Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament und Erfüllung und ihre Surrogate: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Gegenstand und Zweck ==
== 1. Begriff und Tatbestandsmerkmale ==
In vielen europäischen Staaten gibt es neben dem [[Testament]] zwei weitere Arten von Verfügungen von Todes wegen, den Erbvertrag und das gemeinschaftliche Testament. Ein Erbvertrag ist ein vertraglich bindendes, d.h. nicht frei widerrufliches, zweiseitiges Rechtsgeschäft, das mindestens eine Verfügung von Todes wegen enthält. Kein Erbvertrag im hier verstandenen Sinne ist der Erbverzichtsvertrag (teilweise „renuntiativer Erbvertrag“ genannt), mit dem ein zukünftiger Erbe auf erbrechtliche Ansprüche verzichtet. Problematisch ist die Abgrenzung zur Schenkung von Todes wegen: Hierbei handelt es sich um ein Schenkungsversprechen, dessen Vollziehbarkeit unter der Bedingung des Todes des Schenkers steht. Aufgrund der identischen Wirkungen kann man ein solches Rechtsgeschäft auch als Erbvertrag einordnen (so unter bestimmten Voraussetzungen Deutschland: § 2301 Abs. 1 BGB und die Schweiz: Art. 245 Abs. 2 OR). Einige Rechtsordnungen, die keinen Erbvertrag kennen, lassen vor allem im Zusammenhang mit Eheverträgen vertragliche Verfügungen von Todes wegen zu (Frankreich, Belgien, Luxemburg, Spanien, Portugal, bis 2003 auch die Niederlande). Diese Gestaltungsmöglichkeit wird gesetzessystematisch dann meist als eine ausnahmsweise gestattete Schenkung von Todes wegen eingeordnet (anders in Portugal, vgl. Art. 1700 ''Código civil'').
Die Erfüllung ist der typische und bestimmungsgemäße Beendigungsgrund des Schuldverhältnisses im engeren Sinne. Mit der vollständigen Befriedigung des Gläubigers durch Leistung des Schuldners erlöschen der schuldrechtliche Anspruch und zugleich auch alle Nebenrechte wie Bürgschaften und Pfandrechte. Die Schuld ist erfüllt (''solutio''). Bis heute ist es besonders im deutschen sowie im französischen Rechtskreis umstritten, ob die rein tatsächliche Bewirkung der Leistung genügt, um die Leistungspflicht erlöschen zu lassen, oder ob zum Tatbestand der Erfüllung auch ein subjektives Tatbestandsmerkmal, nämlich eine Willenseinigung der Parteien oder wenigstens ein Erfüllungswille des Schuldners, gehört. Die [[Kodifikation]]en haben sich einer diesbezüglichen Regelung enthalten. Auch internationale Instrumente wie [[Principles of European Contract Law|PECL]], Draft [[Common Frame of Reference|DCFR]] und [[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT PICC]] lassen diese Frage, die in der Praxis nur in verhältnismäßig seltenen Fällen eine Bedeutung gefunden hat, offen.


Das gemeinschaftliche Testament kommt in unterschiedlichen Erscheinungsformen vor und steht je nach Ausgestaltung entweder einem [[Testament]] oder einem Erbvertrag näher. Zunächst gibt es das sog. gleichzeitige gemeinschaftliche Testament (''testamentum mere simultaneum''), bei dem äußerlich die beiden Verfügungen (in der Regel in einer Urkunde) zusammengefasst sind, aber inhaltlich – wie bei zwei getrennten einfachen Testamenten – zusammenhanglos nebeneinander stehen. Bei dem sog. ''testamentum reciprocum'' bedenken sich die Ehegatten gegenseitig, so dass ein gewisser, wenn auch schwacher, inhaltlicher Zusammenhang besteht. Demgegenüber liegt ein wechselbezügliches gemeinschaftliches Testament (''testamentum correspectivum'') dann vor, wenn die letztwillige Verfügung des einen Testierenden in ihrer Wirksamkeit von der Verfügung des anderen abhängt, sie also inhaltlich miteinander verknüpft sind, so dass die Verfügung des einen mit der des anderen „steht und fällt“. Rechtsordnungen, die diese Form des gemeinschaftlichen Testaments zulassen, sehen vielfach vor, dass nach dem Tod des einen Testators der länger Lebende seine Verfügungen nicht mehr widerrufen kann. In diesem Fall entfaltet das gemeinschaftliche Testament somit Wirkungen, die mit denjenigen des Erbvertrages vergleichbar sind.
Objektives Tatbestandsmerkmal der Erfüllung ist eine vom Inhalt und Umfang her der Leistungspflicht ([[Leistungspflicht, Inhalt der]]) entsprechende Handlung oder Unterlassung. Nur das Erlöschen durch Befriedigung des Leistungsinteresses fällt unter den Begriff der Erfüllung. Der Inhalt der Leistungspflicht bestimmt sich primär nach ausdrücklicher und stillschweigender Parteiabrede und sekundär nach dispositivem Recht.


Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament liegen auf der Schnittstelle zweier sich widersprechender Grundprinzipien: Auf der einen Seite die [[Testierfreiheit]], die dafür streitet, dass Verfügungen von Todes wegen grundsätzlich frei widerruflich sind, auf der anderen Seite die Vertragsfreiheit, die dafür spricht, verbindliche Absprachen auch für den Todesfall treffen zu können. Das [[römisches Recht|römische Recht]] sah Erbverträge als unzulässige Einschränkung der Testierfreiheit an und bewertete sie daher als nichtig. Auch wenn die Unzulässigkeit gemeinschaftlicher Testamente für das römische Recht nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen ist, scheint festzustehen, dass sie faktisch nicht vorkamen, so dass viel dafür spricht, dass sie ebenfalls unzulässig waren.
Abweichungen vom Leistungsinhalt, sofern sie nicht unerheblich sind, resultieren in Nichterfüllung und geben dem Gläubiger den Zugriff auf etwaige Rechtsbehelfe. Der Schuldner ist normalerweise nicht berechtigt, einseitig den Schuldinhalt zu ändern, etwa sich durch Zahlung von Schadensersatz von der Verbindlichkeit zu befreien (anders z.B. England [[Erfüllungsanspruch]]). Aufgrund der Privatautonomie steht es den Parteien jedoch frei, einer beliebigen Leistung die Erfüllungswirkung beizulegen (Leistung an Erfüllungs statt). Europäische Rechtsordnungen geben dem Schuldner aber auch einige wenige Möglichkeiten, durch äquivalenten Ersatz für die geschuldete Leistung (Erfüllungssurrogat) das Leistungsinteresse des Gläubigers zu befriedigen. Einen solchen Ersatz stellen insbesondere die Hinterlegung und die [[Aufrechnung]] dar. Speziell für Geldschulden stellt sich die Frage, ob die Ausstellung eines Schecks oder einer anderen Zahlungsanweisung oder die Überweisung auf ein Bankkonto einen äquivalenten Ersatz bilden, und somit dem Schuldner das Recht gegeben ist, seine Leistungspflicht gegebenenfalls auf diesem Wege zu erfüllen. In vielen europäischen Rechtsordnungen wird dies verneint. Barzahlung bildet die Regel (z.B. in Deutschland, England, Frankreich, Portugal, Schweiz, Spanien), und etwas anderes kann sich nur aus Parteivereinbarung ergeben. Doch PECL, DCFR und UNIDROIT PICC vertreten hier einen anderen Standpunkt: Die Zahlung von Geld kann in jeder Form erfolgen, die im allgemeinen Geschäftsverkehr üblich ist. Demnach steht es dem Schuldner frei, statt Barzahlung eine dieser üblichen Methoden zur Zahlung zur nutzen. Der Gläubiger muss dieses Erfüllungssurrogat annehmen.  


