Berufshaftung: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 31. August 2021, 18:07 Uhr

von Heribert Hirte

1. Gegenstand und Terminologie

Der Begriff der „Berufshaftung“ wird heute überwiegend mit der Haftung von Freiberuflern gleichgesetzt. Das wird allerdings teilweise insoweit als zu eng angesehen, als es letztlich um die Besonderheiten der Haftung für Dienstleistungen geht, ohne dass es auf die teilweise historisch, teilweise steuerrechtlich bedingten Zufälligkeiten der Abgrenzung von freiberuflicher und (nach deutschem Verständnis) gewerblicher Tätigkeit ankäme. Vor allem die an § 675 Abs. 2 (früher § 676) BGB angelehnte Diskussion um die Haftung für Erklärungen hatte zudem häufig zu einer Gleichsetzung von Berufshaftung und Erklärungshaftung (gegenüber Dritten) geführt. Dies ist insoweit nicht erstaunlich, als gerade bei § 675 Abs. 2 BGB bzw. seiner Vorgängernorm § 676 BGB der Beruf als Haftungsgrund – oder Grund für eine Haftungsverschärfung – ursprünglich erwähnt werden sollte. Eine solche Beschränkung der Berufshaftung auf die Erklärungshaftung gegenüber Dritten erscheint jedoch wenig sachgerecht. Denn sie greift bezüglich des Handelns von Berufsangehörigen nur einen Aspekt – die Erklärung – und bezüglich der möglichen Geschädigten nur eine Gruppe – die Drittgeschädigten – heraus. Letztlich geht es also um die Haftung für Dienstleistungen gegenüber dem Vertragspartner oder gegenüber Dritten; gleichwohl steht die Haftung der Freiberufler dabei unverändert im Mittelpunkt.

Nicht mehr zur Berufshaftung gehört andererseits die Haftung des Arbeitnehmers. Zwar geht es auch dort um eine Haftung für Dienstleistungen. Doch haben Rechtsprechung und Wissenschaft die Arbeitnehmerhaftung im Hinblick auf die fehlende wirtschaftliche Selbständigkeit des Arbeitnehmers zu Recht gegenüber dem Modell des BGB verringert.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Die „Berufshaftung“ als einheitlicher Haftungskomplex ist für die deutsche Rechtswissenschaft relativ jung. Auch auf internationaler Ebene konnte vor kurzem noch die Aussage gemacht werden, es handele sich bei der Berufshaftung nicht um ein integral and distinct topic. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte in der immer weiter um sich greifenden Ausdifferenzierung des Haftungsrechts liegen, die dazu geführt hat, dass etwa in den kodifikationsorientierten Rechtsordnungen die Haftung für anwaltliche, ärztliche und bauunternehmerische Dienstleistungen in verschiedenen Bereichen des Zivilrechts geregelt wird. Auf der anderen Seite steht jedoch die schon früher geäußerte Feststellung, die ausufernde Vielfalt des Haftungsrechts gerade im Dienstleistungssektor lasse durchaus einheitliche und gemeinsame Grundlinien erkennen.

