Eigentum

Aus HWB-EuP 2009

von Ralf Michaels

1. Gegenstand und Zweck

Der Begriff des Eigentums ist mehrdeutig. Eigentum bezeichnet manchmal ein Recht an einem Objekt, manchmal das Objekt selbst: eine Person hat Eigentum an einer Sache, und die Sache ist ihr Eigentum. Als Recht bezeichnet Eigentum ein Vollrecht, das umfassendste Recht, das man an einem Objekt haben kann. Inhaltlich umfasst es Nutzungsrecht, Ausschlussrecht und Verfügungsrecht: der Eigentümer kann, gemäß der jedenfalls für das kontinentaleuropäische Recht repräsentativen Definition des § 903 BGB, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Damit sind zwei wichtige Punkte angesprochen. Erstens betrifft das Eigentum Rechtsbeziehungen sowohl zur Sache als auch zu Dritten. Früher sah man die Beziehung zur Sache als zentral und die zu Dritten als Reflex an; später beschränkte man umgekehrt Rechtsbeziehungen auf solche zwischen Personen und hielt die Annahme einer Beziehung zur Sache für begrifflich falsch. Richtigerweise kann man beides verbinden: Eigentum ist Vollzuordnung einer Sache zum Eigentümer im Verhältnis zu allen anderen. Zweitens kann das Eigentum gesetzlich ausgestaltet und beschränkt werden und unterliegt, in unterschiedlichem Masse, der Sozialbindung. Es gibt also weder einen apriorischen noch einen europaweit einheitlichen Eigentumsbegriff; allerdings setzen nationales Verfassungsrecht und EMRK (Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK) dem Gesetzgeber Grenzen.

Im deutschen und niederländischen Recht ist Eigentum auf Sachen beschränkt; das französische Recht etwa erkennt dagegen auch Eigentum an Forderungen an (propriéte des créances). Freilich kennt das niederländische Recht (wie das französische) den umfassenderen Begriff des Guts (goed, bien), der beides umfasst. Auch der englische Begriff der property geht über den des Eigentums hinaus (das eher der ownership entspricht, die freilich praktisch wenig rechtliche Bedeutung hat). Property right bezeichnet, insbesondere in der ökonomischen Analyse, jedes subjektive Recht. Eigentum ist auch im Verfassungsrecht nicht auf Sacheigentum beschränkt, sondern umfasst jegliche Vermögensposition. Geistiges Eigentum unterliegt trotz der Namensverwandtschaft eigenen Regeln.

Abzugrenzen ist das Eigentum in dreierlei Hinsicht. Erstens ist Eigentum als abstraktes Recht zu unterscheiden vom Besitz als tatsächlicher Sachherrschaft; allerdings wird auch der Besitz rechtlich geschützt und sogar etwa im französischen und englischen Recht mit einem Rechtstitel versehen. Zweitens unterscheidet sich das Eigentum als Vollrecht von den im Deutschen so genannten beschränkt dinglichen Rechten, insbesondere den Mobiliar- und Immobiliarsicherheiten. Schließlich ist das Eigentum als absolutes und dingliches Recht abzugrenzen von den relativen und persönlichen Rechtsverhältnissen des Schuldrechts. Diese Trennung ist insbesondere in der Insolvenz relevant, in der das Eigentum zur Aussonderung berechtigt, schuldrechtliche Ansprüche dagegen normalerweise nicht. Freilich ist die Trennung nicht überall ganz scharf durchgehalten. Im Innenverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer beim Kauf etwa sind die einzelnen Rechtsbeziehungen ganz ähnlich unabhängig davon, ob das Eigentum schon übergegangen ist oder nicht: Herausgabeanspruch und Gefahrtragung gehen schon durch den Vertrag über. Zudem kennen alle Rechtsordnungen Mischfiguren zwischen Schuld- und Sachenrecht, deren prominenteste, der trust des englischen Rechts, auch in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen Frankreichs und Liechtensteins rezipiert wird.

