Vertrieb und Verwahrung (Wertpapiere): Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Knut B. Pißler]]''
von ''[[Simon Schwarz]]''
== 1. Gegenstand und Zweck ==
== 1. Gegenstand und Zweck ==
Unter Vertrieb oder den synonym verwendeten Begriffen Absatz und Distribution werden alle Handlungen, Vorgänge und Verhältnisse verstanden, die den Weg eines Produkts vom Produzenten bis zur endgültigen produktiven oder konsumtiven Verwendung betreffen. Ein Unternehmen kann alle oder zumindest den überwiegenden Teil seiner Vertriebsaufgaben durch eigene, rechtlich und wirtschaftlich unselbständige Absatzorgane durchführen (direkter Vertrieb) oder die entsprechenden Funktionen zur Gänze oder überwiegend auf fremde, rechtlich und wirtschaftlich selbständige Absatzmittler übertragen (indirekter Vertrieb). Das Vertriebsrecht findet im Bereich des indirekten Vertriebs im Sinne eines Absatzmittlungsrechts seinen Schwerpunkt; hier geht es um das Recht der Vertriebsverträge von Belieferungs- und den Fachhändlerverträgen über die Vertragshändler-, Kommissionsagenten- und Handelsvertreterverträge ([[Handelsvertreter]]) bis hin zu Franchiseverträgen (''[[Franchising]]''). Der Direktabsatz über eigene Filialen oder Verkaufsangestellte (Reisende) ist seltener geworden, während neue Vertriebsformen wie der Vertrieb über so genannte ''Factory Outlet Centers'' oder das ''Teleshopping'' und der Internetvertrieb entstanden sind, bei denen sich insbesondere Fragen des Verbraucherschutzes ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]) stellen. Zu erwähnen ist auch der Strukturvertrieb (Multi-Level-Marketing), bei dem Endabnehmer und auch andere verkaufswillige Dritte aktiv in die Absatzstrategie des Unternehmens einbezogen werden. Der Strukturvertrieb ist von den so genannten Pyramiden- und Schneeballsystemen abzugrenzen, bei denen es nicht um den Verkauf von vertriebenen Waren oder Dienstleistungen geht, sondern ganz überwiegend um die Anwerbung weiterer Käufer als neue Mitglieder in der Vertriebsorganisation. Zivilrechtlich geht es bei diesen Vertriebsformen wegen des Einsatzes von Laienwerbung und progressiver Kundenwerbung vor allem um Fragen des [[Unlauterer Wettbewerb|unlauteren Wettbewerbs]] und der Sittenwidrigkeit ([[Sitten- und Gesetzwidrigkeit von Verträgen]]).
Die Aufbewahrung und Verwaltung von Wertpapieren bzw. [[Finanzinstrument]]en durch Depotbanken (''custodians'') hat sich zu einem von den Regeln der allgemeinen [[Verwahrung (allgemein)|Verwahrung]] zu unterscheidenden Bereich entwickelt, dem Depotgeschäft (''global custody'','' custody of investments''). Im weiteren Sinne beschäftigt sich das Recht der Wertpapierverwahrung (Depotrecht) mit der Ausgestaltung und Funktionsweise derjenigen Infrastrukturen, die sich zur reibungslosen Abwicklung und Erfüllung von Wertpapierhandelsgeschäften sowie zur Verwaltung von Anteilsrechten herausgebildet haben (näher 2.). Systematisch ist das Depotrecht daher Teil des [[Bankrecht]]s sowie des [[Kapitalmarktrecht]]s und dient insbesondere dem [[Kapitalanlegerschutz]].


Das Vertriebsrecht ist in Deutschland von der Zeit geprägt, in der es entstand. Ende des 19. Jahrhunderts lag in den allermeisten Branchen die Situation eines Verkäufermarkts vor, in dem die Hersteller keine Probleme mit dem Verkauf ihrer Waren hatten, sondern vielmehr damit, wie sie möglichst schnell und möglichst viel der begehrten Güter herstellen konnten. Die Hersteller handelten daher konsequenterweise produkt- und nicht absatzorientiert, da in der Situation des Verkäufermarktes die Produktion den maßgeblichen Engpassfaktor darstellte. Auf die Struktur des Handels hatte diese Wirtschaftsstruktur natürlich auch Auswirkungen: Der Handel war relativ einfach und undifferenziert, das Sortiment der angebotenen Waren war eng, da es relativ wenige Anbieter und mangels Sättigung der Konsumenten auch kein Bedürfnis nach mehr Differenzierung gab. Dementsprechend einfach ist das Vertriebsrecht des deutschen Handelsgesetzbuches aufgebaut, was sich insbesondere daran zeigt, dass allein die Figur des Handelsvertreters als dauerhaft in eine Absatzkooperation einbezogenen Absatzmittlers gesetzlich geregelt ist und als Leitbild des Vertriebsrechts gilt. Im Vertriebsrecht geht es um die Regelungsfragen, die auch im Handelsvertreterrecht eine wichtige Rolle spielen: Da Absatzmittler, insbesondere Vertragshändler und Franchisenehmer, zu Beginn der Absatztätigkeit für den Unternehmer zum Teil erhebliche Investitionen tätigen müssen und erst allmählich einen eigenen Kundenstamm aufbauen, besteht ein Bedürfnis nach einem Schutzmechanismus vor Abschluss und bei Beendigung der Verträge.
== 2. Infrastruktur moderner Finanzmärkte ==
=== a) Immobilisierung von Wertpapieren ===
Verfügungen über handelbare Kapitalmarkttitel (Effekten) werden nur noch durch Depotkontobuchungen verlautbart. Diese Entwicklung wurde zunächst durch die Immobilisierung oder Mediatisierung von Wertpapieren ermöglicht: Alle innerhalb eines Landes begebenen Wertpapierurkunden werden unmittelbar nach ihrer Emission einer zentralen Stelle zur dauerhaften Aufbewahrung übergeben (Zentralverwahrer, ''central securities depository'', CSD). Handelt es sich um eintragungsbedürftige Finanzinstrumente (''registered securities'') wird anstelle der Investoren entweder der CSD oder ein Strohmann (''nominee'') im maßgeblichen Register eingetragen. Im Rahmen des Handels braucht dann keine Umschreibung zu erfolgen (u.U. aber für die Legitimation gegenüber dem Emittenten). Innerhalb dieses indirekten Verwahrungssystems verweist die Urkunde bzw. der Registereintrag als Repräsentationsmittel des Anteils nicht mehr direkt auf den Anleger (''indirect holding system''). Der CSD besitzt die Anteile nicht für sich, sondern für seine Kunden, in der Regel eine limitierte Anzahl von Depotbanken (Teilnehmer). Auf Depotkonten wird aufgeschlüsselt, für welche Teilnehmer der CSD welche Wertpapiere in welcher Menge verwahrt (erste Verwahrungsebene). Die Teilnehmer halten die Anteile zum Teil als Eigenbestände, überwiegend jedoch als Fremdbestände für eigene Kunden und weisen dies auf entsprechenden Konten aus (zweite Verwahrungsebene). Es können weitere Verwahrungsstellen bis zum Endanleger folgen, wodurch eine Verwahrungspyramide mit beliebig tiefen Verwahrungsketten entsteht. Jedes Glied, das Werte für nachgeordnete Kunden verbucht, ist ein Intermediär. Vergleichbar dem Geldgiroverkehr werden Verfügungen ausschließlich durch Zu- und Abbuchungen auf den von den Intermediären geführten Depotkonten auf Weisung der Anleger vollzogen, physische Übergaben finden nicht statt (Effektengiroverkehr, Art. 2(2)(g) RL 47/2002). Dadurch ist ein nahezu vollständiger Funktionsverlust der Wertpapierurkunde eingetreten; selbst der Genuss von Investorenrechten wie z.B. Dividenden- und Zinszahlungen oder Bezugs- und Stimmrechte (''corporate actions'') wird weitgehend über Intermediäre abgewickelt (hierzu RL 36/2007 über Aktionärsrechte).


== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
=== b) Transparente und intransparente Verwahrungsstrukturen ===
In keinem europäischen Rechtssystem gibt es eine gesetzliche Regelung für alle Formen des Vertriebs. Anwendung finden vielmehr die allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Vertragsrechts, soweit es um das Zustandekommen, die Wirksamkeit und die Durchführung von Vertriebsverträgen geht. Hinzu kommen im Hinblick auf Vertriebsformen, bei denen der Absatzmittler in das Absatzsystem des Unternehmers stark einbezogen ist, Fragen des Schutzes des Absatzmittlers vor Abschluss des Vertriebsvertrages (vorvertragliche Informationspflichten) und bei der Beendigung von Vertriebsverträgen (Kündigungsschutz und Kundschaftsentschädigung).
Innerhalb des mediatisierten Verwahrungssystems bestehen vertragliche Verhältnisse (Depotverträge) stets nur zwischen den jeweiligen Nachbarn in der Verwahrungskette. Dabei unterhalten die Intermediäre für ihre Kunden vielfach Sammelkonten, auf denen alle Anteile zusammengefasst und ungetrennt verbucht werden, selbst wenn der Kontoinhaber die Werte für nachgelagerte Kunden hält (''omnibus accounts'','' dépôt en fongibilité'', ''verzameldepot''). Auf höheren Ebenen ist der Endanleger daher unbekannt, seine Berechtigung ergibt sich erst aus der Gutschrift bei seinem unmittelbaren Intermediär. Man spricht von einer intransparenten Struktur (so Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Schweiz, Kanada, USA, fakultativ England). Es bestehen allerdings auch transparente Verwahrungssysteme, bei denen die einzelnen Wertpapierbestände auf allen Ebenen direkt dem Endinvestor zugeordnet sind (so Griechenland, nordische Länder, Spanien, fakultativ England). Hierzu können teilweise selbst Privatanleger Teilnehmer des CSD werden, der dann eine beliebig große Menge an Einzelkonten führt (einstufige Verwahrung, z.B. Griechenland, fakultativ England). In anderen Systemen lassen sich die Intermediärsdepots beim CSD in Unterkonten aufschlüsseln, auf denen die Endanleger namentlich ausgewiesen sind (z.B. Finland, Spanien, fakultativ Schweden). Bei diesen Systemen kann also mit einem Blick in die Bücher des CSD der jeweilige Anteilseigner bestimmt werden.


Dementsprechend existierten in vielen Mitgliedstaaten zwingende Vorschriften zum Schutz des Handelsvertreters. Da andere Mitgliedstaaten die Vertragsfreiheit der Parteien und vor allem die des Unternehmers in der Ausgestaltung der Vertretungsverträge nicht einschränkten, kam es zu Wettbewerbsverzerrungen, so dass das Handelsvertreterrecht durch die Handelsvertreter-RL (RL 86/653) vom 18.12.1986 harmonisiert wurde.
=== c) Entmaterialisierung von Wertpapieren ===
Die Diskrepanz zwischen Erstellungs- und Verwahrungskosten körperlicher Einzelurkunden und deren praktischer Bedeutung führte vielerorts zu einem mit der Immobilisierung eng verwobenen Phänomen, nämlich der Entmaterialisierung im Sinne eines teilweisen oder völligen Verzichts auf Urkunden als Repräsentationsmittel von Rechten. Der erste Schritt ist die zusammengefasste Verbriefung mehrerer gleichartiger Anteile in Sammel- oder Globalurkunden (''global''/''jumbo certificates''<nowiki>; z.B. Deutschland, England, Luxemburg, Österreich, Schweiz, Kanada, USA.). Bei der häufig verwendeten Dauerglobalurkunde wird die gesamte Emission dauerhaft in einer einzigen Urkunde verbrieft. Kraft gesetzlicher Fiktion repräsentiert diese zwar eine mit der Stückelung der Emission übereinstimmende Anzahl von Einzelurkunden. Jedoch wurde die Auslieferung effektiver Stücke in den Emissionsbedingung ausgeschlossen. Trotz physischer Grundlage sind Verfügungen daher nur noch im Buchungswege möglich („Zwangsgiro“). Konsequenter erscheint daher der vollständige Verzicht auf jedes Papier. An dessen Stelle treten elektronische Registereinträge zur Verlautbarung von Anteilsrechten (Wertrechte, </nowiki>''dematerialised/ uncertificated securities''). Als erste Rechtsordnung hat Frankreich sein Wertpapiersystem in den 1980er Jahren für alle Kapitalmarktwerte aller Emittenten zwingend auf reine Wertrechte umgestellt; ein Beispiel, das zunehmend Schule <nowiki>macht (etwa Belgien, Griechenland, Italien, Spanien, nordische Länder, Japan, bevorstehend Niederlande, fakultativ [z.T. schon früher] England, Schweiz, USA, Kanada, Australien, beschränkt auf Regierungsleihen Deutschland, Österreich).</nowiki>


Auch das Franchiserecht ist in Frankreich, Spanien, Italien und zuletzt in Belgien vor allem im Hinblick auf vorvertragliche Informationspflichten normiert worden, während die in den Mitgliedstaaten unterschiedlich beantwortete Frage nach einer Kundschaftsentschädigung bei Beendigung des Vertrags nicht Gegenstand der Regelungen ist. Rechtsprechung und Lehre diskutieren eine entsprechende Anwendung der Kundschaftsentschädigung des Handelsvertreterrechts, wobei eine klare Tendenz in den Mitgliedstaaten nicht auszumachen ist. Für die Frage, ob der Franchisenehmer einen Ausgleichsanspruch oder einen Schadensersatzanspruch gegen den Franchisegeber geltend machen kann, kommt es vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung des Franchisevertrages und die Umstände bei der Kündigung desselben an.
=== d) Abwicklung von Handelsgeschäften (Clearing & Settlement) ===
Diejenigen Geschäftsprozesse, die auf den Abschluss eines Wertpapierhandelsgeschäfts über eine [[Börsen|Börse]] oder einem anderen [[Märkte für Finanzinstrumente|Markt für Finanzinstrumente]] (''trading'') folgen und der Abrechnung (''clearing'') und Abwicklung (''settlement'') des Geschäfts dienen, werden zusammenfassend als Nachhandels- oder ''post trade''-Phase bzw. als das ''Clearing ''und'' Settlement'' (C&S) der Transaktion bezeichnet. Als Oberbegriff umschreibt ''Clearing'' alle Prozesse, die zur Feststellung der gegenseitigen Verbindlichkeiten notwendig sind und deren Erfüllung vorbereiten (Übermittlung und Abgleich von Geschäftsdaten, Aufrechnung gegenläufiger Verpflichtungen, Feststellung etwaiger Besicherungspflichten etc.). Immer häufiger wird im Rahmen des ''Clearing'' eine zentrale Vertragspartei in den Abwicklungsprozess mit einbezogen (''central counterparty'', CCP, Art.&nbsp;2(c) RL&nbsp;26/1998). Dabei werden alle Verträge zwischen den Marktteilnehmern in zwei identische Einzelgeschäfte mit dem CCP als Kontrahenten aufgespaltet (Kauf A-B wird zu Kauf A-CCP und CCP-B). Der CCP trägt das Ausfallrisiko der Teilnehmer, welche zur Absicherung [[Finanzsicherheiten]] bestellen müssen (''margening''). Soweit sie sich auf dieselbe Wertpapiergattung beziehen, werden die zwischen den Teilnehmern und dem CCP entstandenen Einzelverträge zu einer einzigen Nettolieferpflicht („Spitze“) saldiert (''mulilateral netting''), wodurch die effektiv zu bewegendem Volumina und damit verbundenen Risiken um ein Vielfaches (über 90%) reduziert werden. Der letzte Abwicklungsschritt ist die Belieferung der einzelnen Geschäfte durch entsprechende Depotumbuchungen (''settlement''). Auf der obersten Verwahrungsebene nimmt der CSD die Umbuchungen vor (Settlementsystem), auf den nachgelagerten Stufen sind die Intermediäre für die Kontenumstellungen verantwortlich. Im Falle der Einschaltung eines CCP werden im Settlementsystem lediglich die Spitzen ausgeglichen, während auf den unteren Ebenen alle Handelsgeschäfte buchungstechnisch erfüllt werden müssen. Deswegen lässt sich bei Börsengeschäften in der Regel keine durchgängige Buchungskette zwischen Verkäufer und Käufer mehr identifizieren. Innerhalb des buchungsgestützten Effektensystems ist der (vermittelte) Zugang zu einem Verwahrungs- und Settlementsystem Voraussetzung zur Teilnahme an einem Wertpapiermarkt (''essential facility''), weshalb sich die Infrastrukturen auch grenzüberschreitend immer stärker vernetzen. In Belgien und Luxemburg existieren zudem zwei spezialisierte Knotenpunkte zur Abwicklung internationaler Wertpapiertransaktionen, die ''international'' ''central securities depositories'' (ICSD).


