Unternehmenskauf/Mergers and Acquisitions und Unwirksamkeit: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Marcus Baum]]''
von ''[[Phillip Hellwege]]''
== 1. Begriffsbestimmung und Grundarten ==
== 1. Gegenstand und Zweck ==
Unternehmenskauf und ''mergers and acquisitions'', letzteres in der Regel abgekürzt als ''M&A'', werden weitgehend synonym verwendet. Bereits dies belegt die Schwierigkeit einer exakten Begriffsbestimmung. So hebt der eine Terminus wesentlich auf das Objekt, nämlich das Unternehmen, ab, der andere kommt hingegen vollständig ohne einen Objektbezug aus und beschreibt Tätigkeiten. Das Problem des Begriffs Unternehmenskauf liegt vorwiegend darin, dass es trotz vielfältiger dogmatischer Bemühungen an einem einheitlichen und anerkannten rechtlichen Unternehmensbegriff fehlt. So definieren die Rechtsordnungen den Unternehmensbegriff jeweils mit Blick auf seinen Kontext.
Die Rechte Europas kennen verschiedene Unwirksamkeitsgrade. Sie werden danach unterschieden, wer sich auf die Unwirksamkeit berufen kann, wie sie geltend zu machen ist und wie sie wirkt; Unwirksamkeit ist also ein Oberbegriff. In der Rechtsvereinheitlichung setzt sich der Begriff ''invalidity'' (Ungültigkeit) durch ([[Principles of European Contract Law|PECL]], [[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT PICC]], [[Common Frame of Reference|DCFR]]). Formen der Unwirksamkeit sind z.B. die relative Unwirksamkeit, die Anfechtbarkeit und die Teilunwirksamkeit. Die nationalen Gesetze definieren diese Unwirksamkeitsgrade nicht. Stattdessen ist es Aufgabe der Wissenschaft, die Formen der Unwirksamkeit in ein kohärentes System zu bringen. Dass dies gelingt, ist nicht selbstverständlich: Das römische und gemeine Recht kannten noch kein klares System der Unwirksamkeitstypen, dieses wurde erst seit dem 19. Jahrhundert entwickelt.


Für die Praxis des Unternehmenskaufes bzw. der ''mergers and acquisitions'' bereitet diese begriffliche Unschärfe keine Schwierigkeiten. Sie unterscheidet in allen europäischen Jurisdiktionen grundlegend danach, ob der Unternehmenskauf in der Form des ''asset deals'', also als Kauf der das Unternehmen repräsentierenden einzelnen Wirtschaftsgüter, oder in der Form des ''share deals'', des Kaufs von Geschäftsanteilen, vollzogen wird.
Die europäische Rechtswissenschaft beschäftigt sich aus zwei Gründen mit dem Begriff der Unwirksamkeit. Sie versucht dort, wo europäische Regelwerke verschiedene Unwirksamkeitsgrade kennen, diese zu ordnen. So spricht der ''[[Code Européen des Contrats (Avant‑projet)|Code Européen des Contrats]]''<nowiki> etwa von nullité, inefficacité, inexistence, annulation, rescision, extinction, [cesser] d’avoir effet. Des Weiteren wirkt sie auf einen stimmigen Einsatz der Unwirksamkeitsgrade in der weiteren Rechtsvereinheitlichung hin. Freilich steht der wissenschaftliche Diskurs über den Unwirksamkeitsbegriff auf europäischer Ebene noch am Anfang.</nowiki>


Beim ''asset deal'' geht das Unternehmen durch Übertragung einer Vielzahl materieller und immaterieller Vermögensbestandteile, wobei dies auch Verträge und Verbindlichkeiten sein können, vom Veräußerer auf den Erwerber über. Es kommt also zu einer Abtrennung des Unternehmens von seinem bisherigen Rechtsträger. Während das Unternehmen als solches einheitlicher Kaufgegenstand ist, muss die Übertragung nach den jeweils für die einzelnen Vermögensbestandteile des Unternehmens maßgeblichen Vorschriften als ein ganzes Bündel von einzelnen Übertragungsakten erfolgen. Der ''asset deal'' zeichnet sich durch hohe Flexibilität aus. So kann das gesamte Unternehmen veräußert werden. Es können aber auch einzelne Vermögensbestandteile oder Verbindlichkeiten herausgenommen und zurückbehalten werden.
== 2. Gegenstand der Unwirksamkeit ==
Die Unwirksamkeitsgrade werden heute im Vertragsrecht (Italien, Frankreich, England) oder der Rechtsgeschäftslehre (Deutschland) ([[Rechtsgeschäft]]) dargestellt. Die PECL und die UNIDROIT PICC sind von vornherein auf das Vertragsrecht und damit auf die Unwirksamkeit von Verträgen beschränkt. Aber auch Urteile, Gesetze und Verwaltungsakte können unwirksam sein. Zwar gibt es für die Unwirksamkeit aller juristischer Tatsachen gemeinsame historische Wurzeln: So entwickelte sich die Restitutionsklage gegen ein rechtskräftiges Urteil aus der römischen ''restitutio in integrum'', welche auch bei der Vertragsanfechtung wegen Minderjährigkeit statthaft war. Doch wäre ein System der Unwirksamkeitstypen aller juristischen Tatsachen nicht leistungsfähig, und entsprechende Systematisierungsversuche blieben erfolglos.


Während bei einer natürlichen Person als Unternehmensträger der Unternehmenskauf stets im Wege des ''asset deals'' stattfinden muss, kommt bei juristischen Personen oder Personengesellschaften als Unternehmensträgern alternativ der Unternehmenskauf in Form des ''share deals'' in Betracht. Dabei werden die Geschäftsanteile an einem Unternehmen abgetreten. Sowohl Kauf wie auch Übertragung richten sich daher nur auf einen Gegenstand. Es besteht Einigkeit, dass nicht jede [[Abtretung]] eines Geschäftsanteils, der nur einen geringen Teil des Unternehmens repräsentiert, als Unternehmenskauf anzusehen ist. Mit Sicherheit liegt ein Unternehmenskauf bei Übertragung sämtlicher Anteile an einem Unternehmen, d.h. bei einem völligen Wechsel des Unternehmensträgers vor. Von einem Unternehmenskauf wird auch dann ausgegangen, wenn Anteile in Höhe eines Prozentsatzes übertragen werden, der dem neuen Eigner unternehmerischen Einfluss ermöglicht. In der Regel ist dies bei einer Übertragung von mehr als 50&nbsp;% der Anteile der Fall.
Ist ein unwirksamer Vertrag vollzogen worden, erfolgt eine [[Rückabwicklung von Verträgen|Rückabwicklung]]. In Deutschland wird die Rückabwicklung nicht von dem Unwirksamkeitsbegriff erfasst, sondern im Bereicherungsrecht ([[Leistungskondiktion]]) geregelt. Doch ist diese Trennung von Unwirksamkeit und Rückabwicklung nicht selbstverständlich: So zielt die spanische Nichtigkeitsklage (''acción de nulidad'') etwa wegen Irrtums auf die Vernichtung des Vertrages und zugleich auf dessen Rückabwicklung. In England ist Anfechtungsvoraussetzung, dass der Anfechtende Erlangtes zurückgewähren und so ''restitutio in integrum'' leisten kann, und der Begriff ''rescission'' beschreibt auch die Rückabwicklung. Auch die PECL und die UNIDROIT PICC regeln im Abschnitt zur Gültigkeit ebenfalls die Rückabwicklung als Anfechtungsfolge. Unwirksamkeit und Rückabwicklung gehen hier jeweils Hand in Hand.


Ob ein Unternehmenskauf in der Form eines ''asset deals'' oder eines ''share deals'' durchgeführt wird, bestimmen häufig steuerliche Präferenzen, und zwar sowohl solche auf der Seite des Veräußerers, wie auch solche auf der Seite des Erwerbers. Der ''asset deal'' wird zudem dann gewählt, wenn der Erwerber entweder bekannte Risiken des Unternehmens nicht mit übernehmen oder aber die Übernahme unerkannter Risiken ausschließen möchte.
Schließlich gibt es neben den allgemeinen noch besondere Regeln zur Unwirksamkeit von Verträgen, z.B. im Ehe- und Gesellschaftsrecht. Hier müssen die Regelungsprobleme – wer darf sich auf die Unwirksamkeit berufen? Wie ist sie geltend zu machen? Wie wirkt sie? – anderen Lösungen zugeführt werden als im allgemeinen Vertragsrecht. Die wissenschaftliche Diskussion darf sich indes nicht auf den Unwirksamkeitsbegriff des allgemeinen Vertragsrechts beschränken, sondern muss die Verknüpfungen zu den besonderen Regeln herstellen. Denn nur so offenbart sich, dass die allgemeinen Regeln immer Ausnahmen haben, es werden die Wertungen der Regeln und Ausnahmen deutlich, und nur so ist es möglich, einen stimmigen Einsatz auch der Ausnahmen in der zukünftigen Rechtsvereinheitlichung vorzubereiten.