Als Zweck des Eigentums sah man früher die persönliche Freiheit an. Heute stellt man für die Sachzuordnung eher ökonomisch auf optimale Anreizwirkungen ab. Erstens führt das Privateigentum dazu, dass der Eigentümer zwar den Nutzen aus seinem Eigentum selbst einstecken kann, dafür aber auch dessen Kosten selbst tragen muss; so soll insbesondere die Überbeanspruchung von Gütern in gemeinschaftlichem Eigentum vermieden werden (tragedy of the commons). Zweitens soll eine klare Definition von Eigentumsrechten für die Transaktionssicherheit und damit optimale Güterallokation erforderlich sein. Als Folge werden vom Staat garantierte Eigentumsrechte in letzter Zeit als wesentlich für wirtschaftlichen Fortschritt angesehen. Ganz unproblematisch sind diese Begründungen historisch-vergleichend nicht. So hat die gemeinschaftliche Nutzung von Allmenden in der europäischen Geschichte über Jahrhunderte funktioniert und erlebt teilweise eine Renaissance. Ökonomen haben gezeigt, dass die bewusst unklare Definition von Eigentumsrechten („muddy property“) den Vorteil haben kann, Parteien zum Verhandeln und dadurch zum Offenlegen ihrer privaten Wertschätzung für das jeweilige Gut zu zwingen. Schließlich zeigt das Beispiel Chinas, dass Wirtschaftswachstum auch ohne starken Eigentumsschutz möglich ist.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Historisch lassen sich zwei Eigentumskonzepte unterscheiden. Das römischrechtliche dominium, das über die Pandektistik den deutschen Rechtskreis beeinflusst hat, war abstrakt und universell konzipiertes Vermögensrecht, ein allwirksames (aber nicht schrankenloses) Zugehörigkeitsverhältnis einer Sache zu einer Person. Das charakterisiert noch heute das Eigentum der kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen (insofern für bewegliche und unbewegliche Sachen gleichermaßen), wobei nur das deutsche Recht sogar den Eigentumserwerb von der Unwirksamkeit eines zugrunde liegenden Schuldgeschäfts abstrahiert. Demgegenüber war das germanischrechtliche Eigentum konkret konzipiertes Herrschaftsrecht, je nach Gegenstand und Person vielfachen Abwandlungen unterworfen und dadurch im Charakter relativ. Dieses Konzept hat zum Teil das französische, vor allem aber das englische Recht beeinflusst, das zudem noch feudale Elemente aufweist. So gehörte traditionell alles Land in England der Krone; Rechte an Land waren bis 1925 auf tenure beschränkt, also quasivertraglich. Das estate in fee simple absolute in possession oder freehold estate als umfassendstes Recht an Grundstücken ist konzeptionell noch ein von der Krone abgeleitetes Recht, faktisch in Nutzungs- und Verfügungsfreiheit dem kontinentaleuropäischen Eigentum sehr ähnlich. Für bewegliche Sachen gibt es kein dem Eigentum vergleichbares Recht; an seine Stelle tritt von der Bedeutung her am ehesten das Recht zum Besitz, der title.

Die wichtigsten drei Entwicklungen sind indes jüngeren Datums und betreffen alle europäischen Rechtsordnungen. Erstens hat sich seit etwa dem 19. Jahrhundert die Funktion des Eigentums grundlegend verändert. Anstelle der Herrschaft über eine Sache steht nunmehr der wirtschaftliche Tauschwert des Eigentums im Vordergrund, zum einen seine Zirkulationsfähigkeit (Eigentumsübertragung), zum anderen seine Eignung als Kreditmittel. Dieser Funktion dienen öffentliche Register insbesondere für Grundstücke, in einigen Rechtsordnungen auch für andere wertvolle Objekte (Sicherheiten an Transportmitteln). Mobiliareigentum dient als Mobiliarsicherheit insbesondere als Vorbehalts- oder als Sicherungseigentum. Der Vermögenswert verwirklicht sich insbesondere in der Konkursfestigkeit.

Die zweite wichtige Entwicklung betrifft das Verhältnis zum Verfassungsrecht. Zwar ist Eigentum seit jeher ein zentrales Element europäischer Verfassungen, aber solange Verfassungsrecht und Privatrecht als getrennt angesehen wurden, liefen verfassungsrechtlicher und privatrechtlicher Schutz des Eigentums allenfalls parallel. Die im 20. Jahrhundert entwickelte Einwirkung der Verfassung auf das Privatrecht überwindet diese Parallelität und führt zu Friktionen. Erstens ist das verfassungsrechtliche Eigentum weitgehend auf das Verhältnis Staat-Bürger bezogen und beschränkt staatliche Eingriffe; das steht manchmal quer zum horizontalen Verhältnis zwischen Eigentümer und Nichteigentümer, welches das Privatrecht im Blick hat. Zweitens ist der verfassungsrechtliche Begriff des Eigentums anders (meist weiter) als der des Privatrechts, so dass die Sonderstellung des privatrechtlichen Eigentums gegenüber anderen (insbesondere schuldrechtlichen) Positionen aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht selbstverständlich ist.