Anfänge der Diskussion um eine Berufshaftung in Deutschland wurden mit einem Beitrag von Friedrich Scheffler auf dem Karlsruher Forum 1959 gemacht. Erst gegen Ende der 1970er Jahre hat das Thema durch einige grundlegende Arbeiten eine verstärkte Aufmerksamkeit erfahren. Hinzuweisen ist dabei auch auf das von Manfred Lieb zur Vorbereitung einer Überarbeitung des Schuldrechts vorgelegte Gutachten zum (allgemeinen) Dienstvertragsrecht. Eine breitere Öffentlichkeit wurde vor allem durch einen Vortrag Klaus J. Hopts auf der Tagung der Zivilrechtslehrervereinigung im Jahre 1983 hergestellt. Bei näherem Hinsehen wird allerdings deutlich, dass es sich keineswegs um eine neue Erfindung, sondern um die Wiederbelebung von Gedanken und Ideen handelt, die schon seit dem römischen Recht und erst recht in der Diskussion um die Kodifikationen des 19. Jahrhunderts in der Rechtswissenschaft präsent waren. Eine solche Renaissance bedeutet auf der anderen Seite, dass der „Beruf“ als Anknüpfungspunkt für Haftung in der Zwischenzeit „gestorben“ war. Und in der Tat, die Gesetzgebungsgeschichte des BGB liefert eine plausible Erklärung: denn dort wurde – wie bereits erwähnt – entgegen ursprünglichen Planungen und anders als in zeitgleich entstandenen Zivilrechtskodifikationen, der Beruf als Haftungsgrund nicht erwähnt. Die heutige Diskussion greift daher eine Debatte wieder auf, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts bereits geführt wurde.

3. Einzelausgestaltung

Das System der Haftung für berufliche Pflichtverletzungen ist auf den ersten Blick diffus und verworren. Das Nebeneinander zahlreicher und zum Teil miteinander unvereinbarer rechtlicher Ansätze besteht freilich in erster Linie im Bereich der gesetzlichen Lage; das Bild ändert sich etwas, wenn man die Rechtsprechung mit der ihr eigenen Vereinheitlichungstendenz stärker einbezieht.

a) Rechtsnatur des Vertrages

Große Unterschiede ergeben sich zunächst bei der rechtlichen Natur des Vertrages zwischen Auftraggeber und Berufsangehörigem. Das Spektrum reicht hier vom Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675 Abs. 1 i.V.m. 611 BGB: Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer) über den freien Dienstvertrag (§ 611 BGB: Arzt), den Werkvertrag (§ 631 BGB: Bauhandwerker, Architekt) bis hin zum öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis (Notar, Amtsarzt); Ausnahmen und Überschneidungen können dabei hier nicht näher vertieft werden. Alles überlagernd ist die Unterscheidung zwischen erfolgs- und tätigkeitsbezogenen Verträgen (Werk- versus Dienstvertrag bzw. solchen mit obligations de résultat oder obligations de moyens). Die unterschiedliche Einordnung wirkt sich vor allem dort aus, wo sie zur Anwendung unterschiedlicher Haftungssysteme führt. Tendenziell scheint das Verschuldensprinzip ungeachtet der Frage, ob das Verschulden objektiv oder subjektiv zu verstehen ist, umso eher angewendet zu werden, je schwieriger eine korrekte Leistung festzulegen und je größer das Haftungsrisiko bei einer Pflichtverletzung ist: der Extremfall ist mithin die mündliche Beratung durch den Rechtsanwalt. Unterschiedlich geregelt ist schließlich die Rechtsfolge bei Kündigung (§ 628 Abs. 1 BGB: Teilvergütung/§ 649 Satz 1 BGB: volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen). Weitere vor allem bei Bauwerken bedeutsame Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der Gefahrtragung bis zur Abnahme im Werkvertragsrecht (§ 644 BGB) und der Möglichkeit einer Sicherungshypothek (§ 648 BGB). Für den Arzt kommt hinzu, dass trotz des Bestehens eines Dienstvertrages – und damit der Anwendbarkeit der positiven Vertragsverletzung – haftungsmäßig praktisch ausschließlich das Deliktsrecht herangezogen wird, während bei Architekten und Bauunternehmern trotz der grundsätzlichen Anwendbarkeit von §§ 631 ff. BGB ebenfalls auch die §§ 823 ff. BGB anwendbar sein können; doch spielt das Deliktsrecht wegen der anderen Beweislage und der durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hier nur eine geringere Rolle. Festzuhalten bleibt damit zunächst, dass die geltende Rechtsordnung für ein so einheitliches Phänomen wie die beruflich erbrachten Dienstleistungen mehrere verschiedene Haftungssysteme anwendet, was in auffälligem Gegensatz zu dem beim Warenkauf verfolgten Ansatz steht.