Unternehmenskäufe in der Form des ''share deals'' kommen als sog. private Kaufangebote (''private M&A'') und als öffentliche Kaufangebote (''public M&A)'' vor. Während bei einer ''private M&A''-Transaktion der Kauf eines Unternehmens durch den Abschluss eines Unternehmenskaufvertrages mit einem überschaubaren Kreis von, jedenfalls aber namentlich bekannten Anteilseignern erfolgt, vollzieht sich der Unternehmenskauf bei ''public M&A''-Transaktionen im Wege öffentlicher Übernahmeangebote über die Börsen.
== 3. Gründe der Unwirksamkeit ==
Die klassischen Unwirksamkeitsgründe sind im Kapitel der PECL zur ''validity'' abgebildet: [[Irrtum]], [[Täuschung]], [[Drohung]], unangemessene Ausnutzung, mangelnde [[Geschäftsfähigkeit]], [[Sitten- und Gesetzwidrigkeit von Verträgen|Gesetzes- und Sittenwidrigkeit]]. Es handelt sich um Fehler, die bereits bei Vertragsschluss vorliegen und die nach den PECL den Vertrag ''ex tunc'' vernichten sollen. So scheinen die PECL die Unwirksamkeit von drei Seiten her zu beschränken: Sie ''wirkt zurück'', ''vernichtet'' den Vertrag, und ihr Grund liegt ''bei Vertragsschluss'' vor. Dieser Unwirksamkeitsbegriff schimmert auch in vielen nationalen Wissenschaften durch. Eine europäische Wissenschaft muss sich freilich seiner Grenzen bewusst sein: Möchte man Mängel bei Vertragsschluss ordnen, sollte man einen Oberbegriff wählen, der den Blick auf die Unwirksamkeitsgründe lenkt, etwa Fehlerhaftigkeit. Unwirksamkeit ist eine Rechtsfolge. Sie kann auch bei Vertragsdurchführung eintreten (auflösende [[Bedingung und Befristung|Bedingung]]). Umgekehrt werden nicht alle Fehler bei Vertragsschluss berücksichtigt ([[anfängliche Unmöglichkeit]]), sondern nur solche, die eine bestimmte Rechtsfolge (''ex tunc''-Nichtigkeit) haben. Es besteht auch nicht unbedingt ein Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt des Mangels und seiner Wirkung: Bei Gesellschafts- und Arbeitsverträgen wirkt auch ein anfänglicher Fehler nur ''ex nunc''. Es kann also nur auf die Vernichtung als Rechtsfolge ankommen. Damit sind die Fälle ausgeblendet, in denen die Parteien nur von der Erfüllung befreit werden (anfängliche Unmöglichkeit, [[Nichterfüllung]]). Diese Ausblendung ist indes ebenfalls nicht zwingend: So ist in England und Schottland die ''unenforceability'' ein Unwirksamkeitsgrad, obwohl sie den Vertrag nicht vernichtet. Auch die PECL nennen die Gesetzeswidrigkeit im Kapitel zur ''validity'' als Unwirksamkeitsgrund, ordnen im Kapitel zur ''illegality'' aber gerade nicht die Nichtigkeit an, sondern verfolgen ein flexibles System von Unwirksamkeitsgraden, das die ''unenforceablity'' einschließt. Der oben skizzierte Unwirksamkeitsbegriff ist mithin allenfalls eine Annäherung, aber keine Definition.


== 2. Rechtsvereinheitlichung – Gründe und Ausprägung ==
Man sollte demnach die Unwirksamkeit allein von der Rechtsfolge blickend definieren: Ein unwirksamer Vertrag erzeugt die intendierten Wirkungen ''ex tunc'' oder ''ex nunc'' nicht oder nicht vollständig. Diese Definition erfasst die ''unenforceability'' und die Rücktrittsfolgen. Denn durch den Rücktritt verliert der Vertrag als Behaltensgrund ausgetauschter Leistungen seine Wirkung. Unwirksamkeitsgrund ist, was diese Folge hat. Diese Definition vermeidet Abgrenzungsprobleme. Sie vereinfacht den Rechtsvergleich, denn sie lässt die unterschiedliche dogmatische Erfassung etwa der anfänglichen Unmöglichkeit und des Rücktritts nicht als Systemunterschiede erscheinen. Zwar berühren Nichterfüllung und anfängliche Unmöglichkeit in der modernen Entwicklung den Vertrag nicht in seinem Bestand. Doch vielerorts führt die anfängliche Unmöglichkeit noch zur Nichtigkeit (Frankreich, Italien, Portugal, Ungarn) und der Rücktritt zur Vertragsauflösung ''ex tunc'' (Frankreich, Spanien, Österreich). Diese Unterschiede sind nur noch verschiedene Einordnungen in einem System abgestufter Unwirksamkeitsgrade. Die vorgeschlagene Definition vereinfacht auch die weitere Rechtsvereinheitlichung, indem sie den Regelgebern ein solches System abgestufter Unwirksamkeitsgrade zur Verfügung stellt. Schließlich ist sie mit den Rechten Europas, den PECL, UNIDROIT PICC und dem DCFR vereinbar. Auch wenn alle Regelwerke den Begriff der Unwirksamkeit benutzen, definieren sie ihn nicht als Oberbegriff. Der Unwirksamkeitsbegriff ist ein Begriff der Wissenschaft, der sich allein an seiner Leistungsfähigkeit messen lassen muss.
Angesichts der häufig europa-, ja sogar weltweiten Tätigkeit der Unternehmen in Europa mag es zunächst überraschen, aber es gibt kein europäisches Recht des Unternehmenskaufs, insbesondere auch nicht aufgrund von Akten europäischer Rechtssetzung (zu Unternehmenskauf und Einheitsrecht s.u. 3.). Unternehmenskauf und ''M&A'' sind auch nicht Gegenstand europäischer Vereinheitlichungsprojekte. Zur Erklärung wird angeführt, dass jedes Unternehmen, auch ein global agierender Konzern, seinen juristischen Sitz in einem bestimmten Land hat und damit einer Rechtsordnung angehört. Das ist richtig und gilt im Ergebnis im Übrigen auch für die [[Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea)|Europäische Aktiengesellschaft (SE)]]. Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, in deren Folge das kombinierte Unternehmen Sitze in zwei Staaten hat, stellen eher politische denn rechtliche Ausnahmen dar. Auch diese – so bezeichnete – Nationalität der Unternehmen ist aber kein zwingender Grund für die Zurückhaltung bei der Rechtssetzung. Entscheidend dürfte sein, dass auch schon ohne Akte zwischen-staatlicher oder europäischer Rechtssetzung in der Praxis die Unternehmenskaufverträge in den europäischen Jurisdiktionen, gleich welchem materiellen Recht sie unterstehen, weitgehend vereinheitlicht sind, dies durch eine Übernahme angelsächsischer Standards.


