Konzernrecht und Kulturgüter: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Gegenstand und Zweck ==
== 1. Begriff ==
Das Konzernrecht regelt die schutz- und organisationsrechtlichen sowie hier insbesondere die gesellschaftsrechtlichen Aspekte aller Formen von Unternehmensverbindungen. Als Teildisziplin des Gesellschaftsrechts berührt es eine große Bandbreite wirtschaftsrelevanter Rechtsgebiete, wie z.B. das Steuerrecht, das bilanz- und abschlussprüfungsbezogene Konzernrecht, das [[Kartellrecht]] und das [[Übernahmerecht]] sowie das [[Insolvenz der Kapitalgesellschaft|Insolvenzrecht der Kapitalgesellschaften]]. Sein Regelungsgegenstand sind Unternehmensverbindungen, die sich in der Regel aus mehreren selbständigen Gliedern als Tochtergesellschaften zusammensetzen und unter der einheitlichen Leitung eines herrschenden Unternehmens zusammengefasst werden. Als Kriterium für eine Unternehmensverbindung werden insbesondere für den typischen Fall des Unterordnungskonzerns der Kontrollbegriff oder der beherrschende Einfluss eines Unternehmens in Bezug auf ein anderes abhängiges Unternehmen herangezogen. Betriebswirtschaftlich liegen der Konzernorganisation meist das Bemühen um erhöhte organisatorische Flexibilität, Rationalisierung, Synergieeffekte und steuerliche Vorteile zugrunde. Sobald ein Unternehmen der einheitlichen Leitung eines anderen Unternehmens unterstellt wird, wird auch die Zweckverfolgung dieses abhängigen Unternehmens dem herrschenden Unternehmen anheimgestellt. Den hieraus folgenden Gefahren für die Minderheitsgesellschafter und die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft soll mit Hilfe des Konzernrechts Rechnung getragen werden.
Der Begriff „Kulturgut“ mit seinen Entsprechungen in anderen Sprachen (kulturgode, cultural objects oder property, kulturföremål, bien culturel, πολιτιστικόν αγαθόν, bene oder patrimonio culturale, cultuurgoed, dobro kultury, bem oder património cultural, культурное постояние, kulturminne oder kulturföremål, biene oder patrimonio cultural, kültür varlık, kulturális tárgy) ist erst in neuerer Zeit geläufig und Allgemeingut geworden. Er kam in keiner Ursprungsfassung eines europäischen Zivilgesetzbuches vor, tauchte vielmehr erst dann auf, als man begann, nationale Kulturgüter vor der Abwanderung ins Ausland zu schützen. Selbst in Italien, wo der moderne Schutz von Kulturgütern mit den Editti Doria Pamphilj und Pacca von 1802/‌1820 begann, sprach man zunächst von „opere dell’Antichità“ (1802) oder von „cose d’antichità e d’arte“ (Gesetz von 1913) oder „cose di interesse storico e artistico“ (Gesetz von 1939).  


Ungeachtet dieser Regelungserfordernisse nimmt sich der historische Hintergrund dieses Rechtsgebiets eher mager aus. Da in Deutschland die Konzentration durch die grundsätzlich erlaubte Kartellierung gefördert wurde, herrschte zwar schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg die Meinung vor, dass eine diesbezügliche Reform und Regelung nötig sei. Gleichwohl sieht erst das Aktiengesetz von 1965 konzernspezifische, allerdings nur fragmentarische Regeln vor, nachdem das Aktiengesetz von 1937 sich auf Vorschriften zu Unternehmensverträgen beschränkt hatte. Ungeachtet bemerkenswerter Fortentwicklungen in der deutschen Rechtsprechung und Lehre im Laufe der Jahrzehnte fehlt im übrigen europäischen Ausland und auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene ein kodifiziertes oder gar harmonisiertes Konzernrecht. Eine Ausnahme bilden lediglich Portugal, das sich 1986 zu einer gesetzlichen Regelung entschloss, sowie Teilkodifikationen in Slowenien, Tschechien und Ungarn. Auf europäischer Ebene zielte man zunächst ohne Erfolg auf eine Vollharmonisierung ab. So sah das ursprüngliche Statut für eine Europäische Aktiengesellschaft gläubiger- und minderheitenschützende Vorschriften vor. Darüber hinaus schlug die [[Europäische Kommission]] in zwei Entwürfen von Richtlinienvorschlägen ([[Richtlinie]]), dem Vorentwurf einer Konzernrechts-RL I. Teil von 1974, II. Teil von 1975 und dem Vorentwurf der Neunten Richtlinie von 1984 (Konzernrechts-RL), jeweils eine Normierung des Konzernrechts vor.
Die erste deutsche Regelung von 1919 verbietet die Ausfuhr von „Kunstwerken“, um einen wesentlichen Verlust für den nationalen „Kunstbesitz“ zu verhindern. Erst seit 1954 scheint sich im Anschluss an die Begriffsbildung im Völkerrecht der Begriff „Kulturgut“ durchgesetzt zu haben. Denn das Haager Übereinkommen vom 14.5.1954 über den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten benutzt als erstes offizielles Dokument des Völkerrechts diesen Begriff. Das UNESCO-Übereinkommen vom 14.11. 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut übernahm diesen Begriff ebenso wie das UNIDROIT-Übereinkommen vom 24.6.1995 über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter ([[UNIDROIT]]). Auch die [[Europäische Union]] bedient sich des Begriffs „Kulturgut“ (''cultural good'' bzw. ''cultural object'', ''bien culturel''), und zwar in der VO 3911/‌92 vom 9.12.1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern und in der RL 93/‌7 vom 15.3.1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern. In neueren Staatsverträgen wird dagegen der Begriff „Kulturerbe“ (''cultural heritage'', ''patrimoine culturel'', ''patrimonio culturale'', ''patrimonio cultural'') benutzt. Das begann mit dem UNESCO-Übereinkommen vom 21.11.1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt. Hier werden im Wesentlichen unbewegliche Sachen geschützt, für die der Begriff „Kulturerbe“ besser passt als „cultural property“ oder „bien culturel“. Dieser Begriff „Kulturerbe“ wird später übernommen, und zwar vom UNESCO-Übereinkommen vom 2.11.2001 über den Schutz des Kulturerbes unter Wasser und vom UNESCO-Übereinkommen vom 17.10.2003 über die Bewahrung des immateriellen Kulturerbes. In manchen Sprachen wird damit der Irrtum vermieden, bei Kulturgut müsse es sich immer um körperliche Sachen handeln.  


== 2. Rechtsentwicklung ==
Was ein Kulturgut ist und was zum Kulturerbe gehört, sagen die jeweiligen gesetzlichen oder staatsvertraglichen Regelungen selbst. Deshalb erübrigt es sich, eine einheitliche und überall anerkannte Begriffsbestimmung zu versuchen. Ein solcher Versuch wäre im Übrigen vergeblich.  
Auch ohne ein kodifiziertes Konzernrecht bedürfen die im Rahmen einer Konzernierung auftretenden Interessenkonflikte einer rechtlichen Regelung. Insbesondere in Großbritannien werden Konzernkonflikte durchgängig mit den herkömmlichen Instrumenten des Zivil- und Gesellschaftsrechts bewältigt. Auch in den übrigen Mitgliedstaaten ist das Konzernrecht auf eingrenzbare gesellschaftsrechtliche Sachverhalte beschränkt. Betroffen sind insbesondere die Konzernbildung, die übernahmerechtlich geregelt und auf diese Weise dem erforderlichen Minderheitenschutz zugeführt wird, und die generelle Konzernproblematik ganz überwiegend unter Rückgriff auf das allgemeine Instrumentarium des Zivil- und Gesellschaftsrechts gewährleistet werden soll. Erst in jüngerer Zeit wurden im Zuge der Reform des Gesellschaftsrechts in Italien 2003 in Art. 2497–2497-sexies ''Codice civile'' konzernspezifische Regeln eingeführt, die neben erhöhter Transparenz Barabfindungsrechte der ausscheidenden Minderheitsgesellschafter (Art. 2497-quater'' Codice civile'') sowie eine Haftung der Konzernobergesellschaft für die Verletzung der Grundsätze richtiger gesellschaftsrechtlicher und unternehmerischer Leitung (Art. 2497 ''Codice civile'') vorsehen.