Gleichzeitig zeigt die historische Entwicklung aber auch, dass ein praktisches Bedürfnis besteht, verbindliche Absprachen über letztwillige Verfügungen treffen zu können, ursprünglich vor allem, um die materielle Absicherung des überlebenden Ehegatten zu garantieren. So waren schon dem griechischen Recht Erbverträge geläufig; sie blieben in den griechischen Provinzen des römischen Reichs bis zum Ende der Antike in Gebrauch. Es wird vermutet, dass die römischen Juristen diese Praxis als Anwendung der ''donatio mortis causa'' (Schenkung von Todes wegen) aufgefasst haben. Im europäischen Rechtsleben des Mittelalters entwickelte sich in verschiedenen Regionen die gewohnheitsrechtliche Übung, erbrechtliche Fragen in Verträgen zu regeln, insbesondere im Zusammenhang mit Eheverträgen. Vor allem in Frankreich und Deutschland stellte man sich auf den Standpunkt, dass Erbverträge trotz des Verstoßes gegen das [[römisches Recht|römische Recht]] anerkannt werden könnten, wenn sie durch eine entsprechende Gewohnheit oder Statut zugelassen waren, da sie weder gegen das ''ius divinum'' ([[Kanonisches Recht]]) noch gegen das ''ius naturale'' ([[Naturrecht]]) verstießen.
Der schuldrechtliche Anspruch geht mit Eintreten des für den Gläubiger erwünschten Leistungserfolgs unter. Der DCFR spricht in diesem Rahmen von ''full performance''. Deswegen wird in denjenigen Fällen, in denen zwischen Leistungshandlung und ‑erfolg eine Zeitspanne tritt, die Erfüllung erst im Moment des Erfolgseintrittes stattfinden. Hier muss unterschieden werden zwischen der Rechtzeitigkeit der Leistung ([[Leistungspflicht, Inhalt der]]) und dem Moment des Untergangs der Schuld. Die Frage, ob der Schuldner rechtzeitig erfüllt hat, wird danach beurteilt, ob er rechtzeitig alle Leistungshandlungen am richtigen Ort vollbracht hat. Dass der Erfolg und somit die Erfüllung erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt, fällt nicht ins Gewicht. Für Geldschulden beispielweise bestimmen PECL und DCFR den Leistungsort ([[Leistungspflicht, Inhalt der]]) als den Ort, an dem der Gläubiger zur Zeit des Vertragsschlusses seine Niederlassung hat. So hat der Schuldner rechtzeitig geleistet, wenn er statt Barzahlung einen Scheck ausstellt und dieser unter Einhaltung der Leistungszeit bei dem Gläubiger eintrifft. Die Schuld erlischt aber erst mit Einlösung des Schecks zu einem späteren Zeitpunkt. Wann im Falle einer Zahlung durch Überweisung die Erfüllung eintritt und somit die Schuld untergeht, ist in vielen Rechtsordnungen strittig und wird auch in den PECL und dem DCFR nicht festgelegt. Auch RL 2007/64 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt ([[Überweisungsverkehr (grenzüberschreitender)]]) verschafft keine Klarheit. Die UNIDROIT PICC hingegen fixieren in dem mehrgliedrigen bargeldlosen Zahlungsprozess den Moment als Erfüllungsmoment, in dem die Überweisung an das Kreditinstitut des Gläubigers wirksam wird (Art. 6.1.8(2)).  


== 2. Rechtsvergleichender Überblick: Erbverträge ==
Die erfüllende Person kann prinzipiell ein anderer als der Schuldner sein, sofern die Schuld nicht persönlich zu bewirken ist (vgl. [[Leistungspflicht, Inhalt der]]). Sollte aber ausnahmsweise der Gläubiger selbst einen dem Schuldinhalt entsprechenden Zustand herstellen, kann nicht von einer Erfüllung gesprochen werden.
=== a) Zulässigkeit ===
Eine Vielzahl von Rechtsordnungen bewertet Erbverträge im Anschluss an das römische Recht nach wie vor als anstößig und versagt ihnen explizit die Wirksamkeit (Griechenland: §&nbsp;1717 ZGB; Italien: Art.&nbsp;458 ''Codice civile''<nowiki>; Polen: Art.&nbsp;1047 </nowiki>''Kodeks cywilny''<nowiki>; Schweden: ÄB 17:3 S.&nbsp;1). Unterschiedlich sind allerdings die Folgerungen, die aus diesem Verbot im Einzelnen gezogen werden: Regelmäßig ist die Umdeutung eines Erbvertrags in ein einfaches Testament ausgeschlossen; allerdings wird sie etwa im portugiesischen Recht akzeptiert (Art.&nbsp;946 Abs.&nbsp;2 </nowiki>''Código civil''). Besonders streng ist das italienische Recht: Hat sich jemand vertraglich verpflichtet, ein bestimmtes Testament zu errichten, so ist auch das in Erfüllung dieser Abrede errichtete Testament unwirksam, soweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Verfügende gerade deshalb in der fraglichen Weise testiert hat, weil er sich durch den – irrig für wirksam gehaltenen – Vertrag nach wie vor für gebunden hielt. Demgegenüber erstreckt sich beispielsweise nach griechischem Recht die Nichtigkeit des verbotenen Verpflichtungsvertrags nicht auf das zur „Erfüllung“ dieses Vertrags errichtete Testament.


