Anfängliche Unmöglichkeit

Aus HWB-EuP 2009

von Florian Faust

1. Gegenstand und Zweck

Von anfänglicher Unmöglichkeit der Leistung spricht man, wenn die Leistung schon im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags unmöglich ist, durch den die entsprechende Leistungspflicht begründet werden soll. In Betracht kommt insofern – ebenso wie bei nachträglicher Unmöglichkeit –, dass die Leistung zwar nicht vom Schuldner, wohl aber von einem Dritten erbracht werden kann (subjektive Unmöglichkeit, Unvermögen) oder dass sie von niemandem erbracht werden kann (objektive Unmöglichkeit). Der Begriff der Unmöglichkeit weist dabei keine strukturellen Unterschiede zu demjenigen bei nachträglicher Unmöglichkeit auf: Die Unmöglichkeit kann auf physischen Gründen (etwa weil die verkaufte Sache irreparabel zerstört wurde oder der verpflichtete Sänger endgültig seine Stimme verloren hat) oder auf rechtlichen Gründen (etwa weil die Einräumung des verkauften Rechts von der Rechtsordnung nicht gestattet wird oder dem Gläubiger die ihm zu übereignende Sache schon gehört) beruhen. Zweifelhaft ist, ob Unmöglichkeit auch vorliegt, wenn die Leistung zwar an sich möglich wäre, vom Schuldner aber nur mit unverhältnismäßigen finanziellen (etwa weil der verkaufte Ring vom Grund eines Sees geborgen werden müsste) oder persönlichen (etwa weil der verpflichtete Sänger das Krankenbett seines Kindes verlassen müsste) Anstrengungen erbracht werden kann. In Bezug auf Art. 3(3) Verbrauchsgüterkauf-RL (RL 1999/44) hat der BGH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob sich unter den Begriff der Unmöglichkeit auch Fälle der Unzumutbarkeit subsumieren lassen (BGH 14.1.2009, NJW 2009, 1660). In Fällen faktischer, wirtschaftlicher oder sittlicher Unmöglichkeit kommt im Übrigen auch eine Lösung über das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht. Anfängliche Störungen können überdies über das Irrtumsrecht (Irrtum) bewältigt werden.

Einigkeit besteht darüber, dass keine Pflicht besteht, eine unmögliche Leistung zu erbringen: Sollen setzt Können voraus. Daraus folgt aber nicht, dass eine solche Pflicht keinerlei Rechtsfolgen haben kann. So muss – von Ausnahmen (insb. einer Verantwortlichkeit des Gläubigers für die Unmöglichkeit) abgesehen – der Gläubiger einer unmöglichen Leistung von der Pflicht zur Gegenleistung befreit werden, sei es automatisch (z.B. § 326 Abs. 1 BGB), sei es durch ein Recht, sich vom Vertrag zu lösen (z.B. Art. III.-3:502 DCFR). Ihm kann auch ein Anspruch auf ein etwaiges Surrogat (z.B. § 285 BGB) und auf Schadensersatz eingeräumt werden. Bei anfänglicher Unmöglichkeit kann der Schadensersatzanspruch dabei an zwei verschiedene Umstände anknüpfen: entweder daran, dass der Schuldner sich überhaupt zu einer unmöglichen Leistung verpflichtet hat, oder daran, dass er das abgegebene Leistungsversprechen nicht erfüllt. Im ersten Fall ist Haftungsgrundlage eine Culpa in Contrahendo; der Gläubiger ist folglich so zu stellen, als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden, d.h. er kann Ersatz seines negativen Interesses, des Vertrauensschadens, verlangen. Im zweiten Fall ist der Schadensersatzanspruch dagegen auf Ersatz des positiven Interesses, des Erfüllungsinteresses, gerichtet; der Gläubiger ist so zu stellen, als hätte der Schuldner die unmögliche Leistung erbracht.

