Bankrecht, internationales

Aus HWB-EuP 2009
Version vom 9. September 2016, 10:57 Uhr von hwb>Admin
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

von Jan von Hein

1. Einführung

Das europäische internationale Bankprivatrecht (zum internationalen öffentlichen Bankrecht siehe Aufsicht über Finanzdienstleistungen) unterliegt in erster Linie den das IPR der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse betreffenden Gemeinschaftsinstrumenten (Rom I-VO [VO 593/2008], Rom II-VO [VO 864/2007]). Die praktische Bedeutung des Bankprivatrechts sowie die bei der Auslegung der maßgebenden Bestimmungen zu beachtenden Besonderheiten rechtfertigen jedoch eine besondere Betrachtung. Für das Depotgeschäft (Wertpapierverwahrung) sind die Regelungen der Finalitäts-RL (RL 1998/26) und das noch nicht in Kraft getretene Haager Abkommen über Intermediär-verwahrte Wertpapiere (PRIMA) zu bedenken. Hinzu kommen Überschneidungen des Internationalen Bankrechts mit dem internationalen Kapitalmarktrecht, insbesondere im Bereich des Emissions- und Konsortialgeschäfts sowie im Investmentrecht.

2. Internationales Bankvertragsrecht

a) Rechtsquellen

Für ab dem 17.12.2009 abgeschlossene Verträge auf dem Gebiet des Bankrechts gilt für die meisten Mitgliedstaaten die Rom I-VO, soweit nicht eine der in Art. 1 genannten Bereichsausnahmen eingreift (insbesondere Art. 1(1)(d) Rom I-VO bezüglich spezifisch wertpapierrechtlicher Fragen). Für Dänemark bleibt es hingegen bei dem Römischen Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ). Irland hat sein opt-in zur Rom I-VO erklärt; Großbritannien, der europäisch wichtigste Finanzplatz, erwägt einen solchen Schritt und hat ein entsprechendes Konsultationsverfahren eingeleitet. Obwohl die Rom I-VO die grundsätzlichen Linien des EVÜ fortsetzt, ergeben sich doch Abweichungen im Detail; ferner sind einige neue Regelungen speziell in Bezug auf Finanzdienstleistungen aufgenommen worden.

b) Rechtswahl

Die freie Rechtswahl (Art. 3 Rom I-VO) bildet auch für das internationale Bankvertragsrecht den kollisionsrechtlichen Eckpfeiler (vgl. Erwägungsgrund 11 Rom I-VO). Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder den Umständen des Falles ergeben (Art. 3(1)2 Rom I-VO). In aller Regel vereinbaren Banken in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Geltung des Rechts an ihrem eigenen Geschäftssitz (vgl. z.B. Nr. 6 Abs. 1 der deutschen AGB-Banken). Die Einbeziehung der AGB und der darin enthaltenen Rechtswahlklausel beurteilt sich nach dem gewählten Recht, im Falle einer Verwendung der AGB-Banken also nach deutschem Recht (Art. 3(5), 10(1) Rom I-VO). Enthalten die AGB einer Bank keine Rechtswahlklausel – was nur in Ausnahmefällen vorkommen dürfte – und ist auch konkludent kein Recht vereinbart worden, richtet sich die Zugrundelegung von AGB nach dem objektiven Vertragsstatut (Art. 4, 10(1) Rom I-VO). Die Einbeziehung von AGB kann im internationalen Bankgeschäft Probleme bereiten, weil die Anforderungen, die an eine stillschweigende Vereinbarung von AGB gestellt werden, international voneinander abweichen. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es nach §§ 305, 310 Abs. 1 BGB keiner ausdrücklichen Einbeziehungserklärung als Voraussetzung für die Geltung der AGB-Banken bedarf (BGH 4.3.2004, IPRax 2005, 446, 447). Auch im internationalen Geschäftsverkehr, so der BGH, erklärten ausländische Banken stillschweigend ihr Einverständnis damit, dass die verkehrsüblichen AGB der Banken die Grundlage der Geschäftsbeziehungen bildeten (BGH a.a.O.). Hierbei soll es nicht darauf ankommen, ob das Recht am Sitz der ausländischen Bank eine entsprechende Rechtsnorm oder Verkehrssitte kenne (BGH a.a.O.). Diese Grundsätze wendet der BGH nicht nur auf Banken mit einer räumlichen Nähe zur deutschen Rechtsordnung an (Elsass, Schweiz, Niederlande), sondern gegenüber jeder ausländischen Bank, sofern von ihr unter den gegebenen Umständen (Umfang der Geschäftsbeziehungen, Aufgaben der Bank im internationalen Geschäftsverkehr) erwartet werden kann, dass ihr die Branchenüblichkeit der Einbeziehung von AGB in Verträge mit deutschen Banken bekannt ist (BGH a.a.O. in Bezug auf die angolanische Nationalbank). Diese bankenfreundliche Linie bedarf jedoch im Einzelfall einer Korrektur zum Schutze desjenigen Vertragspartners, gegenüber dem es unter den gegebenen Umständen nicht gerechtfertigt wäre, die Einbeziehung der AGB nach deutschem Recht zu beurteilen, etwa weil der Partei die entsprechende geschäftliche Erfahrung fehlt und ihr Heimatrecht keine stillschweigende Einbeziehung von AGB kennt. Diese Möglichkeit eröffnet Art. 10(2) Rom I-VO, der in einem solchen Fall der Partei die Berufung auf das Recht an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt gestattet.