b) Pflichten gegenüber dem Vertragspartner

aa) Pflichtenumfang

Ganz anders als bei der Rechtsnatur des Vertrages stellt sich das Bild beim Inhalt der gegenüber dem Vertragspartner bestehenden Pflichten dar. Dies mag zum Teil darauf zurückzuführen sein, dass eine detaillierte Festlegung der Pflichten – mit gewissen Ausnahmen bei der Notarhaftung – vom Gesetzgeber nicht vorgenommen wurde. Damit blieb der Rechtsprechung die Aufgabe, die im Wesentlichen offenen Haftungsnormen zu konkretisieren und den Bedürfnissen der einzelnen Berufe anzupassen.

So verlangt die Rechtsprechung zunächst bei allen ihr bislang vorgelegten Berufen einheitlich eine Klärung des Sachverhaltes vor Aufnahme der eigentlichen Tätigkeit. In einer zweiten Stufe muss der Auftragnehmer seinem Auftraggeber die beabsichtigte Lösung vorschlagen, ihn auf etwaige Risiken und Alternativen hinweisen und diesem die letzte Entscheidung über die Art der Ausführung überlassen. Erst jetzt folgt als entscheidender Schritt die Umsetzung der vom Auftraggeber genehmigten Lösung. An die Stelle von recht weit gefassten Generalklauseln tritt dabei in der Praxis – auch hier wieder in allen untersuchten Berufen – eine Konkretisierung durch Entwicklung deutlich konkreterer, fassbarer Einzelpflichten. Schließlich findet sich – erneut bei allen untersuchten Berufen – eine Pflicht zur „Nachsorge“.

bb) Rechtsfolgen

Weniger einheitlich als der Vergleich der vertraglichen Pflichten fällt die Zusammenschau der Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung aus; hier gibt es wohl in der Tat die größten Unterschiede. Dabei ist auffallend, dass die Grenzlinie zwischen Dienst- und Werkvertrag (und den unterschiedlichen Gewährleistungsmodellen) praktisch der Unterscheidung von „Freiberuflern“ (Dienstvertrag) und anderen professionellen Dienstleistern (Werkvertrag) entspricht. Die Qualifikation der vertraglichen Beziehungen zu den meisten vermögenssorgenden Berufen (Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer) als Dienstvertrag hat dabei zunächst zur Folge, dass dort eine Pflichtverletzung nicht wie im Sachmängelrecht (Minderung) automatisch, sondern erst beim Vorliegen des zusätzlichen Verschuldenserfordernisses Ersatzansprüche auslöst; das „Auffangbecken“ eines auf die (Teil‑) Gegenleistung beschränkten Ersatzanspruchs in Form von Rücktritt (Rückabwicklung von Verträgen) oder Minderung fehlt mithin. Der Rückgriff auf die positive Vertragsverletzung bei den freien Berufen führt andererseits zu der Feststellung, dass die Freiberufler im Gegensatz zum „normalen Unternehmer“ die Folgen des schadenersatzrechtlichen Alles-oder-Nichts-Prinzips in voller Höhe träfen. Die Situation bei der (deliktischen) Arzthaftung gleicht dem: auch hier führen Pflichtverletzungen unmittelbar zu einem unbeschränkten Schadenersatzanspruch (Schadensersatz). Als Gegenstück stellt sich die Rechtslage bei den werkvertraglich angebotenen Dienstleistungen dar, zu denen merkwürdigerweise trotz ihrer Freiberuflichkeit die Architektenleistung gehört. Hier sind als Grundform des Ersatzes bei Pflichtverletzungen ohne Rücksicht auf Verschulden nach §§ 634 Nr. 3, 636, 323, 326 Abs. 5, 638 BGB Rücktritt und Minderung vorgesehen, also ein auf die Gegenleistung beschränkter Ersatzanspruch. Die weitergehenden (Schadens‑)Ersatzansprüche setzen nach dem Gesetz (§§ 634 Nr. 4, 636, 280, 281, 283 BGB) auch hier Verschulden voraus, spielen aber angesichts des Vorhandenseins der „kleinen Ersatzmöglichkeiten“ eine deutlich geringere Rolle. Eine Zwischenform bildet die deliktisch ausgestaltete Notarhaftung: zwar führen auch hier Pflichtverletzungen nach § 19 BNotO unmittelbar zu einem unbegrenzten Schadenersatz, doch sieht das Gesetz mit der Möglichkeit der Gebührenminderung nach § 16 KostO auch eine weniger einschneidende Rechtsfolge vor, eine Art Minderung.

