Werkvertrag: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 29. September 2021, 14:45 Uhr

von Axel Metzger

1. Begriff und historische Perspektive

Ein selbstständiger Vertragstypus „Werkvertrag“ mit spezifischen Regeln zur Vergütung, Gewährleistung, Gefahrtragung und zu den sonstigen Rechten und Pflichten der Parteien ist nicht in allen europäischen Privatrechtsordnungen anerkannt. In den Rechtsordnungen, die den Werkvertrag als eigenständigen Typus regeln, wird er als der auf die Herstellung eines Werkes im Sinne der Herbeiführung eines bestimmten Arbeitsergebnisses gerichtete Vertrag definiert, welcher sich durch die Erfolgsbezogenheit vom rein tätigkeitsbezogenen Dienstvertrag unterscheidet. Zu den Werkverträgen werden insbesondere Bauverträge, Verträge über die Herstellung und Reparatur beweglicher Sachen sowie in einigen Rechtsordnungen auch Verträge über die Erstellung unkörperlicher Werke gerechnet. Verbreitet ist allerdings auch die gemeinsame Behandlung von Werk- und Dienstverträgen (Dienst(leistungs)vertrag) anhand einheitlicher Regeln. Auch findet sich eine gemeinsame Behandlung von Miet- (Miete und Pacht), Dienst- und Werkvertrag. Die Vorstellung eines derart weit gefassten Vertragstypus geht auf die locatio conductio des römischen Rechts zurück, welche sehr verschiedene Gestaltungen abdeckte, von der Wohnraum- und Sachmiete sowie der Landpacht über Werkverträge einschließlich der Bauverträge bis zu Dienst- und Arbeitsverträgen. Im römischen Recht war für alle Formen der locatio conductio ein einheitlicher Rechtsschutz vorgesehen. Dies stand jedoch der Entwicklung differenzierter Lösungen für die einzelnen Unterformen nicht im Wege. Die locatio conductio behielt ihren weiten Anwendungsbereich auch im älteren gemeinen Recht (ius commune). Nunmehr wurde jedoch stärker zwischen der locatio conductio rei, der Sachüberlassung, und der locatio conductio operarum, der Dienstüberlassung, unterschieden. Es war schließlich die Pandektenwissenschaft (Pandektensystem) des 19. Jahrhunderts, welche als dritte Unterform die locatio conductio operis, den heutigen Werkvertrag, von den anderen beiden Unterformen trennte.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Vor dem Hintergrund des gemeinen Rechts wird die heutige Vielgestaltigkeit der Regelungskonzepte des Werkvertrags verständlich. Einige, insbesondere die älteren Kodifikationen, übernehmen die einheitliche Klammer der locatio conductio. So unterscheidet Art. 1708 des französischen Code civil zwei Formen des contrat de louage, celui des choses et celui d’ouvrage. Nach einigen gemeinsamen Vorschriften folgen spezifische Regeln zum Mietvertrag sowie gemeinsame Vorschriften für Dienst- und Werkverträge. Diesem Modell folgen auch der belgische und der luxemburgische Code civil sowie der spanische Código civil (arrendamiento de obras). Das österreichische ABGB hatte zunächst den Dienst- und Werkvertrag zusammen als einheitlichen „Lohnvertrag“ behandelt. Später wurde unter dem Einfluss der zwischenzeitlich erfolgten schweizerischen und deutschen Kodifikation eine Aufgliederung vorgenommen. Der italienische Codice civile regelt Dienst- und Werkvertrag dagegen noch heute gemeinsam, und zwar einmal für den unternehmerisch tätigen Auftragnehmer (appalto) und einmal in den arbeitsrechtlichen Vorschriften für den nicht abhängig Beschäftigten (opera). In den jüngeren Kodifikationen ist der Werkvertrag entsprechend der pandektistischen Lehre selbstständig geregelt und vom Miet- und Dienstvertrag vollständig getrennt, so beispielsweise im schweizerischen Obligationenrecht, im deutschen BGB, im polnischen ZGB, im tschechischen ZGB und zuletzt in dem im Jahr 2003 in Kraft getretenen neuen Werkvertragsrecht im siebten Buch des niederländischen Burgerlijk Wetboek (Aanneming van werk). Dem englischen Recht ist die Vorstellung gesetzlich geregelter spezifischer Vertragstypen, abgesehen vom Sonderfall des sale of goods (im Sale of Goods Act 1979 und einigen ergänzenden Gesetzen und Regulations), fremd. Die Lehre behandelt die Besonderheiten insbesondere von Bauverträgen (construction) aber eingehend.