Sofern dem Gläubiger ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch gewährt wird, stellt sich die Frage, ob für Schadensersatzansprüche geltende Ausschlussgründe (etwa im Fall höherer Gewalt) auf diesen Anspruch zur Anwendung kommen oder nur im Fall nachträglicher Leistungshindernisse gelten. Falls Schadensersatzansprüche prinzipiell verschuldensabhängig ausgestaltet sind, ergibt sich das Problem, dass im Fall anfänglicher Unmöglichkeit die Nichtleistung als Anknüpfungspunkt für das Verschulden untauglich ist, da die Unmöglichkeit schon vor der Begründung der Leistungspflicht eintrat.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Die römische Rechtsregel „impossibilium nulla obligatio est“ (D. 50,17,185) bezog sich nur auf Fälle objektiver Unmöglichkeit, bei bloß subjektiver Unmöglichkeit blieb die Verpflichtung bestehen. Das galt insbesondere in Fällen, in denen der verkaufte Gegenstand zwar existierte, dem Verkäufer aber nicht gehörte.

Der Grundsatz „impossibilium nulla obligatio est“ besagt, dass der Schuldner nicht zur Erfüllung verpflichtet ist; das leuchtet unmittelbar ein. Es folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass auch der zugrundeliegende Vertrag nichtig sein muss. Im römischen Recht war eine auf eine unmögliche Leistung gerichtete Stipulation unwirksam. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. So wird angeführt, dass in vielen Fällen anfänglicher Unmöglichkeit ein Schadensersatz in Geld schwer festzusetzen ist, etwa in Bezug auf Dinge, die nicht existieren können (wie ein Perpetuum mobile), oder res extra commercium. Andere Autoren verweisen auf den ursprünglich sakralen Charakter der Stipulation, der eine Stipulation auf „Unwirkliches“ als Meineid erscheinen ließ. Bei Kaufverträgen hat größere Flexibilität geherrscht; zwar musste der Verkäufer die unmögliche Leistung nicht erbringen, aber deshalb war nicht zwangsläufig auch eine Klage auf Ersatz des Erfüllungsinteresses ausgeschlossen. Noch Friedrich Carl von Savigny hielt Verträge im Fall anfänglicher Unmöglichkeit für wirksam, sofern der Gläubiger die Unmöglichkeit bei Vertragsschluss nicht kannte. Aus Sicht der Naturrechtler (Naturrecht) stand die Wirksamkeit eines auf eine unmögliche Leistung gerichteten Vertrags im Konflikt mit dem Gedanken der Willensfreiheit, denn da kein rationaler Mensch sich zu einer ihm unmöglichen Leistung verpflichten würde, liege im Fall anfänglicher Unmöglichkeit zwangsläufig eine Art Willensmangel vor. Konsequenterweise wurden Verträge sowohl im Fall anfänglicher objektiver als auch im Fall anfänglicher subjektiver Unmöglichkeit als unwirksam angesehen, bis Friedrich Mommsen die Unwirksamkeit wieder auf Fälle objektiver Unmöglichkeit beschränkte. Die Nichtigkeit des Vertrags schloss zwar einen Ersatz des Erfüllungsinteresses aus, nicht zwangsläufig aber auch einen Ersatz des negativen Interesses, und die „Entdeckung“ des Instituts der culpa in contrahendo durch Rudolf von Jhering bot eine tragfähige Grundlage für eine solche Haftung.

Dementsprechend erklärte § 306 BGB a.F. einen auf eine unmögliche Leistung gerichteten Vertrag für nichtig. § 307 Abs. 1 BGB a.F. verpflichtete diejenige Partei, die die Unmöglichkeit kannte oder kennen musste, zum Ersatz des Vertrauensschadens; schadensersatzpflichtig konnte also auch der Gläubiger der unmöglichen Leistung werden. Im Falle anfänglicher subjektiver Unmöglichkeit nahm dagegen die ganz h.M. in Deutschland eine verschuldensunabhängige Haftung des Schuldners auf das positive Interesse an. Verschuldensunabhängig haftete nach § 437 BGB a.F. auch der Verkäufer eines Rechts für dessen Bestand.