Ein zweiter wesentlicher Unterschied bei den Rechtsfolgen ergibt sich aus der Natur des betroffenen Rechtsgutes, da das deutsche Deliktsrecht in den §§ 823 ff. BGB keine deliktische Generalklausel kennt. Während bei den vermögenssorgenden Berufen einschließlich des (deliktisch haftenden) Notars eine unmittelbare Haftung für alle Vermögensschäden besteht, wird im Bereich der (deliktischen) Arzthaftung zunächst nur für Schäden an den absolut geschützten Gütern Körper und Gesundheit gehaftet. Das führt hier zu einer zahlenmäßigen Erweiterung der Haftungsschuldner, da neben dem Vertragspartner (nach §§ 278, 831 BGB) auch der unmittelbar Handelnde (nach § 823 Abs. 1 BGB) haftet. Von erheblicher Bedeutung ist schließlich die hervorgehobene Stellung der absoluten Rechte bei der Einwilligung in die Behandlung bzw. der Zustimmung zur Tätigkeit; denn sie führt – da diese Zustimmung vom Arzt zu beweisen ist – im Ergebnis zu einer Beweislastumkehr.

b) Pflichten gegenüber Dritten

Eine geradezu seltsam anmutende Übereinstimmung des Fallmaterials ergibt sich für das Gebiet der Haftung gegenüber Dritten. Weder die Rechtsnatur des Vertrages (Dienst- oder Werkvertrag) noch überhaupt der vertragliche Charakter der geschuldeten Tätigkeit (so beim Notar) haben wesentlichen Einfluss auf die Haftung eines Auftragnehmers gegenüber anderen als dem Vertragspartner. Das zentrale Unterscheidungsmerkmal zwischen der Haftung aus (beim Notar: öffentlich-rechtlicher) Sonderverbindung und Haftung gegenüber Dritten dürfte demgegenüber im Ausmaß der Pflichtverletzung liegen: Die Haftpflicht gegenüber Dritten beschränkt sich auf schwerere Pflichtverletzungen, ohne dass zugleich die (hohe) Schwelle des allgemeinen Deliktsrechts erreicht sein müsste.

Deutliche Unterschiede ergeben sich allerdings als Folge der deliktsrechtlichen Systematik bezüglich des Umfangs der ersatzfähigen Güter. Während die (vertragliche) Haftung gegenüber Dritten bei den vermögenssorgenden Berufen – so sie greift – unmittelbar einen Ersatz jeglicher Vermögensschäden ermöglicht, ist die Situation bei der Arzt- oder Handwerkerhaftung deutlich restriktiver. Lediglich soweit absolute Rechte Dritter verletzt werden, wird gehaftet, dann allerdings wegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (§§ 823, 826, 253 Abs. 2 BGB), die nicht nach Haftung gegenüber Dritten und Haftung gegenüber dem Vertragspartner differenziert, strenger als bei den vermögenssorgenden Berufen. Mit §§ 844, 845 BGB findet sich aber im Deliktsrecht für Fälle von Körperverletzung und Tötung eine Regelung, die den Vermögensschutz auch Drittgeschädigter bezweckt. Zum Tragen kommen schließlich die allgemeinen Unterschiede zwischen Vertrags- und Deliktsrecht in Bezug auf Gehilfenhaftung (§§ 278, 831 BGB) und Beweislast.