Die Behandlung der besonders wichtigen Werkverträge im Bereich des Bauwesens ist in Europa nicht einheitlich. Die älteren kontinentaleuropäischen Kodifikationen hatten für Bauverträge keine spezifischen Vorschriften vorgesehen, sondern die Regelung der komplexen Fragen, die sich bei der Errichtung von Bauwerken ergeben, weitgehend der Vertragspraxis überlassen. In einigen Ländern haben sich daraufhin branchenweit einheitlich verwendete Standardvertragswerke herausgebildet, die zum Teil von privaten Vereinigungen, zum Teil von staatlichen Institutionen herausgegeben und regelmäßig überarbeitet werden, etwa die deutsche VOB/B, die schweizerische SIA-Norm 118, die französischen AFNOR-Bedingungen. Vergleichbare Standardverträge bieten die englischen JCT-Contracts. In jüngerer Zeit finden sich jedoch verstärkt Regelungen zu Bauverträgen in den Zivilgesetzbüchern, die zum Teil als zwingendes Recht ausgestaltet sind. So hat der französische Gesetzgeber im Jahr 1971 spezielle Vorschriften für den Bauträgervertrag eingeführt. 1978 folgten Vorschriften für die Gewährleistung von Baumängeln. Ergänzend gelten die Bestimmungen des Code de la construction et l’habitation für die Errichtung von Wohnraum für den Auftraggeber. Das niederländische Burgerlijk Wetboek sieht seit dem Jahr 2003 besondere Vorschriften für den Bau von Wohnraum für nichtgewerbliche Auftraggeber vor. Das polnische ZGB enthält seit 1990 allgemein anwendbare Regeln über Bauverträge. Im deutschen BGB finden sich seit 1993 erweiterte Bestimmungen für die Bestellung von Sicherheiten für Bauunternehmer.

Uneinheitlich ist auch die Einbeziehung der Herstellung unkörperlicher Werke in das Werkvertragsrecht, etwa die Erstellung von Gutachten, von Software oder von Entwürfen durch einen Architekten. Während in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich die Regeln des Werkvertragsrechts heranzuziehen sind, kommt in den Niederlanden, Italien und Portugal Dienstvertragsrecht zur Anwendung.

3. Gemeinschaftsrecht und Vereinheitlichungsprojekte

Das europäische Gemeinschaftsrecht hat sich den Werkverträgen bislang nicht durch spezifische Regelungen angenommen. Dies ist angesichts der Stoßrichtung des heutigen Bestands des Gemeinschaftsprivatrechts nicht verwunderlich. Das von der Europäischen Gemeinschaft geschaffene Privatrecht richtet sich nicht an den gewachsenen Systemvorstellungen der nationalen Privatrechtsordnungen aus, sondern an den Politikzielen der Gemeinschaft. Der Werkvertrag fällt in den Bereich der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 EG/56, 57 AEUV. Dementsprechend wird auch die internationale Zuständigkeit der Gerichte in Zivil- und Handelssachen für vertragliche Ansprüche aus Werkverträgen nach den Regeln über „Dienstleistungsverträge“ gemäß Art. 5(1)(b) Brüssel I-VO (VO 44/2001) beurteilt. Die Rom I-VO (VO 593/2008) übernimmt diese Zuordnung für die Bestimmung des auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts (Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)). Auch die Dienstleistungs-RL (RL 2006/123) bezieht laut dem Handbuch der Kommission zur Umsetzung der Richtlinie typische Werkverträge in ihren Anwendungsbereich ein. Die Zuordnung zum Dienstleistungsvertrag bedeutet freilich nicht, dass im Gemeinschaftsrecht bereits ein den nationalen Regelungen entsprechender Bestand an dispositiven und zwingenden Vorschriften entstanden wäre, welcher die wesentlichen Fragen des Werkvertragsrechts regeln würde. Die Brüssel-I-VO und die Rom-I-VO beschränken sich auf die internationale Zuständigkeit und das anwendbare Recht; die Dienstleistungs-RL sieht Maßnahmen vor, durch die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit von Dienstleistungsunternehen beseitigt und der freie Dienstleistungsverkehr garantiert werden sollen, ohne jedoch das Vertragsrecht der Dienstleistungsverträge darüber hinaus zu harmonisieren. Ausgenommen von dieser Tendenz in Richtung einer Zuordnung des Werkvertrags zum Dienstleistungsvertrag ist allerdings der Vertrag „über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter“, welcher gemäß Art. 1(4) den Bestimmungen der Verbrauchsgüterkauf-RL (RL 1999/44) untersteht.