In anderen europäischen Staaten war die Annahme, dass ein auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichteter Vertrag nichtig sei, ebenfalls weit verbreitet. So entspricht die Regelung in § 878 ABGB derjenigen in §§ 306 f. BGB a.F. Auch Art. 1346, 1418 Abs. 2 Codice civile und Art. 20 Abs. 1 OR ordnen im Fall anfänglicher Unmöglichkeit die Nichtigkeit des Vertrags an. Nach Art. 1601 Abs. 1 frz. Code civil ist ein Kaufvertrag nichtig, wenn die verkaufte Sache vor Vertragsschluss untergegangen ist. Im englischen Recht wurde die Problematik traditionell im Rahmen des Irrtumsrechts verortet; im Fall anfänglicher Unmöglichkeit konnte der Vertrag wegen eines common mistake unwirksam sein. Mit sec. 6 Sale of Goods Act 1979, der die Nichtigkeit eines Vertrags über den Verkauf bestimmter Güter anordnet, wenn diese bei Vertragsschluss schon ohne Wissen des Verkäufers untergegangen waren, näherte sich das englische Recht an die genannten kontinentalen Rechtsordnungen an. Die nordischen Rechte gehen dagegen von der Wirksamkeit des Vertrags aus.

Die Regelung in §§ 306, 307 BGB a.F. erfuhr heftige Kritik. Ihr Anwendungsbereich wurde dadurch erheblich eingeschränkt, dass sie im Fall anfänglich unbehebbarer Mängel unter Hinweis auf einen Vorrang des Sachmängelgewährleistungsrechts nicht angewendet wurde; teilweise wurde sie auch durch Annahme einer stillschweigenden Garantie umgangen. Im Zuge der Schuldrechtsreform rückte der Gesetzgeber gänzlich von ihr ab. § 311a Abs. 1 BGB stellt klar, dass – im Gegensatz zum alten Recht – der Vertrag auch im Fall anfänglicher Unmöglichkeit wirksam ist. § 311a Abs. 2 BGB gibt dem Gläubiger einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung – also auf Ersatz des positiven Interesses –, falls der Schuldner das Leistungshindernis bei Vertragsschluss entweder kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte. Anfängliche objektive und subjektive Unmöglichkeit werden also gleich behandelt; sowohl die Nichtigkeit des Vertrags im Fall objektiver Unmöglichkeit als auch die verschuldensunabhängige Haftung im Fall subjektiver Unmöglichkeit wurden aufgegeben. Haftungsgrund ist die Nichterfüllung des vertraglichen Leistungsversprechens, nicht etwa die Tatsache, dass der Schuldner den Vertrag trotz der Unmöglichkeit geschlossen hat; daher haftet der Schuldner auf das positive Interesse. Anders als bei sonstigen Leistungsstörungen (§ 280 Abs. 1 BGB) kann der Schadensersatzanspruch nicht an eine zu vertretende Pflichtverletzung anknüpfen, weil zu keinem Zeitpunkt eine Leistungspflicht bestand. Das Verschuldenserfordernis bezieht sich daher nicht auf den Haftungsgrund, sondern lediglich auf die Kenntnis vom Leistungshindernis.

3. Internationales Einheitsrecht und internationale Modellregeln

Die Regelwerke des Einheitsrechts und die internationalen Modellregeln brechen mit der traditionellen Annahme der Nichtigkeit des Vertrags bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit.

Das CISG enthält keine besonderen Regeln über die anfängliche Unmöglichkeit. Wie aber aus Art. 68 S. 3 CISG folgt, ist der Vertrag auch dann wirksam, wenn die Ware, die während des Transports verkauft wird, bereits bei Vertragsschluss untergegangen war. Die ganz überwiegende Meinung nimmt daher an, dass die Wirksamkeit des Vertrags im Fall anfänglicher Unmöglichkeit keine Frage der Gültigkeit i.S.v. Art. 4 S. 2(a) CISG ist und deshalb nicht dem nationalen Recht überlassen bleibt; vielmehr ist ein dem CISG unterstehender Vertrag auch im Fall anfänglicher objektiver Unmöglichkeit wirksam. Der Gläubiger kann nach Art. 49(1)(a), Art. 64 (1)(a), Art. 25 CISG die Aufhebung des Vertrags erklären und nach Art. 74 ff. CISG Ersatz seines positiven Interesses verlangen. Art. 79 CISG, der die Schadensersatzpflicht bei bestimmten Hinderungsgründen ausschließt, bezieht sich nach h.M. auch auf anfängliche Leistungshindernisse, so dass eine Unterscheidung zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit entbehrlich ist.

