Preisangaben und Principles of European Contract Law: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Ina Maria Lindenberg]]''
von ''[[Reinhard Zimmermann]]''
== 1. Gegenstand; materielles und formelles Preisrecht ==
== 1. Warum Vertragsrecht?  ==
Das Recht der Preisangaben ist Teil des sog. Preisrechts, welches in das materielle und das formelle Preisrecht untergliedert wird. Während sich ersteres auf die Kalkulation und die Höhe von Preisen bezieht und damit unmittelbar den Inhalt der Preise betrifft, regelt das formelle Preisrecht lediglich die äußere Form von Preisen im Sinne der Art und Weise, wie Preise angegeben werden dürfen bzw. müssen (Preisordnungsrecht).
Die ''Principles of European Contract Law'' (Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts) sind, als akademisches Projekt, ein Pionierwerk europäischer Privatrechtsvereinheitlichung. Sie befassen sich mit einer Materie, die von vornherein einen internationaleren Zuschnitt hat als, beispielsweise, das Recht der unerlaubten Handlungen, das Sachenrecht oder das Familienrecht. Das moderne Vertragsrecht in Europa beruht auf denselben historischen und philosophischen Grundlagen, und der hypothetische Wille vernünftiger Vertragsparteien war gewöhnlich der Ausgangspunkt für die Entwicklung seiner Doktrinen. Der Vorrat grundlegender Begriffe und Wertungen ist durch Entwicklungen im Zeitalter des juristischen Nationalismus nicht nachhaltig in Frage gestellt worden, und es hat immer wieder den grenzüberschreitenden Austausch von Ideen und Regelungsansätzen gegeben. Heute, im Zeichen der [[Europäische Union|Europäischen Union]], bildet der [[Europäischer Binnenmarkt|europäische Binnenmarkt]] den stärksten Motor der Rechtsvereinheitlichung, und es ist offenkundig, dass das Vertragsrecht dazu den stärksten Bezug hat. Es lag damit nahe, das allgemeine Vertragsrecht zum Gegenstand des ersten Versuchs zu machen, einen gemeineuropäischen, regelförmigen Referenztext zu erarbeiten.  


Die Vorschriften des materiellen Preisrechts berühren die Preisgestaltung als wesentliches Element des unternehmerischen Ermessens in ihrem Kern. Sie stehen somit in einem Spannungsverhältnis zum Konzept der freien Marktwirtschaft und dem Prinzip der [[Vertragsfreiheit]]. Originär materiell-preisrechtliche Regelungen bestehen daher in der Regel nur in solchen Wirtschaftssektoren, in denen entweder ein freier Preiswettbewerb aufgrund besonderer Marktmacht der Anbieter (noch) nicht funktioniert, und/‌oder in denen aufgrund einer besonderen sozialpolitischen Interessenlage ein unbeaufsichtigter Preiswettbewerb rechtspolitisch nicht gewünscht ist. Man denke etwa an den ehemals durch staatliche Monopole gekennzeichneten Bereich der Netzwirtschaften (z.B. Art. 4 ff. RL 2001/‌44 für Eisenbahnnetze; Art. 13 RL 2002/‌ 19 für Telekommunikationsnetze; Art. 3 RL 2003/‌ 54 bzw. 2003/‌55 für Elektrizitäts- bzw. Erdgasnetze) oder die sensiblen Bereiche des Gesundheitswesens, des Arbeitsrechts und des Wohnraummietrechts. Darüber hinaus kann selbst das allgemeine Wirtschaftsrecht eine materiell-preisrechtliche Regelungswirkung entfalten. Dies trifft namentlich auf das Kartellrecht und teilweise auf das Lauterkeitsrecht zu. So ermöglicht vor allem das Verbot des [[Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung|Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung]] (Art. 82 EG/‌102 AEUV) unter bestimmten Umständen eine Preiskontrolle durch die zur Kartellrechtsdurchsetzung berufenen Stellen ([[Kartellrecht, Rechtsfolgen von Verstößen]]; [[Kartellverfahrensrecht]]; [[Kartellrecht, private Durchsetzung]]). Zudem kann eine inhaltliche Überprüfung von Preisen im Einzelfall – z.B. im Falle eines marktschädigenden Verdrängungswettbewerbs mittels Dumping-Preisen – auf der Grundlage der Generalklauseln der mitgliedstaatlichen Lauterkeitsrechte durchgeführt werden (Art. 3(b), 5 RL 2006/‌114 über irreführende und vergleichende Werbung, Art. 5, 11 RL 2005/‌29 über unlautere Geschäftspraktiken; [[Werbung, vergleichende]]; [[Geschäftspraktiken, irreführende]]; Geschäftspraktiken, aggressive; [[Unlauterer Wettbewerb (Grundlagen)]]; [[Unlauterer Wettbewerb (Rechtsfolgen)]]).
== 2. Die Entstehung der Principles ==
Die ''Principles of European Contract Law'' sind von einer „Commission on European Contract Law“ erarbeitet worden, einem auf Initiative von Professor ''Ole Lando'' aus Kopenhagen (daher häufig auch: „Lando-Kommission“ und „Lando Principles“) etablierten Gremium. Obwohl zeitweise von der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]] finanziert, blieb die Arbeit der „Lando-Kommission“ von Anfang bis Ende ein privates wissenschaftliches Unternehmen, das auf der Zusammenarbeit von Juristen (ganz überwiegend Hochschullehrern) aus allen Mitgliedstaaten der EU beruhte. Mit der EU wuchs auch die „Lando-Kommission“: zuletzt hatte sie 23 Mitglieder, davon drei aus Deutschland, sowie je zwei aus Frankreich, Italien, England, Schottland und den Niederlanden. Entstanden sind die ''Principles'' in drei Teilen. Der erste befasst sich im Wesentlichen mit den Modalitäten der Leistungserbringung, mit der Nichterfüllung und den Rechtsbehelfen im Fall der Nichterfüllung, sowie mit einer Reihe von allgemeinen Fragen (Anwendung, Abdingbarkeit, Begriffsbestimmungen, allgemeine Verhaltenspflichten im Rechtsverkehr, etc.). Er entstand in den Jahren 1982–1995 und umfasst 59 Artikel. Teil II entstand in der Zeit von 1992 bis 1999; verteilt auf 73 Artikel sind das Recht des Vertragsschlusses, die Vollmacht von Vertretern, die Gültigkeit von Verträgen (einschließlich Willensmängel, aber ohne Verbots- und Sittenwidrigkeit), die Auslegung von Verträgen sowie Inhalte und Wirkungen (einschließlich des Vertrages zugunsten Dritter) geregelt. Publiziert worden ist dieser zweite Teil nicht separat, sondern im Rahmen einer konsolidierten und überarbeiteten Gesamtversion der Teile I und II. Der dritte Teil umfasst 69 Artikel; er entstand zwischen 1997 und 2002 und behandelt die Themen Mehrheit von Parteien (Schuldnermehrheit und Gläubigermehrheit), Abtretung, Schuldübernahme und Vertragsübernahme, Aufrechnung, Verjährung, Rechtswidrigkeit, Bedingungen und Kapitalisierung von Zinsen. Anders als Teil II ist Teil III nicht von vornherein in das bereits bestehende Regelwerk integriert, sondern (zunächst) separat publiziert worden.