Für intern zwingende Normen des mitgliedstaatlichen Rechts wird die Rechtswahl wie schon im EVÜ bei reinen Inlandssachverhalten eingeschränkt (Art. 3(3) Rom I-VO). Soweit das europäische Bankvertragsrecht durch Richtlinien harmonisiert worden ist, die materiellrechtlich (intern) zwingende Wirkung entfalten (z.B. die Verbraucherkredit-RL [RL 87/102]), können die entsprechenden Vorschriften nicht durch die Wahl des Rechts eines Drittstaates abbedungen werden, wenn alle Sachverhaltselemente auf dem Gebiet der Gemeinschaft belegen sind (Art. 3(4) Rom I-VO).

Auch im Bankvertragsrecht sind die Parteien auf die Wahl eines staatlichen Rechts beschränkt. Selbst höchst komplexe und praktisch erschöpfende nicht-staatliche Regelwerke wie etwa die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive (ERA) können allein im Wege einer materiellrechtlichen Verweisung, nicht aber im Rahmen einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl statt eines staatlichen Rechts vereinbart werden (vgl. Erwägungsgrund 13 Rom I-VO).

c) Objektives Vertragsstatut

Art. 4(1) Rom I-VO entscheidet sich im Interesse der Rechtssicherheit grundätzlich für ein vertypte Anknüpfung. Bankverträge betreffen in der Regel die Erbringung von (Finanz‑)Dienstleistungen. Infolgedessen unterliegen diese Verträge wie sonstige Dienstleistungsverträge dem Recht des Staates, in dem der Dienstleister – die Bank – seinen (bzw. ihren) gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4(1)(b) Rom I-VO). Der Begriff der „Dienstleistung“ muss im Kontext des Gemeinschaftsrechts verstanden werden: im Sinne des Art. 50 EG/57 AEUV fallen hierunter Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden. Für die Konkretisierung des Begriffs der „Dienstleistung“ kann ferner auf die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5(1)(b) zweiter Spiegelstrich EuGVO (VO 44/ 2001) zurückgegriffen werden (so auch Erwägungsgrund 17 Rom I-VO). Der gewöhnliche Aufenthalt wird in Art. 19(1)1 Rom I-VO für juristische Personen am Ort ihrer Hauptverwaltung legaldefiniert; für Geschäfte aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung ist allerdings deren jeweiliger Sitz maßgebend (Art. 19(2) Rom I-VO). Beim Einlagengeschäft kommt es folglich auf den Sitz der kontoführenden Bank bzw. der kontoführenden Zweigniederlassung an (so noch zum EVÜ Sierra Leone Telecommunications Co. Ltd. v. Barclays Bank plc., [1998] 2 All ER 821, 827 (Comm); Walsh v. National Irish Bank Ltd., [2008] 1 ILRM 56, 73 f. (Comm); OLG Frankfurt am Main 30.11.1994, IPRspr. 1994 Nr. 67). Auch die Beratungstätigkeit und die Vermögensverwaltung der Banken stellen Dienstleistungen dar, die gemäß Art. 4(1)(b) Rom I-VO anzuknüpfen sind. Ebenso bildet die Kreditgewährung vonseiten einer Bank eine Dienstleistung (anders noch zu Art. 5 EVÜ BGH 13.12. 2005, BGHZ 165, 248, 253); der enger gefasste Art. 13 EuGVÜ (zur Problematik insoweit noch Cour d’appel de Colmar 24.2.1999, ZIP 1999, 1209) ist durch Art. 5(1)(b), zweiter Spiegelstrich EuGVO überholt, sodass auch im Rahmen des internationalen Bankvertragsrechts ein weiter Dienstleistungsbegriff zugrunde zu legen ist. Ferner sind Bürgschaften und Garantien, die von Banken gestellt werden, als Dienstleistungen zu qualifizieren und folglich dem Recht am Sitz der Bank bzw. der fraglichen Niederlassung zu unterstellen. Für das auf grenzüberschreitende Überweisungen anwendbare Recht Überweisungsverkehr (grenzüberschreitender). Auch die Verschwiegenheitsverpflichtung der Bank (Bankgeheimnis) ergibt sich vorbehaltlich besonderer öffentlich-rechtlicher Regelungen aus dem Bankvertragsstatut (s. z.B. Nr. 2 AGB-Banken). Eine besondere Kollisionsnorm für Verträge im Rahmen multilateraler Wertpapierhandelssysteme schafft Art. 4(1)(h) Rom I-VO. Diese Vorschrift, die nicht nur für Börsen im herkömmlichen Sinne, sondern auch für interne Handelsplattformen der Banken gilt, unterstellt die im Rahmen eines solchen Systems geschlossenen Verträge dem für dieses System geltenden Recht, d.h. es kommt nicht darauf an, welche Partei sich im Einzelfall in der Rolle des Erwerbers oder Veräußerers befindet.