Andere Rechtsordnungen lassen Erbverträge demgegenüber in gewissen Grenzen zu. Grundsätzlich ist es auch im französischen und'' ''belgischen Recht verboten, über den Nachlass einer noch lebenden Person einen Vertrag zu schließen (vgl. jeweils Art.&nbsp;1130 Abs.&nbsp;2 ''Code civil''). Doch können bindende Versprechen, dem Vertragspartner im Todesfall das gesamte Vermögen (oder einen Teil davon) zu überlassen, in einem Ehevertrag getroffen werden. Dabei kann dieses Versprechen nicht nur durch den einen Ehegatten zu Gunsten des anderen Ehegatten, sondern auch durch Dritte zugunsten der Ehegatten oder künftiger Kinder abgegeben werden. Ehegatten können außerdem eine entsprechende Vereinbarung auch in Form einer normalen Schenkung treffen (jeweils Art.&nbsp;1081&nbsp;ff.; 1091&nbsp;ff. ''Code civil''), doch ist diese frei widerruflich (jeweils Art.&nbsp;1096 ''Code civil''). Formal werden derartige Vereinbarungen als „donation de biens à venir“ bezeichnet und damit als Schenkungen eingeordnet. Der Sache nach lassen sich derartige Abreden jedoch mit einem Erbvertrag vergleichen und werden von der französischen Lehre konsequenterweise auch als „institution contractuelle“ angesehen. Auch das portugiesische und das spanische Recht eröffnen entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten, allerdings nur soweit Verlobte vor der Eheschließung in einem Ehevertrag entsprechende Schenkungen vornehmen (Portugal: Art. 1700 ''Código civil''<nowiki>; Spanien: Art.&nbsp;1341 Abs.&nbsp;2 </nowiki>''Código civil''). Das ungarische Recht kennt demgegenüber Erbverträge als Unterart des Unterhalts- oder Leibrentenvertrags. Der im Erbvertrag als Erbe Eingesetze muss als Gegenleistung dem Erblasser Unterhalt oder eine Leibrente zusagen (§&nbsp;655 Abs.&nbsp;1 Gesetz IV/1959 über das Zivilgesetzbuch). Eigene Verfügungen von Todes wegen kann der Vertragspartner nicht treffen.
== 2. Systematische Einordnung ==
Mit der vollständigen Befriedigung des Gläubigers durch eine vertrags- und gesetzeskonforme Leistung des Schuldners erlischt die Leistungspflicht. In dieser Hinsicht ist der Begriff der Erfüllung ein zweideutiger: Er kann sich sowohl auf den Tatbestand der Erfüllungshandlung als auch auf die Rechtsfolgen dieser Handlung beziehen. Im deutschen Sprachbereich wird deswegen zwischen dem Begriff der Leistung, der sich mit den Voraussetzungen des Erfüllungsvorgangs auseinandersetzt (d.h. was, wann, wo, von wem geleistet werden muss, [[Leistungspflicht, Inhalt der]]) und dem der Erfüllung, der sich auf die Folgen und Wirkungen der Handlung konzentriert, unterschieden.


In den germanischen Rechtsordnungen spielen Erbverträge traditionell eine wichtige Rolle: Sowohl das deutsche (§§&nbsp;2274-2300 BGB) als auch das schweizerische Recht (Art.&nbsp;494 ZGB) und ihm folgend das türkische Recht (Art.&nbsp;527 ZGB) akzeptieren den Erbvertrag als allgemeine Form der letztwilligen Verfügung. Neben Erbverträgen zwischen Ehegatten, die auch in diesen Ländern im Vordergrund stehen, bilden Vereinbarungen, durch die sich der Bedachte in Aussicht auf die Erbschaft verpflichtet, dem Erblasser Dienste zu leisten oder Unterhalt zu zahlen, ein weiteres praktisch wichtiges Anwendungsfeld. Demgegenüber ist nach österreichischem Recht der Erbvertrag auf Eheleute und Verlobte begrenzt (§§&nbsp;1249&nbsp;ff. ABGB) und wird deshalb nicht dem Erb-, sondern dem Eherecht zugeordnet. Vertraglich bindend können in Deutschland, der Schweiz und der Türkei nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen ([[Testament]]) angeordnet werden (Deutschland: §&nbsp;2278 Abs.&nbsp;1 BGB; Schweiz: Art.&nbsp;494, 482 ZGB; Türkei Art.&nbsp;527 ZGB). Daneben können auch andere (widerrufliche) einseitige letztwillige Verfügungen getroffen werden (z.B. Anordnung einer Testamentsvollstreckung). Obwohl §&nbsp;1249 ABGB nur die vertraglich bindende Erbeinsetzung erwähnt, wird in der österreichischen Literatur vielfach auch ein Vermächtnisvertrag für zulässig gehalten.
Eine vergleichbare begriffliche Trennung ist jedoch nicht allen europäischen Rechtskreisen eigen. Auch der Aufbau des BGB, wonach die Leistung und ihre Modalitäten im Abschnitt zum Inhalt der Schuldverhältnisse, die Erfüllung als ein Grund des Erlöschens der Schuld hingegen in einem getrennten Abschnitt geregelt werden, findet nur einige wenige Nachfolger (etwa Griechenland). Verbreiteter ist es, die Fragen in Bezug auf den richtigen Inhalt der Leistung und die Folgen einer solchen Leistung zusammen unter dem Begriff der Erfüllung zu behandeln. Dieser wird dann entweder mit den Gründen des Erlöschens der Schuld untersucht (etwa Frankreich, Portugal, Spanien) oder aber vor den Folgen der Nichterfüllung platziert, und alle anderen Gründe des Erlöschens der Schuld werden getrennt geregelt (etwa Italien, Holland, Polen, Schweiz).