Diese Fragen stellen sich auch im Recht des Vertragshändlers, welches in den Mitgliedstaaten kaum spezialgesetzlich geregelt ist. Belgien hat als einziger europäischer Staat einen spezifischen gesetzlichen Schutz des Vertragshändlers für den Fall der Beendigung eines Vertragshändlervertrags geschaffen (Gesetz vom 27.7. 1961 betreffend die einseitige Beendigung von exklusiven Vertragshändlerverträgen, abgeändert durch das Gesetz vom 13.4.1971). Alleinvertriebsverträge, die für unbestimmte Zeit abgeschlossen sind, können von beiden Seiten nur unter Wahrung einer angemessenen Kündigungsfrist oder unter Zahlung einer angemessenen Entschädigung beendet werden. Unabhängig von dieser Entschädigung kann der Vertragshändler eine zusätzliche Entschädigung in Form eines Ausgleichsanspruchs verlangen.  
== 3. Einzelstaatliche Regelungsstrukturen ==
Werden Vermögensgegenstände nicht nach Hinterlegern getrennt, sondern gattungsmäßig gesammelt (fungibel) bei einem Dritten verwahrt, liegt grundsätzlich ein ''depositum irregulare'' vor, so dass dem Hinterleger nur ein schuldrechtlicher Rückgabeanspruch zusteht ([[Verwahrung (allgemein)]]). Der Anleger wäre folglich dem Insolvenzrisiko seines Intermediärs ausgesetzt und stünde schlechter als nach klassischem Wertpapierrecht. Die Abschirmung des Investments vor dem Kredit- und Einlagenrisiko der Bank stellt daher ein Kernziel des depotrechtlichen Regimes dar. Zudem stößt das klassische Wertpapierrecht mit seinem physischen Anknüpfungspunkt zur Übertragung von Anteilsrechten auf modernen Kapitalmärkten an seine konstruktiven Grenzen. Besondere Probleme werfen Fragen des gutgläubigen Erwerbs ([[Erwerb vom Nichtberechtigten]]) sowie die Unmöglichkeit der eindeutigen Nachverfolgung (''tracing'','' droit de suite'') von Vermögensgegenständen entlang einer Buchungskette auf. Viele Einzelfragen harren in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen einer abschließenden Klärung. Insgesamt lassen sich zwei (fließend in einander übergehende) Lösungsansätze identifizieren, die Miteigentumslösungen und die Treuhandlösungen.


In den übrigen europäischen Staaten ist die Rechtslage uneinheitlich und nur schwer überschaubar. Im ''österreichischen Recht'' wird die analoge Anwendung des Handelsvertreterrechts auf Vertragshändler in unterschiedlichem Ausmaß befürwortet. Der handelsvertreterrechtliche Ausgleichsanspruch ist auf Vertragshändler nach ständiger Rechtsprechung dann analog anzuwenden, wenn sein Vertrag im Innenverhältnis den wesentlichen Merkmalen des Handelsvertretervertrags derart angenähert ist, dass dessen Elemente überwiegen und die Verwehrung des Ausgleichsanspruchs den Zielsetzungen des österreichischen Handelsvertretergesetzes zuwiderliefe, was vor allem für Kfz-Vertriebshändler im Regelfall angenommen wird. In ''Frankreich''<nowiki> ist kein besonderer Kündigungsschutz für Vertragshändler vorgesehen. Statt eines Ausgleichsanspruches gewährt das französische Recht dem Vertragshändler in bestimmten Fällen (Missachtung einer vertraglichen Kündigungsfrist [</nowiki>''rupture brusque''<nowiki>] oder missbräuchliche Kündigung [</nowiki>''rupture abusive'']) einen Schadensersatzanspruch. In Spanien können Vertragshändlerverträge, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurden, auch ohne wichtigen Grund gekündigt werden, wobei dies allerdings nur in den Grenzen von Treu und Glauben zulässig ist, insbesondere muss die Kündigung unter Einhaltung einer angemessenen Frist angekündigt werden. Einen Ausgleichsanspruch gewährt die spanische Rechtsprechung bei Vertragshändlerverträgen nur bei rechtsmissbräuchlicher Kündigung sowie in dem Fall, dass als Folge der Kündigung für eine Partei die Möglichkeit entsteht, von der Arbeit der anderen Partei unangemessen zu profitieren. In den Niederlanden beruht das Kündigungsrecht für Vertragshändler allein auf der Heranziehung der Grundsätze von Angemessenheit und Billigkeit, wobei sich keine allgemeingültigen Regeln aus der Rechtsprechung ableiten lassen. Auch im Hinblick auf das Recht des Vertragshändlers auf Entschädigung bei Beendigung des Vertragshändlervertrages und hat gibt es bislang keine gefestigten Rechtsgrundsätze in den Niederlanden. Auch in Dänemark hat sich bislang keine einheitliche Rechtsprechung zum Kündigungsschutz des Vertragshändlers herausbilden können, während die Gerichte einen Ausgleichsanspruch im Einzelfall gewährt haben. In der ''Schweiz'' gewährt die Rechtsprechung Vertragshändlern einen Kündigungsschutz, während sie einen Ausgleichsanspruch grundsätzlich ablehnt, aber nicht für alle Fälle ausschließt. Im englischen Recht können auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Vertragshändlerverträge unter Einhaltung einer angemessenen Frist gekündigt werden. Ein Ausgleich für den Verlust von Goodwill oder von künftigen Geschäften wird nicht gewährt. In Finnland, Norwegen und Schweden ist der Vertragshändler nicht besonders geschützt.
=== a) Miteigentumslösungen ===
<nowiki>Die meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen gewähren dem Investor ein dingliches (Mit‑)Eigentumsrecht an der Gesamtheit der beim Zentralverwahrer hinterlegten Wertpapiere bzw. in dessen Namen eingetragenen Wertrechte. Insofern besteht also eine direkte sachenrechtliche Beziehung zwischen dem Anleger und dem Repräsentationsmittel des Vermögensgegenstandes. Dabei hat der Investor kein Recht auf ein einzelnes, nummernmäßig bestimmtes Papier bzw. Registereintrag, sondern verfügt in Höhe seiner Gutschrift über Bruchteilseigentum an allen beim CSD verwahrten Vermögensgegenständen gleicher Gattung (so deutsches [1937] und österreichisches [1969] DepotG). In anderen </nowiki>Rechtsordnungen wird durch die Übernahme in die Sammelverwahrung ein globaler Gesamtsammelbestand fingiert, der aus sämtlichen bei allen am Buchungssystem teilnehmenden Verwahrern verbuchten Werten gleicher Gattung besteht, ungeachtet ihres tatsächlichen Verwahrungsortes (''universalité de titre de même espèce''). An diesem gedachten (ideellen) Sammelbestand erhält der Hinterleger ein „unkörperliches Miteigentumsrecht“ (''droit de copropriété'','' de nature incorporelle'', so belgisches ''Arrêté Royal n° 62''<nowiki> [1967], ganz ähnlich luxemburgische </nowiki>''Loi du 1.8.2001''<nowiki> [ehemals </nowiki>''Règlement Grand-Ducal du 17.2.1971''&#93;, niederländisches ''Wet giraal effectenverkeer''<nowiki> [1977]). Diese Eigentümerstellung darf außerhalb der Insolvenz des Kontoführers allerdings nicht gegenüber jedermann, sondern nur gegenüber dem eigenen Intermediär „mediatisiert“ ausgeübt werden (Belgien, Luxemburg, Niederlande; umstritten in Deutschland, Österreich). Selbst das papierfreie französische System hält an einer „körperlichen“ Terminologie fest, indem der Eininvestor als Eigentümer eines „durch die Kontogutschrift materialisierten“ Wertrechts bezeichnet wird (</nowiki>''valeurs mobilières ne sont matérialisés que par une inscription au compte de leur propriétaire'', Art.&nbsp;R211-1 ''Code monétaire et financier''). Der italienische Gesetzgeber fingierte die depotrechtliche Verwahrung kurzerhand als ''depositum regulare'', wobei die Buchung als normale Übergabe behandelt wird, mit der Folge, dass der Hinterleger sein ursprüngliches dingliches Recht behält (''Legge 19.6.1986'','' n. 289''). Die transparenten Systeme gewähren dem Investor stets ein direktes Eigentumsrecht an den beim CSD verbuchten Anteilen.