Auf gesamteuropäischer Ebene blieb der Versuch, auf der Grundlage einer gleich zweifachen Harmonisierung ein europäisches Konzernrecht zu verwirklichen, erfolglos. So haben die konzernrechtlichen Regeln für die [[Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea)|Europäische Aktiengesellschaft (''Societas Europaea'')]] nicht ihren Weg in den Verordnungsvorschlag von 1989 gefunden. Auch die breiter auf das gesamte Recht der verbundenen Unternehmen ausgerichtete, bereits oben erwähnte Neunte Richtlinie von 1984/‌85 (Konzernrechts-RL) blieb auf der Strecke. Stattdessen widmete sich die Diskussion im ''Forum Europaeum Konzernrecht'', einer europäisch zusammengesetzten privaten Forschergruppe, in der Folge in ihren Überlegungen der Regelung einzelner konzernspezifischer Interessenkonflikte, ohne dass sich hier das deutsche Modell als maßgeblich erwies. Dies zeigt sich an der kapitalmarktrechtlichen Prägung einzelner vorgeschlagener Regelungselemente wie insbesondere der des Pflichtangebots und der Austrittsrechte (''appraisal rights''), die ihren Ursprung im britischen, stärker am Kapitalmarkt ausgerichteten Recht haben. Diese Gedanken haben zum Teil im Anschluss an Überlegungen der ''High Level Group of Company Law Experts'' Eingang in den Aktionsplan von 2003 gefunden und sind europäisches Recht geworden. Ungeachtet dieser Entwicklung zeichnet sich ein Bedeutungsrückgang einer gesamteuropäischen Konzernrechtsharmonisierung ab, was sich mit dem zunehmenden [[Wettbewerb der Rechtsordnungen]] in Anbetracht der EuGH-Rechtsprechung (EuGH Rs.&nbsp;C-212/‌97 – ''Centros'', Slg. 1999, I-1459''<nowiki>;</nowiki>'' EuGH Rs.&nbsp;C-208/‌00 – ''Überseering'', Slg. 2002, I-9919''<nowiki>; </nowiki>''EuGH Rs.&nbsp;C-167/‌01 – ''Inspire Art'', Slg. 2003, I-10155), mit Systemunterschieden oder Konvergenzen des Gesellschaftsrechts begründen lässt. An die Stelle einer Harmonisierung ist in Ansätzen die Herausbildung eines Konzernrechts in der Rechtsprechung des [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] getreten. Letzterer hat in seinen Judikaten zur grenzüberschreitenden [[Umwandlung/‌Spaltung/‌‌Verschmelzung|Umwandlung]] (EuGH Rs.&nbsp;C-411/‌03 – ''SEVIC'', Slg. 2005, I-10805), zu den Goldenen Aktien in Bezug auf Konzerne mit staatlicher Beteiligung oder solchen unter besonderem staatlichen Einfluss (in Bezug auf Deutschland EuGH Rs.&nbsp;C-112/‌05 – ''Volkswagen-Gesetz'','' ''Slg. 2007, I-8995) sowie denjenigen zur Konzernbesteuerung (erste Leitentscheidung in EuGH Rs.&nbsp;C-446/‌03 – ''Marks & Spencer'', Slg. 2005, I-10837) auf der Grundlage der Grundfreiheiten wichtige Voraussetzungen für ein ''level playing field'' im [[Europäischer Binnenmarkt|europäischen Binnenmarkt]] präzisiert. Wie in der neueren ''Cartesio-''Entscheidung des EuGH (16.12.2008, Rs.&nbsp;210/‌06, NJW 2009, 569) deutlich geworden ist, fehlt es jedoch noch an einer für die Unternehmensumstrukturierung und &#8209;mobilität wichtigen Regelung der Sitzverlegung. Für die Verwirklichung des Plans der Kommission, die Freiheit der Sitzverlegung als Baustein eines europäischen Konzernrechts herzustellen, müssten die bisher nur als Vorentwurf vorliegenden Arbeiten für eine Vierzehnte Richtlinie über die Sitzverlegung vom 20.4.1997 weiterverfolgt werden. Dessen ungeachtet hat der EuGH mit den genannten Leitentscheidungen maßgebliche Eckdaten für ein europäisches Konzernrecht vorgegeben, das durch eine Kernbereichsharmonisierung und im Übrigen durch einen Wettbewerb zwischen den mitgliedstaatlichen Gesetzgebern gekennzeichnet ist. Insbesondere der Letztgenannte wird in seiner Bedeutung eher zunehmen, wenn im europäischen [[Gesellschaftsrecht]] die Bemühungen der Europäischen Kommission um Subsidiarität und Deregulierung als Leitprinzipien des europäischen Gesellschaftsrechts weiterhin Geltung beanspruchen.
== 2. Bedeutung im nationalen Recht ==
Im nationalen Recht spielt das Kulturgut vor allem in viererlei Hinsicht eine Rolle, nämlich im Recht des Denkmalschutzes, beim Schutz von eigenen Kulturgütern vor Abwanderung ins Ausland, bei der Rückgabe unrechtmäßig verbrachter fremder Kulturgüter und beim Schutz von Leihgaben aus dem Ausland vor inländischen Prozessen und Beschlagnahmen.  


== 3. Regelungsstrukturen ==
a)&nbsp;Das Recht des ''Denkmalschutzes'' (''law of ancient monuments'', ''protection des monuments'', ''tutela dei monumenti'') ist in erster Linie öffentliches Recht, und zwar besonderes Verwaltungsrecht mit gewissen Rückwirkungen auf das Privatrecht. So schränkt der Denkmalschutz die Freiheit eines Eigentümers ein, mit seinem unter Denkmalschutz stehenden Objekt nach Belieben zu verfahren. In Gesetzen zum Denkmalschutz finden sich manchmal außerdem Vorschriften über das Schatzregal, wonach Kulturgüter von wissenschaftlichem Wert, die bei Ausgrabungen gefunden werden, Staatseigentum sind.  
=== a) Konzernkonflikte ===
Mit der zuletzt genannten Entwicklungslinie scheint zugleich der wichtigste Ausgangspunkt für die Regelungsstrukturen im europäischen Konzernrecht auf, das entscheidend durch eine weitgehende Heranziehung der mitgliedstaatlichen Vorschriften gekennzeichnet ist. Auch ohne Konzernrecht werden in allen Mitgliedstaaten spezifische Konzernkonflikte mit Hilfe gesellschafts- und kapitalrechtlicher Normen gelöst. Deutlich wird dies bereits bei der Konzernbildung, bei der es in allen Mitgliedstaaten außer in Deutschland entscheidend auf die Ausübung von Kontrolle ankommt und damit ein unmittelbarer Bezug zur Stimmenmehrheit hergestellt wird. Die Regelungsalternative in Deutschland hingegen erklärt den beherrschenden Einfluss für maßgeblich, der gesellschaftsrechtlich vermittelt sein muss, aber sich möglicherweise erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände wie einer regelmäßig niedrigen Hauptversammlungspräsenz zu einem herrschenden Einfluss verdichtet. Dieser Unterschied setzt sich hinsichtlich des Konzernbildungsprozesses fort, für den das deutsche Aktienkonzernrecht in §&nbsp;291 AktG den in den meisten übrigen Mitgliedstaaten unbekannten organisationsrechtlichen Beherrschungsvertrag zusätzlich zum bloßen Mehrheitserwerb als Handlungsform und Bestimmungsfaktor der Konzernverfassung im deutschen Recht vorsieht. Der Beherrschungsvertrag rechtfertigt die Nachteilszufügung durch die herrschende Gesellschaft.


Mangels Beherrschungsvertrags wird es der Obergesellschaft in den übrigen Mitgliedstaaten, wie auch im deutschen Recht des faktischen Konzerns, untersagt, eine Verletzung der Interessen der abhängigen Gesellschaft anzuregen oder gar hierzu anzuweisen. Ungeachtet dieser Verpflichtung der Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft zur Wahrung der Interessen ihrer Gesellschaft lässt sich die Erforderlichkeit einer Ausrichtung an den Konzerninteressen im Rahmen der Geschäftsführung nicht gänzlich von der Hand weisen. Trotz einer langwährenden Ablehnung des möglichen Vorrangs des Konzerninteresses im deutschen Konzernrecht hat mittlerweile auch in der europäischen Diskussion im Hinblick auf die zweite Stufe des Aktionsplans der Europäischen Kommission vom 21.5.2003 eine Führung und Überwachung der Tochtergesellschaft im Konzerninteresse an Bedeutung gewonnen. Dies stützt sich auf Vorschläge des ''Forum Europaeum'' für eine Berücksichtigung von Konzerninteressen, die sich an die ''Rozenblum-''Doktrin des französischen Rechts nach einer gleichnamigen Entscheidung der französischen ''Cour de Cassation'' (Cass. crim. 4.2.1985, Revue Sociale 1985, 648) anlehnen. Voraussetzung hiernach ist für einen Vorrang des Konzerninteresses die Verfestigung der Unternehmensgruppe, die Verfolgung einer kohärenten Unternehmenspolitik sowie die Ausgewogenheit von Vor- und Nachteilen innerhalb der Unternehmensgruppe.
b)&nbsp;Viele Staaten schützen ihre wichtigen ''nationalen Kulturgüter'' vor einer unkontrollierten Abwanderung ins Ausland. Sofern sie das tun (und nicht wie die USA einen solchen Schutz ablehnen), gibt es zwei Möglichkeiten. Man kann das Verbot der Abwanderung entweder zeitlich hinausschieben oder aber absolut anordnen. Das erste Modell kennt das Vereinigte Königreich. Wenn ein wertvolles nationales Kulturgut, das ins Ausland verkauft wurde, aber nach den ''Waverley criteria'' (''close connection with British history and national life'','' or outstanding aesthetic importance'','' or outstanding significance for the study of some particular branch of art'','' learning or history'') im Lande bleiben sollte, binnen einer festgesetzten Frist nicht für das Inland erworben wird, muss eine Ausfuhrgenehmigung erteilt werden.  