Der Begriff der Preisangaben (''price indications''/‌''indication des prix'') bezieht sich im engeren Sinne lediglich auf das formelle Preisrecht. Zentrales europäisches Regelungsinstrument ist in diesem Zusammenhang die RL 98/‌6 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (Preisangabenrichtlinie), die durch mehrere sektorspezifische Regelungswerke überlagert und ergänzt wird. Daneben enthalten die lauterkeitsrechtlichen Richtlinien preisordnungsrechtliche Vorgaben im Zusammenhang mit der Preiswerbung. Der Sache nach legt das Recht der Preisangaben den Anbietern konkrete Informationspflichten bezogen auf den Produktpreis als einem zentralen Differenzierungskriterium im Rahmen der Kaufentscheidung auf ([[Informationspflichten (Verbrauchervertrag)]]). Neben der allgemeinen Pflicht zur Preisauszeichnung bestehen eine Vielzahl produktbezogener spezieller Angabepflichten, welche die wertbildenden Faktoren der Erzeugnisse betreffen und in etlichen sektorspezifischen Regelungsinstrumenten niedergelegt sind.
Die sich über einen so langen Zeitraum erstreckende Entstehung und die Aufspaltung der Arbeit in drei Teile machen sich in den ''Principles'' in mancherlei Hinsicht bemerkbar. So reicht die Grundkonzeption (Ausarbeitung von Grundregeln eines allgemeinen Vertragsrechts) auf die Zeit vor der Herausbildung eines verbrauchervertraglichen ''acquis communautaire'' zurück ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]). Dieser ist vielmehr bis zum Schluss weitgehend unberücksichtigt geblieben. Nicht bedacht wurde deshalb die schwierige Frage, inwieweit und gegebenenfalls in welcher Weise sich die verbraucherschützenden Regeln des Richtlinienrechts in die ''Principles'' integrieren lassen. In einem anderen Punkt ist die Grundkonzeption demgegenüber im Laufe der Zeit erweitert worden. Denn während sich die ersten beiden Teile der ''Principles'' tatsächlich mit dem Vertragsrecht befassen, greifen zentrale Bereiche von Teil III darüber hinaus und beziehen sich ganz bewusst auf das Schuldrecht insgesamt. Sie bilden Kernbestandteile eines Allgemeinen Schuldrechts für Europa, lassen damit aber gleichzeitig die Bezeichnung der Grundregeln als ''Principles of European'' „''Contract''“ ''Law'' als ungenau erscheinen. Eine gewisse konzeptionelle Verschiebung hat sich weiterhin offenbar auch im Hinblick auf die in den ''Principles'' enthaltenen Bestimmungen vollzogen. Ursprünglich scheint es den Mitgliedern der „Lando-Kommission“ nicht um die Vorbereitung eines unmittelbar anwendungsfähigen Systems konkreter Regeln gegangen zu sein; das ergibt sich nicht zuletzt aus der Bezeichnung des Werkes als „''Principles''“'' of European Contract Law''. Doch erreichen die in einer Reihe der späteren Kapitel enthaltenen Regelungen einen Grad an Spezifität, der den in den bestehenden nationalen Kodifikationen enthaltenen Vorschriften nicht nachsteht. Der Begriff „Principles“ verbirgt daher, dass es sich weithin um eine Art Modellgesetzbuch des europäischen Vertragsrechts handelt. Schließlich hat das schrittweise Vorgehen bei der Erstellung der ''Principles'' auch zu gewissen Abstimmungsdefiziten geführt. So enthalten alle drei Teile Regelungen über die [[Rückabwicklung von Verträgen|Rückabwicklung]] gescheiterter Verträge. Dabei bezieht sich Art. 4:115 PECL auf Fälle, in denen ein Vertrag angefochten worden ist, Art. 9:305 ff. PECL betreffen die Aufhebung des Vertrages im Falle einer wesentlichen Nichterfüllung, und Art. 15:104 PECL regelt die Rückabwicklung bei Unwirksamkeit wegen Rechtswidrigkeit. Diese Verdreifachung der Regeln sowie die zwischen ihnen bestehenden Unterschiede lassen sich kaum rechtfertigen. Es handelt sich hier um einen von einer Reihe von Punkten, in denen die Grundregeln verbesserungsbedürftig sind.


== 2. Regelungszweck und historische Entwicklung ==
== 3. Arbeitsweise ==
Der Preis eines Produkts ist neben dessen Qualität das wichtigste Differenzierungskriterium für eine Kaufentscheidung aus der Sicht der Nachfragenden. Nur wer zutreffend, umfassend und in einer klar verständlichen Art und Weise über den Preis eines potentiellen Kaufgegenstands informiert wird, kann Vergleiche zu den Angeboten konkurrierender Unternehmen vornehmen und eine an objektiven Kriterien orientierte Auswahl treffen. Ziel des Preisangabenrechts ist es daher, durch die Auferlegung standardisierter Informationspflichten (Markt‑) [[Transparenz]] zu schaffen und den Verbrauchern auf individuellen Preisvergleichen basierende, fundierte Kaufentscheidungen zu ermöglichen (Erwägungsgrund 6 RL 98/‌6). Die Preisangabenrichtlinie wird deshalb als integraler Teil des ''acquis communautaire ''im Verbraucherrecht angesehen ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]). Der Telos des Preisangabenrechts erschöpft sich indes nicht in seiner verbraucherschutzpolitischen Zielsetzung. Vielmehr steht das Preisordnungsrecht gerade auch im Dienste des Kernanliegens der [[Europäische Gemeinschaft|Europäischen Gemeinschaft]], nämlich der Schaffung eines effektiven [[Wettbewerb im Binnenmarkt|Wettbewerbs im Binnenmarkt]]. Denn erst durch die Pflicht zur Angabe unverfälschter Preise wird das allgemeine ''level playing field'' bereitet, auf dem sich die Anbieter mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis aus Sicht der Nachfrager durchsetzen können. Mithin dient das Preisangabenrecht auch volkswirtschaftlichen Interessen. Diesen doppelten Regelungszweck bringt der erste Erwägungsgrund der Preisangabenrichtlinie als Leitgedanken zum Ausdruck: „Ein transparenter Markt und korrekte Informationen fördern den Verbraucherschutz und einen gesunden Wettbewerb zwischen Unternehmen und zwischen Erzeugnissen.“ Die Information von Verbrauchern über Produktpreise stellt somit ein wesentliches Element für die Funktionsfähigkeit des [[Europäischer Binnenmarkt|Europäischen Binnenmarktes]] dar. Die Prinzipien der Markttransparenz sowie der Preiswahrheit und der Preisklarheit beschränken sich nicht auf den Anwendungsbereich des Preisordnungsrechts, sondern beeinflussen als übergeordnete Marktprinzipien das gesamte Wirtschaftsrecht.
Die ''Principles of European Contract Law'' sind das Ergebnis internationaler und rechtsvergleichend inspirierter wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Zudem handelt es sich um ein echtes Gemeinschaftswerk. Zwar waren für die einzelnen Sachbereiche jeweils ein oder zwei „Berichterstatter“ zuständig, deren Aufgabe unter anderem darin bestand, Entwürfe für die Artikel und den Kommentar zu erarbeiten. Doch zum einen handelte es sich jeweils um verschiedene Personen. Zum anderen wurden die von den Berichterstattern erarbeiteten Entwürfe einem Vorbereitungsausschuss und der Gesamtkommission vorgelegt und von beiden Gremien Satz für Satz in mehreren Durchgängen beraten, verfeinert, kritisiert, zurücküberwiesen, schließlich in zwei Lesungen angenommen und dann noch einmal von einem Redaktionsausschuss überarbeitet. Alles in allem traf die Kommission sich zu 26 in der Regel einwöchigen Plenarsitzungen, der Vorbereitungsausschuss tagte jeweils einige Monate vor den Plenarsitzungen. Es gab ein ausgeprägtes Bemühen um die Herstellung eines Konsenses; in einer Reihe von Punkten wurde freilich, nach Austausch aller Argumente für und gegen eine bestimmte Lösung, abgestimmt. Im Übrigen haben sich die Verfasser der ''Principles'' bewusst darum bemüht, keiner nationalen Rechtsordnung Modellcharakter beizumessen. Der Ansatz war rechtsvergleichend. Es ging der Kommission in erster Linie darum, den gemeinsamen Kernbestand der Vertragsrechte aller Mitgliedstaaten herauszufiltern und auf dieser Grundlage ein funktionstüchtiges System zu schaffen. Im Hintergrund stand insoweit der Gedanke eines ''[[Restatements|Restatement]]'' des europäischen Vertragsrechts. Doch war den Verfassern der ''Principles'' von vornherein klar, dass sie mit einer kreativeren Aufgabe konfrontiert waren als die Autoren der amerikanischen ''Restatements''. Divergenzen waren aufgrund einer vergleichenden Bewertung der in den nationalen Rechtsordnungen gesammelten Erfahrungen, durch Beobachtung europäischer und internationaler Entwicklungstrends oder nach anderen möglichst rationalen Kriterien aufzulösen. Im übrigen hat in den Bereichen Leistungsstörungen und Vertragsschluss das UN-Kaufrecht ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)|Internationaler Warenkauf (Einheitsrecht)]]), das seinerseits letztlich auf ''Ernst Rabels'' historisch und vergleichend angelegter Monographie zum Recht des Warenkaufs beruht, eine prägende Rolle gespielt: 52 von 132 Artikeln der ersten beiden Teile der ''Principles'' beruhen auf einem Vorbild in diesem bislang erfolgreichsten Dokument internationaler Privatrechtsvereinheitlichung.


