Handelsrecht und Handelsvertreter: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Klaus J. Hopt]]''
von ''[[Knut B. Pißler]]''
== 1. Begriff und Rechtsquellen des Handelsrechts ==
== 1. Gegenstand und Zweck ==


Einen festen, europäisch einheitlichen Begriff des Handelsrechts gibt es nicht. Allenfalls national kann zur Abgrenzung beitragen, ob das Handelsrecht in einem eigenen Gesetz wie in Frankreich dem ''[[Code de Commerce]]'' von 1807 oder in Deutschland dem HGB von 1897 (ähnlich Belgien, Luxemburg, Spanien, Portugal, Griechenland; als Mustergesetz auch in den USA der ''Uniform Commercial Code'' seit 1954) kodifiziert oder Teil des allgemeinen bürgerlichen Rechts ist wie in der Schweiz ([[Schweizerisches Obligationenrecht]] 1881 und [[Schweizerisches Zivilgesetzbuch|Schweizerisches ZGB]] 1907) und, von einem eigenen Handelsgesetzbuch abgehend, Italien (''[[Codice civile]]'' 1942) und in jüngerer Zeit den Niederlanden das ''[[Burgerlijk Wetboek]]'') oder ob es überhaupt nur in Einzelgesetzen wie in Skandinavien oder vor allem auch im [[Richterrecht]] wie in Großbritannien und Irland enthalten ist. National unterschiedlich ist demnach auch, wie weit Handelsrecht verstanden wird, also ob es auch Bilanzrecht, Transportrecht ([[Transportvertrag]]), [[Gesellschaftsrecht]], Bank- und Börsenrecht ([[Bankrecht]]; [[Bankrecht, internationales]]; [[Börsen]]), Versicherungsrecht ([[Versicherungsvertrag]]; [[Versicherungsvertragsrecht, internationales]]) und Teile des Arbeitsrechts umfasst.
Der Handelsvertreter ist gemäß der Definition in Art. 1(2) der Handelsvertreter-RL vom 18.12.1986 (RL 86/‌653), mit der das Handelsvertreterrecht in den Mitgliedstaaten harmonisiert wurde, als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut, für eine andere Person den Verkauf oder den Ankauf von Waren zu vermitteln oder diese Geschäfte im Namen und für Rechnung des Unternehmers abzuschließen. Betriebswirtschaftlich ist der Handelsvertreter einer von drei Grundtypen von Absatzkanälen vom Hersteller zum Endkäufer: Üblich ist der Weg über den Groß- und Einzelhandel, wichtig und häufig ist auch der Weg über Handelsvertreter oder Vertragshändler, seltener geworden ist der Direktabsatz über eigene Filialen oder Verkaufsangestellte (Reisende). Rechtlich ist der Handelsvertreter also anders als Groß- und Einzelhändler in den Absatz und [[Vertrieb]] eines anderen Unternehmens eingegliedert, und zwar im Gegensatz zum Makler ständig. Der Handelsvertreter behält dabei aber anders als der Arbeitnehmer seine rechtliche Selbstständigkeit; die Abgrenzung des Handelsvertreters vom Arbeitnehmer ist indes eines der schwierigsten Probleme des materiellen Handelsvertreterrechts überhaupt. Dem Mehr an unternehmerischer Freiheit des Handelsvertreter entspricht ein Weniger an rechtlichem Schutz. Das Erscheinungsbild des Handelsvertreters in der Praxis ist allerdings sehr vielgestaltig. Es reicht vom großen Vertriebsunternehmer mit Marktmacht, auf den der Hersteller angewiesen ist, beispielsweise bestimmte Importeure, über den nur rechtlich selbstständigen, aber wirtschaftlich abhängigen Handelsvertreter bis zum Handelsvertreter im Nebenberuf und zum Einfirmenvertreter mit arbeitnehmerähnlicher Stellung und Schutzbedürftigkeit. Der Vertrieb über Handelsvertreter ist heute nur eine Erscheinungsform in einer Vielfalt von Absatzmittlungs- und Vertriebssystemen; das Handelsvertreterrecht ist dementsprechend Teil des Rechts des Vertriebsmittler bzw. Vertriebssysteme, wie beispielsweise Vertragshändler und ''[[Franchising]]''. Der Handelsvertreter und das zu seinem Schutz normierte Recht geben aber für ähnliche Absatzmittler und Vertriebssysteme eine Leitbildfunktion ab.


Am ehesten lässt sich Handelsrecht als Sonderrecht für bestimmte am Geschäftsverkehr teilnehmende Personen oder für bestimmte wirtschaftliche Geschäfte und Tätigkeiten verstehen. Das Handelsrecht kann zu seiner Abgrenzung je nachdem auf die Geschäfte abstellen (Handelsgeschäfte, objektives System) oder wie das deutsche oder österreichische HGB entscheidend auf die Person (Kaufmann bzw. Unternehmer, subjektives System, meistens gemischtes System). Letzterenfalls ist Handelsrecht das Recht des Handelsstandes, also der Kaufleute, und das Handelsrecht regelt die Handelsgeschäfte derselben. Handelsrecht ist trotz einzelner öffentlich-rechtlicher Vorschriften, z.B. betreffend Handelsregister, Handelsfirma und Buchführung, Teil des Privatrechts.  
Das Gewerbe des Handelsvertreters ist eine relativ junge Erscheinung, die eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbunden ist. Zu dieser Zeit bewirkte die starke Zunahme der Industrialisierung und des Außenhandels die Entstehung dieser neuen Vertriebsform. Es kam zu einer zunehmenden Arbeitsteilung zwischen der Herstellung und dem Vertrieb der Waren, so dass eine zusätzliche Handelsstufe zwischen Produzenten und Endkunden entstand. Auch wurden die zu bedienenden Märkte durch den Auf- und Ausbau leistungsfähiger Verkehrsnetze, die das Erschließen neuer, fernerer Absatzregionen ermöglichten, größer. Dies machte den Einsatz von ständig tätigen Vermittlern nötig, um ein größeres Maß an Präsenz und Kundennähe zu zeigen. Anfangs wurde die neue Absatzmittleraufgabe von Angestellten wahrgenommen, was sich aber angesichts der großen Vertriebsgebiete und der breiten Angebotspalette bald als zu kostspielig erwies. Es kam daher zum Einsatz von am produktionsfernen Ort ansässigen Vermittlern, die mehrere Unternehmer vertraten und diesen die von ihnen aufgebaute Infrastruktur zur Verfügung stellten. Der allmähliche Übergang vom Festgehalt zu einer Erfolgsvergütung führte zu einer stetigen Verselbständigung der auswärtigen Vertreter, so dass sie sich mehr und mehr zu auf eigenes Risiko tätigen selbständigen Unternehmern entwickelten. Die Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren machte deutlich, dass sich der Handelsvertreter trotz seiner rechtlichen Stellung als selbständiger Unternehmer in einer besonderen wirtschaftlichen Abhängigkeit zu seinem Prinzipal befand. Diese Abhängigkeit zeigte sich verstärkt, als Unternehmen dazu übergingen, ihre Vertreter durch das vertragliche Verbot einer Annahme von Mehrfachvertretungen enger an sich zu binden, wobei die damals geltenden handelsrechtlichen Vorschriften dem Vertreter keinen dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit entsprechenden Schutz boten.