Art. 4:102 PECL, Art. 3.3 UNIDROIT PICC und Art. II.-7:102 DCFR statuieren, dass ein Vertrag, der auf eine anfänglich unmögliche Leistung gerichtet ist, nicht aus diesem Grund (oder weil einer Partei die Verfügungsmacht über den Vertragsgegenstand fehlt) unwirksam ist. Der Erfüllungsanspruch ist selbstverständlich ausgeschlossen (Art. 9:102(2)(a) PECL, Art. 7.2.2(a) UNIDROIT PICC, Art. III.-3:302(3)(a) DCFR), aber der Vertrag kann als Grundlage für Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung dienen. Die Comments zu den PECL verweisen darauf, dass häufig ein Fall des fundamental mistake (insb. eines beiderseitigen Irrtums) vorliegen wird, der den Parteien nach Art. 4:103 PECL das Recht gibt, sich vom Vertrag zu lösen (siehe Illustrations 5 und 7 zu Art. 4:103 PECL); auch nach Art. 3.5 UNIDROIT PICC und Art. II.-7:201 DCFR kommt ein Lösungsrecht wegen Irrtums in Betracht. Der Gläubiger kann wegen der Unmöglichkeit nach Art. 9:301(1), 8:103 PECL, Art. 7.3.1 UNIDROIT PICC, Art. III.-3:502 DCFR vom Vertrag zurücktreten und nach Art. 9:501 ff. PECL, Art. 7.4.1 ff. UNIDROIT PICC, Art. III.-3:701 ff. DCFR Ersatz seines Erfüllungsinteresses verlangen. Eine Befreiung von der Schadensersatzpflicht wegen eines Hinderungsgrunds i.S.v. Art. 8:108 PECL und Art. III.-3:104 DCFR bzw. höherer Gewalt (Art. 7.1.7 UNIDROIT PICC) kommt dabei bei anfänglicher Unmöglichkeit nicht in Betracht (so ausdrücklich Comment B zu Art. 8:108 PECL).

Die Verbrauchsgüterkauf-RL erwähnt die Unmöglichkeit der Leistung nur in Bezug auf die Abhilfe (Nacherfüllung), und zwar als einen der Fälle, in denen sofort Sekundärrechte geltend gemacht werden können (Art. 3(3)(1) Verbrauchsgüterkauf-RL). Zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit wird dabei nicht differenziert; daher gilt die Regelung auch für Fälle der anfänglichen Unmöglichkeit. Die Annahme einer (teilweisen) Nichtigkeit des Vertrags wäre damit nicht vereinbar (vgl. Art. 8 Verbrauchsgüterkauf-RL). Eine entsprechende Regelung findet sich in Art. 26(3) des Entwurfs der Verbraucherrechte-RL.

Literatur

Friedrich Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Erste Abtheilung: Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluß auf obligatorische Verhältnisse, 1853; Ernst Rabel, Origine de la règle „impossibilium nulla obligatio“, in: Mélanges Gérardin, 1907, 473 ff. = Gesammelte Aufsätze, Bd. IV, 1971, 105 ff.; Christian Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970; Torsten Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, 1988; Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations, 1996, 686 ff.; Nicole N. Fischer, Die Unmöglichkeit der Leistung im internationalen Kauf- und Vertragsrecht, 2001; Claus-Wilhelm Canaris, Grundlagen und Rechtsfolgen der Haftung für anfängliche Unmöglichkeit nach § 311a Abs. 2 BGB, in: Festschrift für Andreas Heldrich, 2005, 11 ff.; Martin Josef Schermaier, § 275, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. II/1, 2007; Jan Dirk Harke, § 311a, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. II/2, 2007.

Abgerufen von Anfängliche Unmöglichkeit – HWB-EuP 2009 am 12. Dezember 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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