Für die Dominanz der angelsächsischen Standards werden in der Literatur eine Reihe von Gründen angeführt. Dabei kann jeder dieser Gründe kritisch diskutiert werden, als Bündel von Gründen wirken sie aber mit Sicherheit. Es wird angeführt, dass in kontinentaleuropäischen Ländern keine Kultur des Unternehmenskaufs bestehe. Dies lässt sich empirisch dadurch belegen, dass noch am Ende der achtziger Jahre vier von fünf Unternehmensübernahmen in Europa in Großbritannien stattgefunden haben. Diese fehlende Kultur habe eine Offenheit für angelsächsische Vorbilder zur Folge. Weiter wird die – jedenfalls bisherige – überragende Bedeutung der angelsächsischen Kapitalmärkte bei gleichzeitig zum Teil erheblicher Fremdfinanzierung der Unternehmenskäufe angeführt. Diese Dominanz kam bislang zum einen dadurch zum Ausdruck, dass Volumina ab einer bestimmten Größe leichter in London oder New York beschafft werden konnten. Zum anderen zeigte sie sich in der Kreativität dieser Märkte bei der Entwicklung und Strukturierung neuer Finanzierungsprodukte. Von diesen Möglichkeiten kann am einfachsten profitiert werden, wenn der Unternehmenskaufvertrag den Standards dieser Märkte, d.h. eben angelsächsischen Standards, entspricht. Andernfalls müssen die angelsächsischen Finanzierer erst über umfangreiche ''legal opinions'' davon überzeugt werden, dass auch auf der Basis anderer Standards ihren berechtigten (Sicherungs)-interessen Rechnung getragen werden kann. Wenn, wie häufig, der Unternehmenskaufvertrag und die Finanzierungsverträge parallel verhandelt werden, scheidet dies schon aus zeitlichen Gründen aus und es bleibt in der Praxis nur der Weg über den Unternehmenskaufvertrag angelsächsischen Standards.
Schließlich klammern einige Rechte den Tatbestandsmangel aus (Deutschland, Ungarn): Nur der tatbestandlich existierende Vertrag kann unwirksam sein. Diese Trennung ist schlüssig, doch ohne praktische Relevanz und findet sich vielerorts nicht (England, Italien). Ein rechtsfolgenorientierter Unwirksamkeitsbegriff vermag den Tatbestandsmangel zu erfassen. Auch er führt dazu, dass der (vermeintliche) Vertrag die intendierten Wirkungen nicht erzeugt.


Als Vorteil des ''[[common law]]'' gegenüber dem ''civil law'' wird betrachtet, dass es jenem an einer ausgefeilten Dogmatik fehle und dadurch praxisgerechte Lösungen leichter darstellbar seien, auch wenn der angebliche Gegensatz von Dogmatik und Praxis nicht jeden überzeugen mag. Angeführt wird weiter die Historie einer Vielzahl erfolgreich durchgeführter komplexer Transaktionen, die einen entsprechenden Erfahrungsschatz bedeute, jedenfalls aber eine unübersehbare Zahl von ''termini technici'', die in Form von Anglizismen die ''lingua franca'' des Unternehmenskaufs bilden.
== 4. Wer darf die Unwirksamkeit geltend machen? ==
Kann nur eine der Vertragsparteien die Unwirksamkeit geltend machen, spricht man von einer ''relativen Unwirksamkeit'', von einer ''absoluten Unwirksamkeit'', wenn sich jeder auf sie berufen kann. Ausnahmsweise dürfen sich nur bestimmte Dritte auf die Unwirksamkeit berufen, so bei der Testamentsanfechtung. Auch in diesen Fällen sollte man von einer relativen Unwirksamkeit sprechen.


Von wesentlicher Bedeutung für die Vereinheitlichung des eigentlichen Unternehmenskaufvertrages ist, dass, ausgehend von den Vorstellungen angelsächsischer Investmentbanken, die Abläufe eines Unternehmenskaufs bzw. einer ''M&A''-Transaktion zwischenzeitlich in Europa weitgehend harmonisiert sind. Bereits bei relativ kleinen Volumina werden von der Veräußererseite ein oder mehrere ''M&A''-Berater oder eine oder mehrere Investmentbanken zur Koordination des Verkaufsprozesses eingeschaltet. Dies mit dem Ziel, den bestmöglichen Verkaufspreis bei bestmöglichen Bedingungen der Veräußerung zu erzielen. Jedenfalls ab einer gewissen Größe wird der Veräußerer anstreben, den Verkaufsprozess als ein Bieterverfahren zu organisieren, um, wenn möglich, bis zum Stadium der Endverhandlung der einzelnen Vertragskonditionen unter mehreren Angeboten wählen zu können. Mit gewissen Abweichungen folgen die Prozesse dann demselben Muster. In einer frühen Phase wird als Grundlage für den Austausch von Informationen über die Zielgesellschaft (das ''target'') eine Vertraulichkeitsvereinbarung (ein ''non-disclosure agreement'' oder ''confidentiality agreement'') zwischen dem Veräußerer oder seinem Vertreter und dem bzw. den potentiellen Erwerbern unterzeichnet. Der Veräußerer wird regelmäßig anstreben, dass Verletzungen der Vertraulichkeitsverpflichtung durch Vertragsstrafen sanktioniert sind. In der Folge kommt es in verschiedenen Stufen zum Austausch weiterer Informationen, häufig zunächst über ein von der Verkäuferseite vorbereitetes Informationsmemorandum (''offering memorandum''). Dieser erste Informationsaustausch mündet in einer Absichtsvereinbarung (''letter of intent'' oder ''memorandum of understanding''), die in unterschiedlichem Detailgrad jedenfalls wirtschaftliche Eckpunkte des künftigen Unternehmenskaufvertrages festlegt und die Grundlage für eine eingehendere ''due diligence-''Prüfung der Zielgesellschaft bietet, ohne dass sich aus ihr ein einklagbarer Anspruch auf den Abschluss des Hauptvertrages ergeben würde. Der potentielle Erwerber wird anstreben, sich in der Absichtsvereinbarung das Recht auf exklusive Vertragsverhandlungen für eine bestimmte Zeit einräumen zu lassen. Das konfligiert mit dem Interesse des Veräußerers an einem Bieterverfahren.  
Die Grenzen zwischen absoluter und relativer Unwirksamkeit einerseits und Nichtigkeit und Anfechtbarkeit andererseits laufen in der Regel, aber nicht immer parallel. So führt das deutsche gesetzliche Veräußerungsverbot zu einer relativen Unwirksamkeit, wird aber von Amts wegen berücksichtigt. In den PECL kann die Gesetzeswidrigkeit dazu führen, dass nur eine Partei die Erfüllung nicht verlangen kann. Trotzdem wird sie von Amts wegen berücksichtigt. In Deutschland können Eheverbote vertreten durch öffentliche Stellen von der Allgemeinheit geltend gemacht werden, doch werden sie nur in einem besonderen Aufhebungsverfahren berücksichtigt (Anfechtung).


Ursprünglich ausgehend vom kaufrechtlichen Grundsatz ''caveat emptor'' des US-amerikanischen Rechts handelt es sich bei der ''due diligence-''Prüfung im Rahmen von Unternehmenskäufen ab einer bestimmten Größe in allen europäischen Staaten zwischenzeitlich um eine Verkehrssitte. Die Organe des Käufers können auf sie schon deshalb nicht verzichten, weil sie andernfalls ein persönliches Haftungsrisiko eingehen. Im Rahmen der ''due diligence'' prüft der potentielle Erwerber die Zielgesellschaft eingehend unter technischen, wirtschaftlichen, finanziellen, steuerlichen und rechtlichen Gesichtspunkten. Sofern Veräußerer und Käufer auch nach der ''due diligence ''wechselseitig zufriedenstellende Kaufpreisvorstellungen haben, folgt die Phase der eigentlichen Verhandlung und Ausarbeitung des Unternehmenskaufvertrages, die zu dessen Unterzeichnung, dem ''signing'', führt. In der Regel erst einige Wochen bzw. möglicherweise sogar Monate später, wenn entweder die Finanzierung gesichert und/oder aufschiebende Bedingungen, insbesondere die Kartellfreigabe eingetreten sind, kommt es dann zum ''closing'' als dem Vollzug des Unternehmenskaufvertrages.  
Die Abgrenzung zwischen absoluter und relativer Unwirksamkeit erfolgt danach, ob durch die Unwirksamkeitsanordnung nur eine bestimmte Partei oder Interessen der Allgemeinheit geschützt werden. Uneinheitlich zugeordnet werden dabei die fehlende [[Geschäftsfähigkeit]] (absolut: Deutschland, Griechenland, Polen; relativ: Frankreich, Italien, Niederlande) und die Übervorteilung (absolut: Deutschland; relativ: Frankreich, Italien, Polen, Ungarn, Niederlande, PECL). Die relative Unwirksamkeit ist immer nur ein Durchgangsstadium zu einem Zustand, der dem der absoluten Nichtigkeit entspricht.