Die Study Group on a European Civil Code hat 2007 mit den PEL SC (Principles of European Law, Service Contracts) einen Vorschlag für europäische Prinzipien zum Dienstleistungsvertrag vorgelegt, welcher verschiedene, dem hier zugrunde gelegten Konzept des Werkvertrags zugeordnete Vertragsgestaltungen umfasst. Zu nennen sind die in Art. 2:101 ff. behandelten Verträge der „Herstellung“, worunter neben den Bauverträgen auch Verträge über die Herstellung beweglicher Sachen und unkörperlicher Gegenstände verstanden werden. Weitere erfolgsbezogene Verträge finden sich bei den als „Bearbeitung“ bezeichneten Verträgen gemäß Art. 3:101 ff. Hierher zählt der Vorschlag unter anderem Reparaturverträge sowie Verträge über die Umgestaltung einer unbeweglichen oder beweglichen Sache. Die Art. 5:101 ff. sehen Regelungen über „Entwürfe“ vor und fassen hierunter insbesondere auch den Architektenvertrag. Schließlich gehören auch einzelne in den Art. 6:101 ff. unter der Überschrift „Information“ genannte Vertragsgestaltungen zu den Werkverträgen, etwa die Erstattung von Gutachten. Daneben enthalten die PEL SC Vorschläge für den Verwahrungs- (Verwahrung) und Heilbehandlungsvertrag sowie für „allgemeine Bestimmungen“, die für alle genannten Verträge gelten sollen. Der DCFR übernimmt die Vorschläge der Study Group in überarbeiteter Form in Buch IV als Teil C (Services) ohne die Grundstruktur zu verändern. Die Zusammenfassung der genannten Verträge unter dem Begriff des Dienstleistungsvertrags fügt sich in die bisherigen Konturen des Gemeinschaftsprivatrechts ein.

Auf der Ebene des Einheitsrechts fehlt es bislang an staatsvertraglichen Regelungen zu Werkverträgen. Das CISG (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)), insoweit Vorbild für die Verbrauchsgüterkauf-RL, behandelt „Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware“ gemäß Art. 3 zwar grundsätzlich wie Kaufverträge. Es nimmt jedoch entsprechende Verträge von seinem Anwendungsbereich aus, wenn der „Besteller einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung zu stellen hat“ und wenn „der überwiegende Teil der Pflichten der Partei, welche die Ware liefert, in der Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen besteht“. Dadurch sind alle typischen Werkverträge von der Anwendung des CISG ausgeschlossen. Für internationale Bauverträge sind die FIDIC-Standardverträge von zunehmender Bedeutung. Sie wurden von der Fédération Internationale des Ingénieurs Conseils auf der Grundlage älterer englischer Standardverträge für den internationalen Gebrauch ausgearbeitet und zwischenzeitlich mehrfach aktualisiert.

4. Wesentliche Regelungsfragen

Im Folgenden sollen exemplarisch drei wesentliche Fragen des Werkvertragsrechts behandelt werden.