Schon früh stellte die Europäische Gemeinschaft die Bedeutung von Preisangabenregelungen im Binnenmarkt heraus. So identifizierte der Rat ([[Rat und Europäischer Rat]]) bereits in den Jahren 1975 und 1981 in zwei Entschließungen betreffend Programme für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher (ABl. 1975 C 92/‌1, ABl. 1981 C 133/‌1) die Notwendigkeit zur Aufstellung gemeinsamer Grundsätze über die Angabe von Preisen. Ferner wurde in einer Entschließung aus dem Jahre 1992 über künftige Prioritäten für den Ausbau der Verbraucherschutzpolitik (ABl. 1992 C 186/‌1) weiterer Handlungsbedarf auf diesem Gebiet angemahnt. Eine erste Vereinheitlichung preisangabenrechtlicher Grundsätze erfolgte 1979 durch die RL 79/‌581 über die Angabe von Lebensmittelpreisen. Ihr folgte 1988 die zweite preisangabenrechtliche Richtlinie (RL 88/‌314) betreffend andere Erzeugnisse als Lebensmittel. Diese beiden Regelungsinstrumente wurden schließlich im Jahre 1998 durch die umfassendere Preisangabenrichtlinie (RL 98/‌6) ersetzt, welche die preisordnungsrechtlichen Verpflichtungen einerseits erweitern und andererseits in praktischer Hinsicht zu vereinfachen suchte. Insbesondere sollte das bis dahin geltende Preisauszeichnungssystem, welches auf einer Koppelung von Verpackungs- und Preisangabenvorschriften basierte und sich in der praktischen Handhabung als überaus komplex erwiesen hatte, durch ein einfacheres Prinzip abgelöst werden. Zwischenzeitlich sind übrigens die Verpackungsvorgaben, auf welche die preisrechtlichen Normen ursprünglich Bezug genommen haben, weitgehend dereguliert worden (RL 2007/‌45 über Nennfüllmengen für Erzeugnisse in Fertigpackungen).
== 4. Ein ''Restatement'' des europäischen Vertragsrechts ==
Auch in der Struktur der Publikation sind die ''Principles'' von den ''Restatements'' des US-amerikanischen Rechts inspiriert. Jeder Band enthält zum einen den Text der Artikel, auf den sich die Kommission geeinigt hat, zum anderen aber auch, Artikel für Artikel, einen Kommentar einschließlich Anwendungsbeispielen sowie rechtsvergleichende Anmerkungen, die vor allem über die jeweils einschlägigen Rechtsregeln der Mitgliedstaaten berichten, im übrigen aber auch andere Rechtsquellen, wie z.B. internationale Konventionen, berücksichtigen. Die Artikel sind gleichzeitig in einer englischen und französischen Fassung veröffentlicht worden, wenngleich ansonsten für die Zwecke der Originalpublikation die englische Sprache gewählt worden ist. Die Frage möglichst unproblematischer Übersetzbarkeit spielte schon während der Kommissionsarbeiten eine große Rolle; zudem wurde so verhindert, dass den ''Principles'' eine ausschließlich am englischen oder französischen Recht orientierte Begrifflichkeit zugrunde liegt.


== 3. Regelungsgehalt der Preisangabenrichtlinie ==
In all diesen Punkten unterscheiden sich die ''Principles'' von einem konkurrierenden Projekt europäischer Vertragsrechtsvereinheitlichung: dem ''[[Code Européen des Contrats (Avant‑projet)]]'' („Gandolfi-Entwurf“). Dieser stammt im Wesentlichen aus einer Hand (nämlich der des „Koordinators“ Giuseppe Gandolfi); er orientiert sich vor allem am italienischen ''Codice civile'' und einem Ende der 1960er Jahre im Auftrag der englischen ''Law Commission'' erarbeiteten ''Contract Code''<nowiki>; und er ist in französischer Sprache veröffentlicht worden.</nowiki>
Die Preisangabenrichtlinie (bzw. die entsprechende mitgliedstaatliche Umsetzungsmaßnahme) ist immer dann zur Anwendung berufen, wenn ein Händler (Art.&nbsp;2(d)) einem Verbraucher (Art.&nbsp;2(e)) ein „Erzeugnis“ (''product''/‌''produit'') zum Kauf anbietet (Art.&nbsp;1). Die Richtlinie erfasst damit grundsätzlich die Preisauszeichnung von Waren jeder Art ohne Beschränkung auf bestimmte Kategorien von Produkten. Demgegenüber fallen Dienstleistungen nicht in ihren Anwendungsbereich. Trotzdem haben über die Hälfte der Mitgliedstaaten die Reichweite ihrer Umsetzungsgesetzgebung auf Dienstleistungen erstreckt. Kernstück der Richtlinie ist die in Art.&nbsp;3(1) geregelte Pflicht, jedes Angebot mit einer doppelten Preisangabe zu versehen, nämlich einerseits mit dem Verkaufspreis (Art.&nbsp;2(a)) für das Produkt als solchem und andererseits mit dem Grundpreis des Produktes je verkehrstypischer Maßeinheit (Art.&nbsp;2(b)), jeweils verstanden als Endpreise einschließlich aller Steuern. Die gleiche Pflicht trifft den Händler im Falle preisbezogener Werbemaßnahmen (Art.&nbsp;3(4)). Die Auszeichnung hat jeweils in der Art und Weise zu geschehen, dass der Preis „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ ist (Art.&nbsp;4(1)).


Die Richtlinie versteht sich ausdrücklich nur als eine Maßnahme der Mindestharmonisierung, so dass es den Mitliedstaaten frei steht, ein höheres Verbraucherschutzniveau einzuführen (Art. 10). Umgekehrt räumt die Preisangabenrichtlinie den Mitgliedstaaten zugleich ein beträchtliches Ermessen im Hinblick auf mögliche Ausnahmen von der Preisangabenpflicht ein. So können Produkte, die im Rahmen einer Dienstleistung geliefert (etwa Shampoo beim Friseur) oder im Wege der Versteigerung veräußert werden, sowie Verkäufe von Kunstgegenständen und Antiquitäten vollständig vom Anwendungsbereich ausgenommen werden (Art.&nbsp;3(2)). Von dieser Option haben nahezu alle Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht. Ferner besteht nach Art.&nbsp;5 die Möglichkeit, den Verkauf von solchen Erzeugnissen von der Pflicht der Angabe eines Maßeinheitspreises zu befreien, bei denen eine derartige Angabe „nicht sinnvoll oder geeignet wäre, zu Verwechslungen zu führen.“ Auch diese Freistellungsmöglichkeit wurde von praktisch allen Mitgliedstaaten genutzt. Da die Richtlinie diesbezüglich keine klaren Parameter bereit hält, bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den mitgliedstaatlichen Umsetzungen. Dies gilt sowohl für die Frage der eingesetzten Regelungstechnik (Positivlisten, Negativlisten, Generalklauseln) als auch für die Frage der konkret ausgenommenen Erzeugniskategorien. Wegen dieser Divergenzen, die gerade im grenzüberschreitenden Verkehr zu Rechtsunsicherheit führen können, hat sich die Kommission in einer Mitteilung zur Umsetzung der Preisangabenrichtlinie für eine Harmonisierung der entsprechenden Parameter ausgesprochen (KOM(2006) 325&nbsp;endg.). Schließlich sieht Art.&nbsp;6 eine potentielle Ausnahme für kleine Einzelhandelsgeschäfte vor, die durch die Angabe von Preisen je Maßeinheit übermäßig belastet würden. Eine etwaige Befreiung soll allerdings nur für eine begrenzte, in der Richtlinie indes nicht näher bestimmte Übergangszeit möglich sein. In der Folge haben die meisten Mitgliedstaaten entsprechende Ausnahmeregelungen erlassen. Diese sind überwiegend noch heute in Kraft und verfügen häufig über kein definiertes Ablaufdatum. Zudem divergieren die nationalen Differenzierungskriterien wiederum erheblich, weshalb die Kommission auch in diesem Bereich eine weitere Angleichung anstrebt.
Auf internationaler Ebene konkurrieren die ''Principles of European Contract Law'' mit den [[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT'' Principles of International Commercial Contracts'']]. Beide Regelwerke sind in vielen Punkten miteinander vergleichbar. Insbesondere sind sie in ähnlicher Weise erarbeitet worden, sie verfolgen ähnliche Ziele, und sie sind in einem ganz ähnlichen Stil formuliert. Vergleichbar sind auch Aufbau und Struktur der Publikation. Beide Regelungsentwürfe sind etwa gleichzeitig entstanden, wobei zunächst UNIDROIT, dann die „Lando-Kommission“ einen gewissen Vorsprung hatte. Beide Gremien haben von der Arbeit der jeweils anderen Kenntnis genommen und haben in manchen Punkten Einfluss aufeinander ausgeübt.