c) Verschulden

Relativ einheitlich gehen die Gerichte bei der Anwendung des § 276 BGB von einem berufsbezogenen Sorgfaltsmaßstab aus. Auf der Grundlage des vorhandenen Fallmaterials erscheint daher der Befund nicht erstaunlich, dass das „Verschulden“ die ihm (vielleicht) vom historischen BGB zugedachte Rolle eines subjektiven Haftungskorrektivs in der Rechtsprechung nicht mehr spielt.

d) Abdingbarkeit

Was die Frage einer Abdingbarkeit angeht, wird die Situation in den Berufen recht unterschiedlich beurteilt; die Ergebnisse liegen gleichwohl recht nah beieinander. So scheidet eine Abdingbarkeit der (deliktischen) Arzthaftung von vornherein aus; eine dahingehende Diskussion wird praktisch kaum geführt. Für die (deliktische) Notarhaftung präsentiert sich das gleiche Bild. Auch bei der (vertragsrechtlichen) Wirtschaftsprüferhaftung verbietet das Gesetz – auch nach neuem Recht – eine Abbedingung der Haftung, legt aber zugleich mit EUR 500.000,- eine Obergrenze für die Haftung fest.

Ganz anders ist die Lage bei den (übrigen) vermögenssorgenden Berufen. Hier wurden Haftungsbeschränkungen schon lange diskutiert und teilweise im Hinblick auf die sonst unüberschaubaren Risiken auch für zulässig gehalten. Nach früher herrschender Meinung durften die Haftungsbeschränkungen jedoch nicht den Kern der geschuldeten Tätigkeit erfassen, und sie durften zudem – jedenfalls bei Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – die Haftung für grobe Fahrlässigkeit nicht ausschließen. Ob umgekehrt ein zulässiger Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit angesichts der praktisch nicht mehr existierenden Bedeutung des Elements subjektiver Vorwerfbarkeit (dazu oben c)) überhaupt eine Wirkung entfalten konnte, ist zweifelhaft. Sofern eine Haftungsbeschränkung für erforderlich gehalten wird, spielt schon immer die Frage der Versicherbarkeit in allen Berufen eine entscheidende Rolle. Daraus wurde – ähnlich der Wirtschaftsprüferhaftung – das Erfordernis einer Haftungsobergrenze, zum anderen aber die Nichtabdingbarkeit der Haftung für den Bereich möglichen Versicherungsschutzes abgeleitet.

Auf dieser Grundlage hat daher der Gesetzgeber zum 1.1.1995 die Möglichkeiten einer Haftungsbeschränkung im Recht der vermögenssorgenden Berufe neu geregelt. Nach den im wesentlichen wortgleichen Regelungen kann jetzt der Anspruch des Auftraggebers auf Ersatz eines durch jede Art von Fahrlässigkeit verursachten Schadens durch schriftliche Vereinbarung im Einzelfall auf die Höhe der Mindestversicherungssumme oder – aber nur für einfache Fahrlässigkeit – durch vorformulierte Vertragsbedingungen auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme beschränkt werden, wenn insoweit Versicherungsschutz besteht.

e) Verjährung

Große Unterschiede zwischen den einzelnen untersuchten Berufen ergaben sich früher auch hinsichtlich der Verjährung etwaiger Schadenersatzansprüche. Sie waren eine maßgebliche Triebfeder für viele Diskussionen um Qualifikationsfragen. Durch die Neuregelung des Verjährungsrechts im Zusammenhang mit der Schuldrechtsreform sind diese Probleme großenteils entfallen.

f) Beweislast

Relativ einheitlich wird von der Rechtsprechung – nicht zuletzt wegen des überwiegenden Fehlens normativer Vorgaben – die Beweislast für Pflichtverletzungen beurteilt. Verbal wird zwar überall an dem Grundsatz festgehalten, dass ein Anspruchsteller die positiven wie negativen Voraussetzungen einer Pflichterfüllung beweisen muss. Davon werden aber bei allen Berufen so weitreichende Ausnahmen gemacht, dass das Vorliegen des Grundsatzes als fraglich erscheint.