Rechtsquellen des Handelsrechts sind in Kontinentaleuropa vor allem das Gesetzesrecht, daneben und in ''[[common law]]''-Ländern vor allem das Richterrecht. Wichtiger als im allgemeinen Privatrecht sind Handelsbräuche und Verkehrssitte, was an den Besonderheiten des Handelsrechts liegt. Besonders wichtig sind Handelsbräuche im internationalen Handelsverkehr. In weiten Bereichen des Handelsrechts dominieren [[Allgemeine Geschäftsbedingungen]] (AGB), mit besonderen Problemen im internationalen Verkehr. Wichtig sind außerdem die Empfehlungen der [[Internationale Handelskammer|Internationalen Handelskammer]] und anderer, auch nationaler Gremien.
== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==


== 2. Besonderheiten des Handelsrechts gegenüber dem Bürgerlichen Recht ==
In Deutschland und Österreich erkannte man zwar früh die wirtschaftliche Bedeutung des Handelsvertreters und die Notwendigkeit, ihm einen rechtlichen Rahmen zu geben. Dennoch enthielt das [[Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch|Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (ADHGB)]] von 1891 nur Vorschriften über den Handelsmakler, so dass der Handelsvertretervertrag nach dem Dienst- und Werkvertragsrecht beurteilt wurde. Erst im neuen deutschen Handelsgesetzbuch von 1897 wurde eine eigenständige Regelung des Handelsvertreters für notwendig erachtet, die sich jedoch bereits nach kurzer Zeit als unzureichend erwies, um die Stellung des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer zu verbessern. Schrittmacher für die Forderung nach einem Eingreifen des Gesetzgebers war die Rechtsentwicklung in Österreich, die 1921 zum Erlass eines Handelsagentengesetzes (später Handelsvertretergesetz) mit einer Reihe zwingender Schutzvorschriften zugunsten des Handelsvertreters führte. Hierin wurde zum ersten Mal ein Anspruch auf Kundschaftsentschädigung zugebilligt, der später Vorbild für den deutschen Ausgleichsanspruch werden sollte. In Deutschland führten die nach der Gründung der Bundesrepublik wiederaufgenommenen Arbeiten aber erst 1953 zum Erfolg.


Als Unternehmer, der sich im Wettbewerb behaupten muss oder aus dem Markt ausscheidet, muss der Kaufmann seine Geschäfte frei gestalten können. Privatautonom gesetztes Recht (vor allem Vertragsrecht einschließlich AGB) spielt deshalb im Handelsrecht eine große Rolle. Außer für das kaufmännische Personal und die [[Handelsvertreter]] tritt [[Zwingendes Recht (Grundlagen)|zwingendes Recht]] zurück; der Kaufmann muss die Risiken und Chancen im Handelsverkehr selbst abschätzen.
Kernmerkmal des deutschen Handelsvertreterrechts ist seine sozialpolitische Ausrichtung: Die §§ 84 ff. HGB enthalten eine Reihe zwingender Vorschriften zum Schutz des Handelsvertreters als der typischerweise schwächeren Partei (Kündigung des Handelsvertretervertrags, Voraussetzungen für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot und für einen nachvertraglichen Ausgleichanspruch für den Verlust des vom Vertreter aufgebauten Kundenstamms bei Beendigung des Vertretungsverhältnisses). Dabei ist dieser spezielle Schutz nicht auf die besonders von ihrem Unternehmer abhängigen Einfirmenvertreter beschränkt. Bei der Abgrenzung zum Arbeitsrecht geht das deutsche Recht von einer eindeutigen Unterscheidung dieser beiden Schutzrechtsordnungen aus.


Für den Handelsverkehr sind Einfachheit und Schnelligkeit entscheidend. Das Handelsrecht verzichtet deshalb auf unnötige Formalitäten und zwingt den Kaufmann zur raschen Äußerung und Disposition. Handelsrechtsnormen, international einheitliche Vertragsklauseln wie die [[Incoterms]] und Handelsbräuche typisieren die Erklärungen und Vertragsschlüsse im Handelsverkehr. Das Handelsrecht fördert Typisierung und (vereinfachende) Formalisierung, z.B. Unbeschränkbarkeit bestimmter handelsrechtlicher [[Vertretungsmacht]]en.
In Frankreich und Belgien war das Recht des Handelsvertreters lange Zeit nicht gesetzlich geregelt. In beiden Ländern hatte der ''[[Code civil]]'' von 1804 eine entscheidende Rolle bei der Behandlung der rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit Handelsvertretern (''commis voyageur'','' ''später:'' représentant de commerce''), da der ''[[Code de Commerce]]'' keine entsprechenden Regelungen enthielt. Der Handelsvertretervertrag wurde dabei unter das Dienstvertragsrecht (''contrat de louage de service'') oder den Auftrag (''mandat'') eingeordnet, wobei sich ersteres durch das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses (''lien de subordination'') zwischen dem Dienstverpflichteten und dem Dienstberechtigten definiert. Daher wurde in Frankreich anders als in Deutschland lange Zeit nicht zwischen dem selbständigen Handelsvertreter und dem angestellten Handlungsreisenden unterschieden, wobei diese Einordnung nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmte. Ordnete man den Handelsvertretervertrag als Auftrag (''mandat'') ein, erwies sich als problematisch, dass der ''Code civil ''das ''mandat'' als grundsätzlich unentgeltlich und als durch den Prinzipal frei widerrufbar ansieht. Das französische Recht ging also weder von einer ständigen Vertragsbeziehung zwischen Mandatar und Mandanten noch von einer Tätigkeit des Mandatars zu Erwerbszwecken aus, was wiederum den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Handelsvertretung nicht gerecht wurde. 1937 schuf der französische Gesetzgeber mit dem ''Statut professionel des voyageurs'','' représentants et placiers'' eine erste gesetzliche Regelung des Vermittlungsrechts für Personen, die keine eigenwirtschaftliche Tätigkeit ausüben. 1958 regelte er in einem ''décret'' zusätzlich das Rechtsverhältnis des ''agent commercial'', welches zwar das Recht des Prinzipals zum einseitigen Widerruf der Beauftragung aufhob und einen nachvertraglichen Schadensersatzanspruch bei einseitiger Vertragsbeendigung durch den Unternehmer festschrieb, jedoch für seine Anwendung konstitutiv die Registrierung vorsah. Dies führte in der folgenden Zeit zu einer Zersplitterung des französischen Handelsvertreterrechts, da auf den nicht eingetragenen Handelsvertreter (''agent non statutaire''), der auch nicht unter das ''statut professionel'' aus dem Jahr 1937 fiel, wiederum die allgemeinen Regelungen des ''Code civil'' angewandt wurden.