Ein wichtiges Problem beim Vertrieb jedenfalls durch Vertragshändler sind wettbewerbsbeschränkende Klauseln, deren Zulässigkeit nach dem nationalen und europäischen Kartellrecht zu prüfen ist. Es stellt sich dabei zunächst die Frage der Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln auf den betreffenden Absatzmittler ([[Wettbewerbsregeln, Anwendbarkeit]]). Für die Freistellung vertikaler Vertriebsvereinbarungen ([[Vertikalvereinbarungen im EG‑Kartellrecht|Vertikalvereinbarungen]]), die wettbewerbsbeschränkende Klauseln enthalten, ist die Gruppenfreistellungs-VO (VO&nbsp;2790/1999) ([[Gruppenfreistellungsverordnungen]]) maßgeblich. Darüber hinaus hat die Kommission die Anwendung des Art.&nbsp;81 EG/101 AEUV auf Vertriebsvereinbarungen in den Leitlinien für vertikale Beschränkungen näher konkretisiert.
Für die Übertragung der dinglichen Rechte wenden einige Rechtsordnungen im Grundsatz schlicht die allgemeinen Regeln zur [[Eigentumsübertragung (beweglicher Sachen)|Eigentumsübertragung]] an, wobei die Kontobuchung als der Übergang des mittelbaren Besitzes an den Urkunden verstanden wird (Deutschland, Österreich). In anderen Gesetzen findet sich ein ausdrücklicher Hinweis auf die Kontobuchung als Übertragungsmodus (''virement de compte à compte'', Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande). Als problematisch stellt sich in vielen Rechtsordnungen die Reichweite dieser Regeln dar, insbesondere, ob ein gutgläubiger Erwerb ([[Erwerb vom Nichtberechtigten]]) auf Grundlage der Buchung als Besitzsurrogat möglich ist. Die herrschende Ansicht bejaht dies in Deutschland und Österreich. In Frankreich ist bis heute unklar, ob der Grundsatz ''la possession vaut titre'' des Art.&nbsp;2279 ''Code civil'' auch für den „Buchungsbesitz“ gilt; in Belgien wurde dies explizit angeordnet. Nach italienischem Recht sind einer im Buchungswege vorgenommenen Übertragung die gleichen Wirkungen beizumessen, wie in den allgemeinen Regeln über den Umlauf von Wertpapieren für physische Übergaben vorgesehen. Insgesamt behandeln die Miteigentumslösungen damit die mediatisierten und weitgehend entmaterialisierten Anteilsrechte verfügungstechnisch analog dem klassischen Wertpapierrecht. Dabei herrscht die Vorstellung, dass bei Handelsgeschäften derselbe Vermögensgegenstand übertragen wird, nämlich das dingliches Anteilsrecht am Sammelbestand; und zwar unabhängig davon, ob sich Veräußerer und Erwerber ''ex ante'' oder ''ex post'' identifizieren lassen und durch eine durchgängige Buchungskette miteinander verbunden sind.


== 3. Vereinheitlichungsprojekte ==
=== b) Treuhandlösungen ===
Im [[Common Frame of Reference|DCFR]] werden der [[Handelsvertreter]], das ''[[Franchising]]'' und der Vertragshändler in einem eigenen Abschnitt geregelt. In einem allgemeinen Teil (Art.&nbsp;IV.E.-1:101 bis IV.E.-2:402) werden Pflichten der Vertragsparteien und Regelungen bei Vertragsbeendigung und Kündigung für alle drei Vertriebsformen festgelegt. Dort werden nicht abbedingbare vorvertragliche Informationspflichten, die vor allem für das Franchiserecht typisch sind, auf Unternehmer im Vertragshändler- und Handelsvertreterrecht ausgedehnt. Art.&nbsp;IV.E.-4:102 DCFR konkretisiert diese Informationspflichten inhaltlich aber besonders für den Franchisevertrag. Wegen der Rechtsfolge wird auf die Regelungen zum [[Irrtum]] im 7.&nbsp;Abschnitt des 2.&nbsp;Buches des DCFR verwiesen.
Nach den Treuhandlösungen steht dem Anleger an den beim Zentralverwahrer befindlichen Vermögensgegenständen kein unmittelbares dingliches Recht zu. Ein solches erhält der Investor vielmehr nur in Bezug auf die bei seinem unmittelbaren Intermediär befindlichen Vermögenswerte. Federführend für dieses Modell ist das ''security entitlement'' nach Art.&nbsp;8 des ''Uniform Commercial Code'' (UCC) in der revidierten Fassung von 1994 (dieses Konzept wurde in Kanada, Puerto Rico, Panama übernommen). Im Ausgangspunkt ist das ''security entitlement'' ein Paket von Rechten, welches sich gegen den unmittelbaren Intermediär richtet und u.a. zu Verfügungsanweisungen berechtigt und den Intermediär verpflichtet, dem Anleger den Genuss von Investorenrechten zu ermöglichen. Im Kern handelt es sich beim ''security entitlement'' also um einen schuldrechtlichen Anspruch. Dieser wird jedoch insofern „verdinglicht“, als alle Gutschriften, die dem Intermediär von seinem Verwahrer erteilt werden, nicht dem Zugriff der allgemeinen Gläubiger des Intermediärs unterliegen, sondern allein der Deckung der Ansprüche der Investoren dienen. Es entsteht ein Vermögensrecht ''sui generis ''zwischen Schuld- und Sachenrecht. Trotz einiger Auslegungszweifel wird das ungeschriebene englische Recht mehrheitlich dahingehend ausgelegt, dass es sachlich dem ''security entitlement'' entspricht. Die Verwahrung durch Intermediäre wird nämlich als eine Kette von nacheinander geschalteten [[Trust und Treuhand|''trusts'']] zugunsten der jeweiligen Kunden verstanden. Die Vermögensgegenstände der ''(sub‑) trusts'' zugunsten der Anleger bestehen aus den ''equitable interests'' (''[[equity]]'') der Depotbanken an den von ihren eigenen Intermediären gehaltenen Werten. Die Teilnehmer des Settlementsystems sind ''legal owner'' der Anteilsrechte und halten diese ''on trust'' für nachgelagerte Ebenen. Eine vergleichbare Treuhandlösung sehen zudem einige kontinentaleuropäische Rechtsordnungen für im Ausland gelagerte, aber von inländischen Investoren gehaltene Effekten vor (z.B. Deutschland, Österreich; andere Länder dehnen das inländische Regime auf im Ausland verwahrte, aber auf inländischen Konten verbuchte Werte aus, etwa Belgien, Luxemburg, Niederlande). Das schweizerische Bucheffektengesetz von 2008 kombiniert das Miteigentumsmodell mit dem Konzept des ''security entitlement'' und schafft einen eigenen Vermögenswert zwischen beiden Lösungen (in diese Richtung schon Belgien, Luxemburg, Niederlande).


Die Regelung der Kündigungsfrist bei einseitiger Beendigung eines auf unbestimmte Zeit geschlossenen Vertrags in Art.&nbsp;IV.E.-2:302 DCFR lehnt sich stark an die entsprechende Regelung in der Handelsvertreterrichtlinie an und sieht zwingende Mindestfristen vor, die sich nach der Länge der Laufzeit des Vertrags richten. Eine Kundschaftsentschädigung wird zwar im allgemeinen Teil des DCFR normiert, ist jedoch vertraglich abdingbar und soll nur für den Handelsvertreter nach Art.&nbsp;IV.E.-3:312 DCFR zwingend gelten.
Verfügungen im Treuhandsystem vollziehen sich rechtlich nach dem Modell der Giroüberweisung: Mit der Gutschrift entsteht eine neue Berechtigung beim Erwerber, während die alte Berechtigung des Veräußerers mit der Belastung des Kontos erlischt; es wird also gerade nicht derselbe Vermögensgegenstand „durchgereicht“. Bei diesem Modell stellt sich die Frage des gutgläubigen Erwerbs folglich nicht. Zudem bereitet die Praxis des ''netting'' keine konstruktiven Schwierigkeiten. Allerdings können im Treuhandsystem mehr Berechtigungen gutgeschrieben werden, als ursprünglich Anteile emittiert wurden, was zu Problemen bei ''corporate actions'' führen kann.
 
== 4. Gemeinschaftsrechtrechtliche Regelungsstrukturen ==
Die Eckpfeiler des europäischen Marktinfrastrukturrechts markieren die Finalitätsrichtlinie (RL&nbsp;26/1998) und die Finanzsicherheitenrichtlinie (RL&nbsp;47/2002) ([[Finanzsicherheiten]]). Zudem enthält die Richtlinie über [[Märkte für Finanzinstrumente]] (MiFID) (RL&nbsp;39/2004) inklusive Durchführungsrichtlinie (RL&nbsp;73/2006) verwahrungsrelevante Vorschriften, etwa Vorgaben zu Verbuchung und Weitergabe mediatisierter Vermögenswerte (Art.&nbsp;13(7) MiFID, 16&nbsp;ff. RL 73/ 2006). Die MiFID gewährt den Marktteilnehmern ferner einen Anspruch auf (grenzüberschreitenden) Zugang zu und Wahl von C&S-Systemen (Art.&nbsp;34,&nbsp;46). Als Folge ist nicht mehr jedem Markt genau ein Abwicklungssystem zugeordnet, so dass eine Transaktion in Land A abgeschlossen, in Land B abgerechnet und in Land C abgewickelt werden kann, sofern die Systeme miteinander vernetzt und kompatibel sind. Letzteres kann nur von den Anbietern selbst verwirklicht werden. Aus diesem Grund, und um kartellrechtlichen Bedenken zu begegnen, hat die C&S-Industrie einen ''Code of Conduct ''mit Vorschriften u.a. zu Preistransparenz und Systemkompatibilität ausgearbeitet, über deren Umsetzung eine von der Kommission eingesetzte ''Monitoring Group of the Code of Conduct on Clearing and Settlement ''(MOG) berichtet.
 