Dem englischen Recht ist der Erbvertrag als Verfügung von Todes wegen unbekannt. Es ist allerdings möglich, sich vertraglich zu verpflichten, bestimmte Vermögensgegenstände durch Verfügung von Todes wegen bestimmten Personen zuzuwenden (''contract to make a will'') oder ein Testament bzw. eine einzelne testamentarische Zuwendung nicht zu widerrufen (''contract not to revoke a will'').
Im englischen Recht fällt es schwer, überhaupt ein Äquivalent für die Begriffe Leistung und Erfüllung zu finden; sie werden allgemein als ''performance'' umschrieben. Gängig ist auch hier eine zusammenhängende Darstellung von ''performance'' und ''non-performance'' und in diesem Rahmen von einigen wenigen Aspekten der Leistungsmodalitäten (wie die Leistungszeit oder der Leistungsort). Dass diese Begriffe im Vergleich zu kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen nur wenig Aufmerksamkeit gefunden haben, mag darauf zurückzuführen sein, dass im englischen Recht der [[Erfüllungsanspruch]] des Gläubigers nur als Ausnahmetatbestand aufgefasst wird.


=== b) Errichtung ===
Die UNIDROIT PICC und die PECL haben es vorgezogen, alle Fragen, die in Verbindung mit Erfüllung durch Leistung auftreten, in dem Abschnitt „Erfüllung“ (Kap.&nbsp;6, Abschn.&nbsp;1 UNIDROIT PICC; Kap.&nbsp;7 PECL) zu untersuchen und danach die Bestimmungen über die Nichterfüllung abzuhandeln. In der englischen Version fällt auf, dass durchgängig nur das Wort ''performance'' benutzt wird, was in der deutschen Version teils als Erfüllung, teils als Leistung übersetzt ist. Einen gesonderten Abschnitt über das Erlöschen der Schuld enthalten diese Regelwerke nicht. Bis heute wurde außer der Erfüllung nur die Aufrechnung als ein Grund für den Untergang der Schuld geregelt.  
Vertraglich bindende Verfügungen von Todes wegen unterliegen – soweit sie zulässig sind – in allen europäischen Rechtsordnungen besonderen Formvorschriften. Rechtsordnungen, die erbrechtliche Verträge nur im Zusammenhang mit Eheverträgen oder – wie in Frankreich – in Form von Schenkungen zulassen, verlangen auch für die erbrechtlichen Anordnungen die Einhaltung der für Eheverträge bzw. Schenkungen geltenden (notariellen) Form.


Der Erbvertrag unterliegt in Rechtsordnungen, die ihn als allgemeine Form letztwilliger Verfügungen akzeptieren, ähnlichen Formvorschriften wie die Errichtung von Testamenten, wobei die privatschriftliche Errichtung stets ausgeschlossen und nur die Form des öffentlichen Testaments zugelassen wird (Deutschland: §&nbsp;2276 Abs.&nbsp;1 BGB; Schweiz: Art.&nbsp;512 Abs.&nbsp;1 ZGB; Österreich: §&nbsp;1 Notariatszwangsgesetz i.V.m. §&nbsp;67 Notariatsordnung). Im englischen Recht ist demgegenüber für eine Verpflichtung, eine letztwillige Verfügung zu treffen oder nicht zu widerrufen, keine bestimmte Form erforderlich. Es gelten die allgemeinen Bestimmungen für den Abschluss von Verträgen.
Auch der DCFR folgt der Systematik der Europäischen Grundregeln: Buch&nbsp;3, Kap.&nbsp;2 ist der Erfüllung, Kap.&nbsp;3 der Nichterfüllung und den diesbezüglichen Rechtsbehelfen gewidmet. Interessant ist es, dass am Ende des Kapitels zur Erfüllung ein zusätzlicher Artikel zu finden ist, wonach mit einer Leistung, die den vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen entspricht, die Schuld erlischt. Somit sind im DCFR die Voraussetzungen und die Wirkung der Erfüllung in einem ganzheitlichen Ansatz geregelt. Neben der Aufrechnung wird in diesem Regelwerk auch der Konfusion als einem anderen Grund des Erlöschens der Schuld ein Artikel gewidmet.  