Selbstverantwortliche Entscheidung, Einfachheit und Schnelligkeit setzen voraus, dass sich der Kaufmann zuverlässig über seine Vertragspartner informieren und sich auf ihr (äußeres) Verhalten im Handelsverkehr verlassen kann. Die handelsregisterrechtliche [[Publizität]] und die Rechtsscheinhaftung spielen deshalb im Handelsrecht eine zentrale Rolle.
Im belgischen Handelsvertreterrecht blieb die Schaffung von zwingenden Regeln, welche auch den selbständigen Vertreter in seiner potentiell schwächeren Position gegenüber dem Unternehmer zu schützen geeignet wären, hingegen aus.


Handelsrecht ist weitgehend aus der Praxis heraus gewachsen. Das spiegelt sich in den Rechtsquellen und der großen Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit ([[Schiedsverfahren, internationales]]) wider. Handelsrecht ist, auch wenn seiner Rechtsnatur nach nationales Recht, immer auch auf den internationalen Verkehr ausgerichtet. Handelsinteressen machen an Grenzen nicht Halt. Das Handelsrecht ist nicht nur offen für Einflüsse von außen, sondern besonders auch für eine pragmatische internationale Rechtsvereinheitlichung. Das allgemeine deutsche Handelsrecht ([[Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch||ADHGB]] von 1861) ging der staatlichen Einheit um ein Jahrzehnt und dem einheitlichen [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] um nahezu ein halbes Jahrhundert voraus.
Im englischen Recht existierten ebenfalls keine spezifischen Regelungen hinsichtlich des in den kontinentaleuropäischen Ländern als Handelsvertretung bezeichneten Warenvertriebstypen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich im ''[[common law]]'' keine eigenen Regeln für die kaufmännische Stellvertretung, insbesondere hinsichtlich des Innenverhältnisses zwischen Vertreter und Unternehmer, entwickelten. Handelsvertreter unterlagen dort den Regeln des Rechtsinstituts der ''agency'' ([[Stellvertretung]]). Dabei war die traditionelle Position des englischen Rechts hinsichtlich der Behandlung von ''agency''-Verträgen von der Auffassung geprägt, dass Vertreter und Geschäftsherr das Recht haben sollten, ihr Rechtsverhältnis nach eigenem Gutdünken auszugestalten. Folglich gab es keine zwingenden Bestimmungen zum Schutz des in der Eigenschaft als Handelsvertreter tätig werdenden ''agent''. Dieser wurde nicht als schutzbedürftig angesehen. Vielmehr bestand die Auffassung, dass es sich bei diesem Handelsvertreter-Agent um einen selbständigen Unternehmer handelt, dem folglich zuzutrauen war, seine Rechte in ausreichendem Maße eigenständig vertraglich gegenüber dem Geschäftsherrn durchzusetzen. Als potentiell gefährdete und somit schutzwürdige Partei wird im englischen ''agency''-Recht daher auch nicht der Stellvertreter, sondern vielmehr der Geschäftsherr angesehen. Es besteht die Sorge, der ''agent'' könnte die ihm gewährten Rechte zum Schaden des ''principal'' nutzen, so dass das ''common law of agency'' gewisse fiduziarische Pflichten des Stellvertreters gegenüber seinem Geschäftsherrn vorsieht. Hingegen fehlen dem englischen ''agency''-Recht im Hinblick auf die Tätigkeit eines Handelsvertreters jegliche Regeln zum Schutze des Vertriebsmittlers (kein Anspruch auf Provision, Möglichkeit der fristlosen Kündigung des ''agency''-Vertrags, keine nachvertragliche Kundschaftsentschädigung).


== 3. Internationale Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Handelsrechts ==
== 3. Regelungsstrukturen im Einheitsrecht ==


Das Streben nach Rechtsangleichung im Interesse des Handelsverkehrs ist alt, wie beispielsweise das [[Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch||ADHGB]] zeigt. Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung hat bereits das [[Reichsoberhandelsgericht (mit Reichsgericht)|Reichsoberhandelsgericht]] betrieben. Vorstufen der Rechtsangleichung durch Angleichung der Handelspraxis sind z.B. die [[Incoterms]] oder einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive ([[Akkreditiv]]e) der [[Internationale Handelskammer|Internationalen Handelskammer]]. Seit der Jahrhundertwende finden sich Anfänge eines Welthandelsrechts in großen Übereinkommen besonders auf dem Gebiet des Verkehrs, z.B. Internationales Übereinkommen über den Eisenbahn-Frachtverkehr (CIM) 1890/‌1961 und über den Eisenbahn-Personen- und Gepäckverkehr (CIV) ([[Eisenbahnverkehr]]), über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßen- und Güterverkehr (CMR) ([[Straßengüterverkehr]]) und über die Beförderung im internationalen [[Luftverkehr]] (Warschauer Abkommen). 1930/‌1931 kam es zur Genfer Wechsel- und Scheckrechtsvereinheitlichung. Weitere internationale Rechtsvereinheitlichungsmaßnahmen betreffen das UN-Kaufrecht ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)]]), das Finanzierungsleasing und das ''[[Factoring]]'' (UNIDROIT-Konventionen), die Garantieverträge (UN-Konvention; [[Garantie]]), das Lager- und Umschlaggeschäft (UN-Konvention) und weitere Gebiete des Transportrechts – von der ''[[Lex Mercatoria|lex mercatoria]]'', ''model laws'', ''principles'' und Klauselrecht ganz zu schweigen.
Da in einigen europäischen Ländern zwingende Vorschriften zum Schutz des Handelsvertreters (insbesondere nachvertragliche Entschädigungs- bzw. Ausgleichsansprüche) normiert waren, während in anderen Mitgliedstaaten die Vertragsfreiheit der Parteien und vor allem die des Unternehmers in der Ausgestaltung der Vertretungsverträge nicht eingeschränkt waren, kam es zu einer entsprechenden Kostendifferenz für die Unternehmer, je nachdem, welchem Recht ihre Handelsvertreterverträge unterlagen. Wettbewerbsverzerrungen entstanden in Fällen von grenzüberschreitenden Sachverhalten, bei denen der für denselben Unternehmer tätige Handelsvertreter in verschiedenen Mitgliedstaaten auftrat. Wenn beispielsweise ein deutscher Unternehmer einen deutschen Handelsvertreter auch auf dem belgischen Markt einsetzte, konkurrierte dieser Unternehmer mit belgischen Unternehmen, deren Vertragsverhältnisse mit Handelsvertretern belgischem Recht unterliegen. Da das belgische Handelsvertreterrecht lange keinen Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Vertrags kannte, bestand für den deutschen Unternehmer durch die Anwendbarkeit des „teureren“ deutschen Handelsvertreterrechts ein Wettbewerbsnachteil. Außerdem war die Ungleichheit der Wettbewerbsbedingungen auf Bestimmungen des Kollisionsrechts, nämlich die Reichweite der Rechtswahlfreiheit, zurückzuführen. Denn der ausländische Unternehmer konnte über eine Rechtswahlklausel die unter Umständen im Lande des Vertriebs bestehenden national zwingenden Bestimmungen im Handelsvertreterrecht abbedingen, an die der inländische Unternehmer hingegen gebunden war.