=== b) Konzernhaftung ===
Die meisten anderen Staaten haben das andere Modell gewählt, das sie aber sehr unterschiedlich ausgestaltet haben. Während z.B. Deutschland und die Schweiz nur die in eine spezielle Liste aufgenommenen Kulturgüter vor einer ungenehmigten Abwanderung ins Ausland schützen (vgl. das deutsche Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung i.d.F. vom 8.7.1999; Art.&nbsp;3 und 4 des schweiz. Kulturgütertransfergesetzes vom 20.6.2003), verbieten andere Staaten recht global die Ausfuhr jeden Kulturgutes, das – so z.B. Art.&nbsp;10&nbsp;ff. des ital. ''Codice dei beni culturali e del paesaggio'' vom 22.1.2004 – von „interesse artistico, storico, archeologico o etnoantropologico“ ist. Zusätzlich zu diesem Schutz werden Kulturgüter zu unveräußerlichen Sachen (''res extra commercium'', ''demanio pubblico'', ''domaine public'') erklärt, die weder veräußert werden können, noch durch Zeitablauf (Ersitzung oder Verjährung) verloren gehen können. Ob diese Sperre auch im Ausland wirkt, ist bisher verneint worden.  
Unmittelbar im Zusammenhang mit dem Nachteilsausgleich für eine Unternehmensleitung im Konzerninteresse zu Lasten der Tochtergesellschaft stellt sich auch die Frage nach der Konzernhaftung. Zu unterscheiden sind hierbei Modelle einer strikten Strukturhaftung, bei der die bloße Gesellschafterstruktur die Haftung auslöst, und Modelle einer Verhaltenshaftung, die für eine Haftung am Verhalten der Muttergesellschaft anknüpfen. Eine allgemeine Strukturhaftung, die letztlich einer organischen Konzernverfassung nahe steht, hat sich auf gesamteuropäischer Ebene nicht durchsetzen können. Stattdessen zeichnet sich das Konzernhaftungsrecht sowohl auf mitgliedstaatlicher als auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene durch Verhaltenselemente aus. Hier stellt sich die Haftung der Obergesellschaft als Korrelat der Verletzung insbesondere von Verhaltenspflichten der Geschäftsführung dar. Niederschlag gefunden hat der Verhaltensansatz bereits in Art.&nbsp;9 und 10 des Vorentwurfs einer Neunten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie von 1984 (Konzernrechts-RL). Besonders offensichtlich ist dieser Ansatz bei den Vorschlägen des ''Forum Europaeum'', der ''High Level Group'' sowie des Aktionsplans zu Geschäftsleiterpflichten in der Krise. Auch in diesem Punkt neigt die Diskussion nicht zu einem strukturorientierten allgemeinen Konzerndurchgriff, sondern befürwortet seit dem ''Forum Europaeum'' eine Anlehnung an die englischen Regeln des ''wrongful trading ''bzw. die französische und belgische ''action en comblement du passif'', die jeweils Merkmale einer Insolvenzverschleppungshaftung aufweisen. Für die Insolvenz wird dann die Frage der internationalen Zuständigkeit von besonderer Bedeutung, da sie das auf die [[Insolvenz, grenzüberschreitende|grenzüberschreitende Insolvenz]] anwendbare Recht präjudiziert (''lex fori concursus ''nach Art.&nbsp;4 EuInsVO, VO&nbsp;1346/‌2000).


Die weiteren Instrumente zum Schutz der außenstehenden Gesellschafter im Rahmen des Konzernierungsprozesses wie Auskaufsrechte der Konzernmutter (''squeeze-out'')'' ''sowie Austritts- (''sell-out)'' und Abfindungsrechte der Minderheitsgesellschafter (''appraisal rights'') bei Konzerneingang und &#8209;ausgang haben mittlerweile in den Mitgliedstaaten aufgrund der Übernahme-RL (RL&nbsp;2004/‌25, [[Übernahmerecht]]) allgemeine Geltung.
c)&nbsp;Schließlich sehen heute alle EU-Staaten in ihren Gesetzen vor, dass Kulturgüter, die unrechtmäßig aus einem anderen Mitgliedstaat ins Inland verbracht wurden, auf Anforderung in den Herkunftsstaat zurückzugeben sind. Bei diesen Gesetzen handelt sich um die Umsetzung der RL&nbsp;93/‌7 vom 15.3.1993 (s.u.&nbsp;4.).  


== 4. Vereinheitlichungsprojekte ==
d)&nbsp;Neben diesen europarechtlichen Verpflichtungen haben viele Staaten auf Grund von anerkannten Rechtsprinzipien zugesagt, die Rückgabe gewisser Kulturgüter ernsthaft in Erwägung zu ziehen. So haben die deutsche Bundesregierung, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände, gestützt auf die Washingtoner Grundsätze (s.u. 5.&nbsp;g), im Dezember 1999 erklärt, NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz, ausfindig zu machen und den Berechtigten zurückzugeben.  
=== a) Misserfolg einer Vollharmonisierung ===
Die Entwicklung eines europäischen Konzernrechts ist eng an die Entwicklung des europäischen [[Gesellschaftsrecht]]s gekoppelt. Hierbei hat die Europäische Kommission zunächst bis Mitte der achtziger Jahre mehrere Versuche unternommen, das Konzernrecht zu harmonisieren. Den Anfang bildete der Verordnungsvorschlag für die ''Societas Europaea'' mit einer an eine organische Ordnung angelehnte Konzernverfassung von 1970, der ebenso wie der Verordnungsvorschlag für die SE ohne konzernrechtliche Regeln von 1989 scheiterte. Bereits der ebenfalls letztlich gescheiterte zweite Vorentwurf einer Neunten Richtlinie von 1984 (Konzernrechts-RL) hatte anstelle des Modells einer organischen Konzernverfassung die Unterscheidung zwischen Vertragskonzern, Eingliederung und vertragsloser Abhängigkeit bzw. Konzernverhältnis übernommen. In Anbetracht des Misserfolgs einer Vollharmonisierung sind die weiteren Regelungen durch ihren lediglich fragmentarischen, bereichs- und branchenspezifischen Charakter gekennzeichnet. Bruchstückhaft ist das Recht der ''SE ''in konzernrechtlicher Hinsicht deshalb geblieben, weil die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft vom 8.10.2001 (SE-VO, VO&nbsp;2157/‌2001) keine wie noch die Verordnungsvorschläge von 1970 und 1975 rechtsformgebundenen Konzernrechtsregeln enthielt. Gleichwohl ist der ''SE ''ein konzernrechtsgestaltender Gehalt notwendigerweise immanent. Dies ergibt sich aus der Funktion dieser Gesellschaftsform, für europaweit agierende Unternehmen eine Rechtsform bereit zu halten. In diesem Zusammenhang erweisen sich vor allem die Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Verschmelzung ([[Umwandlung/‌Spaltung/‌‌Verschmelzung]]) und Sitzverlegung ([[Gesellschaftsrecht, internationales]]) sowie zur Errichtung einer internationalen ''Holding'' als bedeutsam für die konzernrechtliche Unternehmenspraxis ([[Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea)|Europäische Aktiengesellschaft (''Societas Europaea'')]]).


=== b) Konzern- und branchenspezifische Regeln ===
e)&nbsp;Damit ''Leihgaben ''aus dem Ausland vor inländischen Prozessen und Beschlagnahmen geschützt sind und damit der ausländische Leihgeber überhaupt zur Ausleihe bewogen werden kann, sehen viele Staaten in ihren Kulturgutgesetzen (vgl. z.B. §&nbsp;20 des deutschen Gesetzes gegen Abwanderung von Kulturgut, das österreichische Immunitätsgesetz Nr.&nbsp;133/‌2003; Art. 10&nbsp;ff. des schweiz. Kulturgütertransfergesetzes) vor, dass der Staat, in den die Ausleihe erfolgt, die Immunität der Leihgaben vor gerichtlichen Hoheitsakten (''immunity from seizure'') zusichern kann.
Neben den rechtsformgebundenen Regeln ist darüber hinaus auf den Bereich des Konzernbilanz- und &#8209;prüfungsrechts hinzuweisen, in dem durch mehrere Richtlinien eine Harmonisierung verwirklicht worden ist. Für den konsolidierten Konzernabschluss ist hier die Siebente RL&nbsp;83/‌349 einschlägig. Wesentliche weitere Vorgaben zusätzlich zur Konzernbilanz-RL (RL&nbsp;83/‌349) enthält die IAS-VO (VO&nbsp;1606/‌2002), die allen börsennotierten Konzernen für den Konzernabschluss die ''International Accounting Standards'' vorschreibt.