Für Verträge, die sich nicht einem der speziell geregelten Vertragstypen des Art. 4(1) Rom I-VO zuordnen lassen oder die Überschneidungen zwischen den dort geregelten Typen aufweisen, knüpft Art. 4(2) Rom I-VO – wie bereits aus dem EVÜ bekannt – an den gewöhnlichen Aufenthalt derjenigen Partei an, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung erbringt. Für die Rechtspraxis ist daher in all denjenigen Fällen, in denen die Bank die charakteristische Leistung erbringt, die Frage müßig, ob es sich hierbei um eine „Dienstleistung“ i.S.d. Art. 4(1)(b) Rom I-VO oder einen der anderen Vertragstypen des ersten Absatzes handelt. Praktische Bedeutung hat die Vorschrift insbesondere für den Forderungskauf, der nicht unter Art. 4(1)(a) Rom I-VO fällt, weil diese Norm allein Kaufverträge über bewegliche Sachen betrifft (zum Zessionsstatut s. Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)). Bei der Bürgschaft durch eine Privatperson, die mangels Entgeltlichkeit oft nicht als Dienstleistung i.S.d. Art. 4(1)(b) Rom I-VO qualifiziert werden kann, bleibt es dabei, dass der Bürge die charakteristische Leistung erbringt und folglich an seinen gewöhnlichen Aufenthalt anzuknüpfen ist.

Entgegen der ursprünglichen Planung der Kommission sieht Art. 4(3) Rom I-VO eine allgemeine Ausweichklausel vor, aufgrund derer von den vorgenannten Anknüpfungsregeln abgewichen werden kann, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist. Hiervon ist im Interesse der Rechtssicherheit zurückhaltend Gebrauch zu machen. Auch bei akzessorischen Sicherheiten wie z.B. der Bürgschaft ist das Statut des Kreditsicherungsvertrages regelmäßig gesondert und nicht etwa über Art. 4(3) Rom I-VO an das Statut der Hauptforderung anzuknüpfen. Kommt es hingegen bei dem Kauf einer durch eine Hypothek gesicherten Forderung den Parteien wirtschaftlich entscheidend auf die Übertragung des dinglichen Rechts an, so kann es beim Hinzutreten weiterer Indizien (Vertragssprache, Währung, Verhandlungsführung usw.) gerechtfertigt sein, eine engere Verbindung des Kaufvertrages zu dem Staat anzunehmen, in dem das belastete Grundstück belegen ist (BGH 26.7.2004, NJW 2005, 1041). Art. 4(1)(c) Rom I-VO betrifft allein das dingliche Rechtsgeschäft und entfaltet in Bezug auf die Anknüpfung des zugrundeliegenden Schuldvertrages keine Sperrwirkung (BGH a.a.O.).

