Familienrecht, internationales: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 31. August 2021, 18:07 Uhr

von Kurt Siehr

1. Personenrecht

Das Internationale Personenrecht beschränkt sich auf vier Fragen: Fähigkeit, Geschlecht, Name und Verschollenerklärung.

a) Rechtsfähigkeit

Die Rechtsfähigkeit einer natürlichen Person (capacité, capacità giuridica) wird – wenn überhaupt eine Kollisionsnorm besteht – nach der lex fori (z.B. Art. 34 Abs. 1 schweiz. IPRG) oder nach dem Personalstatut der Person beurteilt (z.B. Art. 7 EGBGB; Art. 5 griech. ZGB; § 12 österreich. IPR-Gesetz; Art. 26 portug. Código civil). Dieses Recht bestimmt insbesondere, wann die Rechtsfähigkeit teilweise oder vollständig beginnt (vor der Geburt als nasciturus für Erbfälle z.B. nach § 1923 Abs. 2 BGB, mit Geburt oder mit Ablauf einer bestimmten Zeit nach der Geburt) und wann sie aufhört (z.B. mit Gehirntod oder Herzstillstand). Bisher, d.h. seit Abschaffung der Sklaverei, hat die Rechtsfähigkeit natürlicher Personen kollisionsrechtlich keine Rolle gespielt.

b) Geschäfts- oder Handlungsfähigkeit

Die Geschäfts- oder Handlungsfähigkeit einer natürlichen Person (capacité, capacità di agire), die in aller Regel nur als Teil- oder Vorfrage auftaucht (Anknüpfung), wird im Allgemeinen nach deren Personalstatut (Personalstatut) bestimmt. Dieses regelt Beginn und Ende einer Geschäfts- oder Handlungsfähigkeit. Soweit es noch eine Entmündigung gibt (in Deutschland ist Art. 8 EGBGB seit Beseitigung der Entmündigung im BGB entfallen), folgt sie eigenen Regeln. Durchweg ist hierfür das Personalstatut maßgebend (§ 15 österreich. IPR-Gesetz), bei Ausländern ist eine gewisse Inlandbeziehung Voraussetzung (z.B. Art. 8 griech. ZGB). Ausländische Entmündigungen werden nach den Regeln der Anerkennung ausländischer Entscheidungen anerkannt oder nicht.

Außerdem enthalten manche IPR-Gesetze (internationales Privatrecht) noch vier Ergänzungen zur Geschäfts- oder Handlungsfähigkeit:

(1) Die einmal erlangte Fähigkeit wird durch einen Statutenwechsel (Verlust und Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes) nicht beeinträchtigt wird (z.B. Art. 7 Abs. 2 EGBGB; Art. 35 S. 2 schweiz. IPRG). Es gilt der Satz: semel maior semper maior.

(2) Heirat macht mündig (z.B. Art. 45a schweiz. IPRG) oder es bleibt bei der Maßgeblichkeit des Personalstatuts einer Person (z.B. Art. 7 Abs. 1 S. 2 EGBGB).

(3) Bei Verkehrgeschäften zwischen Personen, die sich in demselben Staat befinden, kann sich eine ausländische Partei nicht auf ihre Geschäftsunfähigkeit nach ihrem Personalstatut berufen (z.B. Art. 12 EGBGB; Art. 23 Abs. 2 ital. IPR-Gesetz, Art. 28 Abs. 1 portug. Código civil).

(4) Durch ausdrückliche oder durch spezielle Vorschriften wird schließlich gesagt, dass die Regeln über die Geschäftsfähigkeit nur für die allgemeine Geschäftsfähigkeit gelten (z.B. Art. 23 Abs. 1 S. 2 ital. IPR-Gesetz) und nicht für besondere Fähigkeiten wie z.B. die Ehefähigkeit (z.B. Art. 27 ital. IPR-Gesetz), die Deliktsfähigkeit (z.B. Art. 15(a) Rom II-VO [VO 864/2007]) oder die Testierfähigkeit (z.B. Art. 94 schweiz. IPRG).