Schließlich ist als dritter wichtiger Bereich einer europäischen Konzernrechtsvereinheitlichung das branchenspezifische Konzernrecht zu nennen, das besondere Regelungen für Banken, Versicherungen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu Zwecken einer konsolidierten europäischen Aufsicht über Finanzdienstleistungsunternehmen im [[Europäischer Bankenmarkt|europäischen Bankenmarkt]] und im [[Versicherungsbinnenmarkt]] trifft. Hierfür ist im Bankenbereich die Bankenrechts-RL (RL&nbsp;2000/‌12) vom 20.3.2000 und für den Versicherungssektor die Richtlinie der einer Versicherungsgruppe angehörenden Versicherungsunternehmen (RL&nbsp;98/‌78, auch Solvency II) einschlägig. Ein übergreifendes europäisches Allfinanzkonzernrecht enthalten schließlich die Regeln zur Beaufsichtigung bei Finanzkonglomeraten in der Finanzkonglomerate-RL von 2002 (RL&nbsp;2002/‌87).
== 3. Bedeutung im internationalen Privatrecht ==
Bis heute gibt es kein besonderes internationales Privatrecht (IPR) der Kulturgüter. Bewegliche Kulturgüter werden immer noch nach den Regeln des [[Sachenrecht, internationales|internationalen Sachenrechts]] behandelt und der ''lex rei sitae ''unterworfen. Ob ein Kulturgut überhaupt, gutgläubig oder durch Ersitzung erworben werden kann, richtet sich also nach dem Recht des Staates, in dem das Kulturgut im Zeitpunkt des behaupteten Erwerbs belegen war.
 
In neuerer Zeit scheint sich eine Wende anzubahnen. Im Jahre 1991 veröffentlichte das ''Institut de Droit International'' eine Resolution, wonach sich die Übertragung von Eigentum an einem Kunstwerk nach dem Recht des Herkunftslandes des Werkes richten soll. Auch die Exportverbote dieses Landes sind anzuwenden (Art.&nbsp;2 und 3 der Resolution, in: ''Annuaire de l’Institut de Droit International'' 64 II 403&nbsp;ff.). Das UNIDROIT-Übereinkommen vom 24.6.1995 hat sich dem in seinem Kapitel&nbsp;2 angeschlossen (s.u.&nbsp;5.), und der belg. ''Code de droit international privé'' vom 16.7.2004 hat als erstes IPR-Gesetz diesen Gedanken ebenfalls aufgenommen, indem er in seinen Art.&nbsp;90 und 92 vorsieht, dass für Kulturgüter und gestohlene Sachen das Recht des Herkunftslandes (''lex originis'') alternativ – je nachdem was für den Schutz der Sache günstiger ist – neben dem Recht des Lagestaates (''lex rei sitae'') gilt.
 
== 4. Bedeutung im Europarecht ==
Die Europäische Union hat keine selbständige Politik zum Schutz von Kulturgütern. In Art.&nbsp;30 EG/‌36 AEUV nimmt sie „nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert“ vom Verbot mengenmäßiger Beschränkungen des Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten aus. Den Schutz überlässt die EU den Mitgliedstaaten und stellt nur Instrumente der Union zur Durchsetzung nationalen Kulturgüterschutzes zur Verfügung. Nach der RL&nbsp;93/‌7 vom 15.3.1993 über die Rückgabe der unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgüter müssen die Mitgliedstaaten und die Staaten des EWR (Island, Liechtenstein, Norwegen) in ihrem Recht vorsehen, dass Kulturgüter anderer Mitgliedstaaten, die nach dem Recht ihres Herkunftsstaates einer staatlichen Verbringungserlaubnis bedürfen, aber ohne eine solche, also unrechtmäßig, ihr Herkunftsland verlassen haben, zurückzugeben sind. Das müssen auch gutgläubige Erwerber tun; sie erhalten jedoch unter Umständen eine Entschädigung.
 
Die VO&nbsp;116/‌2009 vom 18.12.2008 über die Ausfuhr von Kulturgütern regelt die Frage, welcher Mitgliedstaat eine Ausfuhrgenehmigung zu erteilen hat, wenn ein geschütztes nationales Kulturgut in einen Drittstaat exportiert werden soll. Durch diese Regelung soll vermieden werden, dass Kulturgüter eines Mitgliedstaates mit strengen Exportverboten in einen Mitgliedstaat verbracht werden, der den Export liberaler handhabt und deshalb den Export eher gestattet.
 
== 5. Bedeutung im Völkerrecht ==
a)&nbsp;Im ''Kriegsvölkerrecht ''war es bis ca.&nbsp;1800 gang und gäbe, dass der Sieger den Besiegten plündern und bei ihm Beute machen durfte. Erbeutet wurden immer auch Kulturgüter (z.B. ägyptische Obelisken in Rom, Pferde von San Marco/‌ Venedig aus Konstantinopel, Burgunderbeute in Bern, Bibel des Ulfila aus Prag in Uppsala), sofern sie nicht zerstört oder beschädigt wurden. Dieser archaische Zustand änderte sich im Laufe des 19.&nbsp;Jahrhunderts, bis diese alten Regeln des Völkergewohnheitsrechts durch die Haager Landkriegsordnung (HLKO) von 1907 und das Haager Abkommen von 1954 nebst seinen Protokollen geändert wurden. Die HLKO verbietet die Zerstörung und die Wegnahme von Privateigentum (Art.&nbsp;23(1)(g)), untersagt die Beschießung unverteidigter menschlicher Stätten (Art. 25), statuiert ein Plünderungsverbot (Art.&nbsp;28 und 47) und verbietet die Einziehung von Privateigentum und die Beschlagnahme staatlichen Eigentums, das nicht dem Krieg dient (Art.&nbsp;53). Speziell auf Kulturgüter geht die HLKO nicht ein. Gleichwohl erfasst die HLKO auch diese; deshalb begründet die Bundesrepublik Deutschland ihren Anspruch gegen Russland auf Rückgabe der sog. Beutekunst mit dem allgemeinen Verbot der Plünderung und des Beutemachens, das mittlerweile Völkergewohnheitsrecht geworden ist und keine Ausnahme in Gestalt einer einseitigen ''restitution in kind'' zulässt, und mit Zusagen in bilateralen Staatsverträgen mit den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, z.B. mit dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik und Russland von 1992.
 
Erst das Haager Abkommen vom 14.5.1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten widmet sich speziell dem Kulturgut, das es in Art.&nbsp;1 begrifflich festlegt. Es behandelt den Schutz vor Ausbruch von Feindseligkeiten durch Kennzeichnung und Bereitstellung von Bergungsräumen, den Schutz während der Kriegshandlungen und im ersten Protokoll vom 14.5.1954 die Verhinderung des Exports von Kulturgut und die Rückgabe sichergestellten Kulturgutes nach Einstellung der Feindseligkeiten. Das zweite Protokoll vom 26.3.1999 regelt vor allem einen verstärkten Schutz (''enhanced protection'') von äußerst wichtigem Kulturgut (''of greatest importance for humanity''), normiert die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Straftaten gegen Kulturgut und verbessert die institutionelle Zusammenarbeit. Leider haben auch diese Vorschriften nicht verhindern können, dass die Bibliothek von Sarajevo 1992 in Flammen aufging, das Nationalmuseum in Bagdad im Jahr 2003 geplündert wurde und auch heute noch archäologische Grabungsstätten im Irak Tummelplatz von Grabräubern sind. Hier sind nicht Feinde am Werk, sondern Angehörige des Herkunftsstaates. In solchen Fällen müssen andere Instrumente eingreifen.
 