== 4. Europäische Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Handelsrechts ==
Vor diesem Hintergrund wurde eine Harmonisierung des Rechts des Handelsvertreters in der am 18.12.1986 verabschiedeten Handelsvertreter-RL (RL 86/‌653) angestrebt, um das durch die kostenträchtigen zwingenden Vorschriften verursachte Belastungsniveau der in den Mitgliedstaaten tätigen Unternehmen anzugleichen und das Schutzniveau für die von diesen Vorschriften begünstigten Handelsvertreter zu vereinheitlichen.


Heute gewinnt die Rechtsangleichung in der [[Europäische Union|Europäischen Union]] eine rasch zunehmende Bedeutung. Zahlreiche [[Richtlinie]]n zur Koordinierung des Handelsrechts im weiteren Sinn sind bereits verbindlich. Man kann insoweit von einem Kernbestand des europäischen Handelsrechts sprechen, was zu der Forderung eines europäischen Handelsgesetzbuches beigetragen hat. Bei Nichtumsetzung von EG-Richtlinien droht Haftung des Mitgliedstaates gegenüber seinen Bürgern auf Schadensersatz. Europarechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts nach Umsetzung kann schwierige Probleme aufwerfen, etwa wenn wie in der Handelsvertreterrichtlinie die Interessenwahrungspflicht vorgegeben ist, diese dann aber im nationalen Recht in vielen Details ausgestaltet wird. Praktisch und prozessual wichtig ist, dass für Zweifelsfragen bei der Auslegung der Richtlinien der [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] im Vorlageverfahren nach Art. 234 EG/‌267 AEUV zuständig ist. Eine Verkennung der Vorlagepflicht ist eine Vorenthaltung des „gesetzlichen Richters“.
Der Verabschiedung der Handelsvertreter-RL im Jahr 1986 ging nicht zuletzt wegen scharfer Kritik aus England eine 25-jährige Vorbereitungsphase voraus. Während ein Vorentwurf aus dem Jahr 1976 deutlich vom deutschen Handelsvertreterrecht geprägt war, enthält die verabschiedete Fassung Umsetzungsalternativen, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen sollten, ungeachtet der angestrebten Harmonisierung an ihren eigenen Rechtskonzepten festzuhalten. Dies gilt für die in der Vertriebspraxis sehr relevante Frage, welche zusätzlichen Rechte ein Vertreter haben sollte, dem vom Unternehmen ein bestimmtes Gebiet für seine Vermittlungstätigkeit zugewiesen worden ist, und die Regelungen über die Beendigung des Handelsvertretervertrages. Während sich der Richtlinienentwurf für eine Anlehnung an das deutsche Konzept des Bezirksvertreters entschied, lässt die Handelsvertreter-RL den Mitgliedstaaten die Wahl, stattdessen vom Konzept des Alleinvertreters auszugehen, wie es der Rechtslage in den meisten anderen Mitgliedstaaten entsprach (Art. 7(2) Handelsvertreter-RL).


Für das Handelsrecht im hier verstandenen, engeren Sinn, für das eine in aller Regel nur Teilregelungen enthaltende europäische Rechtsangleichung vorgenommen wurde, sind unter anderem relevant: die Publizität des Handelsregisters (1. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 9.3.1968, Publizitäts-RL, RL 68/‌151) und allgemeiner das Handelsregisterrecht mit dem elektronischen Handelsregister (Publizitäts-Änderungs-RL vom 15.7.2003, RL 2003/‌58), der Jahresabschluss und der Konzernabschluss jeweils einschließlich Lagebericht von Kapitalgesellschaften (4. und 7. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie, Jahresabschluss-RL, RL 78/‌660 vom 25.7. 1978, sowie Konzernabschluss-RL, RL 83/‌349 vom 13.6.1983), die klarstellende Einbeziehung der GmbH & Co. in diese Rechnungslegungspublizität (RL 90/‌605 vom 8.11.1990, GmbH & Co.-RL), Abschlussprüfer (8. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 10.4.1984, Abschlussprüfer-RL, RL 84/‌253, aufgehoben durch die Richtlinie vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen ([[Abschlussprüfer]]), RL 2006/‌43; Empfehlung der Kommission vom 16.5.2002 zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers; Empfehlung der Kommission vom 5.6.2008 zur Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften), das Handelsvertreterrecht (Richtlinie vom 18.12.1986, Handelsvertreter-RL, RL 86/‌653) und das Zweigniederlassungsrecht (11. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 22.12.1989, Zweigniederlassungs-RL, RL 89/‌ 666).
Zur Beendigung des Handelsvertretervertrages enthält die Richtlinie ebenfalls zwei Umsetzungsalternativen: Den dem deutschen Recht entnommenen Ausgleichsanspruch des Vertreters für nachvertragliche Vorteile des Unternehmers aus der Übernahme des Kundenstammes (Art. 17(2) Handelsvertreter-RL) und einen Schadensersatzanspruch des Handelsvertreters im Falle der Vertragsbeendigung (Art. 17(3) Handelsvertreter-RL). Im Jahr 1996 legte die Kommission in Übereinstimmung mit Art. 17(6) der Handelsvertreter-RL einen Bericht über die Umsetzung der Regeln zur Beendigung des Handelsvertretervertrags in den Mitgliedstaaten vor (KOM(96) 364 endg.). Die [[Europäische Kommission]] stellte fest, dass man sich nur in Frankreich, im Vereinigten Königreich und in Irland für das Schadensersatzmodell entschieden hat, während die anderen Mitgliedstaaten die Ausgleichsvariante gewählt haben. Im Vereinigten Königreich gilt der Schadensersatzanspruch jedoch nur, wenn sich die Parteien nicht für einen Ausgleichsanspruch des Vermittlers entschieden haben, was in der Praxis jedoch selten vorkommt. Dort führte die Umsetzung der Richtlinie in Einzelfällen auch dazu, dass keine neuen Handelsvertreterverträge abgeschlossen wurden oder die Handelsvertreter als Beschäftigte übernommen wurden.