Schließlich sind andere Vermögensgüter als Sachen in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gewachsen und werden nun als Objekte eigentumsähnlicher Rechte anerkannt. Die ältesten dieser Rechte sind die Immaterialgüterrechte. Mittlerweile diskutiert man aber auch Eigentum an so verschiedenen Gütern wie persönlichen Daten, Genen, Körperteilen, Unternehmensgeheimnissen, Internetadressen, Treibhausgasemissionszertifikaten (RL 2003/87). Während die meisten dieser Güter im Recht des Sacheigentums keine Rolle spielen, muss sich ein umfassendes Vermögensrecht auch mit ihnen auseinandersetzen. Angesichts des Funktionswandels des Eigentums weg von der Sachherrschaft und hin zur Verkehrsfähigkeit bietet es sich an, unter einem weiten Begriff Fragen der Rechte an Sachen mit denen an Forderungen und anderen Gütern zusammen zu behandeln, mit Sonderregelungen, wo die Sachbezogenheit des Eigentums sie verlangt.

3. Anwendbare Rechtsregeln

Beim Sacheigentum trennt man zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen; diese unterliegen teilweise unterschiedlichen Regeln. Das hat seine Berechtigung darin, dass Grundstücke statisch und einfacher zu registrieren sind sowie typischerweise eine größere wirtschaftliche Bedeutung als bewegliche Sachen haben. Die Trennung wird in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nicht immer exakt gleich gezogen. Insofern sie zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts erforderlich ist, unterliegt sie autonomer Bestimmung (so zum Steuerrecht EuGH Rs. C-315/00 – Maierhofer, Slg. 2003, I-563). Kollisionsrechtlich knüpft man mittlerweile für beide Arten von Sachen grundsätzlich an die Belegenheit an, mit Ausnahmen für bewegliche Sachen in transitu (Sachenrecht, internationales).

Traditionell erstreckt sich Eigentum an Grundstücken auf darauf befindliche Gebäude, nur in den ehemals sozialistischen Ländern konnten Grund und Gebäude unterschiedliche Eigentümer haben. Westliche Rechtsordnungen behelfen sich mit gesondertem (Erb‑)Baurecht, dem Recht, auf fremdem Grund zu bauen, das in den meisten Rechtsordnungen als unbegrenztes dingliches Recht, in einigen als langfristiges Mietrecht (emphyteusis) ausgestaltet ist. Auch für Wohnungen gelten Sonderregeln: In den meisten Rechtsordnungen ist Individualeigentum an der jeweiligen Wohnung verbunden mit gemeinschaftlichem Eigentum am Haus; daneben gibt es gesellschaftsrechtliche Modelle.

Erworben und verloren wird Eigentum entweder durch rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb, dem in vielerlei Hinsicht der Erwerb vom Nichtberechtigten gleichgestellt wird, durch Erbfolge oder durch gesetzlichen Eigentumserwerb. Der Eigentumsübergang an den Besitzer kraft Zeitablaufs. ist in einigen Rechtsordnungen als Verjährung, in anderen als Ersitzung ausgestaltet. Auch der Eigentumsschutz ist unterschiedlich geregelt, teilweise aus historischen Gründen. Sachenrechtlich/prozessual wird das Eigentum im deutschen (wie im römischen Recht) durch die Vindikation geschützt, die dem englischen Recht fremd ist und im romanischen Rechtskreis eine untergeordnete Rolle spielt. Im Deliktsrecht hat das Eigentum im deutschen Recht als eigens genanntes Schutzgut (§ 823(1) BGB) eine Sonderstellung, die ihm in anderen Rechtsordnungen mit deliktsrechtlicher Generalklausel oder spezifischen torts nicht zukommt. Freilich lässt sich überall beobachten, dass der Schutz des Eigentums über den bloßer Vermögensschäden hinausgeht. Unterschiede bestehen auch im Nachbarrecht und privatrechtlichen Immissionsschutzrecht.