b)&nbsp;Die erste große Konvention des ''Friedensvölkerrechts''<nowiki> zum Kulturgüterschutz ist das UNESCO-Übereinkommen vom 14.11.1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut. Entstanden zur Zeit der Dekolonialisierung, verpflichtet es in nicht unmittelbar durchsetzbarer Form die Vertragsstaaten, fremde Kulturgüter, die in Art.&nbsp;1 definiert werden, nicht einzuführen und/‌oder zu erwerben, wenn sie im Herkunftsstaat gestohlen und/‌oder von dort illegal ausgeführt worden sind (Art.&nbsp;7). Die wenigsten Vertragsstaaten – mit Ausnahme z.B. Deutschlands, der Schweiz und der USA – haben das UNESCO-Übereinkommen in nationales Recht umgesetzt und ihm damit Wirkung verliehen. Obwohl nicht unmittelbar durchsetzbar, hat das Übereinkommen schon vor seinem Inkrafttreten den Kunsthandel insofern verändert, als unter Berufung auf das Übereinkommen der Schmuggel mit Kulturgut als „unanständig“ und „schutzunwürdig“ bezeichnet wurde (BGH 22.6.1972, BGHZ 59,&nbsp;82 [betrifft Nigeria]). Gleichwohl entfaltete das UNESCO-Übereinkommen nicht die erhofften Wirkungen.</nowiki>
 
Deshalb wurde das Römische Internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts (Unidroit) gebeten, eine unmittelbar anwendbare Konvention zum Verbot des Handels mit gestohlenen oder geschmuggelten Kulturgütern auszuarbeiten. Ergebnis dieser Arbeit ist das Unidroit-Übereinkommen vom 24.6. 1995 über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter, das heute (1.1.2009) in 29&nbsp;Staaten gilt, allerdings nicht in sog. Marktstaaten, die hauptsächlich durch das Übereinkommen angesprochen werden. Das Unidroit-Übereinkommen verbietet den Erwerb von Kulturgütern, die in einem anderen Vertragsstaat gestohlen oder von dort illegal ausgeführt worden sind, und verpflichtet den Erwerber solcher Gegenstände, sie ohne Rücksicht auf seine Gut- oder Bösgläubigkeit an den Herkunftsstaat zurückzugeben. Bei Gutgläubigkeit kann ihm lediglich eine angemessene Entschädigung zugesprochen werden, die der herausfordernde Anspruchsteller zahlen muss.
 
c)&nbsp;''Kulturgut unter Wasser'' bereitet besondere Probleme; denn dort mag zweifelhaft sein, welcher Staat für den Schutz zuständig ist. Kulturgüter lagern nicht nur im Küstenmeer (''territorial sea''), sondern auch in der Anschlusszone (''contiguous zone''), der ausschließlichen Wirtschaftszone (''exclusive economic zone''), auf dem Festlandsockel (''continental shelf'') und außerhalb jeglicher nationaler Gewässer auf hoher See (''high seas''), und deshalb muss die Zuständigkeit für den Schutz der dort lagernden Kulturgüter geregelt werden. Dieser Fragen nimmt sich das UNESCO-Übereinkommen vom 2.11.2001 über den Schutz des Kulturerbes unter Wasser an und bestimmt in seinem Art.&nbsp;1(1), was es unter „Kulturerbe unter Wasser“ versteht.
 
d)&nbsp;Auf Grund des UNESCO-Übereinkommens vom 16.11.1972 zum Schutz des ''Kultur- und Naturerbes der Welt ''werden in allen Mitgliedstaaten unter anderem bestimmte, in Listen erfasste Denkmäler (z.B. das ''Castel del Monte''), monumentale Gemälde und Skulpturen (z.B. die Freiheitsstatue in New York) sowie Ensembles (z.B. der Papstpalast in Avignon nebst Umgebung) und Stätten (z.B. das deutsche Wattenmeer) zum Teil des Weltkulturerbes erklärt; den Vertragsstaaten wird aufgegeben, dieses Kulturerbe in ihrem Bestand und ihrer Wertigkeit zu schützen, zu erhalten und die Weitergabe an künftige Generationen sicherzustellen. Außerdem verpflichten sich die Vertragsstaaten, bei ihren Raum-, Personal-, Finanz- und Forschungsplanungen auf ihr Kultur- und Naturerbe Rücksicht zu nehmen. Auf diese Art und Weise entfaltet das Welterbe-Übereinkommen trotz mangelnder unmittelbarer Durchsetzbarkeit doch noch erhebliche Wirkungen, wie der Streit um die Waldschlösschenbrücke bei Dresden in den Jahren 2006/‌7 gezeigt hat.
 
e)&nbsp;In jüngster Zeit hat man sich auch dem ''immateriellen Kulturerbe ''(''intangible cultural heritage'') zugewandt, und zwar durch das UNESCO-Übereinkommen vom 17.10.2003 über den Schutz des immateriellen Kulturerbes und durch das UNESCO-Übereinkommen vom 20.10.2005 über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Gemeint sind hiermit Fertigkeiten und Praktiken von Völkerschaften und Volksgruppen sowie die Instrumente, mit denen solche Tätigkeiten ausgeübt werden. Hier geht es also nicht mehr um Sachen, sondern um volksprägende Tätigkeiten.
 
f)&nbsp;Der ''[[Europarat (Privatrechtsvereinheitlichung)|Europarat]]'' hat verschiedene Übereinkommen ausgearbeitet, und zwar zum Schutz des archäologischen Erbes (1969, revidiert 1992) und des architektonischen Erbes (1985) sowie über Straftaten im Zusammenhang mit Kulturgut (1985) und über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft (2005). Keines dieser Übereinkommen ist unmittelbar anwendbar. Trotzdem entfalten sie insofern gewisse Wirkungen, als die Kulturverwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten bei ihrem Verwaltungshandeln die Zwecke und Ziele dieser Staatsverträge berücksichtigen und nach Möglichkeit verwirklichen.
 
g)&nbsp;Neben formellem staatlichen und überstaatlichem Recht gibt es außer den ''Verhaltenskodizes'' von Berufsverbänden und Institutionen (z.B. der ''Code of Professional Ethics'' des ''International Council of Museums'') auch noch sog. ''soft law'', das als unverbindliche Regelung den jeweiligen Adressaten als Handlungsmaxime ans Herz gelegt wird. Auf dem Gebiet des Kulturgüterrechts am bedeutsamsten sind die Grundsätze der Washingtoner Konferenz vom 3.12.1998, die zwei Jahre später am 5.10.2000 in Vilnius bestätigt und bekräftigt wurden, in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden. Gestützt auf die Washingtoner Grundsätze haben z.B. die deutsche Bundesregierung, die deutschen Länder und die kommunalen Spitzenverbände in ihrer Erklärung von Dezember 1999 hervorgehoben, dass sie alles tun werden, um das NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgut aufzufinden und den Berechtigten zurückzugeben. Eine Handreichung von Februar 2001 (überarbeitet im November 2007) setzt diese Erklärung von Dezember 1999 um.
 
== 6. Zukunft des Kulturgüterschutzes ==
Es fehlt nicht an nationalen, übernationalen und internationalen Instrumenten zum Schutz von Kulturgut. Auch die freiwillige und formlose Zusammenarbeit staatlicher Behörden hat zugenommen und ist verbessert worden. Der Handel mit Kulturgütern hat einerseits besondere Regeln zu befolgen und wird andererseits von vielen Staaten liberaler als bisher gehandhabt. Leihgaben aus dem Ausland werden vor Beschlagnahme und Rechtsstreitigkeiten im Gastland geschützt. Trotzdem sieht die Zukunft des Kulturgüterschutzes nicht allzu rosig aus. Kriege und lokale Konflikte bedrohen Kulturdenkmäler, Museen und Bibliotheken. Die Finanznot der Staaten bewirkt, dass der staatliche Kulturgüterschutz vermindert und Privatleuten überlassen wird. Naturkatastrophen und Umweltverschmutzung führen zu schweren Verlusten, und ein zunehmender Tourismus bedroht das kulturelle Erbe der Nationen. Schließlich steht es mit der Durchsetzung rechtlicher Normen des Kulturgüterschutzes nicht zum Besten. Geldmangel und zunehmende Mobilität sowie neue Kommunikationsmittel (Handel mit Kulturgut über das Internet) erschweren eine wirksame Überwachung erheblich.