c) Geschlecht

Soweit ersichtlich, gibt es keine Kollisionsnormen zur Frage des Geschlechts einer Person. Dies war früher nämlich eine reine Tatsache, die nach den Geschlechtsmerkmalen entschieden wurde. Dies ist heute anders. Eine Person kann sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen und eine entsprechende Geschlechtsumwandlung beantragen. Ist diese Person kein Inländer, stellt sich dann die Frage nach der Anwendbarkeit des inländischen Rechts. Nach der Rechtsprechung mehrere Staaten (zuletzt: deutsches BVerfG 18.7.2006, BVerfGE 116, 243) ist die Geschlechtumwandlung zumindest dann zulässig, wenn der Antragsteller im Inland wohnt und sein Heimatrecht keine vergleichbare Geschlechtsumwandlung zulässt. Ist diese erfolgt, kann dieser Person die Heirat mit einer Person ihrer früheren Geschlechtszugehörigkeit nicht mehr verweigert werden (EGMR Nr. 28957/95 − Goodwin/ Vereinigtes Königreich; EuGH Rs. C-117/01 – K.B./National Health Service Pensions Agency, Slg. 2004, I-541.

d) Name

Das auf den Namen einer Person anzuwendende Recht wird unter Namensrecht behandelt.

e) Verschollen- oder Todeserklärung

Die Verschollen- oder Todeserklärung einer natürlichen Person (déclaration d’absence, dichiarazione di scomparsa) wird unterschiedlich geregelt. Entweder wird die zuständige inländische Instanz festgelegt und dann bestimmt, dass die lex fori anzuwenden ist (z.B. Art. 41 schweiz. IPRG), oder es wird das letzte Personalstatut berufen und hilfsweise bei Fremden die lex fori (z.B. Art. 9 EGBGB; § 14 österreich. IPR-Gesetz). Die Anerkennung ausländischer Verschollen- oder Todeserklärungen richtet sich nach den Bestimmungen des Rechts über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (z.B. §§ 108, 109 dt. FamFG; Art. 31 schweiz. IPRG).

2. Eherecht

Das internationale Eherecht (Ehe) besteht aus der Verlobung, Eheschließung, den Ehewirkungen (persönliche und güterrechtliche) (Ehegüterrecht) und der Ehescheidung (Scheidung). Hinzu kommt heute noch das Recht nichtehelicher Lebensgemeinschaften.

a) Verlobung

Die Verlobung ist in den meisten IPR-Gesetzen nicht geregelt. Eine Ausnahme macht das italienische IPR-Gesetz. Nach Art. 26 dieses Gesetzes richten sich das Eheversprechen und die Rechtsfolgen seiner Verletzung nach dem gemeinsamen Heimatrecht des Versprechenden oder, in Ermangelung eines solchen gemeinsamen Heimatrechts, nach italienischem Recht. In anderen Rechtsordnungen ist anerkannt, dass sich die Wirksamkeit einer Verlobung nach dem Personalstatut jedes Verlobten richtet und die Verletzung einer Verlobung nach dem Personalstatut des Inanspruchgenommenen (so BGH 21.11. 1958, BGHZ 28, 375; BGH 28.2.1996, BGHZ 132, 105) oder nach dem Grundsatz des schwächeren Rechts, also nach dem Personalstatut der Person, welches die schwächeren Wirkungen vorsieht.

b) Eheschließung

Die Eheschließung wird unterschiedlich angeknüpft. Entweder wird für jede Person deren Personalstatut berufen (z.B. Art. 13 Abs. 1 EGBGB; Art. 27 Satz 1 ital. IPR-Gesetz; § 17 Abs. 1 österreich. IPR-Gesetz), oder es wird nur für die inländische Eheschließung das maßgebende Recht festgelegt (normalerweise die lex fori für eine zuständige inländische Instanz, z.B. Art. 43, 44 schweiz. IPRG) und für ausländische Eheschließungen die Voraussetzung ihrer Anerkennung bestimmt (z.B. Art. 45 schweiz. IPRG). Die Haager Eheschließungskonvention von 1978 (Convention of 14 March 1978 on the Celebration and Recognition of the Validity of Marriages, Übereinkommen vom 14.3.1978 über die Eheschließung und die Anerkennung der Gültigkeit ausländischer Eheschließungen), die seit dem 1.5.1991 in Australien, Luxemburg und den Niederlanden gilt, schlägt einen Mittelweg ein, indem sie bei enger Beziehung mindestens eines Eheschließenden die lex fori beruft und, wenn sie fehlt, für jeden Eheschließenden das Sachrecht des Staates beruft, auf welches das IPR des Forumstaates verweist (Art. 3).

Zwei zusätzliche Fragen werden häufig bei der Eheschließung geregelt, nämlich die Form der Eheschließung und die Eheschließungsfreiheit.