Fragen der Wertpapierverwahrung rücken zunehmend in den rechtspolitischen Fokus der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]], da eine klare rechtliche Basis für die Abwicklung (grenzüberschreitender) Wertpapiertransaktionen eine Grundvoraussetzung für einen effizienten [[Europäischer Binnenmarkt|europäischen Binnenmarkt]] für Finanzdienstleistungen und die Ausübung der [[Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit]] ist (reichhaltiges Material unter GD MARKT, Finanzdienstleistungen, Infrastruktur). Ausgangspunkt waren zwei Berichte der sog. ''Giovannini Group'', die 15 Markthindernisse identifizierte (2001) und entsprechende Lösungswege aufzeigte (2003). Hieraus resultierte eine Mitteilung zu künftigen Maßnahmen im C&S-Bereich (KOM(2004) 312 endg.). In der Folge berief die Kommission mehrere Expertengruppen ein, namentlich die ''Clearing and Settlement Advisory and Monitoring Expert Group'' (CESAME) zu Technik, Marktpraktiken und Governance, die ''Clearing and Settlement Fiscal Compliance Expert Group'' (FISCO) zum Steuerrecht sowie die ''Legal Certainty Group'' (LCG) zur Vereinheitlichung des Rechts der Intermediär-verwahrten Wertpapiere. Daneben gibt es vielfältige Arbeitspapiere und Empfehlungen internationaler Sachverständigengruppen, etwa der ''Group of Thirty ''(G30), ''European Financial Markets Lawyers Group ''(EFMLG), ''European Central Securities Depositories Association ''(ECSDA), ''Committee of European Securities Regulators ''(CESR), ''Committee on Payment and Settlement Systems ''(CPSS).
 
Im August 2008 legte die ''Legal Certainty Group'' ihren ausführlichen Abschlussbericht nebst Regelungsempfehlungen vor. Ausgehend von einem funktionalen Ansatz wird dort nicht die Rechtsnatur des Anteils (Eigentum, Treuhand), sondern lediglich die Wirkung von Depotgutschriften festgelegt (''book entry securities'', Empfehlung&nbsp;4). Diese werden grundsätzlich vor der Insolvenz des Intermediärs geschützt. Mit Gutschrift werden die Anteile Dritten (nicht notwendig dem Emittenten) gegenüber wirksam erworben und durch Belastungsbuchung veräußert; gutgläubiger Erwerb ist möglich (Empfehlung 5-7). Zudem enthält der Bericht Empfehlungen, unter welchen Voraussetzungen Depotgutschriften und ‑belastungen rückgängig gemacht oder vorläufig erteilt werden dürfen und welche Rechtsfolgen etwaige Stornierungen zeitigen (Empfehlung 6&nbsp;f.,&nbsp;9). Darüber hinaus sind Vorschläge zur mediatisierten Ausübung von Investorenrechten enthalten (Empfehlung 12-14). Schließlich sollen Emittenten wählen können, ob ihre Emission beim inländischen oder einem ausländischen CSD immobilisiert wird (Empfehlung 15). Insgesamt sind die Empfehlungen der LCG detaillierter und zielen auf einen höheren Harmonisierungsgrad ab als das einheitsrechtliche Projekt von UNIDROIT (dazu 5.). Die Ergebnisse der LCG sollen in eine zukünftige Richtlinie zum Depotrecht münden, wozu die Kommission im April 2009 eine öffentliche Konsultation eingeleitet hat. Der [[Common Frame of Reference|DFCR]] verhält sich zu depotrechtlichen Fragestellungen uneinheitlich: Während die Vorschriften zur allgemeinen [[Verwahrung (allgemein)|Verwahrung]] (Art.&nbsp;IV.C.-5:101(2)(c)) und zur [[Eigentumsübertragung (beweglicher Sachen)|Eigentumsübertragung beweglicher Sachen]] (Art.&nbsp;VII.-1:101(4)(a)) Wertpapiere aussparen, sind die Regelungen über [[Mobiliarsicherheiten]] auf immobilisierte Anteilsrechte explizit anwendbar (Art.&nbsp;IX.-1:201(7),&nbsp;(8)) ([[Finanzsicherheiten]]).
 
== 5. Einheitsrechtsrechtliche Regelungsstrukturen ==
Ein globales Modell der Wertpapierverwahrung schlägt die von [[UNIDROIT]]'' ''erarbeitete ''Draft Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Securities'' vor, die im Oktober 2009 in Genf verabschiedet werden soll. Der Entwurf zielt nicht auf eine Vollharmonisierung ab, sondern strebt eine dem funktionalen Ansatz folgende Kompromisslösung zwischen grenzüberschreitender Rechtssicherheit und Bewahrung nationaler Regelungsstrukturen an (''functional approach'', ''internal soundness''). Mit der Gutschrift erhält der Endinvestor u.a. einen insolvenzfesten (Art.&nbsp;14,&nbsp;21) Anspruch auf die aus dem Wertpapier folgenden Vorteile sowie das Recht, über seinen Anteil im Wege der Buchungsanweisung zu verfügen (Art.&nbsp;9). Der Anteil wird durch Gutschrift erworben und durch Belastung veräußert (Art.&nbsp;11; zur Verpfändung [[Finanzsicherheiten]]), wobei gutgläubiger Erwerb ([[Erwerb vom Nichtberechtigten]]) zugelassen wird (Art.&nbsp;18). Die Konvention überlässt die Frage nach der Wirksamkeit bzw. Stornierungsmöglichkeit einer Depotbuchung jedoch nahezu vollständig dem nationalen Recht (Art.&nbsp;16), wodurch der erreichte Grad an Rechtssicherheit wesentlich geschmälert wird. Auch an vielen weiteren Stellen verweist die Konvention auf nationales Recht, weshalb letzterem und damit dem Kollisionsrecht weiterhin erhebliche Bedeutung beizumessen sein wird.
 
== 6. Internationales Privatrecht ==
Das [[Internationales Privatrecht|internationale Privatrecht]] der Intermediär-verwahrten Wertpapiere unterliegt besonderen gemeinschaftsrechtlichen und einheitsrechtlichen Regelungen ([[Finanzsicherheiten]]).


== Literatur==
== Literatur==
''Wolfram Küstner'', ''Karl-Heinz Thume'', Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd.&nbsp;3: Vertriebsrecht, 2.&nbsp;Aufl. 1998; ''Geert Bogaert'', ''Ulrich Lohmann'', Commercial Agency and Distribution Agreements, 3.&nbsp;Aufl. 2000; ''Michael Martinik'', ''Franz-Jörg Semler'', ''Stefan Habermeier'' (Hg.), Handbuch des Vertriebsrechts, 2.&nbsp;Aufl. 2003.
''James Steven Rogers'', Policy Perspectives on Revised U.C.C. Article 8, UCLA Law Review 43 (1996) 1431&nbsp;ff.;'' Joanna Benjamin'','' Madeleine Yates'', The Law of Global Custody, 2.&nbsp;Aufl. 2002; ''Frédéric Nizard'', Les titres négociables, 2003; ''Eva'' ''Micheler'', Wertpapierrecht zwischen Schuldrecht und Sachenrecht, 2004; ''Matthias Haentjens'', Harmonisation of Securities Law, Custody and Transfer of Securities in European Private Law, 2007; ''Philipp R. Wood'', Set-Off and Netting, Derivatives, Clearing Systems, 2.&nbsp;Aufl. 2007, Rn.&nbsp;18-001&nbsp;ff.;'' Luc Thévenoz'', Intermediated Securities, Legal Risk, and the International Harmonisation of Commercial Law, Stanford Journal of Law, Business & Finance 13 (2008) 384&nbsp;ff.; ''Law Commission'', The Unidroit Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Securities, Further Updated Advice to HM Treasury, May 2008;'' Legal Certainty Group'', Second Advice of the Legal Certainty Group: Solutions to Legal Barriers related to Post trading within the EU, August 2008; ''Dorothee Einsele'', Depotgeschäft, in: Münchener Kommentar zum HGB, Bd.&nbsp;5, 2.&nbsp;Aufl. 2009.


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Version vom 29. September 2021, 15:39 Uhr

von Simon Schwarz

1. Gegenstand und Zweck

Die Aufbewahrung und Verwaltung von Wertpapieren bzw. Finanzinstrumenten durch Depotbanken (custodians) hat sich zu einem von den Regeln der allgemeinen Verwahrung zu unterscheidenden Bereich entwickelt, dem Depotgeschäft (global custody, custody of investments). Im weiteren Sinne beschäftigt sich das Recht der Wertpapierverwahrung (Depotrecht) mit der Ausgestaltung und Funktionsweise derjenigen Infrastrukturen, die sich zur reibungslosen Abwicklung und Erfüllung von Wertpapierhandelsgeschäften sowie zur Verwaltung von Anteilsrechten herausgebildet haben (näher 2.). Systematisch ist das Depotrecht daher Teil des Bankrechts sowie des Kapitalmarktrechts und dient insbesondere dem Kapitalanlegerschutz.