==Literatur==
==Literatur==
''Paola Balzarini'','' Giuseppe Carcano'','' Guido Mucciarelli'' (Hg.), I Gruppi di Società, Atti del Convegno internazionale di studi, Venezia, 16-17-18 novembre 1995, Bd.&nbsp;I, 1996; ''Ernst-Joachim Mestmäcker'','' Peter Behrens'' (Hg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991; ''Forum Europaeum Konzernrecht'', Konzernrecht für Europa, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 1998, 672&nbsp;ff.; ''Josè Engrácia Antunes'','' ''Os Grupos de Sociedades, 2.&nbsp;Aufl. 2002; ''Klaus J. Hopt'','' Christa Jessel-Holst'','' Katharina Pistor'' (Hg.), Unternehmensgruppen in mittel- und osteuropäischen Ländern, 2003; ''José Miguel Embid Irujo'','' ''Introducciòn al Derecho de los Grupos de Sociedades, 2003; ''Hans-Georg Koppensteiner'','' Marko Brus'','' Susanne Kalss'','' Friedrich Rüffler'','' Fabio Padovini'','' Ulrich Torggler'','' Eveline Artmann'' (Hg.), GmbH-Konzernrecht: Stand und Entwicklung im österreichischen, italienischen und slowenischen Recht, 2003; ''High Level Group of Company Law Experts'', A Modern Regulatory Framework for Company Law in Europe, Report for the Commission, 4th November 2002 (Report&nbsp;II), in: Guido Ferrarini, Klaus J. Hopt, (Hg.), Reforming Company and Takeover Law in Europe, 2004, Annex&nbsp;3, 925&nbsp;ff.; ''Stefan Grundmann'','' ''European Company Law, 2007, §&nbsp;31, 623&nbsp;ff.;'' Klaus J. Hopt'', Konzernrecht: Die europäische Perspektive, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht 171 (2007) 199&nbsp;ff.
''Patrick O’Keefe'', ''Lyndel V. Prott'', Law and the Cultural Heritage, Bd.&nbsp;1, 1984 und Bd.&nbsp;3, 1989; ''Kurt Siehr'','' ''International Art Trade and the Law, Recueil des cours 243 (1993-VI) 9&nbsp;ff.; ''Guido Carducci'', La restitution internationale des biens culturels et des objects d’art, 1997; ''John Henry Merryman'', Thinking About the Elgin Marbles, Critical Essays on Cultural Property, Art and Law, 2000; ''Wojciech Kowalski'', Restitution of Works of Art pursuant to Private and Public International Law, Recueil des Cours 288 (2001) 9&nbsp;ff.;'' Mariano J. Aznar Gómez'', La protección internacional del patrimonio cultural subacuátic 2004; ''Haimo Schack'', Kunst und Recht, 2004; ''Kerstin Odendahl'', Kulturgüterschutz: Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005; ''Ralph E. Lerner'', ''Judith Bresler'', Art Law, The Guide for Collectors, Investors, Dealers, and Artists, 3&nbsp;Bde., 3.&nbsp;Aufl. 2005; ''Sarah Dromgoole ''(Hg.), The Protection of the Underwater Cultural Heritage, 2.&nbsp;Aufl. 2006; ''Jeanette Greenfield'', The Return of Cultural Property, 3.&nbsp;Aufl. 2007; ''Rudolf Stich'', ''Wolfgang E. Burhenne'', ''Karl-Wilhelm Porger'', Denkmalrecht der Länder und des Bundes (Loseblatt); ''Leonard DuBoff'', ''Michael D. Murray'', ''Christy O. King'', The Deskbook of Art Law, 2&nbsp;Bde. (Loseblatt).


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Corporate_Group_Law]]
[[en:Cultural_Property]]

Version vom 28. September 2021, 18:02 Uhr

von Kurt Siehr

1. Begriff

Der Begriff „Kulturgut“ mit seinen Entsprechungen in anderen Sprachen (kulturgode, cultural objects oder property, kulturföremål, bien culturel, πολιτιστικόν αγαθόν, bene oder patrimonio culturale, cultuurgoed, dobro kultury, bem oder património cultural, культурное постояние, kulturminne oder kulturföremål, biene oder patrimonio cultural, kültür varlık, kulturális tárgy) ist erst in neuerer Zeit geläufig und Allgemeingut geworden. Er kam in keiner Ursprungsfassung eines europäischen Zivilgesetzbuches vor, tauchte vielmehr erst dann auf, als man begann, nationale Kulturgüter vor der Abwanderung ins Ausland zu schützen. Selbst in Italien, wo der moderne Schutz von Kulturgütern mit den Editti Doria Pamphilj und Pacca von 1802/‌1820 begann, sprach man zunächst von „opere dell’Antichità“ (1802) oder von „cose d’antichità e d’arte“ (Gesetz von 1913) oder „cose di interesse storico e artistico“ (Gesetz von 1939).

Die erste deutsche Regelung von 1919 verbietet die Ausfuhr von „Kunstwerken“, um einen wesentlichen Verlust für den nationalen „Kunstbesitz“ zu verhindern. Erst seit 1954 scheint sich im Anschluss an die Begriffsbildung im Völkerrecht der Begriff „Kulturgut“ durchgesetzt zu haben. Denn das Haager Übereinkommen vom 14.5.1954 über den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten benutzt als erstes offizielles Dokument des Völkerrechts diesen Begriff. Das UNESCO-Übereinkommen vom 14.11. 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut übernahm diesen Begriff ebenso wie das UNIDROIT-Übereinkommen vom 24.6.1995 über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter (UNIDROIT). Auch die Europäische Union bedient sich des Begriffs „Kulturgut“ (cultural good bzw. cultural object, bien culturel), und zwar in der VO 3911/‌92 vom 9.12.1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern und in der RL 93/‌7 vom 15.3.1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern. In neueren Staatsverträgen wird dagegen der Begriff „Kulturerbe“ (cultural heritage, patrimoine culturel, patrimonio culturale, patrimonio cultural) benutzt. Das begann mit dem UNESCO-Übereinkommen vom 21.11.1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt. Hier werden im Wesentlichen unbewegliche Sachen geschützt, für die der Begriff „Kulturerbe“ besser passt als „cultural property“ oder „bien culturel“. Dieser Begriff „Kulturerbe“ wird später übernommen, und zwar vom UNESCO-Übereinkommen vom 2.11.2001 über den Schutz des Kulturerbes unter Wasser und vom UNESCO-Übereinkommen vom 17.10.2003 über die Bewahrung des immateriellen Kulturerbes. In manchen Sprachen wird damit der Irrtum vermieden, bei Kulturgut müsse es sich immer um körperliche Sachen handeln.

Was ein Kulturgut ist und was zum Kulturerbe gehört, sagen die jeweiligen gesetzlichen oder staatsvertraglichen Regelungen selbst. Deshalb erübrigt es sich, eine einheitliche und überall anerkannte Begriffsbestimmung zu versuchen. Ein solcher Versuch wäre im Übrigen vergeblich.

2. Bedeutung im nationalen Recht

Im nationalen Recht spielt das Kulturgut vor allem in viererlei Hinsicht eine Rolle, nämlich im Recht des Denkmalschutzes, beim Schutz von eigenen Kulturgütern vor Abwanderung ins Ausland, bei der Rückgabe unrechtmäßig verbrachter fremder Kulturgüter und beim Schutz von Leihgaben aus dem Ausland vor inländischen Prozessen und Beschlagnahmen.

a) Das Recht des Denkmalschutzes (law of ancient monuments, protection des monuments, tutela dei monumenti) ist in erster Linie öffentliches Recht, und zwar besonderes Verwaltungsrecht mit gewissen Rückwirkungen auf das Privatrecht. So schränkt der Denkmalschutz die Freiheit eines Eigentümers ein, mit seinem unter Denkmalschutz stehenden Objekt nach Belieben zu verfahren. In Gesetzen zum Denkmalschutz finden sich manchmal außerdem Vorschriften über das Schatzregal, wonach Kulturgüter von wissenschaftlichem Wert, die bei Ausgrabungen gefunden werden, Staatseigentum sind.

b) Viele Staaten schützen ihre wichtigen nationalen Kulturgüter vor einer unkontrollierten Abwanderung ins Ausland. Sofern sie das tun (und nicht wie die USA einen solchen Schutz ablehnen), gibt es zwei Möglichkeiten. Man kann das Verbot der Abwanderung entweder zeitlich hinausschieben oder aber absolut anordnen. Das erste Modell kennt das Vereinigte Königreich. Wenn ein wertvolles nationales Kulturgut, das ins Ausland verkauft wurde, aber nach den Waverley criteria (close connection with British history and national life, or outstanding aesthetic importance, or outstanding significance for the study of some particular branch of art, learning or history) im Lande bleiben sollte, binnen einer festgesetzten Frist nicht für das Inland erworben wird, muss eine Ausfuhrgenehmigung erteilt werden.