Nach Art.&nbsp;8 bestimmen die Mitgliedstaaten die Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Auszeichnungspflichten in eigener Verantwortung. Die entsprechenden Sanktionen müssen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein. Wortgleiche Formulierungen findet sich auch in anderen Richtlinien des [[Gemeinschaftsprivatrecht/‌ Unionsprivatrecht|Gemeinschaftsprivatrechts/‌Unionsprivatrechts]] (z.B. Art.&nbsp;20 E&#8209;Commerce-RL (RL&nbsp;2000/‌31); Art.&nbsp;11 der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (RL&nbsp;2002/‌65)). Die Preisangabenrichtlinie wurde in den Mitgliedstaaten ganz überwiegend in öffentlich-rechtlicher Form als Teil des Marktregulierungsrechts umgesetzt, so dass entsprechend ein öffentlich-rechtlicher Sanktionenkatalog vorherrscht. Die Rechtsfolgen reichen von Bußgeldern bis hin zu Freiheitsstrafen. Vielfach werden die Sanktionsmöglichkeiten um privatrechtliche Rechtsbehelfe wie etwa Unterlassungsklagen ergänzt. Die mitgliedstaatlichen Umsetzungsnormen stellen zudem „Gesetze zum Schutz der Verbraucherinteressen“ im Sinne der VO&nbsp;2006/‌2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz dar, wodurch deren gemeinschaftsweite Durchsetzung durch die zuständigen nationalen Behörden gewährleistet werden soll.
Trotz der in zweifacher Hinsicht unterschiedlichen Zielsetzung (global/‌europäisch; internationale Handelsverträge/‌allgemeines Vertragsrecht) unterscheiden sich die ''Principles'' von UNIDROIT und der „Lando-Kommission“ nicht sehr stark voneinander; in manchen Bereichen sind sie weitgehend identisch.


== 4. Weitere preisordnungsrechtliche Regelungsinstrumente ==
== 5. Ziele und Perspektiven ==
Neben der Preisangabenrichtlinie bestehen eine Reihe weiterer gemeinschaftsrechtlicher Regelungsinstrumente mit preisordnungsrechtlichem Bezug, von denen nachfolgend exemplarisch einige herausgehoben werden sollen.  
Insgesamt lässt sich sagen, dass die ''Principles of European Contract Law'' als moderne Manifestation einer genuin europäischen Tradition angesehen werden können, die sich durch ihre inhärente Flexibilität und Entwicklungsfähigkeit auszeichnet. Sie verlängern jahrhundertealte Entwicklungslinien in die Gegenwart und zwar auch dort, wo scheinbar unkonventionelle Lösungen gewählt worden sind (beispielsweise in den Punkten Wirkung der [[Aufrechnung]]; Wirksamkeit von einseitigen [[Versprechen]]; ''[[Undue influence]]''). Welchen Beitrag können sie ihrerseits zu einer Europäisierung des Vertragsrechts leisten? Die Verfasser der Grundregeln selbst nennen eine Reihe von Zielen, die sie mit ihrer Arbeit verfolgen. Es geht ihnen darum, den grenzüberschreitenden Handel innerhalb Europas zu erleichtern, indem sie ein von den Besonderheiten der verschiedenen nationalen Rechtsordnungen losgelöstes Regelwerk zur Verfügung stellen, dem Parteien ihr Geschäft unterstellen können. Ferner sehen sie in den Grundregeln die moderne Formulierung einer ''[[Lex Mercatoria|lex mercatoria]]'', auf die Schiedsgerichte zurückgreifen können, die einen Streitfall gemäß den „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ oder „international anerkannten Grundsätzen“ zu entscheiden haben. Dies sind unmittelbar praktische Ziele. Eine stärker perspektivische Orientierung bringen die Verfasser der Grundregeln zum Ausdruck, wenn sie in ihrem Regelwerk eine allgemeine begriffliche und systematische Grundlage für Maßnahmen der Harmonisierung des Vertragsrechts im Rahmen der EU sehen und wenn sie es als Schritt auf dem Wege zu einer Kodifikation des europäischen Vertragsrechts ([[Europäisches Zivilgesetzbuch]]) betrachten. In der Tat hat denn auch die von einem Mitglied der „Lando-Kommission“ gegründete ''[[Study Group on a European Civil Code]]'' die ''Principles'' zum Ausgangspunkt für ihre weit über das Vertragsrecht hinausreichende und dezidiert auf eine Kodifikation des europäischen Vermögensrechts abzielende Arbeit gemacht. Das Europäische Parlament hatte schon in einer Entschließung von 1994 die weitere Unterstützung der „Lando-Kommission“ als Schritt auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Privatrechtsgesetzbuch gefordert (Dok.&nbsp;A3-0329/‌94). Und auch für den von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften ins Auge gefassten ''Common Frame of Reference'' ([[Common Frame of Reference|Gemeinsamer Referenzrahmen]]) sollen die ''Principles of European Contract Law'' eine zentrale Rolle spielen. Das ergibt sich unter anderem aus der Struktur von Anhang I, Kapitel III der Mitteilung der Kommission vom 11.10.2004 (KOM (2004) 651 endg.), die auf den ''Principles'' beruht.