2. Infrastruktur moderner Finanzmärkte

a) Immobilisierung von Wertpapieren

Verfügungen über handelbare Kapitalmarkttitel (Effekten) werden nur noch durch Depotkontobuchungen verlautbart. Diese Entwicklung wurde zunächst durch die Immobilisierung oder Mediatisierung von Wertpapieren ermöglicht: Alle innerhalb eines Landes begebenen Wertpapierurkunden werden unmittelbar nach ihrer Emission einer zentralen Stelle zur dauerhaften Aufbewahrung übergeben (Zentralverwahrer, central securities depository, CSD). Handelt es sich um eintragungsbedürftige Finanzinstrumente (registered securities) wird anstelle der Investoren entweder der CSD oder ein Strohmann (nominee) im maßgeblichen Register eingetragen. Im Rahmen des Handels braucht dann keine Umschreibung zu erfolgen (u.U. aber für die Legitimation gegenüber dem Emittenten). Innerhalb dieses indirekten Verwahrungssystems verweist die Urkunde bzw. der Registereintrag als Repräsentationsmittel des Anteils nicht mehr direkt auf den Anleger (indirect holding system). Der CSD besitzt die Anteile nicht für sich, sondern für seine Kunden, in der Regel eine limitierte Anzahl von Depotbanken (Teilnehmer). Auf Depotkonten wird aufgeschlüsselt, für welche Teilnehmer der CSD welche Wertpapiere in welcher Menge verwahrt (erste Verwahrungsebene). Die Teilnehmer halten die Anteile zum Teil als Eigenbestände, überwiegend jedoch als Fremdbestände für eigene Kunden und weisen dies auf entsprechenden Konten aus (zweite Verwahrungsebene). Es können weitere Verwahrungsstellen bis zum Endanleger folgen, wodurch eine Verwahrungspyramide mit beliebig tiefen Verwahrungsketten entsteht. Jedes Glied, das Werte für nachgeordnete Kunden verbucht, ist ein Intermediär. Vergleichbar dem Geldgiroverkehr werden Verfügungen ausschließlich durch Zu- und Abbuchungen auf den von den Intermediären geführten Depotkonten auf Weisung der Anleger vollzogen, physische Übergaben finden nicht statt (Effektengiroverkehr, Art. 2(2)(g) RL 47/2002). Dadurch ist ein nahezu vollständiger Funktionsverlust der Wertpapierurkunde eingetreten; selbst der Genuss von Investorenrechten wie z.B. Dividenden- und Zinszahlungen oder Bezugs- und Stimmrechte (corporate actions) wird weitgehend über Intermediäre abgewickelt (hierzu RL 36/2007 über Aktionärsrechte).

b) Transparente und intransparente Verwahrungsstrukturen

Innerhalb des mediatisierten Verwahrungssystems bestehen vertragliche Verhältnisse (Depotverträge) stets nur zwischen den jeweiligen Nachbarn in der Verwahrungskette. Dabei unterhalten die Intermediäre für ihre Kunden vielfach Sammelkonten, auf denen alle Anteile zusammengefasst und ungetrennt verbucht werden, selbst wenn der Kontoinhaber die Werte für nachgelagerte Kunden hält (omnibus accounts, dépôt en fongibilité, verzameldepot). Auf höheren Ebenen ist der Endanleger daher unbekannt, seine Berechtigung ergibt sich erst aus der Gutschrift bei seinem unmittelbaren Intermediär. Man spricht von einer intransparenten Struktur (so Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Schweiz, Kanada, USA, fakultativ England). Es bestehen allerdings auch transparente Verwahrungssysteme, bei denen die einzelnen Wertpapierbestände auf allen Ebenen direkt dem Endinvestor zugeordnet sind (so Griechenland, nordische Länder, Spanien, fakultativ England). Hierzu können teilweise selbst Privatanleger Teilnehmer des CSD werden, der dann eine beliebig große Menge an Einzelkonten führt (einstufige Verwahrung, z.B. Griechenland, fakultativ England). In anderen Systemen lassen sich die Intermediärsdepots beim CSD in Unterkonten aufschlüsseln, auf denen die Endanleger namentlich ausgewiesen sind (z.B. Finland, Spanien, fakultativ Schweden). Bei diesen Systemen kann also mit einem Blick in die Bücher des CSD der jeweilige Anteilseigner bestimmt werden.

c) Entmaterialisierung von Wertpapieren

Die Diskrepanz zwischen Erstellungs- und Verwahrungskosten körperlicher Einzelurkunden und deren praktischer Bedeutung führte vielerorts zu einem mit der Immobilisierung eng verwobenen Phänomen, nämlich der Entmaterialisierung im Sinne eines teilweisen oder völligen Verzichts auf Urkunden als Repräsentationsmittel von Rechten. Der erste Schritt ist die zusammengefasste Verbriefung mehrerer gleichartiger Anteile in Sammel- oder Globalurkunden (global/jumbo certificates; z.B. Deutschland, England, Luxemburg, Österreich, Schweiz, Kanada, USA.). Bei der häufig verwendeten Dauerglobalurkunde wird die gesamte Emission dauerhaft in einer einzigen Urkunde verbrieft. Kraft gesetzlicher Fiktion repräsentiert diese zwar eine mit der Stückelung der Emission übereinstimmende Anzahl von Einzelurkunden. Jedoch wurde die Auslieferung effektiver Stücke in den Emissionsbedingung ausgeschlossen. Trotz physischer Grundlage sind Verfügungen daher nur noch im Buchungswege möglich („Zwangsgiro“). Konsequenter erscheint daher der vollständige Verzicht auf jedes Papier. An dessen Stelle treten elektronische Registereinträge zur Verlautbarung von Anteilsrechten (Wertrechte, dematerialised/ uncertificated securities). Als erste Rechtsordnung hat Frankreich sein Wertpapiersystem in den 1980er Jahren für alle Kapitalmarktwerte aller Emittenten zwingend auf reine Wertrechte umgestellt; ein Beispiel, das zunehmend Schule macht (etwa Belgien, Griechenland, Italien, Spanien, nordische Länder, Japan, bevorstehend Niederlande, fakultativ [z.T. schon früher] England, Schweiz, USA, Kanada, Australien, beschränkt auf Regierungsleihen Deutschland, Österreich).

d) Abwicklung von Handelsgeschäften (Clearing & Settlement)

Diejenigen Geschäftsprozesse, die auf den Abschluss eines Wertpapierhandelsgeschäfts über eine Börse oder einem anderen Markt für Finanzinstrumente (trading) folgen und der Abrechnung (clearing) und Abwicklung (settlement) des Geschäfts dienen, werden zusammenfassend als Nachhandels- oder post trade-Phase bzw. als das Clearing und Settlement (C&S) der Transaktion bezeichnet. Als Oberbegriff umschreibt Clearing alle Prozesse, die zur Feststellung der gegenseitigen Verbindlichkeiten notwendig sind und deren Erfüllung vorbereiten (Übermittlung und Abgleich von Geschäftsdaten, Aufrechnung gegenläufiger Verpflichtungen, Feststellung etwaiger Besicherungspflichten etc.). Immer häufiger wird im Rahmen des Clearing eine zentrale Vertragspartei in den Abwicklungsprozess mit einbezogen (central counterparty, CCP, Art. 2(c) RL 26/1998). Dabei werden alle Verträge zwischen den Marktteilnehmern in zwei identische Einzelgeschäfte mit dem CCP als Kontrahenten aufgespaltet (Kauf A-B wird zu Kauf A-CCP und CCP-B). Der CCP trägt das Ausfallrisiko der Teilnehmer, welche zur Absicherung Finanzsicherheiten bestellen müssen (margening). Soweit sie sich auf dieselbe Wertpapiergattung beziehen, werden die zwischen den Teilnehmern und dem CCP entstandenen Einzelverträge zu einer einzigen Nettolieferpflicht („Spitze“) saldiert (mulilateral netting), wodurch die effektiv zu bewegendem Volumina und damit verbundenen Risiken um ein Vielfaches (über 90%) reduziert werden. Der letzte Abwicklungsschritt ist die Belieferung der einzelnen Geschäfte durch entsprechende Depotumbuchungen (settlement). Auf der obersten Verwahrungsebene nimmt der CSD die Umbuchungen vor (Settlementsystem), auf den nachgelagerten Stufen sind die Intermediäre für die Kontenumstellungen verantwortlich. Im Falle der Einschaltung eines CCP werden im Settlementsystem lediglich die Spitzen ausgeglichen, während auf den unteren Ebenen alle Handelsgeschäfte buchungstechnisch erfüllt werden müssen. Deswegen lässt sich bei Börsengeschäften in der Regel keine durchgängige Buchungskette zwischen Verkäufer und Käufer mehr identifizieren. Innerhalb des buchungsgestützten Effektensystems ist der (vermittelte) Zugang zu einem Verwahrungs- und Settlementsystem Voraussetzung zur Teilnahme an einem Wertpapiermarkt (essential facility), weshalb sich die Infrastrukturen auch grenzüberschreitend immer stärker vernetzen. In Belgien und Luxemburg existieren zudem zwei spezialisierte Knotenpunkte zur Abwicklung internationaler Wertpapiertransaktionen, die international central securities depositories (ICSD).