=== c) Wirkungen ===
Obwohl die europäischen und internationalen ''soft-law ''Instrumente die Erfüllung durch Leistung in ihren Voraussetzungen und ihren Wirkungen als ein Ganzes betrachten, ist in der vorliegenden Darstellung der deutschen Tradition folgend eine Unterteilung der Themen unternommen worden. Alle Fragen, die mit der Tatbestandsseite der Leistung zu tun haben, sind unter dem Stichwort [[Leistungspflicht, Inhalt der|Leistungspflicht]] zu finden, wohingegen Fragen und Institute, die mit der erlöschenden Wirkung der Leistung verbunden sind, hier abgehandelt werden. Den folgenden Erläuterungen sind die vom Wortlaut her größtenteils übereinstimmenden Bestimmungen der PECL und des DCFR zugrunde gelegt.
Soweit eine Rechtsordnung Erbverträge anerkennt, spricht sie ihnen auch Bindungswirkung zu, so dass abweichende Verfügungen von Todes wegen nicht möglich sind (Belgien: Art.&nbsp;1083, 1093 ''Code civil''<nowiki>; Deutschland: §&nbsp;2289 Abs.&nbsp;1 BGB; Frankreich: Art.&nbsp;1083, 1093 </nowiki>''Code civil''<nowiki>; Österreich: §&nbsp;1254 S.&nbsp;1 ABGB; Schweiz: Art.&nbsp;494 ZGB; Portugal: Art.&nbsp;1701 </nowiki>''Código civil'').  


Demgegenüber bleibt das Recht des erbvertraglich gebundenen Erblassers, über sein Vermögen unter Lebenden zu verfügen, grundsätzlich unberührt. Etwas anderes gilt nur für Schenkungen, weil durch die Vornahme unentgeltlicher Verfügungen die erbvertragliche Bindung ausgehöhlt werden kann: Im französischen und belgischen Recht entfaltet eine in einem Ehevertrag enthaltene erbvertragliche Anordnung weitreichende Bindungswirkung und schließt das Recht des Verpflichteten, über sein Vermögen unentgeltlich unter Lebenden zu verfügen, aus (jeweils Art.&nbsp;1083, 1093 ''Code civil''). In ähnlicher Weise unterliegen nach schweizerischem Recht Schenkungen, die mit dem Inhalt des Erbvertrags nicht vereinbar sind, der Anfechtung (Art.&nbsp;494 Abs.&nbsp;3 ZGB). In Österreich ist der Erblasser bei Verfügungen unter Lebenden völlig frei (§&nbsp;1252 ABGB), doch kann gemäß §&nbsp;364c ABGB ein bereits zu Lebzeiten geltendes Belastungs- und Veräußerungsverbot vereinbart werden. Außerdem behält der Vertragschließende immer das Recht, über ein Viertel des nach Abzug der Passiva und des Pflichtteils verbleibenden Nachlasses frei zu verfügen (§&nbsp;1253 ABGB). Demgegenüber können nach deutschem Recht nur solche Schenkungen rückgängig gemacht werden, die der Schenker in Beeinträchtigungsabsicht vorgenommen hat (§§ 2287&nbsp;f. BGB).
== 3. Erfüllungsrelevante Institute in den PECL und dem DCFR ==
=== a) Anrechnung der Leistung ===
Wann immer ein Gläubiger mehrere selbständige Ansprüche der gleichen Art gegenüber dem gleichen Schuldner hat und das Geleistete nicht ausreicht, um sie alle zu tilgen, muss eine Tilgungsreihenfolge bestimmt werden. Dies wird in vielen europäischen Gesetzbüchern getan und so auch in PECL und DCFR (Art.&nbsp;7:109 PECL, Art.&nbsp;III.-2:110 DCFR). Beide Regelwerke privilegieren den Schuldner, so dass er an erster Stelle über die Anrechnung entscheiden kann, ohne die Interessen des Gläubigers berücksichtigen zu müssen (wie auch in Deutschland, England, Frankreich, Niederlande und im [[römisches Recht|römischen Recht]]). Die freie Wahl des Schuldners wird nur hinsichtlich der Anrechnung auf unselbständige Nebenforderungen begrenzt. Die Zahlung wird zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptforderung angerechnet, solange der Gläubiger nichts anderes bestimmt.  


Verstößt im englischen Recht ein Erblasser gegen die vertraglich übernommene Verpflichtung, bestimmte Vermögenswerte durch Verfügung von Todes wegen zu übertragen, so hat der Geschädigte einen Anspruch gegen den Nachlass ([[Erbenhaftung]]) wegen ''breach of contract''. Auch Verfügungen unter Lebenden können Ersatzansprüche auslösen, soweit der Erblasser durch eine entsprechende Transaktion seine vertraglichen Bindungen verletzt.
Die Tilgungsbestimmung des Schuldners muss im Moment der Leistung getroffen werden. Sie bedarf keiner Form, kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen und ist, wie in den meisten europäischen Rechtsordnungen (anders z.B. Österreich), eine einseitige Erklärung. Mangelt es an einer Erklärung des Schuldners, geht das Recht der Anrechnung gemäß PECL und DCFR auf den Gläubiger über, der innerhalb angemessener Zeit seine Entscheidung bekannt geben muss. Manche europäischen Länder teilen diesen Ansatz, verlangen aber, dass die Anrechnung auf der vom Gläubiger auszustellenden Quittung vermerkt sein muss (z.B. Frankreich, Italien, Schweiz). Andere Länder ziehen es vor, direkt eine gesetzliche Anrechnungsordnung walten zu lassen (z.B. Deutschland, Niederlande). Auch die Tilgungsbestimmung des Gläubigers erfährt eine Begrenzung in den PECL und im DCFR dahin, dass sie unwirksam ist, falls sie eine noch nicht fällige, rechtswidrige oder bestrittene Verpflichtung betrifft.


