Schadenversicherung und Scheidung: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Helmut Heiss]]''
von ''[[Dieter Martiny]]''
== 1. Begriff, Abgrenzung und Einteilung ==
== 1. Begriff und Zulässigkeit der Ehescheidung ==
Von Schadenversicherung spricht man, wenn der Versicherer ein Schadensrisiko des Versicherungsnehmers deckt. Im Versicherungsfall begleicht der Versicherer also den vom Versicherungsnehmer tatsächlich erlittenen Schaden. Ihrer Funktion nach dient die Schadenversicherung somit dem Schadensausgleich beim Versicherungsnehmer.
Die Ehescheidung ist eine Art der Eheauflösung; die [[Ehe]] wird ex nunc aufgelöst. Das [[kanonisches Recht|kanonische Recht]] kannte nur eine Eheannullation sowie eine Trennung von Tisch und Bett (''separatio a mensa et thoro''), d.h. eine Entscheidung, welche zwar nicht das Eheband selbst, wohl aber das eheliche Zusammenleben aufhob. Nach protestantischer Vorstellung war hingegen eine Verschuldensscheidung möglich. Trotz zwischenzeitlicher Erleichterung der Ehe unter naturrechtlichem Einfluss (etwa im [[Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten|Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten]]) hat eine restriktive Haltung gegenüber der Ehescheidung das Recht vieler Länder bis in die jüngste Vergangenheit geprägt. Das italienische Scheidungsgesetz von 1970 bezeichnet die Scheidung nach wie vor lediglich als ''scioglimento del matrimonio'' (Auflösung der Ehe). Nachdem auch Irland 1997 die Ehescheidung zugelassen hat, ist heute die Zulässigkeit der Ehescheidung die Regel. Mit Ausnahme von Malta kennen alle EU-Staaten eine Ehescheidung.


Diese Ausgleichsfunktion grenzt die Schadensversicherung von der Summenversicherung ab. Bei dieser erhält der Versicherungsnehmer im Versicherungsfall die vorab vertraglich vereinbarte Versicherungssumme. Ob er einen Schaden erlitten hat, ist für die Auszahlung der Versicherungssumme irrelevant. Stirbt bspw. in der Risikolebensversicherung die Gefahrperson, auf welche die Versicherung genommen ist, so erhält der Bezugsberechtigte die Lebensversicherungssumme ganz unabhängig davon, ob der Tod der Gefahrperson für ihn einen finanziellen Nachteil (z.B. einen Unterhaltsverlust) bedeutet.
Als Vorstufe, aber auch als Alternative zur Ehescheidung stellt eine Reihe von Rechtsordnungen eine eigenständige Ehetrennung (Trennung von Tisch und Bett) (z.B. Frankreich, Italien, Niederlande, Polen) zur Verfügung. Diese lässt zwar das Eheband bestehen, berechtigt aber zum Getrenntleben und zieht güterrechtliche Konsequenzen nach sich. Auch England kennt neben ''divorce'' eine ''judicial separation ''(sec. 17 ff ''Matrimonial Causes Act 1973'')''.''


Summenversicherungen werden nur als Personenversicherungen zugelassen. In diesen Sparten ist nämlich davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer einer Eigenversicherung durch den finanziellen Anreiz nicht dazu verleitet wird, den Versicherungsfall herbeizuführen. Ganz augenscheinlich gilt dies nicht in gleichem Maße, wenn die Versicherung auf eine fremde Person genommen wird. Der Vorbeugung eines moralischen Risikos (''moral hazard'') dienen hier – neben dem strafrechtlichen Schutz der Person – im kontinentaleuropäischen Recht das Erfordernis der Zustimmung der Gefahrperson zur Versicherung. Anglo-amerikanische Rechte fordern demgegenüber, dass der Versicherungsnehmer ein versicherbares Interesse am Leben, der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit der Gefahrperson hat. Der Versicherungsnehmer kann eine Police grundsätzlich nur insoweit auf fremdes Leben nehmen, wie sein finanzielles Interesse an der Gefahrperson reicht.
Gesamtgesellschaftlich besteht heute überall eine Tendenz zur Zunahme von Scheidungen, allenfalls dadurch gebremst, dass mit der Ehe zunehmend die [[nichteheliche Lebensgemeinschaft]] konkurriert. Dem entspricht in der Gesetzgebung die Erleichterung der Ehescheidung. Vielfach stehen nicht mehr die Voraussetzungen der Ehescheidung selbst, sondern die Scheidungsfolgen, der Ausgleich ehebedingter Nachteile und das Wohl der von der Scheidung betroffenen Kinder im Mittelpunkt des Interesses. Dem Bestreben nach Entdramatisierung entspricht einerseits die Erleichterung der Scheidungsverfahren, andererseits aber auch die zunehmende Nutzung von [[Mediation]].


Weil nur Personenversicherungen als Summenversicherungen geschlossen werden können, wurde traditionell die Personenversicherung in ihrer Gesamtheit der Schadensversicherung gegenübergestellt. Dies ist unzutreffend, weil die Personenversicherung zwar nicht Schadenversicherung sein muss, jedoch sehr wohl sein kann. Dies zeigt mustergültig die Krankenkostenversicherung, die dem Ausgleich jener finanziellen Nachteile dient, die der Versicherungsnehmer durch Krankheit (Arztkosten) erleidet. Die Unterscheidung in Schaden- und Personenversicherung gilt daher heute als überholt.
Bezüglich der Ehescheidung ist kein [[Einheitsrecht]] entwickelt worden, doch besteht ein europäischer Trend zur Erleichterung der Ehescheidung. Das [[Europäisches Internationales Familienrecht|europäische internationale Familienrecht]] verfügt noch nicht über Kollisionsnormen in Ehesachen. Allerdings ist bereits das internationale Verfahrensrecht für die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes sowie die Ungültigerklärung einer Ehe in der Brüssel IIa-VO (VO&nbsp;2201/‌2003) geregelt. Die wissenschaftliche Kommission für Europäisches Familienrecht (''Commission on European Family Law''<nowiki>; CEFL) hat </nowiki> ''[[Principles of European Family Law]]'' betreffend Ehescheidung und nachehelichen [[Unterhalt]] aufgestellt (2004). Diese nehmen für sich in Anspruch, einerseits neuere Tendenzen widerzuspiegeln, andererseits aber auch eigenständige Lösungen vorzuschlagen.