Wenn das anzuwendende Recht nicht nach Art. 4(1) oder (2) Rom I-VO bestimmt werden kann, weil weder einer der in Abs. 1 aufgeführten Vertragstypen vorliegt noch die charakteristische Leistung eindeutig bestimmt werden kann, unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, zu dem er die engste Verbindung aufweist (Art. 4(4) Rom I-VO). Diese Auffangklausel hat z.B. praktische Bedeutung für Tauschverträge (swaps). Eine Vertragsspaltung ist insoweit abzulehnen, zumal die Rom I-VO Art. 4(1)(2) EVÜ (dépeçage) nicht übernommen hat.

d) Verbraucherverträge

Besonderheiten sind bei Bankverträgen mit Verbrauchern zu beachten (Art. 6 Rom I-VO). Die Kommission konnte sich mit dem ursprünglich geplanten Rechtswahlverbot für Verbraucherverträge angesichts der überwiegenden Kritik aus Wissenschaft und Wirtschaft nicht durchsetzen. Gerade aus Bankkreisen wurde dieser geplante Schritt, der die Kosten der Vertragsgestaltung für Finanzdienstleistungen erheblich erhöht und zu einer vor allem im Hinblick auf das Online-Banking problematischen erneuten rechtlichen Fragmentierung des Binnenmarkts geführt hätte, mit Recht heftig bekämpft (s. insbesondere die Zusammenfassung der letztlich durchschlagenden Argumente gegen den Kommissionsentwurf aus Bankensicht durch den Leiter des EU-Verbindungsbüros der Dresdner Bank, Woopen, EuZW 2007, 495 ff.). Es bleibt dabei, auch bei Verbraucherverträgen eine Rechtswahl zu gestatten, deren Reichweite aber einzuschränken, sofern der Anbieter seine Tätigkeit auf den Verbraucherstaat ausgerichtet hat, der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt und die Vorschriften am gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers diesem einen weiter gehenden Schutz vermitteln (Art. 6(2) Rom I-VO). Wird keine Rechtswahl getroffen, gilt unter den vorgenannten Voraussetzungen das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Bankkunden (Art. 6(1) Rom I-VO). Fehlt es an einer Ausrichtung der Bankentätigkeit auf den Verbraucherstaat oder fällt der Vertrag nicht in den Bereich dieser Tätigkeit, bleibt es bei den allgemein für Verträge geltenden Regeln (Art. 3, 4 i.V.m. Art. 6(3) Rom I-VO).

Art. 6 Rom I-VO dehnt den sachlichen Anwendungsbereich der verbraucherschützenden Kollisionsnorm gerade in Bezug auf Finanzdienstleistungen gegenüber dem EVÜ erheblich aus. Während durch Art. 5(1) EVÜ (Art. 29 Abs. 1 EGBGB) Darlehensverträge nach h.M. nur erfasst wurden, sofern sie der Finanzierung eines Vertrages über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen betrafen, erfasst Art. 6 Rom I-VO, der einen mit Art. 4(1)(b) Rom I-VO identischen, weit zu verstehenden Dienstleistungsbegriff zugrundelegt, auch bloße Darlehensverträge, Immobiliarkreditverträge, Bausparverträge oder das Einlagengeschäft.