Teil eines so standardisierten Prozesses ist auch ein standardisierter Unternehmenskaufvertrag.  
== 5. Wie muss die Unwirksamkeit geltend gemacht werden? ==
Die meisten Rechte unterscheiden zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit (Italien, Portugal, England, Schottland, Irland, Niederlande, Deutschland, PECL, UNIDROIT PICC, DCFR). Bei der Nichtigkeit wird die Unwirksamkeit von Amts wegen berücksichtigt, bei der Anfechtbarkeit muss sie besonders geltend gemacht werden. Freilich wird der Begriff der Nichtigkeit nicht nur über das Wie der Geltendmachung definiert. Die Nichtigkeit beschreibt zugleich die sachliche Wirkung der Unwirksamkeit. Der nichtige Vertrag erzeugt überhaupt keine Wirkungen. Die ''unenforceability'' wird zwar auch von Amts wegen berücksichtigt, aber ohne dass der Vertrag nichtig ist. Ein Gegenbegriff zur Anfechtbarkeit als Oberbegriff für alle Unwirksamkeiten, die von Amts wegen beachtet werden, ist noch nicht gefunden.


Dieser beginnt in der Regel mit einer mehr oder weniger ausführlichen Präambel. Es folgt bisweilen ein ausführlicher Teil von Definitionen anschließend im [[Vertrag]] verwendeter Termini. Zu Beginn des eigentlichen Vertrages stehen die Beschreibung des Kaufgegenstandes, bei einem ''asset deal'' konkretisiert durch umfangreiche Vertragsanlagen, und die Regelungen für dessen Übertragung. Es folgt der umfangreichste und in der Aushandlung regelmäßig problematischste Teil des Vertrages, nämlich die Gewährleistungsregelungen. Mehrseitige Garantiekataloge, meist in der Form von selbstständigen Garantieversprechen, sind in allen Jurisdiktionen keine Seltenheit. Im Rahmen des Garantiekatalogs lässt sich der Erwerber vom Veräußerer eine Vielzahl für ihn kauf- und bewertungsrelevanter Umstände, u.a. zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen, zu wesentlichen Verträgen, zu Versicherungen, zu Grundstücken, zu gewerblichen Schutzrechten, zu Kunden bzw. Lieferanten, zur Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften, zu arbeitsrechtlichen Verhältnissen, zu Verbindlichkeiten, zu Bilanzen und zum Verschuldungsgrad verschuldungsunabhängig zusichern. Wiederum angelsächsischen Vorbildern folgend sind die einzelnen Garantietexte aus Sicht kontinentaleuropäischer Juristen häufig voller Pleonasmen und Abseitigkeiten. Dies dürfte genauso auf fehlende [[Kodifikation]]en im angelsächsischen Rechtskreis zurückzuführen sein, wie darauf, dass die Musterdokumentationen für Unternehmenskaufverträge in den großen Rechtsanwaltskanzleien kontinuierlich aufgrund praktischer Erfahrungen in pathologischen Fällen fortgeschrieben werden. In der Praxis beherrschen die Muster bisweilen die beratenden Juristen mehr als diese die Muster. Insbesondere bei mittelständischen Veräußerern erweisen sich die verbal umfangreichen Kataloge, unabhängig von ihrem sachlichen Gehalt, aufgrund ihrer schieren Länge gelegentlich als echte „''deal killer''. Um dann doch noch zu einem Abschluss zu kommen, wird zum Teil deutlich von den vereinheitlichten Standards abgewichen.
Für die Anfechtung sehen viele Rechte ihre klageweise Durchsetzung vor (Frankreich, Belgien, Griechenland, Spanien). Wird der Anfechtungsberechtigte verklagt, kann er die Unwirksamkeit auch einredeweise geltend machen. Diese Rechte stehen in der Tradition des [[Ius commune (Gemeines Recht)|gemeinen Rechts]], das ebenfalls die Anfechtung durch ''actio'' und ''exceptio'' kannte. Doch setzt sich die Anfechtung durch Erklärung durch (Deutschland, Polen, PECL, UNIDROIT PICC, DCFR). Das niederländische Recht kennt zwar beides, doch ist die Anfechtung durch Erklärung die Regel. Bedenkt man die Tendenz in Europa, dass eine bloße Anfechtungserklärung in der Regel ausreicht, wirkt die Debatte in England, die Anfechtung durch Erklärung zu verdrängen (''Janet'' ''O’Sullivan''), rückwärtsgewandt. Freilich ist die Anfechtung durch Erklärung überall auf das allgemeine Vertragsrecht begrenzt. In Deutschland müssen etwa Beschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft und Ehen (Eheaufhebung) durch Klage angefochten werden. Die PECL, UNIDROIT PICC und der DCFR kennen diese Ausnahmen nicht, weil sie in ihrem Anwendungsbereich auf das allgemeine Vertragsrecht beschränkt sind. Dort wo eine Anfechtungserklärung ausreicht, kann sie meist formlos erfolgen (PECL, UNIDROIT PICC, DCFR). In Polen ist dagegen eine schriftliche Erklärung erforderlich. In Deutschland muss eine besondere Form nur ausnahmsweise beachtet werden, so bei Anfechtung eines Erbvertrags. Neben Klage, Einrede und Erklärung erwähnte ''Friedrich Carl'' ''v.&nbsp;Savigny'' noch die Anfechtung in Gestalt „einer Obligation auf neue juristische Handlung von einem, der früheren Thatsache entgegengesetzten, Erfolg“. Das deutsche Recht kennt diese Anfechtung durch Geltendmachung eines Anspruchs bis heute bei der Anfechtung wegen Gläubigerbenachteilung. Im Übrigen ist sie in den Hintergrund getreten.


Breiten Raum in den Verträgen nehmen in der Regel auch die Rechtsfolgenregelungen für die Garantieverletzungen ein. Diese sind Regelungen über Haftungshöchstbeträge (''caps''), Bagatellgrenzen und Freigrenzen.
Definiert man die Anfechtung darüber, dass eine Unwirksamkeit besonders geltend gemacht werden muss, und versteht man auch die Nichterfüllung als Unwirksamkeitsgrund, so handelt es sich auch beim Rücktritt (ebenso wie bei der Kündigung und dem Widerspruch des Verbrauchers) um eine Anfechtung. Das erscheint aus dem Blickwinkel des allgemeinen Vertragsrechts, das strikt zwischen Anfechtung, Widerruf, Rücktritt und Kündigung trennt, ungewöhnlich. Freilich ist ein solch weiter Anfechtungsbegriff nicht ohne Vorbilder: Historisch war die Anfechtung nicht auf die regelmäßig ''ex tunc'' wirkende Anfechtung durch Erklärung wegen anfänglicher Vertragsfehler begrenzt. Und noch heute wird der Begriff der Anfechtung in Deutschland außerhalb der Rechtsgeschäftslehre sehr weit verstanden. In England umfasste der Begriff der ''rescission'' bis vor kurzem sowohl die Anfechtung als auch den Rücktritt. Man kann also eine Anfechtung im engeren Sinne und eine im weiteren Sinn unterscheiden.


Ebenfalls primär durch angelsächsische Vorbildfunktion zu erklären ist die zunehmende Zahl von Freistellungsverpflichtungen des Verkäufers, sog. ''indemnities'', für vom Käufer als besonders wesentlich betrachtete Sachverhalte. Es handelt sich zumeist um Zusagen zur vollständigen Erfüllung bzw. Rückstellung von Steuerverbindlichkeiten und zur Umwelthaftung. Jedenfalls aus der Sicht des deutschen Rechts könnten diese Sachverhalte auch problemlos über den Garantiekatalog abgedeckt werden. Eine aus Sicht kontinentaleuropäischer Rechtsordnungen an sich unnötige Regelung stellen auch die Garantieversprechen des Käufers dar. Hier garantiert der Käufer u.a., dass er tatsächlich besteht und bei Abschluss des [[Vertrag]]es wirksam vertreten ist.
Einige Rechte kennen im allgemeinen Vertragsrecht besondere Formen der Anfechtung, so bei Übervorteilung (Italien, Frankreich, ''[[Code Européen des Contrats (Avant‑projet)|Code Européen des Contrats]]''). In England unterscheidet man bis heute die Anfechtung nach ''law'' und ''equity'': Nur die Unwirksamkeitsgründe, die ihre historische Wurzel in der ''[[equity]]'' haben, müssen klageweise durchgesetzt werden. Die Tendenz geht jedoch dahin, innerhalb des allgemeinen Vertragsrechts die Anfechtung nicht weiter zu untergliedern (PECL, UNIDROIT PICC).