Schadenversicherungen werden in Aktiven- und Passivenversicherungen eingeteilt. Bei den Aktivenversicherungen geht es um Versicherungsschutz gegen den Verlust von beim Versicherungsnehmer vorhandenen Vermögenswerten. So schützt eine Feuerversicherung z.B. den Versicherungsnehmer gegen den Verlust des in seinem Eigentum stehenden Gebäudes. Dasselbe gilt bspw. in der Fahrzeugkaskoversicherung bei Verlust des Fahrzeugs durch Diebstahl. Bei der Passivenversicherung wird der Versicherungsnehmer demgegenüber gegen das durch den Versicherungsfall herbeigeführte Entstehen von Schulden geschützt. Musterbeispiel ist die Haftpflichtversicherung. Durch den Haftpflichtversicherungsfall entsteht beim Versicherungsnehmer die Verpflichtung, den Schaden des Geschädigten zu ersetzen. Der Versicherer schuldet daher die Freistellung von Schadensersatzansprüchen des Geschädigten. Ähnlich übernimmt der Versicherer in der Rechtschutzversicherung jene Kosten, die der Versicherungsnehmer durch die Rechtsverfolgung schuldet. Es geht hier insbesondere um die Kosten des eigenen Anwalts, im Falle des Unterliegens auch des gegnerischen Anwalts und um die Gerichtskosten. Zuletzt ist die Krankheitskostenversicherung zu erwähnen, wo es insbesondere um die Übernahme jener Kosten durch den Versicherer geht, die dem Versicherungsnehmer durch die Inanspruchnahme eines Arztes entstehen.
== 2. Arten der Ehescheidung ==
Die Ehescheidungen lassen sich nach Scheidungsart und Scheidungsgründen unterscheiden. Die Ehescheidung erfolgt im Allgemeinen durch ein gerichtliches Urteil im Rahmen eines (familien&#8209;)gerichtlichen Verfahrens. Nach den CEFL-''Principles'' wird die Ehescheidung von der zuständigen Behörde ausgesprochen, die entweder ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde ist ([[Personenstandswesen]]). Eine Ehescheidung allein durch vertragliche Vereinbarung der Ehegatten oder einseitigen Akt (''talaq'' nach [[Islamisches Recht|islamischem Recht]], ''get'' nach jüdischem Recht) ist den europäischen Rechtsordnungen unbekannt. Allerdings kann teilweise eine Ehescheidung bei kinderlosen Ehen allein durch behördliche Registrierung erfolgen (Portugal, Russland).


== 2. Regelungsgrundsätze ==
Einige Rechtsordnungen lassen auch eine einverständliche Scheidung zu. Verbreitet sind vor allem die Zerrüttungsscheidung sowie die Verschuldensscheidung. Manche Rechtsordnungen kennen mehrere Scheidungsarten nebeneinander (z.B. Frankreich, Österreich). Auch die CEFL-''Principles'' sehen mehrere Scheidungsformen vor, nämlich eine einverständliche Scheidung sowie eine Scheidung ohne Einverständnis des anderen Ehegatten (''Principle'' 1:3).
Aus der Schadensausgleichsfunktion leitet sich das Bereicherungsverbot ab, welches das beherrschende Prinzip der Schadensversicherung schlechthin darstellt. Dieses besagt im Kern, dass der Versicherungsnehmer durch die Versicherungsleistung des Versicherers keinen Vermögensvorteil erlangen darf. Dahinter steht im historischen Ursprung der Versuch, die Versicherung von anderen aleatorischen Geschäften (insbesondere von Wette und Spiel) durch ihre Schadensausgleichfunktion abzugrenzen. Dieser Funktion wird das Bereicherungsverbot freilich nicht vollständig gerecht. Dies gilt schon deshalb, weil jedenfalls im Bereich der Personenrisiken auch Summenversicherungen zulässig sind, die kein Bereicherungsverbot kennen. Das Verbot dient daher aus heutiger Sicht der Vermeidung eines subjektiven Risikos (''moral hazard''). Der Versicherungsnehmer soll durch die Existenz des Versicherungsvertrages nicht dazu verleitet werden, den Versicherungsfall (vorsätzlich) herbeizuführen.


Das Bereicherungsverbot galt früher als Teil des ''[[ordre public]]'' des Versicherungsvertragsrechts ([[Versicherungsvertrag]]). Es handelte sich damit nach herrschender Lehre um eine absolut zwingende Norm. Diese Ansicht wird in der jüngeren Literatur und Rechtsprechung stark aufgeweicht, teilweise gar aufgegeben. So hat etwa der deutsche Bundesgerichtshof vertragliche Abweichungen vom Bereicherungsverbot im Grundsatz gebilligt. In den USA wurde das Bereicherungsverbot mancherorts (z.B. im Bundesstaat Utah) ganz fallen gelassen. Demnach können Summenversicherungen auch auf andere als Personenrisiken genommen werden. Das Ziel dieses Ansatzes ist allerdings dasselbe, wie es auch das Bereicherungsverbot verfolgt. Der Gesetzgeber geht nämlich von der These aus, dass Versicherer dann am Wirkungsvollsten von der Vereinbarung überhöhter Versicherungssummen abgeschreckt werden, wenn sie gegebenenfalls bis zur vereinbarten Summe haften müssen.
== 3. Einverständliche Scheidung ==
Eine einverständliche Ehescheidung, bei der – außer dem Konsens der Ehegatten – keine weiteren Gründe vorgetragen werden müssen, wird von einigen Rechtsordnungen (z.B. Frankreich, Österreich) gestattet. In Deutschland ist zwar keine einverständliche Ehescheidung zugelassen. Doch besteht bei Einigkeit der Ehegatten eine Erleichterung, indem das Scheitern der Ehe unwiderleglich vermutet wird.


Kontinentaleuropäische Versicherungsvertragsrechtskodifikationen enthalten das Bereicherungsverbot gängig in Vorschriften, wonach der Versicherungsnehmer auch dann nur den tatsächlich erlittenen Schaden ersetzt erhält, wenn die Versicherungssumme höher sein sollte als der Versicherungswert des versicherten Interesses im Zeitpunkt des Versicherungsfalles. Im anglo-amerikanischen Rechtskreis ([[Rechtskreislehre]]) wird dieselbe Funktion vom Erfordernis des Vorliegens eines ''insurable interest'' erfüllt. Demnach kann der Versicherungsnehmer eine Schadenversicherung nur dann und nur insoweit nehmen, als er ein in Geld schätzbares, versicherbares Interesse besitzt.
Die CEFL-''Principles'' gestatten die Ehescheidung auf Grund eines gegenseitigen Einverständnisses der Ehegatten. Das Einhalten einer tatsächlichen Trennungszeit ist nicht erforderlich. Ein gegenseitiges Einverständnis liegt vor, wenn die Ehegatten Übereinstimmung über die Auflösung ihrer Ehe erzielt haben. Diese Übereinstimmung kann entweder durch einen gemeinsamen Antrag der Ehegatten oder durch einen Antrag nur eines von ihnen mit Zustimmung des anderen Ehegatten ausgedrückt werden (''Principle'' 1:4). Damit wird der Tendenz Rechnung getragen, dass, selbst wenn die nationalen Rechtsordnungen das Einverständnis der Ehegatten nur für den Nachweis von Zerrüttung heranziehen, doch dem Einverständnis der Ehegatten zunehmend Beachtung geschenkt wird.