Für das internationale Bankvertragsrecht bei Verbraucherbeteiligung sind insbesondere die Bereichsausnahmen in Art. 6(4)(d) und (e) Rom I-VO von Interesse. Art. 6(1) und (2) Rom I-VO ist nicht anzuwenden auf Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit einem Finanzinstrument (Märkte für Finanzinstrumente) sowie Rechte und Pflichten, durch welche die Bedingungen für die Ausgabe oder das öffentliche Angebot und öffentliche Übernahmeangebote bezüglich übertragbarer Wertpapiere und die Zeichnung oder den Rückkauf von Anteilen an Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere (OGAW) festgelegt werden (Art. 6(4)(d) Rom I-VO). Die genannten Fragen unterliegen den Kollisionsnormen des Internationalen Kapitalmarktrechts, weil andernfalls ein Handel mit Finanzinstrumenten erschwert würde (Erwägungsgrund 28 Rom I-VO, näher Kapitalmarktrecht, internationales). Art. 6(4)(d) Rom I-VO macht jedoch wiederum eine Unterausnahme für Verträge, welche die Erbringung von Finanzdienstleistungen betreffen. Diese wird in Erwägungsgrund 26 der Rom I-VO präzisiert. Darin heißt es, dass „Finanzdienstleistungen wie Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten und Nebendienstleistungen nach Anhang I Abschnitt A und Abschnitt B der RL 2004/39 (MiFID), die ein Unternehmer für einen Verbraucher erbringt, sowie Verträge über den Verkauf von Anteilen an Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, selbst wenn sie nicht unter die RL 85/611 des Rates vom 20.12.1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) fallen, Artikel 6 der vorliegenden Verordnung unterliegen.“ Der Ausschluss des Art. 6 Rom I-VO für Bedingungen für die Ausgabe oder das öffentliche Angebot bezüglich übertragbarer Wertpapiere oder die Zeichnung oder den Rückkauf von Anteilen an Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren soll allein die Aspekte betreffen, durch die sich der Emittent bzw. Anbieter gegenüber dem Verbraucher verpflichtet, nicht aber diejenigen Aspekte, die mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Zusammenhang stehen (ebd.). Folglich bleiben Finanzdienstleistungen durch Banken und Broker, wie z.B. die Anlageberatung, Portfolioverwaltung, Depotverwahrung, Lombardkredite oder der Verkauf von Fondsanteilen, weiterhin den verbraucherschützenden Kollisionsnormen des Art. 6(1) und (2) unterworfen.

Für Verträge im Rahmen multilateraler Wertpapierhandelssysteme stellt Art. 6 (4)(e) Rom I-VO klar, dass auf sie auch bei einer Beteiligung von Verbrauchern allein das Recht des Systems gemäß Art. 4(1)(h) Rom I-VO Anwendung findet. Eine solche Ausnahme ist notwendig, weil nach der MiFID auch private Anleger bei hinreichendem Vermögen dafür optieren können, wie professionelle Investoren behandelt zu werden (Art. 4(1) Nr. 11 i.V.m. Anhang II MiFID; Märkte für Finanzinstrumente).

Art. 6 Rom I-VO schließt es als besondere, situativ differenzierende Vorschrift über den kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz aus, sachlich einschlägige Normen z.B. der Verbraucherkredit-RL zu international zwingenden Normen im Sinne des Art. 9(1) Rom I-VO zu erheben (so bereits BGH 13.12.2005, BGHZ 165, 248, 257, zu Art. 7(2) EVÜ/Art. 34 EGBGB).

3. Außervertragliche Schuldverhältnisse

Für außervertragliche Schuldverhältnisse auf dem Gebiet des Bankprivatrechts (Delikts-, Bereicherungsrecht, Geschäftsführung ohne Auftrag, culpa in contrahendo) gilt die Rom II-VO (Außervertragliche Schuldverhältnisse (IPR)). Insbesondere bei der Anknüpfung des gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Bank und Kunde (Beratungs- und Aufklärungspflichten) aus c.i.c. ist Art. 12 Rom II-VO zu beachten. Auch der insbesondere im Bankrecht bedeutsame Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, mit dem Defizite des deutschen Deliktsrechts kompensiert werden, sollte kollisionsrechtlich der Rom II-VO, nicht der Rom I-VO zugewiesen, in diesem Rahmen aber akzessorisch angeknüpft werden (Art. 4 Rom II-VO).

4. Depotgeschäft

Erwägungsgrund 31 Rom I-VO stellt klar, dass die Abwicklung einer förmlichen Vereinbarung, die als ein System im Sinne von Art. 2(a) der RL 98/26 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und ‑abrechnungssystemen (Finalitätsrichtlinie) ausgestaltet ist, von der Rom I-VO unberührt bleiben sollte. Die maßgebende Kollisionsnorm der Finalitäts-RL (Art. 9(2)) ist in Deutschland in § 17a DepotG umgesetzt worden. Danach unterliegen Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden, dem Recht des Staates, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird, in dem unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers die rechtsbegründende Eintragung vorgenommen wird, oder in dem sich die kontoführende Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers befindet, die dem Verfügungsempfänger die rechtsbegründende Gutschrift erteilt. Um insbesondere angesichts der Entmaterialisierung des Wertpapierrechts eine größere Rechtssicherheit im Bereich der Kreditsicherung zu erreichen, hat die Haager Konferenz das noch nicht in Kraft getretene Abkommen über Intermediär-verwahrte Wertpapiere (PRIMA) ausgearbeitet, das im Ergebnis der Parteiautonomie auch im Internationalen Sachenrecht einen größeren Spielraum gewährt. Ob auf diesem komplexen Gebiet kollisionsrechtliche Lösungen dauerhaft befriedigen können, ist zu bezweifeln; UNIDROIT arbeitet deshalb an einer Vereinheitlichung des Sachrechts der Wertpapierverwahrung und ‑beleihung.