So wird bei allen Berufen aus der Verletzung bestimmter „erfolgsbezogener Teilpflichten“ auf eine Pflichtverletzung des Auftragnehmers geschlossen mit der Folge, dass dieser das Nichtvorliegen einer Pflichtverletzung beweisen muss. Bei den vermögenssorgenden Berufen wird einheitlich der Anwendungsbereich des § 287 ZPO deutlich vorverlagert mit dem Ziel, dem Geschädigten Beweiserleichterungen zukommen zu lassen. Bei der Arzthaftung wird diese Erleichterung zwar nicht gewährt, doch erreicht die Rechtsprechung durch die Beweiserleichterungen bei groben Behandlungsfehlern hier ähnliche Ergebnisse. Bei allen Berufen werden Beweiserleichterungen bei fehlerhafter Dokumentation gewährt. Soweit es auf das (subjektive) Verschulden noch ankommt, wird einheitlich dem Auftragnehmer die Beweislast für dessen Fehlen aufgebürdet.

3. Einheitsrecht

a) Dienstleistungen im Allgemeinen

Am 9.11.1990 hatte die Europäische Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Haftung bei Dienstleistungen vorgelegt (KOM(90) 482 endg.). Der Entwurf zog jedoch erhebliche Kritik auf sich, insbesondere weil er auf die Unterscheidung zwischen erfolgs- und tätigkeitsbezogenen Verbindlichkeiten verzichten und pauschal eine Verschuldenshaftung mit Beweislastumkehr für alle Dienstleistungen anordnen wollte. Das führte dazu, dass die Kommission den Richtlinienvorschlag förmlich zurückzog (KOM(94) 260 endg.). Die Rücknahme des ursprünglichen Vorschlages sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Europäische Union einen gemeinsamen Dienstleistungsmarkt als Teil des Programms zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes zum Ziel gesetzt hatte und schon deshalb mit einem weiteren Fortschreiten der Arbeiten – auch bezüglich des materiellen Rechts – zu rechnen ist.

So wurden schon sehr schnell als Alternative segmentspezifische Ansätze erwogen. Als Alternative zu Korrekturen im Bereich des materiellen Rechts rückte zudem der Komplex der Rechtsdurchsetzung – etwa durch Einrichtung von Schiedsstellen oder Einsetzung von Ombudsmännern – in das Blickfeld (KOM(94) 260 endg., 3 ff.). So verzichtet die inzwischen vorgelegte und nach ihrem Art. 44(1) bis zum 28.12.2009 in nationales Recht umzusetzende („allgemeine“) Dienstleistungs-RL (RL 2006/123) bewusst auf Regelungen zum Haftungsrecht und geht die Haftungsfrage nur „indirekt“ an, indem sie etwa in ihrem Art. 21(1) Informationspflichten gegenüber dem Dienstleistungsempfänger hinsichtlich der (a) „in anderen Mitgliedstaaten [allgemein] geltenden Anforderungen bezüglich der Aufnahme und der Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten, vor allem solche über den Verbraucherschutz“ und (b) „über die bei Streitfällen zwischen Dienstleistungserbringer und ‑empfänger zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe“ statuiert. Ergänzt wird dies durch Art. 22, der im Rahmen von „Kapitel V. Qualität der Dienstleistungen“ eine Verpflichtung, über die spezifischen Dienstleistungserbringer und deren Dienstleistungen zu informieren, schafft, und durch Art. 23, der den Mitgliedstaaten gestattet, von Dienstleistungserbringern, „deren Dienstleistungen ein unmittelbares und besonderes Risiko für die Gesundheit oder Sicherheit des Dienstleistungsempfängers oder eines Dritten oder für die finanzielle Sicherheit des Dienstleistungsempfängers darstellen, [den Abschluss] eine[r] der Art und dem Umfang des Risikos angemessene[n] Berufshaftpflichtversicherung [zu verlangen]“.