Bestimmte Versicherungsformen enthalten zwar Abweichungen vom Bereicherungsverbot, jedoch werden sie als zulässig angesehen, weil in ihnen kein subjektives Risiko gesehen wird. Hierher zählen im Wesentlichen vertragliche Vereinbarungen über den Wert von versicherten Interessen, insbesondere Sachen. Gängig wird hier auf den Marktwert der versicherten Sache im Zeitpunkt und am Ort des Eintritts des Versicherungsfalles abgestellt. Damit kann einerseits der Verkaufswert, andererseits der Wiederbeschaffungswert gemeint sein. Bei Dingen des persönlichen Gebrauchs wird gerne auf einen Gebrauchswert (Zeitwert) abgehoben. Dieser ist regelmäßig höher als der Marktwert gebrauchter Güter (z.B. Kleidung, Schmuck). Dennoch lässt sich die Vereinbarung der Entschädigung nach dem Gebrauchswert (Zeitwert) vor dem Hintergrund des Bereicherungsverbots rechtfertigen, weil der subjektive Nutzen, den der Versicherungsnehmer aus einer von ihm angeschafften und mittlerweile gebrauchten Sache zieht, tatsächlich höher liegt als der Marktwert. Fehlanreize sind hier in der Regel nicht zu befürchten. Zulässig soll aber auch die Versicherung des Neuwerts von Gütern sein. Dabei ist nicht zu verkennen, dass ein Versicherungsnehmer, der anstelle des abgebrannten, alten Hauses bzw. des gestohlenen, alten Fahrrads eine neue Sache bekommt bereichert wird („neu für alt“). Man hat versucht, die Neuwertversicherung mit dem Bereicherungsverbot in Einklang zu bringen, indem man davon ausgeht, der Versicherer würde neben dem Risiko des Verlustes eines Vermögenswertes auch das Risiko einer erforderlichen Fremdfinanzierung zur Wiederherstellung bzw. Neuanschaffung übernehmen. Diese Rechtfertigung überzeugt, wenn überhaupt, nur bei sehr hochwertigen Gütern, wie insbesondere Gebäuden. In der Fahrraddiebstahlversicherung hingegen greift diese Rechtfertigung von vornherein nicht. Im Übrigen ist der Finanzierungsaufwand jedenfalls geringer als der Unterschied zwischen Neu- und Zeitwert. Man hat hier also einzugestehen, dass Neuwertklauseln in Versicherungsverträgen vom Bereicherungsverbot zugunsten des Versicherungsnehmers abweichen. Eine solche Abweichung ist jedoch zulässig, weil ein Versicherungsnehmer ein seriöses Interesse an einer Neuwertentschädigung hat, die Transaktion somit von wirtschaftlichem Ernst getragen ist. Die Neuwertversicherung trägt daher nicht das Risiko in sich, zur Wette oder zum Spiel zu denaturieren. Auch bleiben die Fehlanreize im Rahmen. Das gilt namentlich bei Gebäuden, deren Verlust für den Eigentümer nicht nur einen Vermögensverlust bedeut, sondern in der Regel mit viel Verwaltungsaufwand und sonstigen Kosten verbunden ist. Das gilt weiter bei anderen Gütern, wo der Unterschied zwischen dem Gebrauchswert (Zeitwert) und Neuwert nicht besonders groß ist (Fahrraddiebstahlversicherung).
Eine gewisse Erschwerung bildet nach den CEFL-''Principles'' jedoch das – vom finnischen und schwedischen Recht inspirierte – Einhalten einer Überlegungsfrist. Haben die Ehegatten bei Einleitung des Scheidungsverfahrens Kinder unter sechzehn Jahre und haben sie sich über alle Scheidungsfolgen ([[Elterliche Verantwortung]] <nowiki>; </nowiki> [[Unterhalt]]; Vermögensauseinandersetzung &#91[[Ehegüterrecht]] &#93;) geeinigt, so gilt eine dreimonatige Überlegungsfrist, bevor die Scheidung ausgesprochen werden kann. Haben sie sich nicht über alle Folgen geeinigt, so ist eine sechsmonatige Überlegungsfrist zu beachten (''Principle'' 1:5).


In den kaufmännischen Versicherungszweigen und insbesondere in der Transportversicherung haben Vereinbarungen über den Versicherungswert in der Form der Taxierung besondere Bedeutung. Durch Vereinbarung einer Taxe wird der Wert versicherter Sachen (z.B. Transportgüter) für den Zeitpunkt des Versicherungsfalls bereits im Vertrag, also ex ante, zwischen den Parteien verbindlich vereinbart. Soweit die Taxe den tatsächlichen Wert nicht oder nur unwesentlich überschreitet, sind derartige Vereinbarungen vor dem Hintergrund des Bereicherungsverbots unbedenklich. Denn sie ersparen langwierige Schadenserhebungen, unter Umständen auch langwierige Prozesse. Insofern dienen taxierte Versicherungswerte einer effizienten Abwicklung von Versicherungsfällen. Ist die Taxe indessen in erheblichem Maße überhöht, so entstehen aus der Sicht des Bereicherungsverbots Bedenken. Viele Rechtsordnungen sehen daher vor, dass der Versicherer die Taxe kürzen kann, wenn diese den tatsächlichen Versicherungswert im Zeitpunkt des Versicherungsfalls erheblich übersteigt. Jedenfalls in der Seeversicherung sind darüber hinausgehend Policen gebräuchlich und auch zulässig, wo dem Versicherer der Einwand einer erheblich überhöhten Taxe nicht zusteht. („policy proof of interest“).
Haben die Ehegatten bei Einleitung des Scheidungsverfahrens keine Kinder unter sechzehn Jahre und haben sie sich auf die güterrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Folgen geeinigt, so ist keine Überlegungsfrist zu beachten. Haben sie sich nicht über alle Folgen geeinigt, so gilt eine dreimonatige Überlegungsfrist. Keine Frist besteht dann, wenn die Ehegatten bei Einleitung des Scheidungsverfahrens seit sechs Monaten tatsächlich getrennt leben (''Principle'' 1:5).