Die meisten anderen Staaten haben das andere Modell gewählt, das sie aber sehr unterschiedlich ausgestaltet haben. Während z.B. Deutschland und die Schweiz nur die in eine spezielle Liste aufgenommenen Kulturgüter vor einer ungenehmigten Abwanderung ins Ausland schützen (vgl. das deutsche Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung i.d.F. vom 8.7.1999; Art. 3 und 4 des schweiz. Kulturgütertransfergesetzes vom 20.6.2003), verbieten andere Staaten recht global die Ausfuhr jeden Kulturgutes, das – so z.B. Art. 10 ff. des ital. Codice dei beni culturali e del paesaggio vom 22.1.2004 – von „interesse artistico, storico, archeologico o etnoantropologico“ ist. Zusätzlich zu diesem Schutz werden Kulturgüter zu unveräußerlichen Sachen (res extra commercium, demanio pubblico, domaine public) erklärt, die weder veräußert werden können, noch durch Zeitablauf (Ersitzung oder Verjährung) verloren gehen können. Ob diese Sperre auch im Ausland wirkt, ist bisher verneint worden.

c) Schließlich sehen heute alle EU-Staaten in ihren Gesetzen vor, dass Kulturgüter, die unrechtmäßig aus einem anderen Mitgliedstaat ins Inland verbracht wurden, auf Anforderung in den Herkunftsstaat zurückzugeben sind. Bei diesen Gesetzen handelt sich um die Umsetzung der RL 93/‌7 vom 15.3.1993 (s.u. 4.).

d) Neben diesen europarechtlichen Verpflichtungen haben viele Staaten auf Grund von anerkannten Rechtsprinzipien zugesagt, die Rückgabe gewisser Kulturgüter ernsthaft in Erwägung zu ziehen. So haben die deutsche Bundesregierung, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände, gestützt auf die Washingtoner Grundsätze (s.u. 5. g), im Dezember 1999 erklärt, NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz, ausfindig zu machen und den Berechtigten zurückzugeben.

e) Damit Leihgaben aus dem Ausland vor inländischen Prozessen und Beschlagnahmen geschützt sind und damit der ausländische Leihgeber überhaupt zur Ausleihe bewogen werden kann, sehen viele Staaten in ihren Kulturgutgesetzen (vgl. z.B. § 20 des deutschen Gesetzes gegen Abwanderung von Kulturgut, das österreichische Immunitätsgesetz Nr. 133/‌2003; Art. 10 ff. des schweiz. Kulturgütertransfergesetzes) vor, dass der Staat, in den die Ausleihe erfolgt, die Immunität der Leihgaben vor gerichtlichen Hoheitsakten (immunity from seizure) zusichern kann.

3. Bedeutung im internationalen Privatrecht

Bis heute gibt es kein besonderes internationales Privatrecht (IPR) der Kulturgüter. Bewegliche Kulturgüter werden immer noch nach den Regeln des internationalen Sachenrechts behandelt und der lex rei sitae unterworfen. Ob ein Kulturgut überhaupt, gutgläubig oder durch Ersitzung erworben werden kann, richtet sich also nach dem Recht des Staates, in dem das Kulturgut im Zeitpunkt des behaupteten Erwerbs belegen war.

In neuerer Zeit scheint sich eine Wende anzubahnen. Im Jahre 1991 veröffentlichte das Institut de Droit International eine Resolution, wonach sich die Übertragung von Eigentum an einem Kunstwerk nach dem Recht des Herkunftslandes des Werkes richten soll. Auch die Exportverbote dieses Landes sind anzuwenden (Art. 2 und 3 der Resolution, in: Annuaire de l’Institut de Droit International 64 II 403 ff.). Das UNIDROIT-Übereinkommen vom 24.6.1995 hat sich dem in seinem Kapitel 2 angeschlossen (s.u. 5.), und der belg. Code de droit international privé vom 16.7.2004 hat als erstes IPR-Gesetz diesen Gedanken ebenfalls aufgenommen, indem er in seinen Art. 90 und 92 vorsieht, dass für Kulturgüter und gestohlene Sachen das Recht des Herkunftslandes (lex originis) alternativ – je nachdem was für den Schutz der Sache günstiger ist – neben dem Recht des Lagestaates (lex rei sitae) gilt.

4. Bedeutung im Europarecht

Die Europäische Union hat keine selbständige Politik zum Schutz von Kulturgütern. In Art. 30 EG/‌36 AEUV nimmt sie „nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert“ vom Verbot mengenmäßiger Beschränkungen des Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten aus. Den Schutz überlässt die EU den Mitgliedstaaten und stellt nur Instrumente der Union zur Durchsetzung nationalen Kulturgüterschutzes zur Verfügung. Nach der RL 93/‌7 vom 15.3.1993 über die Rückgabe der unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgüter müssen die Mitgliedstaaten und die Staaten des EWR (Island, Liechtenstein, Norwegen) in ihrem Recht vorsehen, dass Kulturgüter anderer Mitgliedstaaten, die nach dem Recht ihres Herkunftsstaates einer staatlichen Verbringungserlaubnis bedürfen, aber ohne eine solche, also unrechtmäßig, ihr Herkunftsland verlassen haben, zurückzugeben sind. Das müssen auch gutgläubige Erwerber tun; sie erhalten jedoch unter Umständen eine Entschädigung.

Die VO 116/‌2009 vom 18.12.2008 über die Ausfuhr von Kulturgütern regelt die Frage, welcher Mitgliedstaat eine Ausfuhrgenehmigung zu erteilen hat, wenn ein geschütztes nationales Kulturgut in einen Drittstaat exportiert werden soll. Durch diese Regelung soll vermieden werden, dass Kulturgüter eines Mitgliedstaates mit strengen Exportverboten in einen Mitgliedstaat verbracht werden, der den Export liberaler handhabt und deshalb den Export eher gestattet.

5. Bedeutung im Völkerrecht

a) Im Kriegsvölkerrecht war es bis ca. 1800 gang und gäbe, dass der Sieger den Besiegten plündern und bei ihm Beute machen durfte. Erbeutet wurden immer auch Kulturgüter (z.B. ägyptische Obelisken in Rom, Pferde von San Marco/‌ Venedig aus Konstantinopel, Burgunderbeute in Bern, Bibel des Ulfila aus Prag in Uppsala), sofern sie nicht zerstört oder beschädigt wurden. Dieser archaische Zustand änderte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts, bis diese alten Regeln des Völkergewohnheitsrechts durch die Haager Landkriegsordnung (HLKO) von 1907 und das Haager Abkommen von 1954 nebst seinen Protokollen geändert wurden. Die HLKO verbietet die Zerstörung und die Wegnahme von Privateigentum (Art. 23(1)(g)), untersagt die Beschießung unverteidigter menschlicher Stätten (Art. 25), statuiert ein Plünderungsverbot (Art. 28 und 47) und verbietet die Einziehung von Privateigentum und die Beschlagnahme staatlichen Eigentums, das nicht dem Krieg dient (Art. 53). Speziell auf Kulturgüter geht die HLKO nicht ein. Gleichwohl erfasst die HLKO auch diese; deshalb begründet die Bundesrepublik Deutschland ihren Anspruch gegen Russland auf Rückgabe der sog. Beutekunst mit dem allgemeinen Verbot der Plünderung und des Beutemachens, das mittlerweile Völkergewohnheitsrecht geworden ist und keine Ausnahme in Gestalt einer einseitigen restitution in kind zulässt, und mit Zusagen in bilateralen Staatsverträgen mit den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, z.B. mit dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik und Russland von 1992.

Erst das Haager Abkommen vom 14.5.1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten widmet sich speziell dem Kulturgut, das es in Art. 1 begrifflich festlegt. Es behandelt den Schutz vor Ausbruch von Feindseligkeiten durch Kennzeichnung und Bereitstellung von Bergungsräumen, den Schutz während der Kriegshandlungen und im ersten Protokoll vom 14.5.1954 die Verhinderung des Exports von Kulturgut und die Rückgabe sichergestellten Kulturgutes nach Einstellung der Feindseligkeiten. Das zweite Protokoll vom 26.3.1999 regelt vor allem einen verstärkten Schutz (enhanced protection) von äußerst wichtigem Kulturgut (of greatest importance for humanity), normiert die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Straftaten gegen Kulturgut und verbessert die institutionelle Zusammenarbeit. Leider haben auch diese Vorschriften nicht verhindern können, dass die Bibliothek von Sarajevo 1992 in Flammen aufging, das Nationalmuseum in Bagdad im Jahr 2003 geplündert wurde und auch heute noch archäologische Grabungsstätten im Irak Tummelplatz von Grabräubern sind. Hier sind nicht Feinde am Werk, sondern Angehörige des Herkunftsstaates. In solchen Fällen müssen andere Instrumente eingreifen.

b) Die erste große Konvention des Friedensvölkerrechts zum Kulturgüterschutz ist das UNESCO-Übereinkommen vom 14.11.1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut. Entstanden zur Zeit der Dekolonialisierung, verpflichtet es in nicht unmittelbar durchsetzbarer Form die Vertragsstaaten, fremde Kulturgüter, die in Art. 1 definiert werden, nicht einzuführen und/‌oder zu erwerben, wenn sie im Herkunftsstaat gestohlen und/‌oder von dort illegal ausgeführt worden sind (Art. 7). Die wenigsten Vertragsstaaten – mit Ausnahme z.B. Deutschlands, der Schweiz und der USA – haben das UNESCO-Übereinkommen in nationales Recht umgesetzt und ihm damit Wirkung verliehen. Obwohl nicht unmittelbar durchsetzbar, hat das Übereinkommen schon vor seinem Inkrafttreten den Kunsthandel insofern verändert, als unter Berufung auf das Übereinkommen der Schmuggel mit Kulturgut als „unanständig“ und „schutzunwürdig“ bezeichnet wurde (BGH 22.6.1972, BGHZ 59, 82 [betrifft Nigeria]). Gleichwohl entfaltete das UNESCO-Übereinkommen nicht die erhofften Wirkungen.