Die ersten sektorspezifischen Regelungen gehen auf die RL&nbsp;87/‌102 über die Angleichung der mitgliedstaatlichen Verbraucherkreditrechte zurück (in der Fassung der RL&nbsp;90/‌88 und RL&nbsp;98/‌7; [[Verbraucherkreditrecht der Gemeinschaft]]; [[Verbraucherkredit (Regelungsgrundsätze)]]. Danach muss der Anbieter in den Vertragsunterlagen (Art.&nbsp;4, 6) sowie in der preisbezogenen Produktwerbung (Art.&nbsp;3) den effektiven Jahreszins unter Zugrundelegung einer einheitlichen und vergleichbaren Berechnungsmethode (Art. 1a) angeben. Die Vertragsdokumentation muss ferner Informationen über Tilgungsbeträge nebst Zahlungszeitpunkten und zu allen weiteren möglichen Kostenelementen enthalten (Art.&nbsp;4). Die Verbraucherkreditrichtlinie stellte seinerzeit insofern eine Innovation dar, als sie erstmals eine Preisangabenpflicht für ein Produkt einführte, welches nicht als physische Ware sondern als ein Rechtsprodukt zu qualifizieren ist. Mit Wirkung zum 12.5.2010 wird die Richtlinie vollständig durch eine reformierte Verbraucherkreditrichtlinie (RL&nbsp;2008/‌48) ersetzt, die umfangreiche vorvertragliche Informationspflichten mit entsprechenden preisangabenrechtlichen Implikationen enthält (Art.&nbsp;4,&nbsp;5; z.B. effektiver Jahreszins, Gesamtkreditbetrag, Tilgungsraten, Barzahlungspreis bei Finanzierungshilfen für Waren oder Dienstleistungen). In preisbezogenen Werbemaßnahmen müssen diese „Standardinformationen … in klarer, prägnanter und auffallender Art und Weise“ genannt werden (Art.&nbsp;4(2)). Im Zusammenhang mit der Preisauszeichnung von Finanzdienstleistungen lassen sich weitere umfassende Aufklärungsgebote anführen, wie etwa Art.&nbsp;3 der RL&nbsp;97/‌5 über grenzüberschreitende Überweisungen ([[Überweisungsverkehr (grenzüberschreitender)]]) oder Art. 3(1),&nbsp;(3) der RL&nbsp;2002/‌65 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen.
Von zentraler Bedeutung in der näheren Zukunft ist freilich auch ein weiterer Aspekt: die ''Principles'' als Inspirationsquelle für Gerichte, Gesetzgebung und Rechtswissenschaft bei der Fortbildung der nationalen Vertragsrechte. Denn auf absehbare Zeit werden wir es noch mit dem Nebeneinander von nationalen Privatrechtsordnungen in Europa zu tun haben. Viel wäre gewonnen, wenn diese sich Schritt für Schritt und gewissermaßen organisch assimilieren ließen. Die ''Principles of European Contract Law'' können in diesem Prozess eine Schlüsselrolle spielen. Denn sie bieten einen durch rechtsvergleichende Arbeit von Juristen aus allen EU-Mitgliedstaaten erarbeiteten Orientierungspunkt, an dem das nationale Recht gemessen werden und der für dessen Auslegung und Fortbildung richtungweisend sein kann. Leider sind die ''Principles'' in Deutschland noch nicht sehr weit in die allgemeine dogmatische Literatur zum BGB eingedrungen. Demgegenüber zitieren etwa niederländische Autoren auch dann, wenn sie lediglich eine Frage des niederländischen Vertragsrechts behandeln, fast schon routinemäßig die ''Principles''. Der deutsche Gesetzgeber hat die ''Principles'' in der Schlussphase der Schuldrechtsreform zur Kenntnis genommen und berücksichtigt; das neue Verjährungsrecht beruht in seinen Grundlinien auf dem von der „Lando-Kommission“ vorgeschlagenen Modell. Auch andere europäische Reformgesetzgeber haben die ''Principles'' in ihre Überlegungen einbezogen. Nationale Gerichte haben sich des in den ''Principles'' liegenden Potentials für eine harmonisierende Gesetzesauslegung demgegenüber erst in Einzelfällen zu bedienen begonnen.


Erweiterte preisbezogene Informationspflichten für Leistungen aller Art finden sich in Art.&nbsp;4(1) der allgemeinen Fernabsatzrichtlinie (RL&nbsp;97/‌5; [[Fernabsatzverträge]]). Danach muss der Verbraucher vor dem [[Vertragsschluss]] rechtzeitig und vollständig über den Preis der Ware oder der Dienstleistung einschließlich Steuern und etwaiger Lieferkosten informiert werden. Im Zusammenhang mit internetbasierten Angeboten hat zudem die E&#8209;Commerce-RL Einfluss auf das Preisangabenrecht. In deren Art.&nbsp;3(2) wird nämlich das viel diskutierte [[Herkunftslandprinzip]] niedergelegt. Dieses ist auch für das Preisordnungsrecht als einem durch RL&nbsp;98/‌6 koordinierten Bereich maßgeblich. Zugleich schreibt die E&#8209;Commerce-RL als Mindeststandard vor, dass – sofern Dienste auf Preise verweisen – diese „klar und unzweideutig“ unter Angabe von Steuern und Versandkosten auszuweisen sind. Für sog. Universaldienste legt Art.&nbsp;21 RL&nbsp;2002/‌22 darüber hinaus besondere Anforderungen an die [[Transparenz]] und die Zugänglichkeit von Tarifinformationen fest (zusätzlich ist in Art.&nbsp;9 eine Möglichkeit zur materiellen Preiskontrolle vorgesehen). Ein ähnliches besonderes Transparenzgebot wurde z.B. durch Art.&nbsp;3(3) RL&nbsp;2003/‌54 im Hinblick auf den europäischen Elektrizitätsmarkt eingeführt.
Im Übrigen hat die erfolgreiche Zusammenarbeit im Rahmen der „Lando-Kommission“ eine Reihe ähnlicher Initiativen in anderen Bereichen inspiriert. Zu nennen sind etwa die ''[[Principles of European Tort Law]]'', die ''Principles of European Trust Law'' ([[Trust und Treuhand|''Trust'' und Treuhand]]) und erste Versuche der Erarbeitung von ''[[Principles of European Family Law]]''.
 
Weitgehend unbeachtet vom preisrechtlichen Schrifttum statuiert nunmehr auch die Dienstleistungsrichtlinie (RL&nbsp;2006/‌123) eine für sämtliche Anbieter von Dienstleistungen geltende Pflicht, dem Abnehmer den Preis der Dienstleistung oder die maßgebliche Berechnungsgrundlage „klar und unzweideutig und rechtzeitig vor Abschluss des Vertrages“ mitzuteilen (Art.&nbsp;3). Hierdurch wird die Beschränkung der Preisangabenrichtlinie auf „Erzeugnisse“ teilweise aufgehoben, wobei die Dienstleistungsrichtlinie freilich keine Pflicht zur Angabe des Preises je Maßeinheit vorsieht (sofern ein solcher für die Dienstleistung überhaupt besteht).
 
Für die Frage der Zulässigkeit von Preiswerbung sind neben der Preisangabenrichtlinie vor allem die lauterkeitsrechtlichen Richtlinien von wesentlicher Bedeutung. Danach ist nämlich die bewusste Fehlinformation über den Preis oder dessen Preisberechnung wettbewerbsrechtlich unzulässig (Art.&nbsp;6(1)(c) RL&nbsp;2005/‌29 über unlautere Geschäftspraktiken; Art.&nbsp;3(c) RL&nbsp;2006/‌114 über irreführende und vergleichende Werbung). Als unlauter werden ferner solche Werbemaßnahmen qualifiziert, die es versäumen, den Verkaufspreis und den Preis je Maßeinheit korrekt im Sinne der Preisangabenrichtlinie anzugeben (Art.&nbsp;7(4)(c), (5), Anh.&nbsp;II RL&nbsp;2005/‌29; Art.&nbsp;3(b) RL&nbsp;2006/‌114). Auf diese Weise erstreckt sich der Sanktionenkanon des Lauterkeitsrechts auch auf bestimmte Verstöße gegen preisangabenrechtliche Normen ([[Unlauterer Wettbewerb (Rechtsfolgen)]]). Spezielle Anforderungen an die Produktpräsentation enthalten schließlich die Richtlinien über [[Werbung für Humanarzneimittel]] und über [[Werbung für Tabakprodukte]].
 
== 5. Reform des Verbraucher-Acquis ==
Derzeit unterzieht der europäische Gesetzgeber den ''Acquis'' im Verbraucherschutzrecht einer eingehenden Überprüfung (Grünbuch, ABl.&nbsp;2007 C&nbsp;61/‌1). Hierzu hat die Kommission zwei eingehende rechtsvergleichende Untersuchungen in Auftrag gegeben, in deren Rahmen auch die RL&nbsp;98/‌6 nebst Implementation begutachtet wurde (KOM(2006)&nbsp;325&nbsp;endg.). Im Ergebnis wurde die Preisangabenrichtlinie weitgehend für angemessen und deren Umsetzung für überwiegend gelungen befunden, obgleich die bereits genannten Harmonisierungsdefizite identifiziert worden sind. Im Rahmen der folgenden Konsultationsphase ist bisher noch keine Lösung für die gewünschte Angleichung der Ausnahmetatbestände gefunden worden. Daher wurden die Mitgliedstaaten vom europäischen Gesetzgeber mit Blick auf Art.&nbsp;6 der Preisangabenrichtlinie lediglich informell im Wege einer interessanten Regelungstechnik zur Prüfung aufgerufen, „ob sie die Richtlinie&nbsp;98/‌6/‌EG freiwillig in Bezug auf bestimmte kleine Einzelhandelsgeschäfte durchführen wollen“. Bemerkenswerterweise wurde dieser Hinweis auf die innerstaatliche Umsetzung der Preisangabenrichtlinie in den 4.&nbsp;Erwägungsgrund der eigentlich sachfremden RL&nbsp;2007/‌45 über Nennfüllmengen für Erzeugnisse in Fertigpackungen aufgenommen. Im Übrigen wurde die Reform der Preisangabenrichtlinie bis auf Weiteres von der Überprüfung des übrigen Verbraucher-''Acquis'' abgekoppelt, weil es sich beim Preisordnungsrecht in erster Linie um eine Frage der öffentlich-rechtlichen Marktregulierung handele, während das Verbraucherschutzrecht im engeren Sinne originäres Vertragsrecht betreffe.
 