== 3. Die Schadenversicherung im acquis communautaire ==
Die CEFL-''Principles'' sehen bezüglich der Scheidungsfolgen die Möglichkeit von Vereinbarungen vor. Solche Abreden können sich beziehen auf die [[Elterliche Verantwortung|elterliche Verantwortung]], soweit notwendig, einschließlich der Regelung des Aufenthalts und des Umgangs bezüglich der Kinder, den Kindesunterhalt, die Teilung oder Umverteilung von Vermögen und den nachehelichen Unterhalt. Eine derartige Vereinbarung bedarf der Schriftform (''Principle'' 1:6).
Im europäischen ''acquis'' des Versicherungsrechts fehlt es an vertragsrechtlichen Regelungen zu Fragen der Schadenversicherung. Lediglich für den Bereich der Rechtsschutzversicherung und insbesondere der Kfz-Haftpflichtversicherung liegen Richtlinien mit in erheblichem Maße vertragsrechtlichem Inhalt vor. Diesen Richtlinien geht es aber nicht um allgemeine Grundsätze der Schadenversicherung, sondern um die Regelung anderweitiger, spezieller Probleme. Fraglos gehen sie jedoch implizit von der Schadenausgleichsfunktion sowohl der Kfz-Haftpflichtversicherung als auch der Rechtsschutzversicherung aus.


Dennoch taucht der Begriff der Schadenversicherung im Richtlinienrecht auf. Das Richtlinienrecht ist nämlich aus aufsichtsrechtlichen Gründen in die Richtlinie Lebensversicherungen (RL 2002/‌83) und in drei [[Richtlinie]]n zur Nicht-Lebensversicherung (RL 73/‌239, RL 88/‌357, RL 92/‌49) gegliedert. Aus sprachlichen Gründen werden diese Richtlinien zur Nicht-Lebensversicherung gerne als Schadensversicherungsrichtlinien bezeichnet (so ausdrücklich auch die deutsche Fassung der Dritten Richtlinie). Das ist technisch gesehen unscharf, weil die Richtlinien zur Nicht-Lebensversicherung auch Summenversicherungen mit umfassen (z.B. Unfallversicherungen).
Im Übrigen ist eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung über die Folgen vorgesehen. Die zuständige Behörde entscheidet über die elterliche Verantwortung und den Kindesunterhalt. Dabei ist jede zulässige Vereinbarung der Ehegatten in Betracht zu ziehen, soweit sie dem Wohl des Kindes entspricht. Die zuständige Behörde überprüft zumindest die Gültigkeit der Vereinbarung bezüglich Vermögensausgleich und nachehelichem Unterhalt.


== 4. Schadensversicherung in den PEICL ==
Haben die Ehegatten keine oder nur eine teilweise Vereinbarung bezüglich Vermögensauseinandersetzung und nachehelichem Unterhalt erzielt, so kann die zuständige Behörde über diese Folgen entscheiden (''Principle'' 1:7). Die CEFL-''Principles'' wollen daher auch dann, wenn den Ehegatten keine oder nur eine teilweise Vereinbarung bezüglich der Folgen gelingt, noch eine einverständliche Scheidung zulassen.
Auch die ''[[Principles of European Insurance Contract Law]]'' (PEICL) enthalten einen Teil II, der Regelungen für alle Formen der Schadensversicherung bereithält. Unter diesen ist Art. 8:101(1) PEICL hervorzuheben, wonach der Versicherer höchstens den tatsächlich erlittenen Schaden des Versicherungsnehmers zu ersetzen hat. Diese Vorschrift ist nach Art. 1:103(2)3 im Bereich der Massenrisikoversicherungen nur zugunsten des Versicherungsnehmers zwingend, bei Großrisikoversicherungen völlig dispositiv. In jedem Falle also kann zugunsten des Versicherungsnehmers vom Grundsatz abgewichen werden. Daraus folgt, dass jedenfalls Neuwertentschädigungen und auch Taxierungen (diese werden von Art. 8: 101(2) PEICL auch ausdrücklich zugelassen) wirksam sind. Insofern entfaltet Art. 8:101 PEICL die Funktion eines Leitbildes für die Bemessung der Zulässigkeit von Vereinbarungen über den Versicherungswert, die sich an allgemeinen zivilrechtlichen Schranken, insbesondere am Gebot der Sittenkonformität von Verträgen ausrichtet.
 
== 4. Scheidung ohne Einverständnis des anderen Ehegatten ==
Problematisch ist nach wie vor die Ehescheidung auf Verlangen nur eines der Ehegatten. Häufig wird von den nationalen Rechtsordnungen eine Zerrüttungsscheidung zugelassen, die auf einem Scheitern bzw. einer unheilbaren Zerrüttung – in England ''irretrievable breakdown'' (sec. 1 ''Matrimonial Causes Act 1973'') der Ehe beruht. Auf eine Zerrüttung wird vor allem aus dem Ablauf bestimmter Trennungsfristen geschlossen. Deutschland verlangt grundsätzlich eine einjährige Trennung. Eine Scheidung nach einer kürzeren Trennung ist nur bei einer unzumutbaren Härte möglich (§&nbsp;1565 Abs. 2 BGB); bei dreijähriger Trennung wird das Scheitern der Ehe unwiderlegbar vermutet (§&nbsp;1566 Abs. 2 BGB). Auch andere Rechtsordnungen verlangen für einzelne Scheidungsarten drei Jahre (z.B. §&nbsp;55 österreich. Ehegesetz für die Scheidung wegen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft). Finnland und Schweden verlangen bei der streitigen Scheidung keine Trennungszeit, sie honorieren bereits den einseitigen Scheidungswunsch, kennen aber eine während des Scheidungsverfahrens einzuhaltende Überlegungsfrist, ehe die Ehescheidung ausgesprochen wird (sechs Monate). Eine verhältnismäßig lange Trennungszeit von regelmäßig drei Jahren verlangt stets Italien, von vier Jahren Irland.
 
Auch die CEFL-''Principles'' kennen eine Scheidung ohne Einverständnis des anderen Ehegatten. Sie verlangen allerdings nicht ausdrücklich eine Zerrüttung. Stattdessen ist maßgebliches Kriterium allein tatsächliche Trennung. Eine Scheidung ohne Einverständnis des anderen Ehegatten ist gestattet, wenn die Ehegatten seit einem Jahr tatsächlich getrennt leben (''Principle'' 1:8). Dies ist eine erhebliche Erleichterung der Scheidung im Vergleich zu den bestehenden Trennungszeiten der meisten nationalen Rechtsordnungen. Sie zieht aber nur die Konsequenz daraus, dass die nationalen Rechte heute vielfach auf einen eigentlichen Nachweis der Zerrüttung bereits verzichten.
 