Deshalb wurde das Römische Internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts (Unidroit) gebeten, eine unmittelbar anwendbare Konvention zum Verbot des Handels mit gestohlenen oder geschmuggelten Kulturgütern auszuarbeiten. Ergebnis dieser Arbeit ist das Unidroit-Übereinkommen vom 24.6. 1995 über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter, das heute (1.1.2009) in 29 Staaten gilt, allerdings nicht in sog. Marktstaaten, die hauptsächlich durch das Übereinkommen angesprochen werden. Das Unidroit-Übereinkommen verbietet den Erwerb von Kulturgütern, die in einem anderen Vertragsstaat gestohlen oder von dort illegal ausgeführt worden sind, und verpflichtet den Erwerber solcher Gegenstände, sie ohne Rücksicht auf seine Gut- oder Bösgläubigkeit an den Herkunftsstaat zurückzugeben. Bei Gutgläubigkeit kann ihm lediglich eine angemessene Entschädigung zugesprochen werden, die der herausfordernde Anspruchsteller zahlen muss.

c) Kulturgut unter Wasser bereitet besondere Probleme; denn dort mag zweifelhaft sein, welcher Staat für den Schutz zuständig ist. Kulturgüter lagern nicht nur im Küstenmeer (territorial sea), sondern auch in der Anschlusszone (contiguous zone), der ausschließlichen Wirtschaftszone (exclusive economic zone), auf dem Festlandsockel (continental shelf) und außerhalb jeglicher nationaler Gewässer auf hoher See (high seas), und deshalb muss die Zuständigkeit für den Schutz der dort lagernden Kulturgüter geregelt werden. Dieser Fragen nimmt sich das UNESCO-Übereinkommen vom 2.11.2001 über den Schutz des Kulturerbes unter Wasser an und bestimmt in seinem Art. 1(1), was es unter „Kulturerbe unter Wasser“ versteht.

d) Auf Grund des UNESCO-Übereinkommens vom 16.11.1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt werden in allen Mitgliedstaaten unter anderem bestimmte, in Listen erfasste Denkmäler (z.B. das Castel del Monte), monumentale Gemälde und Skulpturen (z.B. die Freiheitsstatue in New York) sowie Ensembles (z.B. der Papstpalast in Avignon nebst Umgebung) und Stätten (z.B. das deutsche Wattenmeer) zum Teil des Weltkulturerbes erklärt; den Vertragsstaaten wird aufgegeben, dieses Kulturerbe in ihrem Bestand und ihrer Wertigkeit zu schützen, zu erhalten und die Weitergabe an künftige Generationen sicherzustellen. Außerdem verpflichten sich die Vertragsstaaten, bei ihren Raum-, Personal-, Finanz- und Forschungsplanungen auf ihr Kultur- und Naturerbe Rücksicht zu nehmen. Auf diese Art und Weise entfaltet das Welterbe-Übereinkommen trotz mangelnder unmittelbarer Durchsetzbarkeit doch noch erhebliche Wirkungen, wie der Streit um die Waldschlösschenbrücke bei Dresden in den Jahren 2006/‌7 gezeigt hat.

e) In jüngster Zeit hat man sich auch dem immateriellen Kulturerbe (intangible cultural heritage) zugewandt, und zwar durch das UNESCO-Übereinkommen vom 17.10.2003 über den Schutz des immateriellen Kulturerbes und durch das UNESCO-Übereinkommen vom 20.10.2005 über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Gemeint sind hiermit Fertigkeiten und Praktiken von Völkerschaften und Volksgruppen sowie die Instrumente, mit denen solche Tätigkeiten ausgeübt werden. Hier geht es also nicht mehr um Sachen, sondern um volksprägende Tätigkeiten.

f) Der Europarat hat verschiedene Übereinkommen ausgearbeitet, und zwar zum Schutz des archäologischen Erbes (1969, revidiert 1992) und des architektonischen Erbes (1985) sowie über Straftaten im Zusammenhang mit Kulturgut (1985) und über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft (2005). Keines dieser Übereinkommen ist unmittelbar anwendbar. Trotzdem entfalten sie insofern gewisse Wirkungen, als die Kulturverwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten bei ihrem Verwaltungshandeln die Zwecke und Ziele dieser Staatsverträge berücksichtigen und nach Möglichkeit verwirklichen.

g) Neben formellem staatlichen und überstaatlichem Recht gibt es außer den Verhaltenskodizes von Berufsverbänden und Institutionen (z.B. der Code of Professional Ethics des International Council of Museums) auch noch sog. soft law, das als unverbindliche Regelung den jeweiligen Adressaten als Handlungsmaxime ans Herz gelegt wird. Auf dem Gebiet des Kulturgüterrechts am bedeutsamsten sind die Grundsätze der Washingtoner Konferenz vom 3.12.1998, die zwei Jahre später am 5.10.2000 in Vilnius bestätigt und bekräftigt wurden, in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden. Gestützt auf die Washingtoner Grundsätze haben z.B. die deutsche Bundesregierung, die deutschen Länder und die kommunalen Spitzenverbände in ihrer Erklärung von Dezember 1999 hervorgehoben, dass sie alles tun werden, um das NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgut aufzufinden und den Berechtigten zurückzugeben. Eine Handreichung von Februar 2001 (überarbeitet im November 2007) setzt diese Erklärung von Dezember 1999 um.

6. Zukunft des Kulturgüterschutzes

Es fehlt nicht an nationalen, übernationalen und internationalen Instrumenten zum Schutz von Kulturgut. Auch die freiwillige und formlose Zusammenarbeit staatlicher Behörden hat zugenommen und ist verbessert worden. Der Handel mit Kulturgütern hat einerseits besondere Regeln zu befolgen und wird andererseits von vielen Staaten liberaler als bisher gehandhabt. Leihgaben aus dem Ausland werden vor Beschlagnahme und Rechtsstreitigkeiten im Gastland geschützt. Trotzdem sieht die Zukunft des Kulturgüterschutzes nicht allzu rosig aus. Kriege und lokale Konflikte bedrohen Kulturdenkmäler, Museen und Bibliotheken. Die Finanznot der Staaten bewirkt, dass der staatliche Kulturgüterschutz vermindert und Privatleuten überlassen wird. Naturkatastrophen und Umweltverschmutzung führen zu schweren Verlusten, und ein zunehmender Tourismus bedroht das kulturelle Erbe der Nationen. Schließlich steht es mit der Durchsetzung rechtlicher Normen des Kulturgüterschutzes nicht zum Besten. Geldmangel und zunehmende Mobilität sowie neue Kommunikationsmittel (Handel mit Kulturgut über das Internet) erschweren eine wirksame Überwachung erheblich.

Literatur

Patrick O’Keefe, Lyndel V. Prott, Law and the Cultural Heritage, Bd. 1, 1984 und Bd. 3, 1989; Kurt Siehr, International Art Trade and the Law, Recueil des cours 243 (1993-VI) 9 ff.; Guido Carducci, La restitution internationale des biens culturels et des objects d’art, 1997; John Henry Merryman, Thinking About the Elgin Marbles, Critical Essays on Cultural Property, Art and Law, 2000; Wojciech Kowalski, Restitution of Works of Art pursuant to Private and Public International Law, Recueil des Cours 288 (2001) 9 ff.; Mariano J. Aznar Gómez, La protección internacional del patrimonio cultural subacuátic 2004; Haimo Schack, Kunst und Recht, 2004; Kerstin Odendahl, Kulturgüterschutz: Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005; Ralph E. Lerner, Judith Bresler, Art Law, The Guide for Collectors, Investors, Dealers, and Artists, 3 Bde., 3. Aufl. 2005; Sarah Dromgoole (Hg.), The Protection of the Underwater Cultural Heritage, 2. Aufl. 2006; Jeanette Greenfield, The Return of Cultural Property, 3. Aufl. 2007; Rudolf Stich, Wolfgang E. Burhenne, Karl-Wilhelm Porger, Denkmalrecht der Länder und des Bundes (Loseblatt); Leonard DuBoff, Michael D. Murray, Christy O. King, The Deskbook of Art Law, 2 Bde. (Loseblatt).