechtfertigen.
d) Beendigung
Schließlich gehören im Zusammenhang mit der Beendigung des ein Dauerschuldverhältnis begründenden Darlehens zwei Komplexe zu den gemeineuropäisch wiederkehrenden Themen. Zum einen geht es um die Möglichkeit von Vorfälligkeitszahlungen des Darlehensnehmers bei für eine bestimmte Zeit geschlossenen Verträgen, zum anderen um die Modalitäten der Beendigung bei auf unbestimmte Zeit geschlossenen Verträgen, insbesondere bei Zahlungsverzug des Kreditnehmers. Ausgangspunkt für die Bestimmung von Erfüllbar- und Fälligkeit ist dabei stets die Parteiabrede, sodass bei befristeten, festverzinslichen Darlehen Vorfälligkeitszahlungen ohne Zustimmung des Darlehensgebers regelmäßig nicht möglich sind. Praktisch bedeutsame Ausnahmen bestehen jedoch bei Verbraucherdarlehen auf der Grundlage von Art. 16 der Verbraucherkredit-RL sowie in manchen Rechtsordnungen unter bestimmten Voraussetzungen bei Realkrediten (z.B. Deutschland: § 490 Abs. 2 BGB; Frankreich: Art. 12 Loi No. 78-509 du 13 juillet 1979). (Zins‑)Einbußen des Darlehensgebers sind in diesen Fällen durch eine Vorfälligkeitsentschädigung zu kompensieren. Sofern das Darlehen für eine unbestimmte Zeit gewährt wurde, gestatten manche Rechtsordnungen private Lösungen durch die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung (z.B. § 609 BGB) oder die Fälligstellung durch Zahlungsaufforderung (so das englische common law über einen entsprechenden implied term bzw. die mercantile custom, Joachimson v. Swiss Bank Corp. [1921] 3 KB 110; ''National Bank of Commerce v. National Westminster Bank'' [1990] 2 Lloyd’s Rep. 514). Andere Gesetzgeber sehen demgegenüber eine gerichtliche Auflösung vor, bei der dem Gericht nicht nur ein weiter Ermessensspielraum hinsichtlich der Beendigungsgründe zukommt, sondern auch die Festsetzung der maßgeblichen Zahlungsfrist obliegt (z.B. Art. 1900 frz. Code civil; Art. 1817 Codice civile; Art. 7A:1797 BW). Zumindest im Ergebnis besteht für den Darlehensgeber stets die Möglichkeit auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage die sofortige Fälligstellung eines Ratendarlehens zu erreichen, wenn der Darlehensnehmer mit seinen Tilgungsleistungen nicht nur unerheblich in Rückstand gerät. Speziell im common law stellt sich in diesem Fall aber die Frage, ob derartige, die sofortige Fälligstellung bewirkenden acceleration clauses Strafcharakter haben und daher nicht durchsetzbar sind. Insoweit kommt es im Wesentlichen darauf an, ob auch die in Zukunft anfallenden Zinsen auf den noch ausstehenden Betrag sofort fällig werden (Strafcharakter) oder nicht.
3. Regelungsstrukturen im Einheitsrecht
Einheitsrechtliche Regeln für das Darlehen als solches existieren bisher nicht, was letztlich darauf zurückzuführen ist, dass die Vertragspraxis auf der Grundlage der entwickelten Klauselwerke auch im grenzüberschreitenden Verkehr ohne nennenswerte Hindernisse agieren kann. Hinzu kommt, dass im Außenhandel regelmäßig andere Kreditinstrumente, wie insbesondere das Akkreditiv zum Einsatz kommen (vgl. hierzu die von der Internationalen Handelskammer aufgestellten Uniform Customs and Practice for Documentary Credit).
Sowohl die ursprüngliche als auch die konsolidierte Verbraucherkredit-RL normieren nur verbraucherrechtliche Teilaspekte des Darlehensrechts, ohne wie etwa die Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf (RL 1999/44), ein umfassendes Modell des Vertragstypus Darlehens zugrunde zu legen oder Rückschlüsse auf ein solches zuzulassen.
4. Vereinheitlichungsprojekte
Sowohl die Principles of European Contract Law, als auch der Code Européen des Contrats (Avant‑projet) und die UNIDROIT PICC betreffen nur das allgemeine Vertragsrecht, enthalten also keine Regelungen für einzelne Vertragstypen. Von den allgemeinen Regeln haben für den Darlehensvertrag insbesondere Art. 6:109 PECL (Art. III.-1:109(2) DCFR) über die ordentliche Kündigung von auf unbestimmte Zeit geschlossenen Verträgen mit angemessener Frist sowie Art. 9:302 S. 2 PECL (Art. III.-3:506(3) DCFR) über die Aufhebung des gesamten Vertrags bei wesentlicher Vertragsverletzung (z.B. erheblichen Zahlungsrückständen) Bedeutung. Der Draft Common Frame of Reference enthält darüber hinaus spezielle Regelungen zum Darlehen (loan contracts). In der Typusdefinition des Art. IV.F.-1:101(2) DCFR ist das Darlehen als Konsensualvertrag ausgestaltet, bei dem – sofern nicht beide Parteien Verbraucher sind – die Überlassung der Valuta (ggf. in Form des Überziehungskredits) auch ohne entsprechende Vereinbarung entgeltlich erfolgt, Art. IV.F.-1:104(2) DCFR. Nach der zwingenden Regel des Art. IV.F.-1:106(4) DCFR sind Vorfälligkeitszahlungen auch bei befristeten, entgeltlichen Darlehen jederzeit möglich. Lediglich bei Laufzeiten solcher Darlehen von über einem Jahr ist die Zahlung dem Darlehensgeber drei Monate im Voraus anzuzeigen, Art. IV.F.-1:106(5) DCFR. Dessen Einbußen sind jedenfalls durch entsprechende Vorfälligkeitsentschädigungen zu kompensieren, Art. IV. F.-1:106(6) DCFR. Für unbestimmte Zeit eingegangene Darlehensverträge können im Übrigen von jeder Partei durch entsprechende Anzeige innerhalb angemessener Frist beendet werden, Art. IV.F.-1:106(7) DCFR.
Literatur
Max Kaser, Mutuum und Stipulatio, in: Festschrift für Georgios S. Maridakis, 1963, 155 ff.; Klaus J. Hopt, Peter O. Mülbert, Kreditrecht, 1989; Frank Theisen, Der Darlehensvertrag in seiner historischen Entwicklung, in: Andreas Bauer, Frank Theisen, Karl H.L. Welker (Hg.), Studien zur Rechts- und Zeitgeschichte, 2005, 11 ff.; Hans-Joachim Dübel, Johannes Köndgen, Die vorzeitige Rückzahlung von Festzinskrediten in Europa, 2006; Philip Wood, Law and Practice of International Finance, 2008, 93 ff.; Edgar du Perron (Hg.), Loan Contracts, 2009.