Insgesamt weisen Unternehmenskaufverträge in den europäischen Rechtsordnungen einen hohen Standardisierungs- und Vereinheitlichungsgrad auf. Dieser führt allerdings nicht dazu, dass die Standards statisch wären. Im Gegenteil schlagen sich Änderungen der Standards schnell und dann in allen europäischen Jurisdiktionen nieder.
Kennzeichen der Nichtigkeit ist, dass sie von Amts wegen berücksichtigt wird. Auch hiervon gibt es Ausnahmen (Frankreich, Spanien). So unterscheidet man in Frankreich nicht zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit, sondern zwischen ''nullité absolue'' und ''nullité relative''. Die ''nullité absolue'' soll der Nichtigkeit entsprechen, doch muss sie regelmäßig durch Klage geltend gemacht werden. Außerhalb des allgemeinen Vertragsrechts kennen freilich auch andere Rechte eine Nichtigkeitsklage: In Deutschland ist sie etwa bei der Nichtigkeit eines rechtskräftigen Urteils nötig und in Österreich bei der Nichtigkeit einer Ehe. Hier sollte man besser von einer Anfechtung sprechen.


Da Unternehmenskaufverträge weitgehend Regelungen in Bereichen treffen, die der privatautonomen Abrede der Parteien offenstehen, und zudem die angelsächsischen Vorbildern entsprechenden Unternehmenskaufverträge anstreben, in sich geschlossene und von den allgemeinen Grundsätzen der jeweiligen nationalen Rechtordnungen autonome Regelungen darzustellen, wird in der Praxis die Frage welcher Rechtsordnung der Unternehmenskaufvertrag untersteht, häufig bis zum Schluss zurückgestellt.
Im allgemeinen Vertragsrecht führen [[Sitten- und Gesetzwidrigkeit von Verträgen|Gesetzes- und Sittenwidrigkeit]] und die Nichteinhaltung eines [[Formerfordernisse]]s zur Nichtigkeit, Willensmängel dagegen zur Anfechtbarkeit. Uneinigkeit herrscht wiederum bei Zuordnung der fehlenden [[Geschäftsfähigkeit]] und der Übervorteilung. Nach den PECL sind unangemessene Vertragsklauseln, die nicht individuell ausgehandelt worden sind, also insbesondere unangemessene AGB, nur anfechtbar. Die Zuordnung zur Nichtigkeit und Anfechtbarkeit erfolgt grundsätzlich danach, ob nur eine bestimmte Partei oder Interessen der Allgemeinheit geschützt werden. Hinzu kommen aber noch Erwägungen der Verkehrssicherheit. Besonders bedeutende, komplexe oder eine Vielzahl von Personen betreffende Geschäfte sollen nur durch (gegebenenfalls förmliche) Erklärung oder Klage angefochten werden können.


== 3. Unternehmenskauf und Einheitsrecht ==
== 6. Wirkungen der Unwirksamkeit ==
Wie erwähnt, ist der Unternehmenskauf trotz seiner erheblichen Bedeutung nicht Gegenstand von Vereinheitlichungsüberlegungen. Auch bestehendes Einheitsrecht, so etwa das CISG ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)]]), findet nur sehr eingeschränkt Anwendung.  
Bei den Wirkungen der Unwirksamkeit muss eine ''zeitliche'' und eine ''sachliche'' Ebene unterschieden werden. In zeitlicher Hinsicht kann eine Unwirksamkeit ''ex tunc'' oder ''ex nunc'' wirken. Die Nichtigkeit wirkt regelmäßig ''ex tunc'', ebenso die Anfechtung wegen Mängeln bei Vertragsschluss. Von diesem Grundsatz kennen alle Rechte Europas Ausnahmen (Arbeits- und Gesellschaftsverträge).


Weitgehend Einigkeit besteht darüber, dass das CISG keine Anwendung auf den Unternehmenskauf findet, sofern es sich um einen ''share deal'' handelt. Dies wird damit begründet, dass es sich bei einem Gesellschaftsanteil nicht um eine Sache, sondern um ein Mitgliedschafts- bzw. Beteiligungsrecht handelt und der Kauf von Rechten nicht unter das CISG fällt. Es wird mit Recht darauf hingewiesen, dass dies keineswegs zwingend ist. So betrachte das deutsche Recht, was die Regelungen über Gewährleistungen angeht, einen Unternehmenskauf als Sachkauf. Bei einem Unternehmenskauf im Wege des ''asset deals'' soll das CISG Anwendung finden, wenn – was allerdings wohl nur theoretisch ist der warenkaufrechtliche Teil und der andere Teil in getrennten Verträgen vereinbart werden. Dann gilt für den warenkaufrechtlichen Teil eindeutig das CISG. Wird hingegen ein einziger [[Vertrag]] verabredet, wie in der Praxis wohl immer, ist die Rechtslage unübersichtlich. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass das CISG nicht anwendbar ist. Im Unternehmenskaufvertrag erfolgt deshalb häufig eine ausdrückliche Klarstellung des Gewollten.
In sachlicher Hinsicht sind Voll- und Teilunwirksamkeit zu trennen. Eine besondere Form der Teilunwirksamkeit ist die quantitative Teilunwirksamkeit. Strittig ist, ob die Teilunwirksamkeit die Regel oder die Ausnahme sein soll, wenn der Unwirksamkeitsgrund nur einen Teil des Vertrags betrifft. Im gemeinen Recht leitete man aus den antiken Quellen die regelmäßige Restwirksamkeit des übrigen Vertrages her (''utile per inutile non vitiatur''). Das deutsche BGB wich in §&nbsp;139 BGB hiervon ab. Doch gehen Theorie und Praxis in Übereinstimmung mit der Tendenz der Rechtsentwicklung in Europa inzwischen wieder in der Regel von einer Restwirksamkeit aus. In Europa wird die Frage unterschiedlich beantwortet, wann von der regelmäßigen Restwirksamkeit Ausnahmen zuzulassen sind. Zum Teil wird auf den Willen der Parteien abgestellt (Griechenland), zum Teil auch darauf, ob die Nichtigkeit einen wesentlichen oder nur unwesentlichen Teil des Vertrages betrifft (Frankreich) oder ob beide Teile des Vertrags in einem unlösbaren Zusammenhang stehen (Niederlande). Als besonders bedeutsam erweist sich überall der Zweck des Unwirksamkeitsgrundes. Dieser Zweck bestimmt auch, ob eine geltungserhaltende Reduktion möglich ist. Die PECL, UNIDROIT PICC und der DCFR machen die Frage, ob der gesamte Vertrag von der Unwirksamkeit erfasst werden soll, zu einer Frage der ''reasonableness''.
 
Zudem stellt sich in sachlicher Hinsicht die Frage, ob eine Unwirksamkeit dingliche Wirkung hat. Rechte, die das Abstraktionsprinzip kennen, lehnen sie ab, wenn nicht das Verfügungsgeschäft selbst vom Unwirksamkeitsgrund erfasst wird (Deutschland, Schottland); Rechte, denen es unbekannt ist, bejahen regelmäßig die dingliche Wirkung (Italien, Frankreich, Portugal, Niederlande).
 
Weiterhin kann in sachlicher Hinsicht danach unterschieden werden, ob eine Unwirksamkeit bereits endgültig eingetreten ist oder ob ihr Eintritt oder auch die Endgültigkeit ihres Eintritts noch unentschieden ist. Das letztere ist der Fall bei der schwebenden Unwirksamkeit und der schwebenden Wirksamkeit.
 
Versteht man auch die Rücktritts-, Widerrufs- und Kündigungsfolgen als Unwirksamkeiten, so muss man für die Frage der Auswirkungen der Unwirksamkeit zwischen den verschiedenen Wirkungen, die ein Vertrag oder ein Rechtsgeschäft hat, sachlich unterscheiden. Nichtigkeit und Anfechtung im engeren Sinne vernichten den Vertrag regelmäßig ''ex tunc'' und hinsichtlich jeder Wirkung. Der Rücktritt vernichtet den Vertrag in der Regel ''ex tunc'' als Behaltensgrund für ausgetauschte Leistungen. Insoweit ist der Vertrag unwirksam. Im Übrigen, z.B. in Hinblick auf Schadensersatzansprüche, führt der Rücktritt in vielen Rechten aber nur ''ex nunc'' zur Auflösung des Vertrages. Die Kündigung wirkt in jeder Hinsicht nur ''ex nunc''.
 