Wenn man diesen Bestand an europarechtlichen Rechtsangleichungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Handelsrechts im engeren Sinn Revue passieren lässt, wird leicht erkenntlich, dass das Hauptaugenmerk des europäischen Gesetzgebers auf drei Gebieten liegt: der handels- und gesellschaftsrechtlichen Publizität, dem [[Handelsvertreter]]recht und dem Recht der Zweigniederlassungen. Die Gründe dafür sind leicht nachvollziehbar. [[Publizität]] ist im Handels- und Wirtschaftsrecht eines der wichtigsten Regelungsinstrumente, weil sie die Unternehmen zwingt, sich am Markt der Kontrolle und dem Wettbewerb zu stellen. Für den europäischen Gesetzgeber ist die Publizität auch deswegen besonders wichtig, weil sie eine weniger einschneidende Alternative zu eigentlichen Sachregelungen enthält, der zuzustimmen die Mitgliedstaaten sich eher bereit finden. Das Handelsvertreterrecht ist ein zentraler Bereich des Vertriebs, der im europäischen Binnenmarkt ohne Hindernisse grenzüberschreitend möglich sein muß ([[Handelsvertreter]]). Zugleich enthält das Handelsvertreterrecht Schutznormen, denen der europäische Gesetzgeber auch in anderen Bereichen, etwa Aktionärs-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz, zunehmend Aufmerksamkeit widmet. Das Recht der Zweigniederlassungen schließlich ist im [[Europäischer Binnenmarkt|europäischen Binnenmarkt]] zentral.
Auf Vorlage des englische ''Court of Appeal'' hat der [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] in einem viel beachteten Urteil entschieden, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters zwingenden Charakter im Sinne des [[internationales Privatrecht|internationalen Privatrechts]] hat (EuGH Rs. C-381/‌98 – ''Ingmar'', Slg. 2000, I-9305). Er kommt daher auch gegenüber einem von den Parteien vereinbarten Recht eines Drittstaates (etwa dem Recht am Sitz des Unternehmers in Kalifornien wie in dem der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Fall) zur Geltung, wenn der Handelsvertreter in einem Mitgliedstaat tätig ist. Dies folgt nach dem EuGH aus der Zielsetzung der Handelsvertreter-RL, gleiche Wettbewerbsbedingungen für die aus dem Binnenmarkt tätigen Unternehmer zu schaffen und einen Mindeststandard des Schutzes für die in den Mitgliedstaaten tätigen Handelsvertreter zu schaffen. Für die gemeinschaftliche Rechtsordnung sei von grundlegender Bedeutung, dass ein Unternehmer mit Sitz in einem Drittland, dessen Handelsvertreter seine Tätigkeit innerhalb der Gemeinschaft ausübt, die Bestimmungen der Handelsvertreter-RL nicht schlicht durch eine Rechtswahlklausel umgehen kann.


== 5. Europäische Rechtsangleichung auf handelsrechtsnahen Gebieten ==
Zur Kündigung des Handelsvertretervertrags und zu den Voraussetzungen für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot stellt die Handelsvertreter-RL einen Mindestschutz des Vertreters auf, stellt es jedoch den Mitgliedstaaten frei, einen darüber hinausgehenden Schutz zu normieren (Art. 15, 16 sowie Art. 20 Handelsvertreter-RL).


Wenn man einen weiten Begriff des Handelsrechts (s.o. 1.) zugrundelegt oder auf die europäische Rechtsangleichung auf handelsrechtsnahen Gebieten wie dem Gesellschaftsrecht, Bank- und Börsenrecht, Versicherungsrecht und in Teilen des Arbeitsrechts abhebt, nimmt die Zahl der europarechtlichen Rechtsangleichungsmaßnahmen drastisch zu, so dass es keinen Sinn macht, diese hier näher anzusprechen; vielmehr muss auf einzelne andere Stichwörter verwiesen werden. So zählt eine Textsammlung von 2007 zum europäischen Gesellschafts- und Finanzrecht 32 Einträge, zum Bankrecht 42, zum Recht des Verbraucherschutzes bei Finanztransaktionen 24, zum Börsen- und Kapitalmarktrecht 34, zum Versicherungsrecht 40 und zum Unternehmensrecht 13.
== 4. Vereinheitlichungsprojekte ==


== 6. Ein europäisches Handelsgesetzbuch? ==
Im Draft [[Common Frame of Reference|DCFR]] vorgeschlagen, das Handelsvertreterrecht als Teil des Vertriebsrechts zu vereinheitlichen. Bestimmte Regelungen, die in allen Formen des [[Vertrieb]]s anzutreffen sind (Informationspflichten, Kündigungsfristen, Kundschaftsentschädigung) werden vor die Klammer gezogen in einem allgemeinen Teil geregelt, wobei der Einfluss der Handelsvertreter-RL und insbesondere bei der Beendigung des Handelsvertretervertrages der Einfluss des deutschen Rechts bemerkenswert ist: Der DCFR sieht nur einen Ausgleichsanspruch, grundsätzlich aber keinen Schadensersatzanspruch vor.
 
Verschiedentlich ist die Forderung nach einem europäischen Handelsgesetzbuch erhoben worden (z.B. von ''Ulrich'' ''Magnus''). Zur Begründung wird vorgebracht, dass abgesehen vom [[Vertragsschluss]] und vom allgemeinen Vertragsrecht bereits eine Reihe von besonderen Verträgen des Handelsrechts ganz oder teilweise international einheitlich geregelt seien (Handelskauf, Finanzierungsleasing [''[[Leasing]]''], ''[[Factoring]]'', Garantieverträge [[[Garantie]]], [[Transportvertrag|Transportverträge]], [[Handelsvertreter]]verträge, Lagerverträge, Dokumentenakkreditive [[[Akkreditiv]]e] und Überweisungen [[[Überweisungsverkehr (grenzüberschreitender)]]]). Es fehlten jedoch so wichtige Handelsverträge wie Vertriebsverträge ([[Vertrieb]]) und ''[[Franchising]]'', [[Lizenzverträge]], Know-how- und Technologietransferverträge. Diese Bausteine bedürften nur der Zusammenfügung zu einem stimmigen Gebäude.
 
Daran ist sicher richtig, dass die Auswahl und Reichweite dieser Rechtsvereinheitlichungen vielfach nur politisch oder interessengetrieben zu verstehen ist. So ist beispielsweise nicht recht verständlich, warum aus dem gesamten Vertriebsrecht, bei dem der Unternehmer doch die Wahl zwischen Direktvertrieb, Handelsvertretervertrieb oder Vertriebe über Vertragshändler hat, nur das Handelsvertreterrecht erfasst ist und auch dieses nur in Einzelheiten, z.B. hinsichtlich der Vergütung der Handelsvertreter und der Vertragsbeendigung mit Ausgleichsansprüchen, nicht aber das Recht der Vertragshändler (von dem öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsrecht abgesehen). Indessen ist eingangs darauf hingewiesen worden, dass eine eigene [[Kodifikation]] des Handelsrechts in den Mitgliedstaaten keineswegs allgemeine Zustimmung findet, sondern eher im Gegenteil eine Bewegung dahin festzustellen ist, das Handelsrecht in das bürgerliche Recht zurückzuholen. Auch bestehen zu Begriff und Reichweite des Handelsrechts in den Mitgliedstaaten ganz erhebliche Unterscheide und Meinungsverschiedenheiten. Schließlich hat die europäische Bewegung wenn nicht hin zu einem europäischen Zivilgesetzbuch, so doch zu einer allgemeineren Vertragsrechtsvereinheitlichung durch ''principles'', ''model laws'' und ''tools'' in den letzten Jahren ganz erheblich an Bedeutung gewonnen. Dort wird man eher weiterschreiten.