Die PEL SC sprechen die Unterscheidung zwischen erfolgs- und tätigkeitsbezogenen Pflichten zwar an, problematisieren die Frage aber letztlich nicht weiter, weil sie sich auf eine Aufarbeitung der Haftung bei erfolgsbezogenen Pflichten beschränken. Als eine gewisse Antwort auf diese Besonderheit von Dienstleistungsverträgen ist allerdings das Erfordernis zu gegenseitiger vorvertraglicher Information anzusehen (siehe z.B. Art. 1:103 PEL SC).

b) Wirtschaftsprüferhaftung im Besonderen

Hinsichtlich der Haftung des Wirtschaftsprüfers in seiner Funktion als Abschlussprüfer ist ergänzend auf gesellschaftsrechtliche Vereinheitlichungsbestrebungen auf europäischer Ebene hinzuweisen, die seine Haftung – auch gegenüber Dritten – mit Blick auf eine Erhöhung der Glaubwürdigkeit von (aktienrechtlichen) Jahresabschlüssen europaweit standardisieren wollen. Im Anschluss an den (ursprünglichen) Entwurf einer Fünften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (Art. 62 des Entwurfs i.d.F. v. 9.10.1972, ABl. 1972 C 131/49 ff.), der auch eine Haftung gegenüber Dritten vorgesehen hatte, fand sich ein identischer Ansatz auch in den ersten Entwürfen eines Statuts für die Europäische Aktiengesellschaft (Art. 209(1) des Entwurfs v. 30.6.1970, ABl. 1970 C 124/1 ff.; geändert durch Vorschlag vom 30.4. 1975, KOM(75) 150 endg.). Schließlich hat die Kommission Mitte 2008 eine Empfehlung zur „Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften“ verabschiedet (SEK(2008) 1975). Darin regt sie aber lediglich an, Haftungsbeschränkungen für die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Abschlussprüfung in den einzelnen Mitgliedstaaten einzuführen, um vor allem das Wachstum kleinerer und mittlerer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als Alternative zu den so genannten big four zu fördern. Eine direkte Einflussnahme auf das Haftungsrecht im Wege einer Harmonisierung hat die Kommission insofern abgelehnt.

Literatur

Theodor Loewenfeld, Ueber den Dienst-, Werk- und Auftragsvertrag nach dem Entwurfe des bürgerlichen Gesetzbuchs, in: Gutachten aus dem Anwaltsstande über die erste Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1890, 858 ff.; Panayotis J. Zepos, Phoebus Christodoulou, Professional Liability, in: IECL XI/1, Kap. 6, 1978; Christian von Bar, Verkehrspflichten, 1980; Johannes Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981; Claus-Wilhelm Canaris, Schutzgesetze, in: Festschrift für Karl Larenz zum 80. Geburtstag, 1983, 27 ff.; Klaus J. Hopt, Nichtvertragliche Haftung außerhalb von Schadens- und Bereicherungsausgleich, Archiv für die civilistische Praxis 183 (1983) 608 ff.; Manfred Lieb, Dienstvertrag, in: Bundesminister der Justiz (Hg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. III, 1983, 183 ff.; Barbara Grunewald, Die Haftung des Experten für seine Expertise gegenüber Dritten, Archiv für die civilistische Praxis 187 (1987) 285 ff.; Andrew Geddes, Product and Service Liability in the EEC, 1992; Heribert Hirte, Berufshaftung, 1996.

Abgerufen von Berufshaftung – HWB-EuP 2009 am 23. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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