Die CEFL-''Principles'' kennen ferner, insoweit in Einklang mit der Mehrheit der europäischen Rechtsordnungen, einen die Scheidung erleichternden besonderen Härtegrund. In Fällen außergewöhnlicher Härte für den Antragssteller, etwa bei Misshandlungen, kann die zuständige Behörde die Ehescheidung aussprechen, obwohl die Ehegatten noch nicht seit einem Jahr getrennt leben (''Principle'' 1:9). Die europäischen Rechtsordnungen gehen im Allgemeinen auch davon aus, dass es in bestimmten Fällen grob unbillig wäre, eine Scheidung zu gewähren. Dementsprechend ist eine scheidungsausschließende Härteklausel trotz Scheitern der Ehe teilweise bekannt (z.B. in §&nbsp;1568 BGB). Insgesamt besteht eine Tendenz zu einem nur zurückhaltenden Gebrauchmachen von der Härteklausel. Die CEFL-''Principles'' verzichten auf eine solche Klausel.
 
== 5. Verschuldensscheidung ==
Die früher dominierende Verschuldensscheidung, die nach einem ehelichen Fehlverhalten eines oder beider Ehegatten ausgesprochen wird, ist zwar noch mehreren Rechtsordnungen als eine von mehreren Scheidungsarten weiterhin bekannt (etwa in Frankreich Art.&nbsp;242 ''[[Code civil]]''<nowiki>; in Österreich §&nbsp;49 Ehegesetz). Sie wird jedoch immer mehr zurückgedrängt und ist vielen Rechtsordnungen nicht mehr bekannt. Auch die CEFL-</nowiki>''Principles'' sehen keine Verschuldensscheidung vor.
 
== 6. Folgen der Scheidung ==
Die Folgen der Ehescheidung sind zunehmend unabhängig von der Art der Scheidung und von der Schuld am Scheitern der Ehe. Zu den Scheidungsfolgen gehört insbesondere eine güterrechtliche Auseinandersetzung, die an den jeweiligen Güterstand anknüpft. Ist, wie etwa in Frankreich und Italien die Errungenschaftsgemeinschaft der gesetzliche Güterstand, so erfolgt eine Teilung des Vermögens mit eventuellem Ausgleich. Ebenfalls zu einem Ausgleich führt die für die nordischen Staaten typische herausgeschobene Gütergemeinschaft. Andere Systeme gehen von einer Gütertrennung während der Ehe und einem späteren Ausgleich aus (so die deutsche und die griechische Zugewinngemeinschaft sowie die schweizerische Errungenschaftsbeteiligung). Nach englischem Recht bestehen zwar keine güterrechtlichen Ansprüche, doch kann eine richterliche Verteilung auch von ''marital assets ''erfolgen (sec. 21 ''Matrimonial Causes Act 1973''). Ganz überwiegend unterscheiden die Rechtsordnungen aber zwischen der Vermögensauseinandersetzung und der Gewährung von nachehelichem [[Unterhalt]]. Zu den Scheidungsfolgen gehört auch eine Regelung bezüglich der [[Familienwohnung]].
 
Teilweise erfolgt bei Scheidung ein gesonderter Ausgleich von während der Ehe erworbenen Versorgungsrechten und Anwartschaften (Deutschland, Niederlande, Schweiz). Andere Rechtsordnungen beziehen Versorgungsrechte und &#8209;anwartschaften in die güterrechtliche Auseinandersetzung mit ein (z.B. Frankreich) bzw. erlauben ''pension sharing orders ''(sec. 21A ''Matrimonial Causes Act 1973'').
 
Die Ehescheidung führt auch zu Folgen für die Kinder. Erforderlich sind die Regelung der [[Elterliche Verantwortung|elterlichen Verantwortung]] (insbesondere Sorgerecht und Umgangsrecht) sowie des [[Unterhalt]]s. Gerade hier zeigt sich auch das Bestreben, die Scheidungsfolgen soweit wie möglich in das Scheidungsverfahren einzubeziehen und bereits in diesem Stadium eine tragfähige Lösung für die Zukunft zu erreichen.
 
Auch die CEFL-''Principles'' wollen für die wichtigsten Fragen eine Entscheidung über die Folgen sichern. Soweit notwendig, soll die zuständige Behörde über die elterliche Verantwortung, einschließlich der Regelung des Aufenthalts und des Umgangs bezüglich der Kinder entscheiden. Ferner soll, ebenfalls im Einklang mit den nationalen Rechtsordnungen, eine Regelung für den Kindesunterhalt erfolgen. Auch insoweit sollen Vereinbarungen der Eltern möglich sein und in Betracht gezogen werden, allerdings nur, soweit sie dem auch hier dominierenden Wohl des Kindes entsprechen (''Principle'' 1:10).
 
Bei oder nach der Ehescheidung kann die zuständige Behörde auch über die wirtschaftlichen Folgen für die Ehegatten entscheiden. Dabei zieht sie eine zulässige Vereinbarung der Ehegatten in Betracht (''Principle'' 1:10). Damit ist das Gericht nicht nur darauf beschränkt, die Vereinbarung zur Kenntnis zu nehmen, sondern genießt ein beschränktes Überprüfungsrecht. Im Übrigen wird die umfangreiche Problematik der Zulässigkeit und Inhaltskontrolle von Vereinbarungen der Ehegatten nicht näher behandelt.