== 7. Wie kann ein unwirksamer Vertrag gerettet werden? ==
Alle Rechte Europas kennen mit der Heilung, Umdeutung, Genehmigung, Bestätigung und Neuvornahme verschiedene Instrumente, um einen Vertrag vor der Unwirksamkeit zu retten. Diese Instrumente unterscheiden sich in ihren Voraussetzungen, Anwendungsbereichen und Wirkungen. Ein weiteres Instrument, um Verträge vor der Unwirksamkeit zu retten, kennt die Auslegungslehre: So soll nach vielen nationalen Rechten wie auch nach den PECL diejenige Auslegung bevorzugt werden, die zu einer Wirksamkeit des Vertrages führt.


== Literatur==
== Literatur==
''Hanno Merkt'', Internationaler Unternehmenskauf, 2003; ''Gerhard Picot'' (Hg.), Unternehmenskauf und Restrukturierung, 2004; ''Wolfgang'' ''Hölters'' (Hg.), Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, 2005; ''Hans-Joachim Holzapfel'','' Reinhard Pöllath'', Unternehmenskauf in Recht und Praxis, 2008; ''Hermann Knott'','' Werner Mielke'', Unternehmenskauf, 2008.
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Version vom 29. September 2021, 13:23 Uhr

von Phillip Hellwege

1. Gegenstand und Zweck

Die Rechte Europas kennen verschiedene Unwirksamkeitsgrade. Sie werden danach unterschieden, wer sich auf die Unwirksamkeit berufen kann, wie sie geltend zu machen ist und wie sie wirkt; Unwirksamkeit ist also ein Oberbegriff. In der Rechtsvereinheitlichung setzt sich der Begriff invalidity (Ungültigkeit) durch (PECL, UNIDROIT PICC, DCFR). Formen der Unwirksamkeit sind z.B. die relative Unwirksamkeit, die Anfechtbarkeit und die Teilunwirksamkeit. Die nationalen Gesetze definieren diese Unwirksamkeitsgrade nicht. Stattdessen ist es Aufgabe der Wissenschaft, die Formen der Unwirksamkeit in ein kohärentes System zu bringen. Dass dies gelingt, ist nicht selbstverständlich: Das römische und gemeine Recht kannten noch kein klares System der Unwirksamkeitstypen, dieses wurde erst seit dem 19. Jahrhundert entwickelt.

Die europäische Rechtswissenschaft beschäftigt sich aus zwei Gründen mit dem Begriff der Unwirksamkeit. Sie versucht dort, wo europäische Regelwerke verschiedene Unwirksamkeitsgrade kennen, diese zu ordnen. So spricht der Code Européen des Contrats etwa von nullité, inefficacité, inexistence, annulation, rescision, extinction, [cesser] d’avoir effet. Des Weiteren wirkt sie auf einen stimmigen Einsatz der Unwirksamkeitsgrade in der weiteren Rechtsvereinheitlichung hin. Freilich steht der wissenschaftliche Diskurs über den Unwirksamkeitsbegriff auf europäischer Ebene noch am Anfang.

2. Gegenstand der Unwirksamkeit

Die Unwirksamkeitsgrade werden heute im Vertragsrecht (Italien, Frankreich, England) oder der Rechtsgeschäftslehre (Deutschland) (Rechtsgeschäft) dargestellt. Die PECL und die UNIDROIT PICC sind von vornherein auf das Vertragsrecht und damit auf die Unwirksamkeit von Verträgen beschränkt. Aber auch Urteile, Gesetze und Verwaltungsakte können unwirksam sein. Zwar gibt es für die Unwirksamkeit aller juristischer Tatsachen gemeinsame historische Wurzeln: So entwickelte sich die Restitutionsklage gegen ein rechtskräftiges Urteil aus der römischen restitutio in integrum, welche auch bei der Vertragsanfechtung wegen Minderjährigkeit statthaft war. Doch wäre ein System der Unwirksamkeitstypen aller juristischen Tatsachen nicht leistungsfähig, und entsprechende Systematisierungsversuche blieben erfolglos.

Ist ein unwirksamer Vertrag vollzogen worden, erfolgt eine Rückabwicklung. In Deutschland wird die Rückabwicklung nicht von dem Unwirksamkeitsbegriff erfasst, sondern im Bereicherungsrecht (Leistungskondiktion) geregelt. Doch ist diese Trennung von Unwirksamkeit und Rückabwicklung nicht selbstverständlich: So zielt die spanische Nichtigkeitsklage (acción de nulidad) etwa wegen Irrtums auf die Vernichtung des Vertrages und zugleich auf dessen Rückabwicklung. In England ist Anfechtungsvoraussetzung, dass der Anfechtende Erlangtes zurückgewähren und so restitutio in integrum leisten kann, und der Begriff rescission beschreibt auch die Rückabwicklung. Auch die PECL und die UNIDROIT PICC regeln im Abschnitt zur Gültigkeit ebenfalls die Rückabwicklung als Anfechtungsfolge. Unwirksamkeit und Rückabwicklung gehen hier jeweils Hand in Hand.

Schließlich gibt es neben den allgemeinen noch besondere Regeln zur Unwirksamkeit von Verträgen, z.B. im Ehe- und Gesellschaftsrecht. Hier müssen die Regelungsprobleme – wer darf sich auf die Unwirksamkeit berufen? Wie ist sie geltend zu machen? Wie wirkt sie? – anderen Lösungen zugeführt werden als im allgemeinen Vertragsrecht. Die wissenschaftliche Diskussion darf sich indes nicht auf den Unwirksamkeitsbegriff des allgemeinen Vertragsrechts beschränken, sondern muss die Verknüpfungen zu den besonderen Regeln herstellen. Denn nur so offenbart sich, dass die allgemeinen Regeln immer Ausnahmen haben, es werden die Wertungen der Regeln und Ausnahmen deutlich, und nur so ist es möglich, einen stimmigen Einsatz auch der Ausnahmen in der zukünftigen Rechtsvereinheitlichung vorzubereiten.

3. Gründe der Unwirksamkeit

Die klassischen Unwirksamkeitsgründe sind im Kapitel der PECL zur validity abgebildet: Irrtum, Täuschung, Drohung, unangemessene Ausnutzung, mangelnde Geschäftsfähigkeit, Gesetzes- und Sittenwidrigkeit. Es handelt sich um Fehler, die bereits bei Vertragsschluss vorliegen und die nach den PECL den Vertrag ex tunc vernichten sollen. So scheinen die PECL die Unwirksamkeit von drei Seiten her zu beschränken: Sie wirkt zurück, vernichtet den Vertrag, und ihr Grund liegt bei Vertragsschluss vor. Dieser Unwirksamkeitsbegriff schimmert auch in vielen nationalen Wissenschaften durch. Eine europäische Wissenschaft muss sich freilich seiner Grenzen bewusst sein: Möchte man Mängel bei Vertragsschluss ordnen, sollte man einen Oberbegriff wählen, der den Blick auf die Unwirksamkeitsgründe lenkt, etwa Fehlerhaftigkeit. Unwirksamkeit ist eine Rechtsfolge. Sie kann auch bei Vertragsdurchführung eintreten (auflösende Bedingung). Umgekehrt werden nicht alle Fehler bei Vertragsschluss berücksichtigt (anfängliche Unmöglichkeit), sondern nur solche, die eine bestimmte Rechtsfolge (ex tunc-Nichtigkeit) haben. Es besteht auch nicht unbedingt ein Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt des Mangels und seiner Wirkung: Bei Gesellschafts- und Arbeitsverträgen wirkt auch ein anfänglicher Fehler nur ex nunc. Es kann also nur auf die Vernichtung als Rechtsfolge ankommen. Damit sind die Fälle ausgeblendet, in denen die Parteien nur von der Erfüllung befreit werden (anfängliche Unmöglichkeit, Nichterfüllung). Diese Ausblendung ist indes ebenfalls nicht zwingend: So ist in England und Schottland die unenforceability ein Unwirksamkeitsgrad, obwohl sie den Vertrag nicht vernichtet. Auch die PECL nennen die Gesetzeswidrigkeit im Kapitel zur validity als Unwirksamkeitsgrund, ordnen im Kapitel zur illegality aber gerade nicht die Nichtigkeit an, sondern verfolgen ein flexibles System von Unwirksamkeitsgraden, das die unenforceablity einschließt. Der oben skizzierte Unwirksamkeitsbegriff ist mithin allenfalls eine Annäherung, aber keine Definition.