Trotzdem haben die Reformbestrebungen des Verbrauchervertragsrechts eine wesentliche preisangabenrechtliche Bedeutung, was insbesondere auf den Vorschlag für eine allgemeine Richtlinie über Rechte der Verbraucher zutrifft (KOM(2008)&nbsp;614&nbsp;endg.). Dessen Ziel ist es, die einzelnen Regelungswerke zu [[Fernabsatzverträge]]n, [[Haustürgeschäfte]]n, zum [[Verbrauchsgüterkauf]] und zu [[Allgemeine Geschäftsbedingungen|[Allgemeinen Geschäftsbedingungen]] in Verbraucherverträgen in einem einheitlichen aktualisierten Instrument zu bündeln. Der Entwurf enthält in Art.&nbsp;5(1) eine an Art.&nbsp;4(1)&nbsp;RL&nbsp;97/‌7 angelehnte umfassende Informationspflicht. Danach haben Gewerbetreibende vor dem Abschluss eines Kauf- oder Dienstleistungsvertrags Verbrauchern u.a. den „Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben“ sowie ggf. aller „zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Zustellkosten“ mitzuteilen. Bemerkenswert ist, dass Art.&nbsp;6(1) eine originär vertragsrechtliche Sanktion für einen Verstoß gegen die Informationspflicht über potentielle Zusatzkosten vorsieht, nämlich den Ausschluss einer diesbezüglichen Zahlungspflicht. Die Rechtsfolgen für Verstöße gegen die übrigen Informationspflichten des Art.&nbsp;5(1) richten sich nach dem mitgliedstaatlichen Recht, welches „wirksame vertragsrechtliche Rechtsbehelfe“ bereitzustellen hat (Art.&nbsp;6(2)).


==Literatur==
==Literatur==
''Stefan Völker'', Preisangabenrecht, 2.&nbsp;Aufl. 2002; ''Norbert Reich'', ''Hans-Wolfgang Micklitz'', Europäisches Verbraucherrecht, 4.&nbsp;Aufl. 2003; ''Jacqueline Snijders'', ''Micha van Lin'', ''Jolanda Hessels'', Appraisal of Directive 98/‌6/‌EC on Consumer Protection in the Indication of Unit Prices of Products offered to Consumers, EIM Business & Policy Research, 2004;'' Geraint G. Howells'', ''Stephen Weatherill'', Consumer Protection Law, 2.&nbsp;Aufl. 2005, 417&nbsp;ff.;'' Georg Wenglorz'', Preisangabenrecht, in: Karl-Heinz Fezer (Hg.), Lauterkeitsrecht, Kommentar zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Bd.&nbsp;1, 2005, 1733&nbsp;ff. (§&nbsp;4&#8209;S14 Rn.&nbsp;1&nbsp;ff); ''Wolfgang Micklitz'', Preiswerbung, Werbung mit verkaufsfördernden Maßnahmen und Qualitätswerbung, in: Peter W. Herrmann, Günter Hirsch (Hg.), Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, Bd.&nbsp;1, 2006, 887&nbsp;ff. (EG&nbsp;G Rn.&nbsp;1&nbsp;ff.); ''Hans Schulte-Nölke'', Verbraucherpolitische Aspekte des deutschen Preissystems, 2007;'' Hans Schulte-Nölke'', ''Leonie Meyer-Schwickerath'', Price Indication Directive (98/‌6), in: Hans Schulte-Nölke, Christian Twigg-Flesner, Martin Ebers (Hg.), EC Consumer Law Compendium, The Consumer Acquis and its transposition in the Member States, 2008, 364&nbsp;ff.; ''Marco B.M. Loos'', Review of the European Consumer Acquis, Centre for the Study of European Contract Law Working Paper Series No. 2008/‌03, 32&nbsp;ff.; ''Bernhard Koch'', Informations-, Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten bei der Kreditvergabe nach der neuen Richtlinie 2008/‌48/‌EG vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge, Österreichisches BankArchiv 2009, 98&nbsp;ff.
''Jürgen Basedow'' (Hg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000; ''Martin Hesselink'', ''G.J.P. de Vries'', Principles of European Contract Law, 2001; ''Friedrich Blase'', Die Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts als Recht grenzüberschreitender Verträge, 2001; Principi di diritto europeo: spunti dall' edizione italiana, Europa e diritto privato 2002, Heft 4 (Sonderheft, 847&nbsp;ff); ''Danny Busch'', ''Ewoud H. Hondius'', ''Hugo van Kooten'', ''Harriët Schelhaas'', ''Wendy Schrama'', The Principles of European Contract Law and Dutch Law, 2002, sowie The Principles of European Contract Law (Part III) and Dutch Law, 2006; ''Arthur Hartkamp'', Principles of Contract Law, in: Arthur Hartkamp, Martijn Hesselink, Ewoud Hondius, Carla Joustra, Edgar du Perron, Muriel Veldman (Hg.), Towards a European Civil Code, 3. Aufl. 2004, 125&nbsp;ff.; ''Antoni Vaquer Aloy'' (Hg.), La Tercera Parte de los Principios de Derecho contractual europeo, 2005; ''Hector MacQueen'', ''Reinhard Zimmermann'' (Hg.), European Contract Law, 2006; ''Roy Goode'', ''Herbert Kronke'', ''Ewan McKendrick'', Transnational Commercial Law: Text, Cases, and Materials, 2007, Kap.&nbsp;14; ''Association Henri Capitant des Amis de la Culture Juridique Française'','' Société de Législation Comparée'', Principes contractuels communs, 2008.


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Version vom 28. September 2021, 18:35 Uhr

von Reinhard Zimmermann

1. Warum Vertragsrecht?

Die Principles of European Contract Law (Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts) sind, als akademisches Projekt, ein Pionierwerk europäischer Privatrechtsvereinheitlichung. Sie befassen sich mit einer Materie, die von vornherein einen internationaleren Zuschnitt hat als, beispielsweise, das Recht der unerlaubten Handlungen, das Sachenrecht oder das Familienrecht. Das moderne Vertragsrecht in Europa beruht auf denselben historischen und philosophischen Grundlagen, und der hypothetische Wille vernünftiger Vertragsparteien war gewöhnlich der Ausgangspunkt für die Entwicklung seiner Doktrinen. Der Vorrat grundlegender Begriffe und Wertungen ist durch Entwicklungen im Zeitalter des juristischen Nationalismus nicht nachhaltig in Frage gestellt worden, und es hat immer wieder den grenzüberschreitenden Austausch von Ideen und Regelungsansätzen gegeben. Heute, im Zeichen der Europäischen Union, bildet der europäische Binnenmarkt den stärksten Motor der Rechtsvereinheitlichung, und es ist offenkundig, dass das Vertragsrecht dazu den stärksten Bezug hat. Es lag damit nahe, das allgemeine Vertragsrecht zum Gegenstand des ersten Versuchs zu machen, einen gemeineuropäischen, regelförmigen Referenztext zu erarbeiten.