==Literatur==
==Literatur==
''Rudolf Gärtner'', Das Bereicherungsverbot: Eine Grundfrage des Versicherungsrechts, 1970; ''Jürgen Basedow'', ''Till Fock'' (Hg.), Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bde.&nbsp;I-III, 2002/‌2003; ''Malcolm'' ''Clarke'', The Law of Insurance Contracts, 5.&nbsp;Aufl. 2006; ''Herman'' ''Cousy'', Insurance Law, in: Jan M. Smits, Elgar International Encyclopaedia of Laws, 2006, 312&nbsp;ff.; ''Yvonne'' ''Lambert-Faivre'', Droit des assurances, 12.&nbsp;Aufl. 2005; ''Manfred Wandt'', Versicherungsrecht, 4.&nbsp;Aufl. 2009.
''Anders Agell'','' ''Nordisk äktenskapsrätt: en jämförande studie av dansk, finsk, isländsk, norsk och svensk rätt med diskussion av reformbehov och harmoniseringsmöjligheter, Nordiska Ministerrådet, 2003; ''Sibylle Hofer'','' Dieter Schwab'','' Dieter Henrich ''(Hg.), Scheidung und nachehelicher Unterhalt im europäischen Vergleich, 2003; ''Katharina Boele-Woelki'','' Walter Pintens'','' Frédérique Ferrand'','' Cristina Gonzalez Beilfuss'','' Maarit Jänterä-Jareborg'','' Nigel Lowe'','' Dieter Martiny'', Principles of European Family Law Regarding Divorce and Maintenance Between Former Spouses, 2004; ''Masha'' ''Antokolskaia'', Convergence and divergence of divorce laws in Europe, Child and Family Law Quarterly 2006, 307&nbsp;ff.; ''Katharina Boele-Woelki'','' Dieter Martiny'','' ''Prinzipien zum Europäischen Familienrecht betreffend Ehescheidung und nachehelicher Unterhalt, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 14 (2006) 6&nbsp;ff.; ''Rembert Süß'', ''Gerhard Ring ''(Hg.), Eherecht in Europa, 2006; ''Ole Lando'', Trends towards convergence of marriage and divorce law, in: Paul Demaret, Inge Govaere, Dominik Hanf (Hg.), European legal dynamics, 2007, 266&nbsp;ff.;'' Bea Verschraegen'','' ''Moving to the Same Destination? Recent Trends in the Law of Divorce, in: Masha Antokolskaia (Hg.), Convergence and Divergence of Family Law in Europe, 2007, 159&nbsp;ff.; ''Alexander Bergman'', ''Murad Ferid'', ''Dieter Henrich ''(Hg.), Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht, 20 Bde. (Loseblatt).


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Indemnity_Insurance]]
[[en:Divorce]]

Version vom 28. September 2021, 19:02 Uhr

von Dieter Martiny

1. Begriff und Zulässigkeit der Ehescheidung

Die Ehescheidung ist eine Art der Eheauflösung; die Ehe wird ex nunc aufgelöst. Das kanonische Recht kannte nur eine Eheannullation sowie eine Trennung von Tisch und Bett (separatio a mensa et thoro), d.h. eine Entscheidung, welche zwar nicht das Eheband selbst, wohl aber das eheliche Zusammenleben aufhob. Nach protestantischer Vorstellung war hingegen eine Verschuldensscheidung möglich. Trotz zwischenzeitlicher Erleichterung der Ehe unter naturrechtlichem Einfluss (etwa im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten) hat eine restriktive Haltung gegenüber der Ehescheidung das Recht vieler Länder bis in die jüngste Vergangenheit geprägt. Das italienische Scheidungsgesetz von 1970 bezeichnet die Scheidung nach wie vor lediglich als scioglimento del matrimonio (Auflösung der Ehe). Nachdem auch Irland 1997 die Ehescheidung zugelassen hat, ist heute die Zulässigkeit der Ehescheidung die Regel. Mit Ausnahme von Malta kennen alle EU-Staaten eine Ehescheidung.

Als Vorstufe, aber auch als Alternative zur Ehescheidung stellt eine Reihe von Rechtsordnungen eine eigenständige Ehetrennung (Trennung von Tisch und Bett) (z.B. Frankreich, Italien, Niederlande, Polen) zur Verfügung. Diese lässt zwar das Eheband bestehen, berechtigt aber zum Getrenntleben und zieht güterrechtliche Konsequenzen nach sich. Auch England kennt neben divorce eine judicial separation (sec. 17 ff Matrimonial Causes Act 1973).

Gesamtgesellschaftlich besteht heute überall eine Tendenz zur Zunahme von Scheidungen, allenfalls dadurch gebremst, dass mit der Ehe zunehmend die nichteheliche Lebensgemeinschaft konkurriert. Dem entspricht in der Gesetzgebung die Erleichterung der Ehescheidung. Vielfach stehen nicht mehr die Voraussetzungen der Ehescheidung selbst, sondern die Scheidungsfolgen, der Ausgleich ehebedingter Nachteile und das Wohl der von der Scheidung betroffenen Kinder im Mittelpunkt des Interesses. Dem Bestreben nach Entdramatisierung entspricht einerseits die Erleichterung der Scheidungsverfahren, andererseits aber auch die zunehmende Nutzung von Mediation.

Bezüglich der Ehescheidung ist kein Einheitsrecht entwickelt worden, doch besteht ein europäischer Trend zur Erleichterung der Ehescheidung. Das europäische internationale Familienrecht verfügt noch nicht über Kollisionsnormen in Ehesachen. Allerdings ist bereits das internationale Verfahrensrecht für die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes sowie die Ungültigerklärung einer Ehe in der Brüssel IIa-VO (VO 2201/‌2003) geregelt. Die wissenschaftliche Kommission für Europäisches Familienrecht (Commission on European Family Law; CEFL) hat Principles of European Family Law betreffend Ehescheidung und nachehelichen Unterhalt aufgestellt (2004). Diese nehmen für sich in Anspruch, einerseits neuere Tendenzen widerzuspiegeln, andererseits aber auch eigenständige Lösungen vorzuschlagen.

2. Arten der Ehescheidung

Die Ehescheidungen lassen sich nach Scheidungsart und Scheidungsgründen unterscheiden. Die Ehescheidung erfolgt im Allgemeinen durch ein gerichtliches Urteil im Rahmen eines (familien‑)gerichtlichen Verfahrens. Nach den CEFL-Principles wird die Ehescheidung von der zuständigen Behörde ausgesprochen, die entweder ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde ist (Personenstandswesen). Eine Ehescheidung allein durch vertragliche Vereinbarung der Ehegatten oder einseitigen Akt (talaq nach islamischem Recht, get nach jüdischem Recht) ist den europäischen Rechtsordnungen unbekannt. Allerdings kann teilweise eine Ehescheidung bei kinderlosen Ehen allein durch behördliche Registrierung erfolgen (Portugal, Russland).

Einige Rechtsordnungen lassen auch eine einverständliche Scheidung zu. Verbreitet sind vor allem die Zerrüttungsscheidung sowie die Verschuldensscheidung. Manche Rechtsordnungen kennen mehrere Scheidungsarten nebeneinander (z.B. Frankreich, Österreich). Auch die CEFL-Principles sehen mehrere Scheidungsformen vor, nämlich eine einverständliche Scheidung sowie eine Scheidung ohne Einverständnis des anderen Ehegatten (Principle 1:3).