3. Einzelstaatliche Regelungsstrukturen

Werden Vermögensgegenstände nicht nach Hinterlegern getrennt, sondern gattungsmäßig gesammelt (fungibel) bei einem Dritten verwahrt, liegt grundsätzlich ein depositum irregulare vor, so dass dem Hinterleger nur ein schuldrechtlicher Rückgabeanspruch zusteht (Verwahrung (allgemein)). Der Anleger wäre folglich dem Insolvenzrisiko seines Intermediärs ausgesetzt und stünde schlechter als nach klassischem Wertpapierrecht. Die Abschirmung des Investments vor dem Kredit- und Einlagenrisiko der Bank stellt daher ein Kernziel des depotrechtlichen Regimes dar. Zudem stößt das klassische Wertpapierrecht mit seinem physischen Anknüpfungspunkt zur Übertragung von Anteilsrechten auf modernen Kapitalmärkten an seine konstruktiven Grenzen. Besondere Probleme werfen Fragen des gutgläubigen Erwerbs (Erwerb vom Nichtberechtigten) sowie die Unmöglichkeit der eindeutigen Nachverfolgung (tracing, droit de suite) von Vermögensgegenständen entlang einer Buchungskette auf. Viele Einzelfragen harren in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen einer abschließenden Klärung. Insgesamt lassen sich zwei (fließend in einander übergehende) Lösungsansätze identifizieren, die Miteigentumslösungen und die Treuhandlösungen.

a) Miteigentumslösungen

Die meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen gewähren dem Investor ein dingliches (Mit‑)Eigentumsrecht an der Gesamtheit der beim Zentralverwahrer hinterlegten Wertpapiere bzw. in dessen Namen eingetragenen Wertrechte. Insofern besteht also eine direkte sachenrechtliche Beziehung zwischen dem Anleger und dem Repräsentationsmittel des Vermögensgegenstandes. Dabei hat der Investor kein Recht auf ein einzelnes, nummernmäßig bestimmtes Papier bzw. Registereintrag, sondern verfügt in Höhe seiner Gutschrift über Bruchteilseigentum an allen beim CSD verwahrten Vermögensgegenständen gleicher Gattung (so deutsches [1937] und österreichisches [1969] DepotG). In anderen Rechtsordnungen wird durch die Übernahme in die Sammelverwahrung ein globaler Gesamtsammelbestand fingiert, der aus sämtlichen bei allen am Buchungssystem teilnehmenden Verwahrern verbuchten Werten gleicher Gattung besteht, ungeachtet ihres tatsächlichen Verwahrungsortes (universalité de titre de même espèce). An diesem gedachten (ideellen) Sammelbestand erhält der Hinterleger ein „unkörperliches Miteigentumsrecht“ (droit de copropriété, de nature incorporelle, so belgisches Arrêté Royal n° 62 [1967], ganz ähnlich luxemburgische Loi du 1.8.2001 [ehemals Règlement Grand-Ducal du 17.2.1971], niederländisches Wet giraal effectenverkeer [1977]). Diese Eigentümerstellung darf außerhalb der Insolvenz des Kontoführers allerdings nicht gegenüber jedermann, sondern nur gegenüber dem eigenen Intermediär „mediatisiert“ ausgeübt werden (Belgien, Luxemburg, Niederlande; umstritten in Deutschland, Österreich). Selbst das papierfreie französische System hält an einer „körperlichen“ Terminologie fest, indem der Eininvestor als Eigentümer eines „durch die Kontogutschrift materialisierten“ Wertrechts bezeichnet wird (valeurs mobilières ne sont matérialisés que par une inscription au compte de leur propriétaire, Art. R211-1 Code monétaire et financier). Der italienische Gesetzgeber fingierte die depotrechtliche Verwahrung kurzerhand als depositum regulare, wobei die Buchung als normale Übergabe behandelt wird, mit der Folge, dass der Hinterleger sein ursprüngliches dingliches Recht behält (Legge 19.6.1986, n. 289). Die transparenten Systeme gewähren dem Investor stets ein direktes Eigentumsrecht an den beim CSD verbuchten Anteilen.

Für die Übertragung der dinglichen Rechte wenden einige Rechtsordnungen im Grundsatz schlicht die allgemeinen Regeln zur Eigentumsübertragung an, wobei die Kontobuchung als der Übergang des mittelbaren Besitzes an den Urkunden verstanden wird (Deutschland, Österreich). In anderen Gesetzen findet sich ein ausdrücklicher Hinweis auf die Kontobuchung als Übertragungsmodus (virement de compte à compte, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande). Als problematisch stellt sich in vielen Rechtsordnungen die Reichweite dieser Regeln dar, insbesondere, ob ein gutgläubiger Erwerb (Erwerb vom Nichtberechtigten) auf Grundlage der Buchung als Besitzsurrogat möglich ist. Die herrschende Ansicht bejaht dies in Deutschland und Österreich. In Frankreich ist bis heute unklar, ob der Grundsatz la possession vaut titre des Art. 2279 Code civil auch für den „Buchungsbesitz“ gilt; in Belgien wurde dies explizit angeordnet. Nach italienischem Recht sind einer im Buchungswege vorgenommenen Übertragung die gleichen Wirkungen beizumessen, wie in den allgemeinen Regeln über den Umlauf von Wertpapieren für physische Übergaben vorgesehen. Insgesamt behandeln die Miteigentumslösungen damit die mediatisierten und weitgehend entmaterialisierten Anteilsrechte verfügungstechnisch analog dem klassischen Wertpapierrecht. Dabei herrscht die Vorstellung, dass bei Handelsgeschäften derselbe Vermögensgegenstand übertragen wird, nämlich das dingliches Anteilsrecht am Sammelbestand; und zwar unabhängig davon, ob sich Veräußerer und Erwerber ex ante oder ex post identifizieren lassen und durch eine durchgängige Buchungskette miteinander verbunden sind.

b) Treuhandlösungen

Nach den Treuhandlösungen steht dem Anleger an den beim Zentralverwahrer befindlichen Vermögensgegenständen kein unmittelbares dingliches Recht zu. Ein solches erhält der Investor vielmehr nur in Bezug auf die bei seinem unmittelbaren Intermediär befindlichen Vermögenswerte. Federführend für dieses Modell ist das security entitlement nach Art. 8 des Uniform Commercial Code (UCC) in der revidierten Fassung von 1994 (dieses Konzept wurde in Kanada, Puerto Rico, Panama übernommen). Im Ausgangspunkt ist das security entitlement ein Paket von Rechten, welches sich gegen den unmittelbaren Intermediär richtet und u.a. zu Verfügungsanweisungen berechtigt und den Intermediär verpflichtet, dem Anleger den Genuss von Investorenrechten zu ermöglichen. Im Kern handelt es sich beim security entitlement also um einen schuldrechtlichen Anspruch. Dieser wird jedoch insofern „verdinglicht“, als alle Gutschriften, die dem Intermediär von seinem Verwahrer erteilt werden, nicht dem Zugriff der allgemeinen Gläubiger des Intermediärs unterliegen, sondern allein der Deckung der Ansprüche der Investoren dienen. Es entsteht ein Vermögensrecht sui generis zwischen Schuld- und Sachenrecht. Trotz einiger Auslegungszweifel wird das ungeschriebene englische Recht mehrheitlich dahingehend ausgelegt, dass es sachlich dem security entitlement entspricht. Die Verwahrung durch Intermediäre wird nämlich als eine Kette von nacheinander geschalteten trusts zugunsten der jeweiligen Kunden verstanden. Die Vermögensgegenstände der (sub‑) trusts zugunsten der Anleger bestehen aus den equitable interests (equity) der Depotbanken an den von ihren eigenen Intermediären gehaltenen Werten. Die Teilnehmer des Settlementsystems sind legal owner der Anteilsrechte und halten diese on trust für nachgelagerte Ebenen. Eine vergleichbare Treuhandlösung sehen zudem einige kontinentaleuropäische Rechtsordnungen für im Ausland gelagerte, aber von inländischen Investoren gehaltene Effekten vor (z.B. Deutschland, Österreich; andere Länder dehnen das inländische Regime auf im Ausland verwahrte, aber auf inländischen Konten verbuchte Werte aus, etwa Belgien, Luxemburg, Niederlande). Das schweizerische Bucheffektengesetz von 2008 kombiniert das Miteigentumsmodell mit dem Konzept des security entitlement und schafft einen eigenen Vermögenswert zwischen beiden Lösungen (in diese Richtung schon Belgien, Luxemburg, Niederlande).