Eine zentrale Frage des Werkvertragsrechts betrifft die Voraussetzungen der Fälligkeit des Vergütungsanspruchs des Auftragnehmers. Die PEL SC schlagen vor, die Fälligkeit an die Übergabe des Werks an den Kunden zu knüpfen und nicht an eine Erklärung der Vertragsgemäßheit oder Abnahme. Allerdings ist es dem Kunden gestattet, die Übernahme der Kontrolle über das Werk zu verweigern, wenn das Werk nicht vertragsgemäß hergestellt ist und nicht zu gebrauchen ist (so die Regelung der Verträge über die „Herstellung“) oder sich nicht für den vertraglich vorausgesetzten Zweck eignet (so die Regelung der Verträge über die „Bearbeitung“). Die Anknüpfung an die Übergabe findet sich in einigen europäischen Rechtsordnungen, etwa im niederländischen, polnischen, spanischen und schweizerischen Recht. Andere Rechtsordnungen, insbesondere das deutsche, französische und italienische Recht, gehen demgegenüber von der Fälligkeit erst zu dem Zeitpunkt aus, zu dem der Kunde das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß akzeptiert hat. Es wird also mehr als die bloße Übergabe verlangt. Die PEL SC entscheiden sich im Sinne der erstgenannten Lösung für den Zeitpunkt der Übergabe des Werks, also für die aus Sicht des Auftragnehmers vorzugswürdige Lösung. Dem Auftragnehmer soll nicht das Risiko aufgebürdet werden, das Werk bereits aus den Händen geben zu müssen ohne Zug um Zug die Vergütung verlangen zu können. Allerdings gehen PEL SC hierbei bedenklich weit, weil sie die Verweigerung der Übergabe durch den Kunden an vergleichsweise strenge Voraussetzungen knüpfen. Ist das Werk mangelhaft, kann der Kunde gleichwohl zur Übernahme des Werks und zur Zahlung verpflichtet sein. Erst wenn es unbrauchbar ist oder den vertraglichen Zweck verfehlt, kann der Kunde die Übernahme und folglich die Zahlung verweigern. Dies bürdet dem Kunden das Risiko auf, die Beseitigung selbst erheblicher Mängel erst verlangen zu können, nachdem die Vergütung bereits bezahlt ist. Für den Werkvertrag erscheint dies nicht interessengerecht, weil der Kunde das Werk nicht vor Vertragsschluss untersuchen kann.

Eine weitere wesentliche Regelungsfrage im Werkvertragsrechts betrifft den Zeitpunkt des Übergangs der Preisgefahr, das heißt die Zuordnung des Risikos des zufälligen Untergangs des Werks. Einige Rechtsordnungen stellen auf den Zeitpunkt der Übergabe ab, dies gilt etwa für das niederländische, spanische und schweizerische Recht. Andere Rechtsordnungen, so das deutsche, französische und italienische Recht, legen die Preisgefahr dem Auftragnehmer bis zur Abnahme des Werkes auf, mildern diese für den Auftragnehmer weniger vorteilhafte Regelung jedoch durch eine Reihe von Ausnahmen ab, etwa wenn der Untergang des Werks von Mängeln des vom Kunden gelieferten Materials oder durch seine Anweisungen verursacht wurde. Die Unterschiede sind deswegen nicht so gravierend, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Die PEL SC stellen auch im Hinblick auf die Preisgefahr zugunsten des Auftragnehmers auf den Zeitpunkt der Übergabe ab.

Von besonderer Relevanz für die praktische Durchführbarkeit von Werkverträgen sind schließlich Mitwirkungs-, Informations- und sonstige Treuepflichten der Vertragsparteien. Gerade Bauvorhaben und andere mittlere und große Projektverträge, etwa die Erstellung von Software und Gutachten oder die Entwicklung von Maschinen, erfordern eine längerfristige Zusammenarbeit der Partei und die beidseitige Mitwirkung und Kooperation. Die Zivilrechtskodifikationen sehen hierfür zumeist keine oder allenfalls rudimentäre Regelungen vor. Die Vorschläge der PEL SC stellen insoweit einen Fortschritt dar, weil sie für alle umfassten Verträge einen Grundbestand an „Hinweispflichten“ vorsehen und diese für die einzelnen Vertragstypen weiter ergänzen.

Literatur

Werner Lorenz, Contracts for Work on Goods and Building Contracts, in: IECL VIII, Kap. 8, 1980; Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations, 1996; Peter Gauch, Der Werkvertrag, 4. Aufl. 1996; C.E.C. Jansen, Towards a European Building Contract Law, 1998; Jérôme Huet, Les principaux contrats spéciaux, 2. Aufl. 2001; Frank Peters, Werkvertrag, in: Julius v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Bearb. 2003; Hugh Beale (Hg.), Chitty on Contracts, Bd. II: Specific Contracts, 30. Aufl. 2008; Nael G. Bunni, The FIDIC Forms of Contract, 3. Aufl. 2005; Maurits Barendrecht; Chris Jansen; Marco Loos; Andrea Pinna; Rui Casco; Stephanie van Gulijk, Principles of European Law: Service Contracts, 2007.

Abgerufen von Werkvertrag – HWB-EuP 2009 am 24. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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