==Literatur==
==Literatur==
''Peter Raisch'','' ''Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1965; ''Wolfgang Zöllner'', Wovon handelt das Handelsrecht? Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 1983, 82ff.; ''Franz Bydlinski'', Handels- oder Unternehmensrecht als Sonderprivatrecht, 1990; ''Uwe Blaurock'','' ''Übernationales Recht des Internationalen Handels, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 1 (1993) 247 ff.; ''Herbert Kronke'', Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung des Reichsoberhandelsgerichts, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 5 (1997) 735 ff.; ''Ulrich Magnus'', Die Gestalt eines Europäischen Handelsgesetzbuches, in: Festschrift für Ulrich Drobnig, 1998, 57 ff.; ''Karsten Schmidt'', Handelsrecht, 5. Aufl. 1999; ''Klaus J. Hopt'' (Hg.), Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 3. Aufl. 2007; ''Klaus J. Hopt'', ''Eddy Wymeersch'' (Hg.), European Company and Financial Law, 4. Aufl. 2007; ''Adolf Baumbach'', ''Klaus J. Hopt'', ''Hanno Merkt'','' ''Handelsgesetzbuch mit GmbH & Co, Handelsklauseln, Bank- und Börsenrecht, Transportrecht (ohne Seerecht), 34. Aufl. 2009.
''Ole'' ''Lando'', The EEC draft directive relating to self-employed commercial agents, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 44 (1980) 1 ff.; ''Jürgen Basedow'', Das Vertretungsrecht im Spiegel konkurrierender Harmonisierungsentwürfe, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 45 (1981) 196 ff.; ''Kommission der Europäischen Gemeinschaften'', Bericht über die Anwendung von Artikel 17 der Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (86/‌653/‌EWG), 1996 (KOM(96) 364 endg.); ''Till'' ''Fock'', Die europäische Handelsvertreter-Richtlinie, 2001; ''Roland Hagemeister'', Der Handelsvertreter im englischen Recht und seine Ansprüche bei Beendigung des Vertretervertrags, 2003; ''Klaus J.'' ''Hopt'', Handelsvertreterrecht, 3. Aufl. 2003; ''Michael Martinek'', ''Franz-Jörg Semler'', ''Stefan Habermeier'', Handbuch des Vertriebsrechts, 2. Aufl. 2003.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Commercial_Law]]
[[en:Commercial_Agents]]

Version vom 8. September 2021, 12:27 Uhr

von Knut B. Pißler

1. Gegenstand und Zweck

Der Handelsvertreter ist gemäß der Definition in Art. 1(2) der Handelsvertreter-RL vom 18.12.1986 (RL 86/‌653), mit der das Handelsvertreterrecht in den Mitgliedstaaten harmonisiert wurde, als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut, für eine andere Person den Verkauf oder den Ankauf von Waren zu vermitteln oder diese Geschäfte im Namen und für Rechnung des Unternehmers abzuschließen. Betriebswirtschaftlich ist der Handelsvertreter einer von drei Grundtypen von Absatzkanälen vom Hersteller zum Endkäufer: Üblich ist der Weg über den Groß- und Einzelhandel, wichtig und häufig ist auch der Weg über Handelsvertreter oder Vertragshändler, seltener geworden ist der Direktabsatz über eigene Filialen oder Verkaufsangestellte (Reisende). Rechtlich ist der Handelsvertreter also anders als Groß- und Einzelhändler in den Absatz und Vertrieb eines anderen Unternehmens eingegliedert, und zwar im Gegensatz zum Makler ständig. Der Handelsvertreter behält dabei aber anders als der Arbeitnehmer seine rechtliche Selbstständigkeit; die Abgrenzung des Handelsvertreters vom Arbeitnehmer ist indes eines der schwierigsten Probleme des materiellen Handelsvertreterrechts überhaupt. Dem Mehr an unternehmerischer Freiheit des Handelsvertreter entspricht ein Weniger an rechtlichem Schutz. Das Erscheinungsbild des Handelsvertreters in der Praxis ist allerdings sehr vielgestaltig. Es reicht vom großen Vertriebsunternehmer mit Marktmacht, auf den der Hersteller angewiesen ist, beispielsweise bestimmte Importeure, über den nur rechtlich selbstständigen, aber wirtschaftlich abhängigen Handelsvertreter bis zum Handelsvertreter im Nebenberuf und zum Einfirmenvertreter mit arbeitnehmerähnlicher Stellung und Schutzbedürftigkeit. Der Vertrieb über Handelsvertreter ist heute nur eine Erscheinungsform in einer Vielfalt von Absatzmittlungs- und Vertriebssystemen; das Handelsvertreterrecht ist dementsprechend Teil des Rechts des Vertriebsmittler bzw. Vertriebssysteme, wie beispielsweise Vertragshändler und Franchising. Der Handelsvertreter und das zu seinem Schutz normierte Recht geben aber für ähnliche Absatzmittler und Vertriebssysteme eine Leitbildfunktion ab.

Das Gewerbe des Handelsvertreters ist eine relativ junge Erscheinung, die eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbunden ist. Zu dieser Zeit bewirkte die starke Zunahme der Industrialisierung und des Außenhandels die Entstehung dieser neuen Vertriebsform. Es kam zu einer zunehmenden Arbeitsteilung zwischen der Herstellung und dem Vertrieb der Waren, so dass eine zusätzliche Handelsstufe zwischen Produzenten und Endkunden entstand. Auch wurden die zu bedienenden Märkte durch den Auf- und Ausbau leistungsfähiger Verkehrsnetze, die das Erschließen neuer, fernerer Absatzregionen ermöglichten, größer. Dies machte den Einsatz von ständig tätigen Vermittlern nötig, um ein größeres Maß an Präsenz und Kundennähe zu zeigen. Anfangs wurde die neue Absatzmittleraufgabe von Angestellten wahrgenommen, was sich aber angesichts der großen Vertriebsgebiete und der breiten Angebotspalette bald als zu kostspielig erwies. Es kam daher zum Einsatz von am produktionsfernen Ort ansässigen Vermittlern, die mehrere Unternehmer vertraten und diesen die von ihnen aufgebaute Infrastruktur zur Verfügung stellten. Der allmähliche Übergang vom Festgehalt zu einer Erfolgsvergütung führte zu einer stetigen Verselbständigung der auswärtigen Vertreter, so dass sie sich mehr und mehr zu auf eigenes Risiko tätigen selbständigen Unternehmern entwickelten. Die Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren machte deutlich, dass sich der Handelsvertreter trotz seiner rechtlichen Stellung als selbständiger Unternehmer in einer besonderen wirtschaftlichen Abhängigkeit zu seinem Prinzipal befand. Diese Abhängigkeit zeigte sich verstärkt, als Unternehmen dazu übergingen, ihre Vertreter durch das vertragliche Verbot einer Annahme von Mehrfachvertretungen enger an sich zu binden, wobei die damals geltenden handelsrechtlichen Vorschriften dem Vertreter keinen dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit entsprechenden Schutz boten.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

In Deutschland und Österreich erkannte man zwar früh die wirtschaftliche Bedeutung des Handelsvertreters und die Notwendigkeit, ihm einen rechtlichen Rahmen zu geben. Dennoch enthielt das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (ADHGB) von 1891 nur Vorschriften über den Handelsmakler, so dass der Handelsvertretervertrag nach dem Dienst- und Werkvertragsrecht beurteilt wurde. Erst im neuen deutschen Handelsgesetzbuch von 1897 wurde eine eigenständige Regelung des Handelsvertreters für notwendig erachtet, die sich jedoch bereits nach kurzer Zeit als unzureichend erwies, um die Stellung des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer zu verbessern. Schrittmacher für die Forderung nach einem Eingreifen des Gesetzgebers war die Rechtsentwicklung in Österreich, die 1921 zum Erlass eines Handelsagentengesetzes (später Handelsvertretergesetz) mit einer Reihe zwingender Schutzvorschriften zugunsten des Handelsvertreters führte. Hierin wurde zum ersten Mal ein Anspruch auf Kundschaftsentschädigung zugebilligt, der später Vorbild für den deutschen Ausgleichsanspruch werden sollte. In Deutschland führten die nach der Gründung der Bundesrepublik wiederaufgenommenen Arbeiten aber erst 1953 zum Erfolg.