3. Einverständliche Scheidung

Eine einverständliche Ehescheidung, bei der – außer dem Konsens der Ehegatten – keine weiteren Gründe vorgetragen werden müssen, wird von einigen Rechtsordnungen (z.B. Frankreich, Österreich) gestattet. In Deutschland ist zwar keine einverständliche Ehescheidung zugelassen. Doch besteht bei Einigkeit der Ehegatten eine Erleichterung, indem das Scheitern der Ehe unwiderleglich vermutet wird.

Die CEFL-Principles gestatten die Ehescheidung auf Grund eines gegenseitigen Einverständnisses der Ehegatten. Das Einhalten einer tatsächlichen Trennungszeit ist nicht erforderlich. Ein gegenseitiges Einverständnis liegt vor, wenn die Ehegatten Übereinstimmung über die Auflösung ihrer Ehe erzielt haben. Diese Übereinstimmung kann entweder durch einen gemeinsamen Antrag der Ehegatten oder durch einen Antrag nur eines von ihnen mit Zustimmung des anderen Ehegatten ausgedrückt werden (Principle 1:4). Damit wird der Tendenz Rechnung getragen, dass, selbst wenn die nationalen Rechtsordnungen das Einverständnis der Ehegatten nur für den Nachweis von Zerrüttung heranziehen, doch dem Einverständnis der Ehegatten zunehmend Beachtung geschenkt wird.

Eine gewisse Erschwerung bildet nach den CEFL-Principles jedoch das – vom finnischen und schwedischen Recht inspirierte – Einhalten einer Überlegungsfrist. Haben die Ehegatten bei Einleitung des Scheidungsverfahrens Kinder unter sechzehn Jahre und haben sie sich über alle Scheidungsfolgen (Elterliche Verantwortung ; Unterhalt; Vermögensauseinandersetzung &#91Ehegüterrecht ]) geeinigt, so gilt eine dreimonatige Überlegungsfrist, bevor die Scheidung ausgesprochen werden kann. Haben sie sich nicht über alle Folgen geeinigt, so ist eine sechsmonatige Überlegungsfrist zu beachten (Principle 1:5).

Haben die Ehegatten bei Einleitung des Scheidungsverfahrens keine Kinder unter sechzehn Jahre und haben sie sich auf die güterrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Folgen geeinigt, so ist keine Überlegungsfrist zu beachten. Haben sie sich nicht über alle Folgen geeinigt, so gilt eine dreimonatige Überlegungsfrist. Keine Frist besteht dann, wenn die Ehegatten bei Einleitung des Scheidungsverfahrens seit sechs Monaten tatsächlich getrennt leben (Principle 1:5).

Die CEFL-Principles sehen bezüglich der Scheidungsfolgen die Möglichkeit von Vereinbarungen vor. Solche Abreden können sich beziehen auf die elterliche Verantwortung, soweit notwendig, einschließlich der Regelung des Aufenthalts und des Umgangs bezüglich der Kinder, den Kindesunterhalt, die Teilung oder Umverteilung von Vermögen und den nachehelichen Unterhalt. Eine derartige Vereinbarung bedarf der Schriftform (Principle 1:6).

Im Übrigen ist eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung über die Folgen vorgesehen. Die zuständige Behörde entscheidet über die elterliche Verantwortung und den Kindesunterhalt. Dabei ist jede zulässige Vereinbarung der Ehegatten in Betracht zu ziehen, soweit sie dem Wohl des Kindes entspricht. Die zuständige Behörde überprüft zumindest die Gültigkeit der Vereinbarung bezüglich Vermögensausgleich und nachehelichem Unterhalt.

Haben die Ehegatten keine oder nur eine teilweise Vereinbarung bezüglich Vermögensauseinandersetzung und nachehelichem Unterhalt erzielt, so kann die zuständige Behörde über diese Folgen entscheiden (Principle 1:7). Die CEFL-Principles wollen daher auch dann, wenn den Ehegatten keine oder nur eine teilweise Vereinbarung bezüglich der Folgen gelingt, noch eine einverständliche Scheidung zulassen.

4. Scheidung ohne Einverständnis des anderen Ehegatten

Problematisch ist nach wie vor die Ehescheidung auf Verlangen nur eines der Ehegatten. Häufig wird von den nationalen Rechtsordnungen eine Zerrüttungsscheidung zugelassen, die auf einem Scheitern bzw. einer unheilbaren Zerrüttung – in England irretrievable breakdown (sec. 1 Matrimonial Causes Act 1973) – der Ehe beruht. Auf eine Zerrüttung wird vor allem aus dem Ablauf bestimmter Trennungsfristen geschlossen. Deutschland verlangt grundsätzlich eine einjährige Trennung. Eine Scheidung nach einer kürzeren Trennung ist nur bei einer unzumutbaren Härte möglich (§ 1565 Abs. 2 BGB); bei dreijähriger Trennung wird das Scheitern der Ehe unwiderlegbar vermutet (§ 1566 Abs. 2 BGB). Auch andere Rechtsordnungen verlangen für einzelne Scheidungsarten drei Jahre (z.B. § 55 österreich. Ehegesetz für die Scheidung wegen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft). Finnland und Schweden verlangen bei der streitigen Scheidung keine Trennungszeit, sie honorieren bereits den einseitigen Scheidungswunsch, kennen aber eine während des Scheidungsverfahrens einzuhaltende Überlegungsfrist, ehe die Ehescheidung ausgesprochen wird (sechs Monate). Eine verhältnismäßig lange Trennungszeit von regelmäßig drei Jahren verlangt stets Italien, von vier Jahren Irland.

Auch die CEFL-Principles kennen eine Scheidung ohne Einverständnis des anderen Ehegatten. Sie verlangen allerdings nicht ausdrücklich eine Zerrüttung. Stattdessen ist maßgebliches Kriterium allein tatsächliche Trennung. Eine Scheidung ohne Einverständnis des anderen Ehegatten ist gestattet, wenn die Ehegatten seit einem Jahr tatsächlich getrennt leben (Principle 1:8). Dies ist eine erhebliche Erleichterung der Scheidung im Vergleich zu den bestehenden Trennungszeiten der meisten nationalen Rechtsordnungen. Sie zieht aber nur die Konsequenz daraus, dass die nationalen Rechte heute vielfach auf einen eigentlichen Nachweis der Zerrüttung bereits verzichten.