2. Die Entstehung der Principles

Die Principles of European Contract Law sind von einer „Commission on European Contract Law“ erarbeitet worden, einem auf Initiative von Professor Ole Lando aus Kopenhagen (daher häufig auch: „Lando-Kommission“ und „Lando Principles“) etablierten Gremium. Obwohl zeitweise von der Europäischen Kommission finanziert, blieb die Arbeit der „Lando-Kommission“ von Anfang bis Ende ein privates wissenschaftliches Unternehmen, das auf der Zusammenarbeit von Juristen (ganz überwiegend Hochschullehrern) aus allen Mitgliedstaaten der EU beruhte. Mit der EU wuchs auch die „Lando-Kommission“: zuletzt hatte sie 23 Mitglieder, davon drei aus Deutschland, sowie je zwei aus Frankreich, Italien, England, Schottland und den Niederlanden. Entstanden sind die Principles in drei Teilen. Der erste befasst sich im Wesentlichen mit den Modalitäten der Leistungserbringung, mit der Nichterfüllung und den Rechtsbehelfen im Fall der Nichterfüllung, sowie mit einer Reihe von allgemeinen Fragen (Anwendung, Abdingbarkeit, Begriffsbestimmungen, allgemeine Verhaltenspflichten im Rechtsverkehr, etc.). Er entstand in den Jahren 1982–1995 und umfasst 59 Artikel. Teil II entstand in der Zeit von 1992 bis 1999; verteilt auf 73 Artikel sind das Recht des Vertragsschlusses, die Vollmacht von Vertretern, die Gültigkeit von Verträgen (einschließlich Willensmängel, aber ohne Verbots- und Sittenwidrigkeit), die Auslegung von Verträgen sowie Inhalte und Wirkungen (einschließlich des Vertrages zugunsten Dritter) geregelt. Publiziert worden ist dieser zweite Teil nicht separat, sondern im Rahmen einer konsolidierten und überarbeiteten Gesamtversion der Teile I und II. Der dritte Teil umfasst 69 Artikel; er entstand zwischen 1997 und 2002 und behandelt die Themen Mehrheit von Parteien (Schuldnermehrheit und Gläubigermehrheit), Abtretung, Schuldübernahme und Vertragsübernahme, Aufrechnung, Verjährung, Rechtswidrigkeit, Bedingungen und Kapitalisierung von Zinsen. Anders als Teil II ist Teil III nicht von vornherein in das bereits bestehende Regelwerk integriert, sondern (zunächst) separat publiziert worden.

Die sich über einen so langen Zeitraum erstreckende Entstehung und die Aufspaltung der Arbeit in drei Teile machen sich in den Principles in mancherlei Hinsicht bemerkbar. So reicht die Grundkonzeption (Ausarbeitung von Grundregeln eines allgemeinen Vertragsrechts) auf die Zeit vor der Herausbildung eines verbrauchervertraglichen acquis communautaire zurück (Verbraucher und Verbraucherschutz). Dieser ist vielmehr bis zum Schluss weitgehend unberücksichtigt geblieben. Nicht bedacht wurde deshalb die schwierige Frage, inwieweit und gegebenenfalls in welcher Weise sich die verbraucherschützenden Regeln des Richtlinienrechts in die Principles integrieren lassen. In einem anderen Punkt ist die Grundkonzeption demgegenüber im Laufe der Zeit erweitert worden. Denn während sich die ersten beiden Teile der Principles tatsächlich mit dem Vertragsrecht befassen, greifen zentrale Bereiche von Teil III darüber hinaus und beziehen sich ganz bewusst auf das Schuldrecht insgesamt. Sie bilden Kernbestandteile eines Allgemeinen Schuldrechts für Europa, lassen damit aber gleichzeitig die Bezeichnung der Grundregeln als Principles of EuropeanContractLaw als ungenau erscheinen. Eine gewisse konzeptionelle Verschiebung hat sich weiterhin offenbar auch im Hinblick auf die in den Principles enthaltenen Bestimmungen vollzogen. Ursprünglich scheint es den Mitgliedern der „Lando-Kommission“ nicht um die Vorbereitung eines unmittelbar anwendungsfähigen Systems konkreter Regeln gegangen zu sein; das ergibt sich nicht zuletzt aus der Bezeichnung des Werkes als „Principles of European Contract Law. Doch erreichen die in einer Reihe der späteren Kapitel enthaltenen Regelungen einen Grad an Spezifität, der den in den bestehenden nationalen Kodifikationen enthaltenen Vorschriften nicht nachsteht. Der Begriff „Principles“ verbirgt daher, dass es sich weithin um eine Art Modellgesetzbuch des europäischen Vertragsrechts handelt. Schließlich hat das schrittweise Vorgehen bei der Erstellung der Principles auch zu gewissen Abstimmungsdefiziten geführt. So enthalten alle drei Teile Regelungen über die Rückabwicklung gescheiterter Verträge. Dabei bezieht sich Art. 4:115 PECL auf Fälle, in denen ein Vertrag angefochten worden ist, Art. 9:305 ff. PECL betreffen die Aufhebung des Vertrages im Falle einer wesentlichen Nichterfüllung, und Art. 15:104 PECL regelt die Rückabwicklung bei Unwirksamkeit wegen Rechtswidrigkeit. Diese Verdreifachung der Regeln sowie die zwischen ihnen bestehenden Unterschiede lassen sich kaum rechtfertigen. Es handelt sich hier um einen von einer Reihe von Punkten, in denen die Grundregeln verbesserungsbedürftig sind.

3. Arbeitsweise

Die Principles of European Contract Law sind das Ergebnis internationaler und rechtsvergleichend inspirierter wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Zudem handelt es sich um ein echtes Gemeinschaftswerk. Zwar waren für die einzelnen Sachbereiche jeweils ein oder zwei „Berichterstatter“ zuständig, deren Aufgabe unter anderem darin bestand, Entwürfe für die Artikel und den Kommentar zu erarbeiten. Doch zum einen handelte es sich jeweils um verschiedene Personen. Zum anderen wurden die von den Berichterstattern erarbeiteten Entwürfe einem Vorbereitungsausschuss und der Gesamtkommission vorgelegt und von beiden Gremien Satz für Satz in mehreren Durchgängen beraten, verfeinert, kritisiert, zurücküberwiesen, schließlich in zwei Lesungen angenommen und dann noch einmal von einem Redaktionsausschuss überarbeitet. Alles in allem traf die Kommission sich zu 26 in der Regel einwöchigen Plenarsitzungen, der Vorbereitungsausschuss tagte jeweils einige Monate vor den Plenarsitzungen. Es gab ein ausgeprägtes Bemühen um die Herstellung eines Konsenses; in einer Reihe von Punkten wurde freilich, nach Austausch aller Argumente für und gegen eine bestimmte Lösung, abgestimmt. Im Übrigen haben sich die Verfasser der Principles bewusst darum bemüht, keiner nationalen Rechtsordnung Modellcharakter beizumessen. Der Ansatz war rechtsvergleichend. Es ging der Kommission in erster Linie darum, den gemeinsamen Kernbestand der Vertragsrechte aller Mitgliedstaaten herauszufiltern und auf dieser Grundlage ein funktionstüchtiges System zu schaffen. Im Hintergrund stand insoweit der Gedanke eines Restatement des europäischen Vertragsrechts. Doch war den Verfassern der Principles von vornherein klar, dass sie mit einer kreativeren Aufgabe konfrontiert waren als die Autoren der amerikanischen Restatements. Divergenzen waren aufgrund einer vergleichenden Bewertung der in den nationalen Rechtsordnungen gesammelten Erfahrungen, durch Beobachtung europäischer und internationaler Entwicklungstrends oder nach anderen möglichst rationalen Kriterien aufzulösen. Im übrigen hat in den Bereichen Leistungsstörungen und Vertragsschluss das UN-Kaufrecht (Internationaler Warenkauf (Einheitsrecht)), das seinerseits letztlich auf Ernst Rabels historisch und vergleichend angelegter Monographie zum Recht des Warenkaufs beruht, eine prägende Rolle gespielt: 52 von 132 Artikeln der ersten beiden Teile der Principles beruhen auf einem Vorbild in diesem bislang erfolgreichsten Dokument internationaler Privatrechtsvereinheitlichung.

4. Ein Restatement des europäischen Vertragsrechts

Auch in der Struktur der Publikation sind die Principles von den Restatements des US-amerikanischen Rechts inspiriert. Jeder Band enthält zum einen den Text der Artikel, auf den sich die Kommission geeinigt hat, zum anderen aber auch, Artikel für Artikel, einen Kommentar einschließlich Anwendungsbeispielen sowie rechtsvergleichende Anmerkungen, die vor allem über die jeweils einschlägigen Rechtsregeln der Mitgliedstaaten berichten, im übrigen aber auch andere Rechtsquellen, wie z.B. internationale Konventionen, berücksichtigen. Die Artikel sind gleichzeitig in einer englischen und französischen Fassung veröffentlicht worden, wenngleich ansonsten für die Zwecke der Originalpublikation die englische Sprache gewählt worden ist. Die Frage möglichst unproblematischer Übersetzbarkeit spielte schon während der Kommissionsarbeiten eine große Rolle; zudem wurde so verhindert, dass den Principles eine ausschließlich am englischen oder französischen Recht orientierte Begrifflichkeit zugrunde liegt.