Kernmerkmal des deutschen Handelsvertreterrechts ist seine sozialpolitische Ausrichtung: Die §§ 84 ff. HGB enthalten eine Reihe zwingender Vorschriften zum Schutz des Handelsvertreters als der typischerweise schwächeren Partei (Kündigung des Handelsvertretervertrags, Voraussetzungen für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot und für einen nachvertraglichen Ausgleichanspruch für den Verlust des vom Vertreter aufgebauten Kundenstamms bei Beendigung des Vertretungsverhältnisses). Dabei ist dieser spezielle Schutz nicht auf die besonders von ihrem Unternehmer abhängigen Einfirmenvertreter beschränkt. Bei der Abgrenzung zum Arbeitsrecht geht das deutsche Recht von einer eindeutigen Unterscheidung dieser beiden Schutzrechtsordnungen aus.

In Frankreich und Belgien war das Recht des Handelsvertreters lange Zeit nicht gesetzlich geregelt. In beiden Ländern hatte der Code civil von 1804 eine entscheidende Rolle bei der Behandlung der rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit Handelsvertretern (commis voyageur, später: représentant de commerce), da der Code de Commerce keine entsprechenden Regelungen enthielt. Der Handelsvertretervertrag wurde dabei unter das Dienstvertragsrecht (contrat de louage de service) oder den Auftrag (mandat) eingeordnet, wobei sich ersteres durch das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses (lien de subordination) zwischen dem Dienstverpflichteten und dem Dienstberechtigten definiert. Daher wurde in Frankreich anders als in Deutschland lange Zeit nicht zwischen dem selbständigen Handelsvertreter und dem angestellten Handlungsreisenden unterschieden, wobei diese Einordnung nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmte. Ordnete man den Handelsvertretervertrag als Auftrag (mandat) ein, erwies sich als problematisch, dass der Code civil das mandat als grundsätzlich unentgeltlich und als durch den Prinzipal frei widerrufbar ansieht. Das französische Recht ging also weder von einer ständigen Vertragsbeziehung zwischen Mandatar und Mandanten noch von einer Tätigkeit des Mandatars zu Erwerbszwecken aus, was wiederum den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Handelsvertretung nicht gerecht wurde. 1937 schuf der französische Gesetzgeber mit dem Statut professionel des voyageurs, représentants et placiers eine erste gesetzliche Regelung des Vermittlungsrechts für Personen, die keine eigenwirtschaftliche Tätigkeit ausüben. 1958 regelte er in einem décret zusätzlich das Rechtsverhältnis des agent commercial, welches zwar das Recht des Prinzipals zum einseitigen Widerruf der Beauftragung aufhob und einen nachvertraglichen Schadensersatzanspruch bei einseitiger Vertragsbeendigung durch den Unternehmer festschrieb, jedoch für seine Anwendung konstitutiv die Registrierung vorsah. Dies führte in der folgenden Zeit zu einer Zersplitterung des französischen Handelsvertreterrechts, da auf den nicht eingetragenen Handelsvertreter (agent non statutaire), der auch nicht unter das statut professionel aus dem Jahr 1937 fiel, wiederum die allgemeinen Regelungen des Code civil angewandt wurden.

Im belgischen Handelsvertreterrecht blieb die Schaffung von zwingenden Regeln, welche auch den selbständigen Vertreter in seiner potentiell schwächeren Position gegenüber dem Unternehmer zu schützen geeignet wären, hingegen aus.

Im englischen Recht existierten ebenfalls keine spezifischen Regelungen hinsichtlich des in den kontinentaleuropäischen Ländern als Handelsvertretung bezeichneten Warenvertriebstypen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich im common law keine eigenen Regeln für die kaufmännische Stellvertretung, insbesondere hinsichtlich des Innenverhältnisses zwischen Vertreter und Unternehmer, entwickelten. Handelsvertreter unterlagen dort den Regeln des Rechtsinstituts der agency (Stellvertretung). Dabei war die traditionelle Position des englischen Rechts hinsichtlich der Behandlung von agency-Verträgen von der Auffassung geprägt, dass Vertreter und Geschäftsherr das Recht haben sollten, ihr Rechtsverhältnis nach eigenem Gutdünken auszugestalten. Folglich gab es keine zwingenden Bestimmungen zum Schutz des in der Eigenschaft als Handelsvertreter tätig werdenden agent. Dieser wurde nicht als schutzbedürftig angesehen. Vielmehr bestand die Auffassung, dass es sich bei diesem Handelsvertreter-Agent um einen selbständigen Unternehmer handelt, dem folglich zuzutrauen war, seine Rechte in ausreichendem Maße eigenständig vertraglich gegenüber dem Geschäftsherrn durchzusetzen. Als potentiell gefährdete und somit schutzwürdige Partei wird im englischen agency-Recht daher auch nicht der Stellvertreter, sondern vielmehr der Geschäftsherr angesehen. Es besteht die Sorge, der agent könnte die ihm gewährten Rechte zum Schaden des principal nutzen, so dass das common law of agency gewisse fiduziarische Pflichten des Stellvertreters gegenüber seinem Geschäftsherrn vorsieht. Hingegen fehlen dem englischen agency-Recht im Hinblick auf die Tätigkeit eines Handelsvertreters jegliche Regeln zum Schutze des Vertriebsmittlers (kein Anspruch auf Provision, Möglichkeit der fristlosen Kündigung des agency-Vertrags, keine nachvertragliche Kundschaftsentschädigung).

3. Regelungsstrukturen im Einheitsrecht

Da in einigen europäischen Ländern zwingende Vorschriften zum Schutz des Handelsvertreters (insbesondere nachvertragliche Entschädigungs- bzw. Ausgleichsansprüche) normiert waren, während in anderen Mitgliedstaaten die Vertragsfreiheit der Parteien und vor allem die des Unternehmers in der Ausgestaltung der Vertretungsverträge nicht eingeschränkt waren, kam es zu einer entsprechenden Kostendifferenz für die Unternehmer, je nachdem, welchem Recht ihre Handelsvertreterverträge unterlagen. Wettbewerbsverzerrungen entstanden in Fällen von grenzüberschreitenden Sachverhalten, bei denen der für denselben Unternehmer tätige Handelsvertreter in verschiedenen Mitgliedstaaten auftrat. Wenn beispielsweise ein deutscher Unternehmer einen deutschen Handelsvertreter auch auf dem belgischen Markt einsetzte, konkurrierte dieser Unternehmer mit belgischen Unternehmen, deren Vertragsverhältnisse mit Handelsvertretern belgischem Recht unterliegen. Da das belgische Handelsvertreterrecht lange keinen Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Vertrags kannte, bestand für den deutschen Unternehmer durch die Anwendbarkeit des „teureren“ deutschen Handelsvertreterrechts ein Wettbewerbsnachteil. Außerdem war die Ungleichheit der Wettbewerbsbedingungen auf Bestimmungen des Kollisionsrechts, nämlich die Reichweite der Rechtswahlfreiheit, zurückzuführen. Denn der ausländische Unternehmer konnte über eine Rechtswahlklausel die unter Umständen im Lande des Vertriebs bestehenden national zwingenden Bestimmungen im Handelsvertreterrecht abbedingen, an die der inländische Unternehmer hingegen gebunden war.