(1) Die Form einer Eheschließung müsste sich an und für sich alternativ nach dem Eheschließungsstatut und dem Ortsrecht richten. Viele Rechtsordnungen mit einer obligatorischen Zivilehe (z.B. Deutschland, Frankreich, Schweiz) schreiben für eine Eheschließung im Inland die inländische Form entweder zwingend vor (Inlandsehe – Inlandsform) (z.B. Art. 2 Haager Eheschließungskonvention; Art. 44 Abs. 3 schweiz. IPRG) oder gestatten ausländischen Eheschließenden die Eheschließung vor einer von ihrem Heimatstaat ermächtigten Person (Art. 13 Abs. 3 S. 2 EGBGB). Andere Staaten sind großzügiger. Zum Beispiel kann man in Italien und Spanien auch in religiöser Form gültig heiraten, also vor dem Rabbi, Imam oder Priester (Legge No. 101 vom 8.3.1989 und No. 520 vom 29.11.1995; Ley No. 24, 25 und 26 vom 12.11.1992). Diese Ehe hat – wenn die staatlichen Voraussetzungen einer Eheschließung gegeben sind – alle Wirkungen einer staatlichen Ehe. Im Gegensatz dazu hat etwa eine nur religiöse Eheschließung in Deutschland keine bürgerlichrechtlichen Wirkungen. Religiöse Rechtsordnungen erkennen jede Eheschließung an, die – wo auch immer – in religiöser Form geschlossen worden ist.

(2) Um die Eheschließungsfreiheit geht es dann, wenn eine Ehe entweder im Inland geschieden oder eine ausländische Ehescheidung im Inland anerkannt wird und das Personalstatut eines Geschiedenen diesem die Eheschließung verbietet, weil es die Ehescheidung nicht anerkennt und deshalb das bestehende Eheband einer neuen Ehe entgegensteht. Für diesen Fall sehen verschieden IPR-Gesetze vor, dass die geschiedenen Eheleute vom Band der Vorehe befreit sind und wieder heiraten können (Art. 13 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB; Art. 27 S. 2 ital. IPR-Gesetz; § 17 Abs. 2 österreich. IPR-Gesetz; Art. 43 Abs. 3 schweiz. IPRG). Mit diesen Vorschriften haben diese Staaten auf höchstrichterliche Entscheidungen reagiert, die eine Wiederverheiratung geschiedener Eheleute entgegen ihrem Personalstatut zugelassen haben (BVerfG 4.5.1971, BVerfGE 31, 58; BG 3.6.1971, BGE 97 I 389; BG 5.2.1976, BGE 102 Ib 1).

Noch gibt es keine europäische Eheschließung, die auf Grund gemeinsamen Sachrechts geschlossen wird und überall in der EU wirksam ist.

c) Ehewirkungen

Die Ehewirkungen werden üblicherweise in persönliche und güterrechtliche Wirkungen unterteilt.

(1) Die Anknüpfung der persönlichen Ehewirkungen muss heute gleichberechtigungskonform erfolgen. Deshalb wird an ein gemeinsames Merkmal angeknüpft. In aller Regel wird primär das gemeinsame Personalstatut berufen und, wenn ein solches fehlt, subsidiär das Recht am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 14 Abs. 1 EGBGB; § 18 Abs. 1 österreich. IPR-Gesetz) oder das Recht des Staates, in dem die Ehe ihren Schwerpunkt hat (Art. 29 Abs. 2 ital. IPR-Gesetz; Art. 48 Abs. 2 schweiz. IPRG). Im Ganzen gesehen, spielen die persönlichen Ehewirkungen keine große Rolle, seitdem der Unterhalt zwischen ungeschiedenen und geschiedenen Eheleuten in dem Haager Unterhaltsübereinkommen von 1973 geregelt ist. Das Haager Unterhaltsstatutübereinkommen von 1973 soll in Zukunft durch das Haager Protokoll vom 23.11. 2007 über das auf Unterhaltsverpflichtungen anzuwendende Recht ersetzt werden, weil der Art. 8 des Haager Übereinkommens von 1973 mit seiner starren Bindung an das Ehescheidungsstatut für den Unterhalt geschiedener Eheleute nicht passte. Nach dem Protokoll soll das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsschuldners gelten, es sei denn, der andere Teil widerspricht und das Recht eines anderen Staates (insbesondere der Staat des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts) hat engere Beziehungen zur Ehe (Art. 5). Das Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen von 1973 gilt heute zwischen 22 Staaten. Die EuUnth VO (VO 4/2009) vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen geht zwischen den Mitgliedstaaten der EU diesen Haager Übereinkommen vor.