Die Frage nach dem Einfluss der Verfassung stellt sich auch europäisch. Das Gemeinschaftsrecht schützt das Eigentum nicht ausdrücklich – Art. II-77(1) des Verfassungsentwurfs, der einen solchen Schutz vorsieht, ist nicht in Kraft – wohl aber implizit. Ausdrücklicher Eigentumsschutz ergibt sich dagegen aus Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK. Während in der deutschen Fassung Eigentum geschützt wird, verwenden die maßgebenden englischen und französischen Fassungen die weitergehenden Begriffe possessions und biens; der Schutz umfasst also über das Sacheigentum hinaus alle vermögenswerten Positionen. Der EGMR verlangt bei der Bewertung staatlicher Eigentumsregeln, öffentliche und private Interessen gegeneinander abzuwägen; das kann die im Privatrecht wichtigen formale Rechtssicherheit beeinträchtigen. Allerdings hält sich der EGMR im Privatrecht bislang zurück, EGMR Nr. 44302/02 – Pye v. United Kingdom.

4. Grundsätze

Mehrere Grundsätze charakterisieren das Eigentum. So besteht Eigentum grundsätzlich an bestimmten Sachen oder Vermögensgegenständen (Spezialitätsgrundsatz, Bestimmtheitsgrundsatz). Dafür reicht es allerdings, wenn diese im entscheidenden Moment bestimmbar sind, so insbesondere bei der Sicherungsübereignung eines Warenlagers. Zudem lässt sich der Spezialitätsgrundsatz durch Einbringung von Sachen in eine juristische Person umgehen. Eigentum ist grundsätzlich zeitlich unbegrenzt; Teilzeitnutzungsrechte sind nicht als zeitlich beschränktes Eigentum ausgestaltet. Allerdings kann Eigentumsübertragung unter aufhebende Bedingung oder Befristung gestellt werden; auch unterliegt der Rückgabeanspruch des Eigentümers der Verjährung. Das englische Recht kennt dagegen das auf Lebenszeit begrenzte estate for life. Schließlich postuliert man für das Sachenrecht häufig ein Publizitätsprinzip, nach dem Sachenrechte und insbesondere das Eigentum durch Registereintragung oder Besitz grundsätzlich erkennbar sein sollten. Gerade bei beweglichen Sachen fallen aber Besitz und Eigentum so häufig auseinander (insbesondere durch Vorbehaltsverkauf, Kettenlieferung, Sicherungsübereignung), dass sich die Bedeutung des Besitzes weg von der Vermutung und hin zu einer selbständigen Erwerbsgrundlage entwickelt.

An die Registereintragung sind in unterschiedlichen Rechtsordnungen unterschiedlich starke Rechtswirkungen geknüpft. Im deutschen Recht ist das Grundbuch für Rechte konstitutiv und mit öffentlichem Glauben ausgestattet; in anderen Rechtsordnungen sind die Wirkungen schwächer. Dementsprechend ist auch die Bedeutung solcher Register sowohl für die Eigentumsübertragung als auch für den Erwerb vom Nichtberechtigten unterschiedlich ausgestaltet. Solche Register sind wichtige Voraussetzung für die Effektivität von Immobiliarsicherheiten; freilich ist in Rechtsordnungen ohne Eintragungszwang für Sicherheitsrechte die Rechtssicherheit beschränkt. Register existieren in einigen Rechtsordnungen auch für andere wertvolle Sachen, etwa Schiffe und Autos. Auf europäischer Ebene besteht eine Vernetzung nationaler Register im European Uniform Land Information System (EULIS), dagegen bislang kein gemeinschaftsweites Register.

Aus der Drittwirksamkeit des Eigentums ergeben sich weitere Grundsätze. Erstens kann der nicht bevollmächtigte Nichteigentümer grundsätzlich keine Rechte hinsichtlich des Eigentums übertragen (nemo dat quod non habet); eingeschränkt wird dieses Prinzip in den meisten Rechten durch Regeln zum Erwerb vom Nichtberechtigten. Zweitens besteht zwischen verschiedenen Positionen ein Prioritätsprinzip: der frühere Erwerb geht dem späteren vor. Drittens macht die Drittwirksamkeit einen numerus clausus der Sachenrechte notwendig: Parteien können Rechtsverhältnisse inter partes frei vereinbaren (vertragliche Typenfreiheit), mit Wirkung gegen Dritte dagegen grundsätzlich nur auf existierende Rechtstypen zurückgreifen. (Allerdings erfasst der numerus clausus in europäischen Rechtsordnungen unterschiedliche Typen. Ein numerus clausus existiert auch im englischen Recht, er wird dort allerdings durch Figuren der equity aufgeweicht.) Alle drei Prinzipien sind durch Vorschriften des Schuldrechts, insbesondere im Falle von Bösgläubigkeit oder Arglist, eingeschränkt. Das zeigt, wie Sach- und Schuldrecht zusammenwirken und zusammen gesehen werden müssen.