Vor diesem Hintergrund wurde eine Harmonisierung des Rechts des Handelsvertreters in der am 18.12.1986 verabschiedeten Handelsvertreter-RL (RL 86/‌653) angestrebt, um das durch die kostenträchtigen zwingenden Vorschriften verursachte Belastungsniveau der in den Mitgliedstaaten tätigen Unternehmen anzugleichen und das Schutzniveau für die von diesen Vorschriften begünstigten Handelsvertreter zu vereinheitlichen.

Der Verabschiedung der Handelsvertreter-RL im Jahr 1986 ging nicht zuletzt wegen scharfer Kritik aus England eine 25-jährige Vorbereitungsphase voraus. Während ein Vorentwurf aus dem Jahr 1976 deutlich vom deutschen Handelsvertreterrecht geprägt war, enthält die verabschiedete Fassung Umsetzungsalternativen, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen sollten, ungeachtet der angestrebten Harmonisierung an ihren eigenen Rechtskonzepten festzuhalten. Dies gilt für die in der Vertriebspraxis sehr relevante Frage, welche zusätzlichen Rechte ein Vertreter haben sollte, dem vom Unternehmen ein bestimmtes Gebiet für seine Vermittlungstätigkeit zugewiesen worden ist, und die Regelungen über die Beendigung des Handelsvertretervertrages. Während sich der Richtlinienentwurf für eine Anlehnung an das deutsche Konzept des Bezirksvertreters entschied, lässt die Handelsvertreter-RL den Mitgliedstaaten die Wahl, stattdessen vom Konzept des Alleinvertreters auszugehen, wie es der Rechtslage in den meisten anderen Mitgliedstaaten entsprach (Art. 7(2) Handelsvertreter-RL).

Zur Beendigung des Handelsvertretervertrages enthält die Richtlinie ebenfalls zwei Umsetzungsalternativen: Den dem deutschen Recht entnommenen Ausgleichsanspruch des Vertreters für nachvertragliche Vorteile des Unternehmers aus der Übernahme des Kundenstammes (Art. 17(2) Handelsvertreter-RL) und einen Schadensersatzanspruch des Handelsvertreters im Falle der Vertragsbeendigung (Art. 17(3) Handelsvertreter-RL). Im Jahr 1996 legte die Kommission in Übereinstimmung mit Art. 17(6) der Handelsvertreter-RL einen Bericht über die Umsetzung der Regeln zur Beendigung des Handelsvertretervertrags in den Mitgliedstaaten vor (KOM(96) 364 endg.). Die Europäische Kommission stellte fest, dass man sich nur in Frankreich, im Vereinigten Königreich und in Irland für das Schadensersatzmodell entschieden hat, während die anderen Mitgliedstaaten die Ausgleichsvariante gewählt haben. Im Vereinigten Königreich gilt der Schadensersatzanspruch jedoch nur, wenn sich die Parteien nicht für einen Ausgleichsanspruch des Vermittlers entschieden haben, was in der Praxis jedoch selten vorkommt. Dort führte die Umsetzung der Richtlinie in Einzelfällen auch dazu, dass keine neuen Handelsvertreterverträge abgeschlossen wurden oder die Handelsvertreter als Beschäftigte übernommen wurden.

Auf Vorlage des englische Court of Appeal hat der EuGH in einem viel beachteten Urteil entschieden, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters zwingenden Charakter im Sinne des internationalen Privatrechts hat (EuGH Rs. C-381/‌98 – Ingmar, Slg. 2000, I-9305). Er kommt daher auch gegenüber einem von den Parteien vereinbarten Recht eines Drittstaates (etwa dem Recht am Sitz des Unternehmers in Kalifornien wie in dem der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Fall) zur Geltung, wenn der Handelsvertreter in einem Mitgliedstaat tätig ist. Dies folgt nach dem EuGH aus der Zielsetzung der Handelsvertreter-RL, gleiche Wettbewerbsbedingungen für die aus dem Binnenmarkt tätigen Unternehmer zu schaffen und einen Mindeststandard des Schutzes für die in den Mitgliedstaaten tätigen Handelsvertreter zu schaffen. Für die gemeinschaftliche Rechtsordnung sei von grundlegender Bedeutung, dass ein Unternehmer mit Sitz in einem Drittland, dessen Handelsvertreter seine Tätigkeit innerhalb der Gemeinschaft ausübt, die Bestimmungen der Handelsvertreter-RL nicht schlicht durch eine Rechtswahlklausel umgehen kann.

Zur Kündigung des Handelsvertretervertrags und zu den Voraussetzungen für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot stellt die Handelsvertreter-RL einen Mindestschutz des Vertreters auf, stellt es jedoch den Mitgliedstaaten frei, einen darüber hinausgehenden Schutz zu normieren (Art. 15, 16 sowie Art. 20 Handelsvertreter-RL).

4. Vereinheitlichungsprojekte

Im Draft DCFR vorgeschlagen, das Handelsvertreterrecht als Teil des Vertriebsrechts zu vereinheitlichen. Bestimmte Regelungen, die in allen Formen des Vertriebs anzutreffen sind (Informationspflichten, Kündigungsfristen, Kundschaftsentschädigung) werden vor die Klammer gezogen in einem allgemeinen Teil geregelt, wobei der Einfluss der Handelsvertreter-RL und insbesondere bei der Beendigung des Handelsvertretervertrages der Einfluss des deutschen Rechts bemerkenswert ist: Der DCFR sieht nur einen Ausgleichsanspruch, grundsätzlich aber keinen Schadensersatzanspruch vor.

Literatur

Ole Lando, The EEC draft directive relating to self-employed commercial agents, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 44 (1980) 1 ff.; Jürgen Basedow, Das Vertretungsrecht im Spiegel konkurrierender Harmonisierungsentwürfe, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 45 (1981) 196 ff.; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Bericht über die Anwendung von Artikel 17 der Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (86/‌653/‌EWG), 1996 (KOM(96) 364 endg.); Till Fock, Die europäische Handelsvertreter-Richtlinie, 2001; Roland Hagemeister, Der Handelsvertreter im englischen Recht und seine Ansprüche bei Beendigung des Vertretervertrags, 2003; Klaus J. Hopt, Handelsvertreterrecht, 3. Aufl. 2003; Michael Martinek, Franz-Jörg Semler, Stefan Habermeier, Handbuch des Vertriebsrechts, 2. Aufl. 2003.