In all diesen Punkten unterscheiden sich die Principles von einem konkurrierenden Projekt europäischer Vertragsrechtsvereinheitlichung: dem Code Européen des Contrats (Avant‑projet) („Gandolfi-Entwurf“). Dieser stammt im Wesentlichen aus einer Hand (nämlich der des „Koordinators“ Giuseppe Gandolfi); er orientiert sich vor allem am italienischen Codice civile und einem Ende der 1960er Jahre im Auftrag der englischen Law Commission erarbeiteten Contract Code; und er ist in französischer Sprache veröffentlicht worden.

Auf internationaler Ebene konkurrieren die Principles of European Contract Law mit den UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts. Beide Regelwerke sind in vielen Punkten miteinander vergleichbar. Insbesondere sind sie in ähnlicher Weise erarbeitet worden, sie verfolgen ähnliche Ziele, und sie sind in einem ganz ähnlichen Stil formuliert. Vergleichbar sind auch Aufbau und Struktur der Publikation. Beide Regelungsentwürfe sind etwa gleichzeitig entstanden, wobei zunächst UNIDROIT, dann die „Lando-Kommission“ einen gewissen Vorsprung hatte. Beide Gremien haben von der Arbeit der jeweils anderen Kenntnis genommen und haben in manchen Punkten Einfluss aufeinander ausgeübt.

Trotz der in zweifacher Hinsicht unterschiedlichen Zielsetzung (global/‌europäisch; internationale Handelsverträge/‌allgemeines Vertragsrecht) unterscheiden sich die Principles von UNIDROIT und der „Lando-Kommission“ nicht sehr stark voneinander; in manchen Bereichen sind sie weitgehend identisch.

5. Ziele und Perspektiven

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Principles of European Contract Law als moderne Manifestation einer genuin europäischen Tradition angesehen werden können, die sich durch ihre inhärente Flexibilität und Entwicklungsfähigkeit auszeichnet. Sie verlängern jahrhundertealte Entwicklungslinien in die Gegenwart und zwar auch dort, wo scheinbar unkonventionelle Lösungen gewählt worden sind (beispielsweise in den Punkten Wirkung der Aufrechnung; Wirksamkeit von einseitigen Versprechen; Undue influence). Welchen Beitrag können sie ihrerseits zu einer Europäisierung des Vertragsrechts leisten? Die Verfasser der Grundregeln selbst nennen eine Reihe von Zielen, die sie mit ihrer Arbeit verfolgen. Es geht ihnen darum, den grenzüberschreitenden Handel innerhalb Europas zu erleichtern, indem sie ein von den Besonderheiten der verschiedenen nationalen Rechtsordnungen losgelöstes Regelwerk zur Verfügung stellen, dem Parteien ihr Geschäft unterstellen können. Ferner sehen sie in den Grundregeln die moderne Formulierung einer lex mercatoria, auf die Schiedsgerichte zurückgreifen können, die einen Streitfall gemäß den „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ oder „international anerkannten Grundsätzen“ zu entscheiden haben. Dies sind unmittelbar praktische Ziele. Eine stärker perspektivische Orientierung bringen die Verfasser der Grundregeln zum Ausdruck, wenn sie in ihrem Regelwerk eine allgemeine begriffliche und systematische Grundlage für Maßnahmen der Harmonisierung des Vertragsrechts im Rahmen der EU sehen und wenn sie es als Schritt auf dem Wege zu einer Kodifikation des europäischen Vertragsrechts (Europäisches Zivilgesetzbuch) betrachten. In der Tat hat denn auch die von einem Mitglied der „Lando-Kommission“ gegründete Study Group on a European Civil Code die Principles zum Ausgangspunkt für ihre weit über das Vertragsrecht hinausreichende und dezidiert auf eine Kodifikation des europäischen Vermögensrechts abzielende Arbeit gemacht. Das Europäische Parlament hatte schon in einer Entschließung von 1994 die weitere Unterstützung der „Lando-Kommission“ als Schritt auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Privatrechtsgesetzbuch gefordert (Dok. A3-0329/‌94). Und auch für den von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften ins Auge gefassten Common Frame of Reference (Gemeinsamer Referenzrahmen) sollen die Principles of European Contract Law eine zentrale Rolle spielen. Das ergibt sich unter anderem aus der Struktur von Anhang I, Kapitel III der Mitteilung der Kommission vom 11.10.2004 (KOM (2004) 651 endg.), die auf den Principles beruht.

Von zentraler Bedeutung in der näheren Zukunft ist freilich auch ein weiterer Aspekt: die Principles als Inspirationsquelle für Gerichte, Gesetzgebung und Rechtswissenschaft bei der Fortbildung der nationalen Vertragsrechte. Denn auf absehbare Zeit werden wir es noch mit dem Nebeneinander von nationalen Privatrechtsordnungen in Europa zu tun haben. Viel wäre gewonnen, wenn diese sich Schritt für Schritt und gewissermaßen organisch assimilieren ließen. Die Principles of European Contract Law können in diesem Prozess eine Schlüsselrolle spielen. Denn sie bieten einen durch rechtsvergleichende Arbeit von Juristen aus allen EU-Mitgliedstaaten erarbeiteten Orientierungspunkt, an dem das nationale Recht gemessen werden und der für dessen Auslegung und Fortbildung richtungweisend sein kann. Leider sind die Principles in Deutschland noch nicht sehr weit in die allgemeine dogmatische Literatur zum BGB eingedrungen. Demgegenüber zitieren etwa niederländische Autoren auch dann, wenn sie lediglich eine Frage des niederländischen Vertragsrechts behandeln, fast schon routinemäßig die Principles. Der deutsche Gesetzgeber hat die Principles in der Schlussphase der Schuldrechtsreform zur Kenntnis genommen und berücksichtigt; das neue Verjährungsrecht beruht in seinen Grundlinien auf dem von der „Lando-Kommission“ vorgeschlagenen Modell. Auch andere europäische Reformgesetzgeber haben die Principles in ihre Überlegungen einbezogen. Nationale Gerichte haben sich des in den Principles liegenden Potentials für eine harmonisierende Gesetzesauslegung demgegenüber erst in Einzelfällen zu bedienen begonnen.

Im Übrigen hat die erfolgreiche Zusammenarbeit im Rahmen der „Lando-Kommission“ eine Reihe ähnlicher Initiativen in anderen Bereichen inspiriert. Zu nennen sind etwa die Principles of European Tort Law, die Principles of European Trust Law (Trust und Treuhand) und erste Versuche der Erarbeitung von Principles of European Family Law.

Literatur

Jürgen Basedow (Hg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000; Martin Hesselink, G.J.P. de Vries, Principles of European Contract Law, 2001; Friedrich Blase, Die Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts als Recht grenzüberschreitender Verträge, 2001; Principi di diritto europeo: spunti dall' edizione italiana, Europa e diritto privato 2002, Heft 4 (Sonderheft, 847 ff); Danny Busch, Ewoud H. Hondius, Hugo van Kooten, Harriët Schelhaas, Wendy Schrama, The Principles of European Contract Law and Dutch Law, 2002, sowie The Principles of European Contract Law (Part III) and Dutch Law, 2006; Arthur Hartkamp, Principles of Contract Law, in: Arthur Hartkamp, Martijn Hesselink, Ewoud Hondius, Carla Joustra, Edgar du Perron, Muriel Veldman (Hg.), Towards a European Civil Code, 3. Aufl. 2004, 125 ff.; Antoni Vaquer Aloy (Hg.), La Tercera Parte de los Principios de Derecho contractual europeo, 2005; Hector MacQueen, Reinhard Zimmermann (Hg.), European Contract Law, 2006; Roy Goode, Herbert Kronke, Ewan McKendrick, Transnational Commercial Law: Text, Cases, and Materials, 2007, Kap. 14; Association Henri Capitant des Amis de la Culture Juridique Française, Société de Législation Comparée, Principes contractuels communs, 2008.