Man sollte demnach die Unwirksamkeit allein von der Rechtsfolge blickend definieren: Ein unwirksamer Vertrag erzeugt die intendierten Wirkungen ex tunc oder ex nunc nicht oder nicht vollständig. Diese Definition erfasst die unenforceability und die Rücktrittsfolgen. Denn durch den Rücktritt verliert der Vertrag als Behaltensgrund ausgetauschter Leistungen seine Wirkung. Unwirksamkeitsgrund ist, was diese Folge hat. Diese Definition vermeidet Abgrenzungsprobleme. Sie vereinfacht den Rechtsvergleich, denn sie lässt die unterschiedliche dogmatische Erfassung etwa der anfänglichen Unmöglichkeit und des Rücktritts nicht als Systemunterschiede erscheinen. Zwar berühren Nichterfüllung und anfängliche Unmöglichkeit in der modernen Entwicklung den Vertrag nicht in seinem Bestand. Doch vielerorts führt die anfängliche Unmöglichkeit noch zur Nichtigkeit (Frankreich, Italien, Portugal, Ungarn) und der Rücktritt zur Vertragsauflösung ex tunc (Frankreich, Spanien, Österreich). Diese Unterschiede sind nur noch verschiedene Einordnungen in einem System abgestufter Unwirksamkeitsgrade. Die vorgeschlagene Definition vereinfacht auch die weitere Rechtsvereinheitlichung, indem sie den Regelgebern ein solches System abgestufter Unwirksamkeitsgrade zur Verfügung stellt. Schließlich ist sie mit den Rechten Europas, den PECL, UNIDROIT PICC und dem DCFR vereinbar. Auch wenn alle Regelwerke den Begriff der Unwirksamkeit benutzen, definieren sie ihn nicht als Oberbegriff. Der Unwirksamkeitsbegriff ist ein Begriff der Wissenschaft, der sich allein an seiner Leistungsfähigkeit messen lassen muss.

Schließlich klammern einige Rechte den Tatbestandsmangel aus (Deutschland, Ungarn): Nur der tatbestandlich existierende Vertrag kann unwirksam sein. Diese Trennung ist schlüssig, doch ohne praktische Relevanz und findet sich vielerorts nicht (England, Italien). Ein rechtsfolgenorientierter Unwirksamkeitsbegriff vermag den Tatbestandsmangel zu erfassen. Auch er führt dazu, dass der (vermeintliche) Vertrag die intendierten Wirkungen nicht erzeugt.

4. Wer darf die Unwirksamkeit geltend machen?

Kann nur eine der Vertragsparteien die Unwirksamkeit geltend machen, spricht man von einer relativen Unwirksamkeit, von einer absoluten Unwirksamkeit, wenn sich jeder auf sie berufen kann. Ausnahmsweise dürfen sich nur bestimmte Dritte auf die Unwirksamkeit berufen, so bei der Testamentsanfechtung. Auch in diesen Fällen sollte man von einer relativen Unwirksamkeit sprechen.

Die Grenzen zwischen absoluter und relativer Unwirksamkeit einerseits und Nichtigkeit und Anfechtbarkeit andererseits laufen in der Regel, aber nicht immer parallel. So führt das deutsche gesetzliche Veräußerungsverbot zu einer relativen Unwirksamkeit, wird aber von Amts wegen berücksichtigt. In den PECL kann die Gesetzeswidrigkeit dazu führen, dass nur eine Partei die Erfüllung nicht verlangen kann. Trotzdem wird sie von Amts wegen berücksichtigt. In Deutschland können Eheverbote vertreten durch öffentliche Stellen von der Allgemeinheit geltend gemacht werden, doch werden sie nur in einem besonderen Aufhebungsverfahren berücksichtigt (Anfechtung).

Die Abgrenzung zwischen absoluter und relativer Unwirksamkeit erfolgt danach, ob durch die Unwirksamkeitsanordnung nur eine bestimmte Partei oder Interessen der Allgemeinheit geschützt werden. Uneinheitlich zugeordnet werden dabei die fehlende Geschäftsfähigkeit (absolut: Deutschland, Griechenland, Polen; relativ: Frankreich, Italien, Niederlande) und die Übervorteilung (absolut: Deutschland; relativ: Frankreich, Italien, Polen, Ungarn, Niederlande, PECL). Die relative Unwirksamkeit ist immer nur ein Durchgangsstadium zu einem Zustand, der dem der absoluten Nichtigkeit entspricht.

5. Wie muss die Unwirksamkeit geltend gemacht werden?

Die meisten Rechte unterscheiden zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit (Italien, Portugal, England, Schottland, Irland, Niederlande, Deutschland, PECL, UNIDROIT PICC, DCFR). Bei der Nichtigkeit wird die Unwirksamkeit von Amts wegen berücksichtigt, bei der Anfechtbarkeit muss sie besonders geltend gemacht werden. Freilich wird der Begriff der Nichtigkeit nicht nur über das Wie der Geltendmachung definiert. Die Nichtigkeit beschreibt zugleich die sachliche Wirkung der Unwirksamkeit. Der nichtige Vertrag erzeugt überhaupt keine Wirkungen. Die unenforceability wird zwar auch von Amts wegen berücksichtigt, aber ohne dass der Vertrag nichtig ist. Ein Gegenbegriff zur Anfechtbarkeit als Oberbegriff für alle Unwirksamkeiten, die von Amts wegen beachtet werden, ist noch nicht gefunden.

Für die Anfechtung sehen viele Rechte ihre klageweise Durchsetzung vor (Frankreich, Belgien, Griechenland, Spanien). Wird der Anfechtungsberechtigte verklagt, kann er die Unwirksamkeit auch einredeweise geltend machen. Diese Rechte stehen in der Tradition des gemeinen Rechts, das ebenfalls die Anfechtung durch actio und exceptio kannte. Doch setzt sich die Anfechtung durch Erklärung durch (Deutschland, Polen, PECL, UNIDROIT PICC, DCFR). Das niederländische Recht kennt zwar beides, doch ist die Anfechtung durch Erklärung die Regel. Bedenkt man die Tendenz in Europa, dass eine bloße Anfechtungserklärung in der Regel ausreicht, wirkt die Debatte in England, die Anfechtung durch Erklärung zu verdrängen (Janet O’Sullivan), rückwärtsgewandt. Freilich ist die Anfechtung durch Erklärung überall auf das allgemeine Vertragsrecht begrenzt. In Deutschland müssen etwa Beschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft und Ehen (Eheaufhebung) durch Klage angefochten werden. Die PECL, UNIDROIT PICC und der DCFR kennen diese Ausnahmen nicht, weil sie in ihrem Anwendungsbereich auf das allgemeine Vertragsrecht beschränkt sind. Dort wo eine Anfechtungserklärung ausreicht, kann sie meist formlos erfolgen (PECL, UNIDROIT PICC, DCFR). In Polen ist dagegen eine schriftliche Erklärung erforderlich. In Deutschland muss eine besondere Form nur ausnahmsweise beachtet werden, so bei Anfechtung eines Erbvertrags. Neben Klage, Einrede und Erklärung erwähnte Friedrich Carl v. Savigny noch die Anfechtung in Gestalt „einer Obligation auf neue juristische Handlung von einem, der früheren Thatsache entgegengesetzten, Erfolg“. Das deutsche Recht kennt diese Anfechtung durch Geltendmachung eines Anspruchs bis heute bei der Anfechtung wegen Gläubigerbenachteilung. Im Übrigen ist sie in den Hintergrund getreten.

Definiert man die Anfechtung darüber, dass eine Unwirksamkeit besonders geltend gemacht werden muss, und versteht man auch die Nichterfüllung als Unwirksamkeitsgrund, so handelt es sich auch beim Rücktritt (ebenso wie bei der Kündigung und dem Widerspruch des Verbrauchers) um eine Anfechtung. Das erscheint aus dem Blickwinkel des allgemeinen Vertragsrechts, das strikt zwischen Anfechtung, Widerruf, Rücktritt und Kündigung trennt, ungewöhnlich. Freilich ist ein solch weiter Anfechtungsbegriff nicht ohne Vorbilder: Historisch war die Anfechtung nicht auf die regelmäßig ex tunc wirkende Anfechtung durch Erklärung wegen anfänglicher Vertragsfehler begrenzt. Und noch heute wird der Begriff der Anfechtung in Deutschland außerhalb der Rechtsgeschäftslehre sehr weit verstanden. In England umfasste der Begriff der rescission bis vor kurzem sowohl die Anfechtung als auch den Rücktritt. Man kann also eine Anfechtung im engeren Sinne und eine im weiteren Sinn unterscheiden.