(2) Die güterrechtlichen Ehewirkungen spielen dagegen eine viel größere Rolle. Zwei Fragen stehen im Vordergrund: Wandelbarkeit und Unwandelbarkeit, Rechtswahl des Güterrechts.

(i) Viele Rechtsordnungen unterstellen das Ehegüterrecht unwandelbar dem gemeinsamen Personalstatut der Eheleute im Zeitpunkt der Eheschließung (Art. 51 belg. Code de droit int. privé; Art. 15(1) EGBGB; § 19 österreich. IPR-Gesetz; Art. 2078 peruanischer Código civil; Art. 53 portug. Código civil; Art. 3089 Code civil du Québec; Art. 15 Abs. 1 türk. IPR-Gesetz; Art. 4(1) Haager Ehegüterrechtskonvention von 1978, die seit dem 1.9.1992 in Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden gilt). Andere Rechtsordnungen bevorzugen dagegen eine wandelbare Anknüpfung an das jeweilige gemeinsame Merkmal und müssen zu der Frage Stellung nehmen, ob der Wandel des Ehegüterrechtsstatuts zurückwirkt (so z.B. Art. 55 schweiz. IPRG; Art. 30 ital. IPR-Gesetz) oder nicht, d.h. erst ab dem Wandel gilt (so z.B. Art. 20 Abs. 2 rumänisches IPR-Gesetz; § 39 Abs. 4 ungar. IPR-VO). Allerdings können die Parteien eine Rückwirkung ausschließen (z.B. Art. 55 Abs. 2 schweiz. IPRG).

(ii) Die Eheleute können nach manchen Rechtsordnungen vor der Eheschließung (so Art. 3 der Haager Ehegüterrechtskonvention von 1978) oder danach (so Art. 6 der Haager Ehegüterrechtskonvention von 1978) oder jederzeit (z.B. Art. 50 belg. Code de droit int. privé; Art. 15 Abs. 2 EGBGB; Art. 52 schweiz. IPRG) das auf ihr Güterrecht anwendbare Recht wählen. Allerdings ist die Rechtswahl eingeschränkt, wobei allerdings das österreichsche Recht eine solche Einschränkung nicht vorsieht (§ 19 österreich. IPR-Gesetz). Gewählt werden kann in aller Regel nur ein Recht des Staates, mit dem zumindest ein Ehegatte oder das Objekt im Zeitpunkt der Rechtswahl eng verbunden ist. Das sind z.B. das Heimatrecht eines Ehegatten (z.B. Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB; Art. 30 Abs. 1 S. 2 ital. IPR-Gesetz; Art. 52 Abs. 2 schweiz IPRG; Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 und Art. 6 Abs. 2 Nr. 1 Haager Ehegüterrechtskonvention von 1978), das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt eines Ehepartners (Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB; Art. 30 Abs. 1 S. 2 ital. IPR-Gesetz; Art. 3 Abs. 2 Nr. 2 und Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 Haager Ehegüterrechtskonvention von 1978) oder das Recht, in dem unbewegliches Vermögen belegen ist (Art. 15 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB). Verbreitet ist auch die Zulassung einer Wahl nur des inländischen Ehegüterrechts (Art. 53 Abs. 3 portug. Código civil). Ausgeschlossen ist dagegen die Rechtswahl von einigen alten IPR-Gesetzen (z.B. § 39 ungar. IPR-VO).

(iii) Eine zulässige Rechtswahl des Ehegüterrechts ist formell gültig, wenn die dem gewählten Recht oder dem Recht am Ort der Rechtswahl entspricht (z.B. Art. 15 Abs. 3 und 14 Abs. 4 EGBGB; Art. 30 Abs. 2 ital. IPR-Gesetz; § 8 österreich. IPR-Gesetz: Art. 56 schweiz. IPRG).

(iv) Eingeschränkt wird die Wirkung einer Rechtswahl durch einen gewissen Verkehrsschutz. Ein gewählter ausländischer Güterstand eines im Inland wohnhaften Ehegatten ist nämlich nur dann wirksam, wenn er entweder ins inländische Güterrechtsregister eingetragen ist (z.B. Art. 16 Abs. 1 EGBGB) oder wenn er Dritten bekannt war (z.B. Art. 30 Abs. 3 ital. IPR-Gesetz, Art. 57 Abs. 2 schweiz. IPRG). Da das nur selten der Fall sein dürfte, gilt für die im Inland wohnhaften Ehegatten gegenüber Dritten das inländische Ehegüterrecht.