Die CEFL-Principles kennen ferner, insoweit in Einklang mit der Mehrheit der europäischen Rechtsordnungen, einen die Scheidung erleichternden besonderen Härtegrund. In Fällen außergewöhnlicher Härte für den Antragssteller, etwa bei Misshandlungen, kann die zuständige Behörde die Ehescheidung aussprechen, obwohl die Ehegatten noch nicht seit einem Jahr getrennt leben (Principle 1:9). Die europäischen Rechtsordnungen gehen im Allgemeinen auch davon aus, dass es in bestimmten Fällen grob unbillig wäre, eine Scheidung zu gewähren. Dementsprechend ist eine scheidungsausschließende Härteklausel trotz Scheitern der Ehe teilweise bekannt (z.B. in § 1568 BGB). Insgesamt besteht eine Tendenz zu einem nur zurückhaltenden Gebrauchmachen von der Härteklausel. Die CEFL-Principles verzichten auf eine solche Klausel.

5. Verschuldensscheidung

Die früher dominierende Verschuldensscheidung, die nach einem ehelichen Fehlverhalten eines oder beider Ehegatten ausgesprochen wird, ist zwar noch mehreren Rechtsordnungen als eine von mehreren Scheidungsarten weiterhin bekannt (etwa in Frankreich Art. 242 Code civil; in Österreich § 49 Ehegesetz). Sie wird jedoch immer mehr zurückgedrängt und ist vielen Rechtsordnungen nicht mehr bekannt. Auch die CEFL-Principles sehen keine Verschuldensscheidung vor.

6. Folgen der Scheidung

Die Folgen der Ehescheidung sind zunehmend unabhängig von der Art der Scheidung und von der Schuld am Scheitern der Ehe. Zu den Scheidungsfolgen gehört insbesondere eine güterrechtliche Auseinandersetzung, die an den jeweiligen Güterstand anknüpft. Ist, wie etwa in Frankreich und Italien die Errungenschaftsgemeinschaft der gesetzliche Güterstand, so erfolgt eine Teilung des Vermögens mit eventuellem Ausgleich. Ebenfalls zu einem Ausgleich führt die für die nordischen Staaten typische herausgeschobene Gütergemeinschaft. Andere Systeme gehen von einer Gütertrennung während der Ehe und einem späteren Ausgleich aus (so die deutsche und die griechische Zugewinngemeinschaft sowie die schweizerische Errungenschaftsbeteiligung). Nach englischem Recht bestehen zwar keine güterrechtlichen Ansprüche, doch kann eine richterliche Verteilung auch von marital assets erfolgen (sec. 21 Matrimonial Causes Act 1973). Ganz überwiegend unterscheiden die Rechtsordnungen aber zwischen der Vermögensauseinandersetzung und der Gewährung von nachehelichem Unterhalt. Zu den Scheidungsfolgen gehört auch eine Regelung bezüglich der Familienwohnung.

Teilweise erfolgt bei Scheidung ein gesonderter Ausgleich von während der Ehe erworbenen Versorgungsrechten und Anwartschaften (Deutschland, Niederlande, Schweiz). Andere Rechtsordnungen beziehen Versorgungsrechte und ‑anwartschaften in die güterrechtliche Auseinandersetzung mit ein (z.B. Frankreich) bzw. erlauben pension sharing orders (sec. 21A Matrimonial Causes Act 1973).

Die Ehescheidung führt auch zu Folgen für die Kinder. Erforderlich sind die Regelung der elterlichen Verantwortung (insbesondere Sorgerecht und Umgangsrecht) sowie des Unterhalts. Gerade hier zeigt sich auch das Bestreben, die Scheidungsfolgen soweit wie möglich in das Scheidungsverfahren einzubeziehen und bereits in diesem Stadium eine tragfähige Lösung für die Zukunft zu erreichen.

Auch die CEFL-Principles wollen für die wichtigsten Fragen eine Entscheidung über die Folgen sichern. Soweit notwendig, soll die zuständige Behörde über die elterliche Verantwortung, einschließlich der Regelung des Aufenthalts und des Umgangs bezüglich der Kinder entscheiden. Ferner soll, ebenfalls im Einklang mit den nationalen Rechtsordnungen, eine Regelung für den Kindesunterhalt erfolgen. Auch insoweit sollen Vereinbarungen der Eltern möglich sein und in Betracht gezogen werden, allerdings nur, soweit sie dem auch hier dominierenden Wohl des Kindes entsprechen (Principle 1:10).

Bei oder nach der Ehescheidung kann die zuständige Behörde auch über die wirtschaftlichen Folgen für die Ehegatten entscheiden. Dabei zieht sie eine zulässige Vereinbarung der Ehegatten in Betracht (Principle 1:10). Damit ist das Gericht nicht nur darauf beschränkt, die Vereinbarung zur Kenntnis zu nehmen, sondern genießt ein beschränktes Überprüfungsrecht. Im Übrigen wird die umfangreiche Problematik der Zulässigkeit und Inhaltskontrolle von Vereinbarungen der Ehegatten nicht näher behandelt.

Literatur

Anders Agell, Nordisk äktenskapsrätt: en jämförande studie av dansk, finsk, isländsk, norsk och svensk rätt med diskussion av reformbehov och harmoniseringsmöjligheter, Nordiska Ministerrådet, 2003; Sibylle Hofer, Dieter Schwab, Dieter Henrich (Hg.), Scheidung und nachehelicher Unterhalt im europäischen Vergleich, 2003; Katharina Boele-Woelki, Walter Pintens, Frédérique Ferrand, Cristina Gonzalez Beilfuss, Maarit Jänterä-Jareborg, Nigel Lowe, Dieter Martiny, Principles of European Family Law Regarding Divorce and Maintenance Between Former Spouses, 2004; Masha Antokolskaia, Convergence and divergence of divorce laws in Europe, Child and Family Law Quarterly 2006, 307 ff.; Katharina Boele-Woelki, Dieter Martiny, Prinzipien zum Europäischen Familienrecht betreffend Ehescheidung und nachehelicher Unterhalt, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 14 (2006) 6 ff.; Rembert Süß, Gerhard Ring (Hg.), Eherecht in Europa, 2006; Ole Lando, Trends towards convergence of marriage and divorce law, in: Paul Demaret, Inge Govaere, Dominik Hanf (Hg.), European legal dynamics, 2007, 266 ff.; Bea Verschraegen, Moving to the Same Destination? Recent Trends in the Law of Divorce, in: Masha Antokolskaia (Hg.), Convergence and Divergence of Family Law in Europe, 2007, 159 ff.; Alexander Bergman, Murad Ferid, Dieter Henrich (Hg.), Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht, 20 Bde. (Loseblatt).