5. Vereinheitlichung

Anders als für das geistige Eigentum lassen Art. 295 EG/345 AEUV wie auch Art. III-331 des Verfassungsentwurfs die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt. Die Vorschrift war vor allem auf Privatisierung gemünzt und hat für das Privatrecht traditionell wenig Bedeutung. Auch die Ansicht, Eigentumsrecht sei stärker mit nationaler Rechtskultur oder Politik verbunden als das Vertragsrecht, stimmt jedenfalls für privatrechtliche Regelungen nur eingeschränkt. Mit dem nötigen politischen Willen wäre die Sachenrechtsvereinheitlichung ebenso leicht – oder schwer – wie die des Vertragsrechts. Tatsächlich hat sich der europäische Gesetzgeber bislang zurückgehalten: sachenrechtliche Regelungen finden sich nur vereinzelt, häufig wird auf einzelstaatliches Recht verwiesen. Die Timeshare-RL (RL 2008/122) lässt nach Art. 1(2)(b)) mitgliedstaatliche Regelungen zur Eintragung und Übertragung von Eigentum unberührt. Art. 4 der Zahlungsverzugs-RL (RL 2000/35) und Art. 7 der dt. Insolvenzverordnung betreffen Wirkungen des Eigentumsvorbehalts, verweisen aber für dessen Begründung auf nationales Recht; ebenso Art. 12 der Kulturgüterrichtlinie für die Eigentumslage nach erzwungener Rückgabe eines Kulturgutes (RL 93/7). Einschneidender ist die Finanzsicherheiten-RL (RL 2002/47), die die besitzlose Übertragung von Sicherungseigentum vorsieht und damit in Rechtsordnungen wie der niederländischen, die solche besitzlosen Sicherheitsrechte ablehnen, zu Friktionen führt.

Für den funktionierenden Binnenmarkt (Europäischer Binnenmarkt) ist das Eigentum kaum weniger wichtig als der Vertrag und vielleicht wichtiger als Institutionen des Haftungs- und Familienrechts. Die großen europäischen Zivilrechtskodifikationen regeln alle Fragen des Sachenrechts im engen Zusammenhang mit den anderen Gebieten oder stellen sogar, wie der französische Code civil, das Eigentum in ihr Zentrum. Erste Vorschläge für ein europäisches Zivilgesetzbuch umfassten auch das Sachenrecht, bevor der Fokus auf das Schuldrecht (oder gar Vertragsrecht) verengt wurde. Gerade aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen Schuld- und Sachenrecht ist diese Verengung problematisch, wie auch eine von der EU in Auftrag gegebene Studie ergibt, und zwar insbesondere für Fragen der Übereignung, vertraglicher Sicherheiten und des trust (Trust und Treuhand). Freilich widmet sich auch etwa der DCFR nur vertragsrechtsnahen Fragen des Sachenrechts; ein vollständiges oder gar eigenständiges Sachenrecht, innerhalb dessen auch das Eigentum umfassend geregelt würde, steht zur Zeit offenbar nicht an. Auch Restatements in Form von Principles of European Property Law sind, anders als im Vertrags-, Delikts- und Familienrecht, zwar vorgeschlagen, nicht aber angegangen worden. Langfristig wird man um Gedanken zu einem europäischen Vermögensrecht, das auch das Eigentum umfasst, nicht herumkommen; die isolierte Regelung des Schuldrechts muss unvollständig bleiben.

Literatur

Frederik Vinding Kruse, Das Eigentumsrecht, 3 Bde., 1931-36; G.E. van Maanen, A.J. van der Walt (Hg.), Property Law on the Threshold of the 21st Century, 1996; A. Gambaro, Perspectives on the Codification of the Law of Property, European Review of Private Law 5 (1997) 497 ff.; Ugo Mattei, Basic Principles of Property Law, 2000; Daniela Caruso, Private Law and Public Stakes in European Integration, European Law Journal 10 (2004) 751 ff.; Christian von Bar, Ulrich Drobnig (Hg.), The Interaction of Contract Law and Tort and Property Law in Europe, 2004; Dieter Krimphove, Das europäische Sachenrecht: Eine rechtsvergleichende Analyse nach der Komparativen Institutionenökonomik, 2006; Sjef van Erp, European and National Property Law, 2007; Peter Sparkes, European Land Law, 2007; Teun H.D. Struycken, De Numerus Clausus in het Goederenrecht, 2007.

Abgerufen von Eigentum – HWB-EuP 2009 am 19. März 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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