Einige Rechte kennen im allgemeinen Vertragsrecht besondere Formen der Anfechtung, so bei Übervorteilung (Italien, Frankreich, Code Européen des Contrats). In England unterscheidet man bis heute die Anfechtung nach law und equity: Nur die Unwirksamkeitsgründe, die ihre historische Wurzel in der equity haben, müssen klageweise durchgesetzt werden. Die Tendenz geht jedoch dahin, innerhalb des allgemeinen Vertragsrechts die Anfechtung nicht weiter zu untergliedern (PECL, UNIDROIT PICC).

Kennzeichen der Nichtigkeit ist, dass sie von Amts wegen berücksichtigt wird. Auch hiervon gibt es Ausnahmen (Frankreich, Spanien). So unterscheidet man in Frankreich nicht zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit, sondern zwischen nullité absolue und nullité relative. Die nullité absolue soll der Nichtigkeit entsprechen, doch muss sie regelmäßig durch Klage geltend gemacht werden. Außerhalb des allgemeinen Vertragsrechts kennen freilich auch andere Rechte eine Nichtigkeitsklage: In Deutschland ist sie etwa bei der Nichtigkeit eines rechtskräftigen Urteils nötig und in Österreich bei der Nichtigkeit einer Ehe. Hier sollte man besser von einer Anfechtung sprechen.

Im allgemeinen Vertragsrecht führen Gesetzes- und Sittenwidrigkeit und die Nichteinhaltung eines Formerfordernisses zur Nichtigkeit, Willensmängel dagegen zur Anfechtbarkeit. Uneinigkeit herrscht wiederum bei Zuordnung der fehlenden Geschäftsfähigkeit und der Übervorteilung. Nach den PECL sind unangemessene Vertragsklauseln, die nicht individuell ausgehandelt worden sind, also insbesondere unangemessene AGB, nur anfechtbar. Die Zuordnung zur Nichtigkeit und Anfechtbarkeit erfolgt grundsätzlich danach, ob nur eine bestimmte Partei oder Interessen der Allgemeinheit geschützt werden. Hinzu kommen aber noch Erwägungen der Verkehrssicherheit. Besonders bedeutende, komplexe oder eine Vielzahl von Personen betreffende Geschäfte sollen nur durch (gegebenenfalls förmliche) Erklärung oder Klage angefochten werden können.

6. Wirkungen der Unwirksamkeit

Bei den Wirkungen der Unwirksamkeit muss eine zeitliche und eine sachliche Ebene unterschieden werden. In zeitlicher Hinsicht kann eine Unwirksamkeit ex tunc oder ex nunc wirken. Die Nichtigkeit wirkt regelmäßig ex tunc, ebenso die Anfechtung wegen Mängeln bei Vertragsschluss. Von diesem Grundsatz kennen alle Rechte Europas Ausnahmen (Arbeits- und Gesellschaftsverträge).

In sachlicher Hinsicht sind Voll- und Teilunwirksamkeit zu trennen. Eine besondere Form der Teilunwirksamkeit ist die quantitative Teilunwirksamkeit. Strittig ist, ob die Teilunwirksamkeit die Regel oder die Ausnahme sein soll, wenn der Unwirksamkeitsgrund nur einen Teil des Vertrags betrifft. Im gemeinen Recht leitete man aus den antiken Quellen die regelmäßige Restwirksamkeit des übrigen Vertrages her (utile per inutile non vitiatur). Das deutsche BGB wich in § 139 BGB hiervon ab. Doch gehen Theorie und Praxis in Übereinstimmung mit der Tendenz der Rechtsentwicklung in Europa inzwischen wieder in der Regel von einer Restwirksamkeit aus. In Europa wird die Frage unterschiedlich beantwortet, wann von der regelmäßigen Restwirksamkeit Ausnahmen zuzulassen sind. Zum Teil wird auf den Willen der Parteien abgestellt (Griechenland), zum Teil auch darauf, ob die Nichtigkeit einen wesentlichen oder nur unwesentlichen Teil des Vertrages betrifft (Frankreich) oder ob beide Teile des Vertrags in einem unlösbaren Zusammenhang stehen (Niederlande). Als besonders bedeutsam erweist sich überall der Zweck des Unwirksamkeitsgrundes. Dieser Zweck bestimmt auch, ob eine geltungserhaltende Reduktion möglich ist. Die PECL, UNIDROIT PICC und der DCFR machen die Frage, ob der gesamte Vertrag von der Unwirksamkeit erfasst werden soll, zu einer Frage der reasonableness.

Zudem stellt sich in sachlicher Hinsicht die Frage, ob eine Unwirksamkeit dingliche Wirkung hat. Rechte, die das Abstraktionsprinzip kennen, lehnen sie ab, wenn nicht das Verfügungsgeschäft selbst vom Unwirksamkeitsgrund erfasst wird (Deutschland, Schottland); Rechte, denen es unbekannt ist, bejahen regelmäßig die dingliche Wirkung (Italien, Frankreich, Portugal, Niederlande).

Weiterhin kann in sachlicher Hinsicht danach unterschieden werden, ob eine Unwirksamkeit bereits endgültig eingetreten ist oder ob ihr Eintritt oder auch die Endgültigkeit ihres Eintritts noch unentschieden ist. Das letztere ist der Fall bei der schwebenden Unwirksamkeit und der schwebenden Wirksamkeit.

Versteht man auch die Rücktritts-, Widerrufs- und Kündigungsfolgen als Unwirksamkeiten, so muss man für die Frage der Auswirkungen der Unwirksamkeit zwischen den verschiedenen Wirkungen, die ein Vertrag oder ein Rechtsgeschäft hat, sachlich unterscheiden. Nichtigkeit und Anfechtung im engeren Sinne vernichten den Vertrag regelmäßig ex tunc und hinsichtlich jeder Wirkung. Der Rücktritt vernichtet den Vertrag in der Regel ex tunc als Behaltensgrund für ausgetauschte Leistungen. Insoweit ist der Vertrag unwirksam. Im Übrigen, z.B. in Hinblick auf Schadensersatzansprüche, führt der Rücktritt in vielen Rechten aber nur ex nunc zur Auflösung des Vertrages. Die Kündigung wirkt in jeder Hinsicht nur ex nunc.

7. Wie kann ein unwirksamer Vertrag gerettet werden?

Alle Rechte Europas kennen mit der Heilung, Umdeutung, Genehmigung, Bestätigung und Neuvornahme verschiedene Instrumente, um einen Vertrag vor der Unwirksamkeit zu retten. Diese Instrumente unterscheiden sich in ihren Voraussetzungen, Anwendungsbereichen und Wirkungen. Ein weiteres Instrument, um Verträge vor der Unwirksamkeit zu retten, kennt die Auslegungslehre: So soll nach vielen nationalen Rechten wie auch nach den PECL diejenige Auslegung bevorzugt werden, die zu einer Wirksamkeit des Vertrages führt.

Literatur

Friedrich Carl v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. IV, 1841, 536 ff.; Friedrich Hellmann, Zur Terminologie der römischen Rechtsquellen in der Lehre von der Unwirksamkeit der juristischen Thatsachen, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung 23 (1902) 380 ff., 24 (1903) 50 ff.; Alfred Manigk, Unwirksamkeit. Ungültigkeit, in: Fritz Stier-Somlo, Alexander Elster (Hg.), Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 6, 1929, 292 ff.; Manfred Harder, Die historische Entwicklung der Anfechtbarkeit von Willenserklärungen, Archiv für die civilistische Praxis 173 (1973) 209 ff; Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations, 1996, 678 ff.; Janet O’Sullivan, Rescission as a self-help remedy: a critical analysis, Cambridge Law Journal 59 (2000) 509 ff.; Peter Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa, Bd. I, 2000, 403 ff.; András Földi, Zur Frage der Gültigkeit und der Wirksamkeit im modernen Zivilrecht, in: Festschrift für Ferenc Benedek, 2001, 73 ff; Bruno Schmidlin, Der Rücktritt vom Vertrag: Von der Nichtigkeit ex tunc zum vertraglichen Liquidationsverhältnis: Ein dogmengeschichtlicher Wandel, in: Festschrift für Theo Mayer-Maly, 2002, 677 ff.