5. Emissions- und Konsortialgeschäft, Investmentgeschäft

In diesen Bereichen überschneidet sich das auf die Beziehung Bank-Kunde zugeschnittene Bankvertragsrecht vielfach mit dem marktregulierenden Kapitalmarktrecht (Kapitalmarktrecht, internationales). Wegen der Komplexität der Materie ist auf die unten aufgeführten Spezialdarstellungen zu verweisen.

6. Währungsrecht → Währung

7. Ausblick

Das internationale Bankvertragsrecht ist mit der Rom I-VO auf eine tragfähige Grundlage gestellt worden; ebenso die bankrelevanten Aspekte des außervertraglichen Schuldrechts durch die Rom II-VO. Beide Verordnungen verfolgen einen Ansatz, der die insbesondere im Bankrecht wichtige Balance zwischen Rechtssicherheit, Flexibilität im Einzelfall und der größtmöglichen Gewährung von Parteiautonomie wahrt. Stärker im Fluss ist die Entwicklung bei der Wertpapierverwahrung sowie auf den Gebieten, die in das höchst dynamische Internationale Kapitalmarktrecht hineinreichen.

Literatur

Dorothee Einsele, Die internationalprivatrechtlichen Regelungen der Finalitätsrichtlinie und ihre Umsetzung in der Europäischen Union, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2001, 2415 ff.; Robert Freitag, Einzelne Auslandsgeschäfte, in: Peter Derleder, Kai-Oliver Knops, Heinz Georg Bamberger (Hg.), Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, 2004, § 54; Holger Schmidt, Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Bürgschaft auf erstes Anfordern, Recht der Internationalen Wirtschaft 2004, 336 ff.; Christoph Graf von Bernstorff, Rechtsprobleme im Auslandsgeschäft, 5. Aufl. 2006; Dorothee Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2006; James Steven Rogers, Conflict of Laws for Transactions in Securities Held Through Intermediaries, Cornell International Law Journal 39 (2006) 285 ff.; Reinhard Welter, § 26 (Bankgeschäfte mit Auslandsbezug), in: Herbert Schimansky, Hermann-Josef Bunte, Hans-Jürgen Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, Bd. I, 3. Aufl. 2007; Herbert Woopen, Banken und Versicherungen im Binnenmarkt, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2007, 495 ff.; Dorothee Einsele, Auswirkungen der Rom I-Verordnung auf Finanzdienstleistungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2009, 289 ff.; Peter Mankowski, Finanzverträge und das neue Internationale Verbrauchervertragsrecht des Art. 6 Rom I-VO, Recht der Internationalen Wirtschaft 2009, 98 ff.

Abgerufen von Bankrecht, internationales – HWB-EuP 2009 am 22. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

Die hier veröffentlichten Artikel unterliegen exklusiven Nutzungsrechten der Rechteinhaber des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht und des Verlages Mohr Siebeck; sie dürfen nur für nichtkommerzielle Zwecke genutzt werden. Nutzer dürfen auf die öffentlich frei zugänglich gemachten Artikel zugreifen, diese herunterladen, Ausdrucke anfertigen und Kopien der Dateien anfertigen. Weiterhin dürfen Nutzer die Artikel auszugsweise übersetzen und im Rahmen von wissenschaftlicher Arbeit zitieren, sofern folgende Anforderungen erfüllt werden:

  • Nutzung zu nichtkommerziellen Zwecken
  • Erhalt der Text-Integrität des Artikels und seiner Bestandteile
  • Zitieren der Fundstelle gemäß wissenschaftlichen Standards unter Angabe von Autoren, Stichworttitel, Werkname, Jahr der Veröffentlichung (siehe Zitiervorschlag).