== 2. Rechtsvergleichender Überblick: Gemeinschaftliche Testamente ==
Wenn beide Seiten keine Tilgungsbestimmung treffen, so finden subsidiäre Bestimmungen Anwendung, die eine gesetzliche Anrechnungsregelung statuieren. Die Reihenfolge, welche die PECL und der DCFR festsetzen, stimmt überein: Die Leistung wird zuerst auf diejenige Forderung angerechnet, die fällig ist oder als erste fällig werden wird, als zweites auf diejenige Forderung, die die geringste Sicherheit aufweist, dann auf die, die den Schuldner am meisten belastet und zuletzt auf die, die als erste entstanden ist. Wenn keines dieser Kriterien anwendbar ist, wird die Leistung anteilig auf alle Verpflichtungen angerechnet. Viele der europäischen Rechtsordnungen teilen diese Reihenfolge insoweit, dass die Anrechnung auf die fällige Forderung zuerst und die ''pro rata'' Anrechnung zuletzt angeordnet ist. Die Zwischenstufen variieren jedoch oft.
=== a) Zulässigkeit ===
Ein ähnliches Bild ergibt sich in Bezug auf die Zulassung gemeinschaftlicher Testamente: Der römischrechtlichen Tradition folgend verbieten die romanischen Rechtsordnungen gemeinschaftliche Testamente (Frankreich: Art.&nbsp;968 ''Code civil''<nowiki>; Italien: Art.&nbsp;589 </nowiki>''Codice civile''<nowiki>; Niederlande: Art.&nbsp;4:93 BW; Portugal: Art.&nbsp;2181 und </nowiki>Spanien: Art.&nbsp;669 ''Código civil'', doch mit Ausnahme von Katalonien und den Balearen in allen Foralrechtsgebieten gestattet). Auch den meisten anderen europäischen Rechtsordnungen ist das gemeinschaftliche Testament fremd (etwa Polen: Art.&nbsp;942 ''Kodeks cywilny''<nowiki>; Ungarn: §&nbsp;644 Gesetz IV/1959 über das Zivilgesetzbuch; </nowiki>Griechenland: Art.&nbsp;1717 ZGB). Schon das bloße Simultantestament (''testamentum mere simultaneum'') wird missbilligt, um bereits die Beeinflussung des Testierenden während des Willensbildungsaktes zu verhindern. Auch anderweitige Konstruktionen, durch die letztwillige Verfügungen – etwa durch bedingte Anordnungen – inhaltlich voneinander abhängig gemacht werden (''testamentum correspectivum''), sind teilweise untersagt (Portugal: Art.&nbsp;2231 ''Código civil''<nowiki>; Italien: Art.&nbsp;635 </nowiki>''Codice civile''). In Frankreich und Belgien ist eine bloße innere Abhängigkeit hingegen nicht verboten, da dort ausdrücklich nur die Testierung in einem „même acte“ verboten ist (Frankreich: Art.&nbsp;968 ''Code civil''<nowiki>; Belgien: Art.&nbsp;968, 1097 </nowiki>''Code civil''). Bloße gegenseitige Zuwendungen (''testamentum reciprocum'') sind zulässig, soweit sie nicht gemeinschaftlich, sondern in getrennten Verfügungen vorgenommen werden. Eine Umdeutung eines unzulässigen gemeinschaftlichen Testaments in ein gültiges einfaches Testament desjenigen, der selbst alle Erfordernisse eines einfachen Testaments erfüllt, ist überwiegend ausgeschlossen, da durch die Umdeutung letztlich doch das unzulässige Ziel, die (faktische) Bindung des Erblassers, erreicht würde (Italien, Belgien, Frankreich, Griechenland; anders aber in der Schweiz und in Polen).