Verfügungen im Treuhandsystem vollziehen sich rechtlich nach dem Modell der Giroüberweisung: Mit der Gutschrift entsteht eine neue Berechtigung beim Erwerber, während die alte Berechtigung des Veräußerers mit der Belastung des Kontos erlischt; es wird also gerade nicht derselbe Vermögensgegenstand „durchgereicht“. Bei diesem Modell stellt sich die Frage des gutgläubigen Erwerbs folglich nicht. Zudem bereitet die Praxis des netting keine konstruktiven Schwierigkeiten. Allerdings können im Treuhandsystem mehr Berechtigungen gutgeschrieben werden, als ursprünglich Anteile emittiert wurden, was zu Problemen bei corporate actions führen kann.

4. Gemeinschaftsrechtrechtliche Regelungsstrukturen

Die Eckpfeiler des europäischen Marktinfrastrukturrechts markieren die Finalitätsrichtlinie (RL 26/1998) und die Finanzsicherheitenrichtlinie (RL 47/2002) (Finanzsicherheiten). Zudem enthält die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) (RL 39/2004) inklusive Durchführungsrichtlinie (RL 73/2006) verwahrungsrelevante Vorschriften, etwa Vorgaben zu Verbuchung und Weitergabe mediatisierter Vermögenswerte (Art. 13(7) MiFID, 16 ff. RL 73/ 2006). Die MiFID gewährt den Marktteilnehmern ferner einen Anspruch auf (grenzüberschreitenden) Zugang zu und Wahl von C&S-Systemen (Art. 34, 46). Als Folge ist nicht mehr jedem Markt genau ein Abwicklungssystem zugeordnet, so dass eine Transaktion in Land A abgeschlossen, in Land B abgerechnet und in Land C abgewickelt werden kann, sofern die Systeme miteinander vernetzt und kompatibel sind. Letzteres kann nur von den Anbietern selbst verwirklicht werden. Aus diesem Grund, und um kartellrechtlichen Bedenken zu begegnen, hat die C&S-Industrie einen Code of Conduct mit Vorschriften u.a. zu Preistransparenz und Systemkompatibilität ausgearbeitet, über deren Umsetzung eine von der Kommission eingesetzte Monitoring Group of the Code of Conduct on Clearing and Settlement (MOG) berichtet.

Fragen der Wertpapierverwahrung rücken zunehmend in den rechtspolitischen Fokus der Europäischen Kommission, da eine klare rechtliche Basis für die Abwicklung (grenzüberschreitender) Wertpapiertransaktionen eine Grundvoraussetzung für einen effizienten europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen und die Ausübung der Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit ist (reichhaltiges Material unter GD MARKT, Finanzdienstleistungen, Infrastruktur). Ausgangspunkt waren zwei Berichte der sog. Giovannini Group, die 15 Markthindernisse identifizierte (2001) und entsprechende Lösungswege aufzeigte (2003). Hieraus resultierte eine Mitteilung zu künftigen Maßnahmen im C&S-Bereich (KOM(2004) 312 endg.). In der Folge berief die Kommission mehrere Expertengruppen ein, namentlich die Clearing and Settlement Advisory and Monitoring Expert Group (CESAME) zu Technik, Marktpraktiken und Governance, die Clearing and Settlement Fiscal Compliance Expert Group (FISCO) zum Steuerrecht sowie die Legal Certainty Group (LCG) zur Vereinheitlichung des Rechts der Intermediär-verwahrten Wertpapiere. Daneben gibt es vielfältige Arbeitspapiere und Empfehlungen internationaler Sachverständigengruppen, etwa der Group of Thirty (G30), European Financial Markets Lawyers Group (EFMLG), European Central Securities Depositories Association (ECSDA), Committee of European Securities Regulators (CESR), Committee on Payment and Settlement Systems (CPSS).

Im August 2008 legte die Legal Certainty Group ihren ausführlichen Abschlussbericht nebst Regelungsempfehlungen vor. Ausgehend von einem funktionalen Ansatz wird dort nicht die Rechtsnatur des Anteils (Eigentum, Treuhand), sondern lediglich die Wirkung von Depotgutschriften festgelegt (book entry securities, Empfehlung 4). Diese werden grundsätzlich vor der Insolvenz des Intermediärs geschützt. Mit Gutschrift werden die Anteile Dritten (nicht notwendig dem Emittenten) gegenüber wirksam erworben und durch Belastungsbuchung veräußert; gutgläubiger Erwerb ist möglich (Empfehlung 5-7). Zudem enthält der Bericht Empfehlungen, unter welchen Voraussetzungen Depotgutschriften und ‑belastungen rückgängig gemacht oder vorläufig erteilt werden dürfen und welche Rechtsfolgen etwaige Stornierungen zeitigen (Empfehlung 6 f., 9). Darüber hinaus sind Vorschläge zur mediatisierten Ausübung von Investorenrechten enthalten (Empfehlung 12-14). Schließlich sollen Emittenten wählen können, ob ihre Emission beim inländischen oder einem ausländischen CSD immobilisiert wird (Empfehlung 15). Insgesamt sind die Empfehlungen der LCG detaillierter und zielen auf einen höheren Harmonisierungsgrad ab als das einheitsrechtliche Projekt von UNIDROIT (dazu 5.). Die Ergebnisse der LCG sollen in eine zukünftige Richtlinie zum Depotrecht münden, wozu die Kommission im April 2009 eine öffentliche Konsultation eingeleitet hat. Der DFCR verhält sich zu depotrechtlichen Fragestellungen uneinheitlich: Während die Vorschriften zur allgemeinen Verwahrung (Art. IV.C.-5:101(2)(c)) und zur Eigentumsübertragung beweglicher Sachen (Art. VII.-1:101(4)(a)) Wertpapiere aussparen, sind die Regelungen über Mobiliarsicherheiten auf immobilisierte Anteilsrechte explizit anwendbar (Art. IX.-1:201(7), (8)) (Finanzsicherheiten).

5. Einheitsrechtsrechtliche Regelungsstrukturen

Ein globales Modell der Wertpapierverwahrung schlägt die von UNIDROIT erarbeitete Draft Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Securities vor, die im Oktober 2009 in Genf verabschiedet werden soll. Der Entwurf zielt nicht auf eine Vollharmonisierung ab, sondern strebt eine dem funktionalen Ansatz folgende Kompromisslösung zwischen grenzüberschreitender Rechtssicherheit und Bewahrung nationaler Regelungsstrukturen an (functional approach, internal soundness). Mit der Gutschrift erhält der Endinvestor u.a. einen insolvenzfesten (Art. 14, 21) Anspruch auf die aus dem Wertpapier folgenden Vorteile sowie das Recht, über seinen Anteil im Wege der Buchungsanweisung zu verfügen (Art. 9). Der Anteil wird durch Gutschrift erworben und durch Belastung veräußert (Art. 11; zur Verpfändung Finanzsicherheiten), wobei gutgläubiger Erwerb (Erwerb vom Nichtberechtigten) zugelassen wird (Art. 18). Die Konvention überlässt die Frage nach der Wirksamkeit bzw. Stornierungsmöglichkeit einer Depotbuchung jedoch nahezu vollständig dem nationalen Recht (Art. 16), wodurch der erreichte Grad an Rechtssicherheit wesentlich geschmälert wird. Auch an vielen weiteren Stellen verweist die Konvention auf nationales Recht, weshalb letzterem und damit dem Kollisionsrecht weiterhin erhebliche Bedeutung beizumessen sein wird.

6. Internationales Privatrecht

Das internationale Privatrecht der Intermediär-verwahrten Wertpapiere unterliegt besonderen gemeinschaftsrechtlichen und einheitsrechtlichen Regelungen (Finanzsicherheiten).

Literatur

James Steven Rogers, Policy Perspectives on Revised U.C.C. Article 8, UCLA Law Review 43 (1996) 1431 ff.; Joanna Benjamin, Madeleine Yates, The Law of Global Custody, 2. Aufl. 2002; Frédéric Nizard, Les titres négociables, 2003; Eva Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuldrecht und Sachenrecht, 2004; Matthias Haentjens, Harmonisation of Securities Law, Custody and Transfer of Securities in European Private Law, 2007; Philipp R. Wood, Set-Off and Netting, Derivatives, Clearing Systems, 2. Aufl. 2007, Rn. 18-001 ff.; Luc Thévenoz, Intermediated Securities, Legal Risk, and the International Harmonisation of Commercial Law, Stanford Journal of Law, Business & Finance 13 (2008) 384 ff.; Law Commission, The Unidroit Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Securities, Further Updated Advice to HM Treasury, May 2008; Legal Certainty Group, Second Advice of the Legal Certainty Group: Solutions to Legal Barriers related to Post trading within the EU, August 2008; Dorothee Einsele, Depotgeschäft, in: Münchener Kommentar zum HGB, Bd. 5, 2. Aufl. 2009.