(v) Einen europäischen Güterstand, den Eheleute vereinbaren können, gibt es noch nicht. Es wird jedoch versucht, einen solchen sachrechtlichen Güterstand bereitzustellen. Dazu gibt es seit Mitte 2006 ein Grünbuch (KOM(2006) 400 endg.) mit Kollisionsnormen zum Güterrecht unter besonderer Berücksichtigung der gerichtlichen Zuständigkeit und der gegenseitigen Anerkennung.

d) Ehescheidungsrecht

Bisher haben die Staaten der Europäischen Union (EU) vergeblich versucht, das internationale Ehescheidungsrecht in der EU zu vereinheitlichen. Es bleibt deshalb einstweilen beim nationalen Kollisionsrecht, soweit nicht Haager Übereinkommen (z.B. die Haager Konvention zur Anerkennung ausländischer Ehescheidungen von 1970) einzelne Aspekte regeln.

(1) Eine Ehe wird entweder grundsätzlich nach der lex fori (in foro proprio) geschieden (z.B. englisches IPR; Art. 61 Abs. 1 schweiz. IPRG) oder nach dem gemeinsamen Personalstatut der Eheleute im Zeitpunkt der Klage (z.B. Art. 17 Abs. 1 EGBGB; Art. 16 griech. ZGB; Art. 31 Abs. 1 ital. IPR-Gesetz). Kann die Ehe danach nicht geschieden werden (was heute nur noch selten vorkommt, z.B. bei Malta und den Philippinen), wird inländisches Recht angewandt, falls der Kläger enge Beziehungen zum Inland hat oder ein inländisches Gericht zuständig ist (z.B. Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGBGB; Art. 31 Abs. 2 ital. IPR-Gesetz; Art. 61 Abs. 3 schweiz. IPRG).

(2) Ehen können in den meisten Staaten im Inland nur durch Gericht oder vor einer Amtsperson geschieden werden. Das betonen einige IPR-Gesetze ausdrücklich (z.B. Art. 17 Abs. 2 EGBGB). Eine Privatscheidung durch Übergabe eines Scheidebriefs (ghet) oder durch Verstoßung vor Zeugen (talaq) ist vor einer staatlichen Scheidung unwirksam und hat im Inland keine Folgen. Wenn sie jedoch im Ausland vorgenommen wird, kann sie anerkannt werden [s.u. 2 d (4)].

(3) Die Scheidungsfolgen sind häufig sehr viel gravierender. Das anwendbare Recht bestimmt sich sehr unterschiedlich, je nachdem um welche Frage es sich handelt.

(i) Der nacheheliche Unterhalt wird nach den Haager Konventionen von 1973 und in Zukunft vom Haager Protokoll von 2007 (s.o. 2 c (1)) geregelt.

(ii) Der Güterstand wird aufgelöst, und dabei richtet sich das Güterrechtsstatut nach dem auf das Güterrecht anzuwendenden Recht [s.o. 2 c (2)].

(iii) Echte Scheidungsfolgen sind jedoch der Versorgungsausgleich des deutschen und die Teilung der Vorsorgeleistungen des schweizerischen Rechts. Sie werden nach dem Scheidungsstatut beurteilt (so ausdrücklich Art. 17 Abs. 3 EGBGB).

(iv) Die Personensorge für gemeinsame Kinder und deren Unterhalt sind auch Scheidungsfolgen, die sich allerdings nach Kindesrecht richten (s.u. 3.).

(4) Für das Verfahren in Ehesachen gilt die EuEheVO, auch Brüssel IIa-VO (VO 2201/2003). Sie regelt in Art. 3-7 die Zuständigkeit für Ehesachen (Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung einer Ehe) und enthält in den Art. 21-39 die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus Mitgliedstaaten der EU. Danach sind die Gerichte von Mitgliedstaaten nach Art. 3 dann zuständig, wenn einer der Ehegatten (Antragsgegner oder Antragsteller) seinen einfachen oder durch eine gewisse Aufenthaltsdauer qualifizierten gewöhnlichen Aufenthalt im Forumstaat hat. Nur soweit sich keine Zuständigkeit aus der EuEheVO ergibt, richtet sich die Zuständigkeit nach dem autonomen Recht jedes Mitgliedstaates.

Eine in einem Mitgliedstaat gefällte Entscheidung wird nach Art. 21-22 in den anderen Mitgliedstaaten nicht anerkannt, wenn sie dem ordre public des Anerkennungsstaates widerspricht, wenn sie das rechtliche Gehör im Sinne des Art. 22 lit. b verletzt oder wenn sie einer Entscheidung widerspricht, die früher ergangen ist und, wenn es sich um eine ausländische Entscheidung handelt, anzuerkennen ist. Die Unzuständigkeit des ausländischen Gerichts ist kein Nichtanerkennungsgrund, und die Zuständigkeit darf auch nicht über den ordre public nachgeprüft werden (Art. 24). Eine révision au fond ist ausgeschlossen (Art. 26). Ehescheidungen aus Nichtmitgliedstaten werden nach nationalen Anerkennungsvorschriften (z.B. § 107 dt. FamFG) anerkannt.

e) Nichteheliche Lebensgemeinschaften

Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaften wird separat behandelt (Nichteheliche Lebensgemeinschaft).

3. Vormundschaftsrecht

Soweit Erwachsene bevormundet werden sollen, wird in Zukunft das Haager Erwachsenenschutzübereinkommen von 2000 gelten. Daneben gibt es noch autonome Kollisionsnormen, die das auf die Vormundschaft anzuwendende Recht regeln und ähnliche Maßnahmen (Betreuung, Pflegschaft, Beistandschaft) zur Schutze Erwachsener (Erwachsenenschutz).

4. Internationales Kindschaftsrecht

Zum internationalen Familienrecht gehört außerdem auch das internationale Kindschaftsrecht, das in einem eigenen Stichwort behandelt wird (Kindschaftsrecht, internationales).

5. Europäisches Familienrecht

Das europäische internationale Familienrecht befindet sich in einem chaotischen Zustand. Nicht nur gibt es das Nebeneinander von internationalen Instrumenten und nationalem IPR, sondern häufig gibt es noch Überschneidungen und Überlappungen von internationalen Instrumenten. Es wird Zeit, dass auch das europäische internationale Familienrecht vereinheitlicht wird. Dies kann auf zweierlei Weise geschehen: Zum einen kann man für gewisse internationale Beziehungen (etwa für Eheschließung und das Ehegüterrecht) Einheitsrecht schaffen, und zum anderen muss eine Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts auch auf diesem Gebiet flächendeckend erfolgen.

Ein Anfang ist bereits gemacht. Die EuEheVO regelt die Zuständigkeit in Ehesachen sowie die Anerkennung und Vollstreckung solcher Entscheidungen aus Mitgliedstaaten der EU. Die EuUnthVO behandelt das gesamte internationale Unterhaltsrecht in all seinen Aspekten: Zuständigkeit, anzuwendendes Recht, Anerkennung und Vollstreckung sowie Zusammenarbeit. Im Übrigen hat das europäische IPR einen Rückschlag erlitten; denn Schweden hat es abgelehnt, einem Vorschlag für eine Verordnung über das auf die Scheidung anwendbare Recht (KOM (2006) 399 endg.) zuzustimmen.

Die in Utrecht angesiedelte Commission on European Family Law arbeitet vor allem an einem einheitlichen Europäischen Familienrecht, welches vor allem das materielle Familienrecht vereinheitlichen will (Europäisches Internationales Familienrecht; Principles of European Family Law).

Literatur

Alfonso Luis Calvo Caravaca, Javier Carrascosa Gonzales, Esperanza Castellanos Ruiz, Derecho de familia internacional, 3. Aufl. 2005; John Murphy, International dimensions in family law, 2005; Barbara Stark, International Family Law, 2005; Patrick Wautelet (Hg.), Actualités du contentieux familial international, 2005; Alessio Anceschi, La familia nel diritto internazionale privato, 2006; Marianne Andrae, Internationales Familienrecht, 2. Aufl. 2006; Stefania Bariatti, La familia nel diritto internazionale privato comunitario, 2007; Katharina Boele-Woelki, Cristina González Beilfuss (Hg.), Brussels II bis: Its Impact and Application in the Member States, 2007; Johan Meeusen, Marta Pertegás, Gert Straetmans, Frederik Swennen (Hg.), International Family Law for the European Union, 2007; Marco Nademleinsky, Matthias Neumayr, Internationales Familienrecht, 2007; Katharina Boele-Woelki, Tone Sverdrup (Hg.), European Challenges in Contemporary Family Law, 2008.

Abgerufen von Familienrecht, internationales – HWB-EuP 2009 am 25. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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