Selbst in den germanischen Rechtsordnungen, die bindenden Verfügungen in Form von Erbverträgen traditionell besonders aufgeschlossen gegenüber stehen, setzten sich gemeinschaftliche Testamente lediglich zögerlich und auch nur teilweise durch. Noch in den Motiven zum deutschen BGB wurde bemängelt, dass das gemeinschaftliche Testament eine „unklare Mitte zwischen Erbvertrag und Testament“ einnehme (Motive zum BGB, Bd.&nbsp;V, 253). Dem Vorbild des österreichischen ABGB folgend (§&nbsp;1248 ABGB) hat dann jedoch die zweite Kommission ([[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]]) für Ehegatten das gemeinschaftliche Testament zugelassen (§&nbsp;2265 BGB). Demgegenüber lehnte das schweizerische Bundesgericht die Anerkennung des im schweizerischen Recht nicht geregelten, aber auch nicht ausdrücklich verbotenen gemeinschaftlichen Testaments ab: ein Testament sei ein einseitiger Rechtsakt und könne nur einen einzigen letzten Willen ausdrücken; es müsse das Werk einer einzelnen Person sein und könne nicht mehrere Urheber haben. Im Gegensatz zu den meisten anderen Rechtsordnungen wird im schweizerischen Recht aber eine Umdeutung in ein gültiges einfaches Testament für möglich gehalten.
=== b) Hinterlegung und Selbst&shy;hilfeverkauf ===
Die PECL und der DCFR kennen, wie auch viele europäische Rechtsordnungen (etwa Deutschland, Frankreich), Bestimmungen für den Fall, dass der Gläubiger die geschuldete Sache bzw. das Geld nicht annimmt und dadurch die Erfüllung verhindert. Der Begriff des Gläubigerverzugs (''mora creditoris''), wie er z.B. in Deutschland, Italien, Niederlande oder in der Schweiz vorkommt, wird aber in diesem Rahmen nicht verwendet; wohl zum einen deswegen, weil dieser in einigen europäischen Rechtsordnungen als eigenständiges Institut unbekannt ist, zum anderen aber auch weil andere Gründe, die zur Hinterlegung oder zum Selbsthilfeverkauf berechtigen (wie z.B. Rückgabepflichten bei Vertragsauflösung), in den jeweiligen Bestimmungen der PECL und des DCFR geregelt sind (Art.&nbsp;7:110/111 PECL; Art.&nbsp;III.-2:111/112 DCFR).  


In den nordischen Ländern werden gegen gemeinschaftliche Testamente keine Bedenken erhoben (Schweden: ÄB 10:7; Finnland: 10:7 ''Perintökaari''<nowiki>; Norwegen: §&nbsp;49 </nowiki>''Lov om arv''<nowiki>; Dänemark: §&nbsp;47 </nowiki>''Arvelov''). Auch das englische Recht erlaubt gemeinschaftliche letztwillige Verfügungen. So können mehrere Personen ohne weiteres in einer Urkunde testieren (''joint will''). Doch unterscheiden sich die Wirkungen nicht von zwei isoliert nebeneinander stehenden Testamenten. Bestimmen demgegenüber zwei Personen gemeinschaftlich – sei es in einer Urkunde oder in getrennten Erklärungen –, wie mit ihrem Vermögen nach ihrem Tod zu verfahren ist, so können sie vereinbaren, dass sie an diese Abrede gebunden sind (''agreement not to revoke the mutual will''). Derartige Vereinbarungen können von beliebigen Personen geschlossen werden, doch machen in der Praxis meist nur Ehegatten von dieser Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch.
Die Möglichkeit der Hinterlegung sowie des Selbsthilfeverkaufs bei Sach- und Geldschulden basiert auf dem Gedanken des Schuldnerschut-zes und gibt diesem die Möglichkeit, sich unabhängig vom Gläubiger von der Schuld zu befreien. Berechtigt dazu sind nicht nur der Schuldner, sondern auch Dritte, die ein Interesse an der Leistung haben ([[Leistungspflicht, Inhalt der]]), weil entweder der Schuldner die Leistung nicht erbracht hat oder klar ist, dass er zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht leisten wird. Als Hinterlegungsgrund legen beide Bestimmungen nur die Nichtannahme des Gläubigers fest. Die Ungewissheit über die Person des Gläubigers oder andere in der Person des Gläubigers liegende Gründe, die eine Annahme der Sache verhindern, finden keine spezielle Erwähnung.


=== b) Wirkungen ===
Falls die Annahme der gehörig angebotenen Leistung verweigert wird, kann der Schuldner die Gegenstände zu angemessenen Bedingungen zugunsten der anderen Partei bei einem Dritten hinterlegen oder aber sofort diese zu angemessenen Bedingungen verkaufen und der anderen Partei den Nettoerlös auszahlen. Im Falle der Hinterlegung reicht eine spätere Benachrichtigung des Gläubigers über die Details. Ein Selbsthilfeverkauf muss aber im Voraus angedroht werden, damit die andere Partei noch rechtzeitig eingreifen und die Sache ggf. entgegennehmen kann. Die Wahlmöglichkeit des Schuldners entfällt, wenn die Gegenstände leicht verderblich sind oder ihre Erhaltung unzumutbar teuer ist. In diesem Falle muss der Schuldner angemessene Maßnahmen zu ihrer Verwertung treffen. Bei jeder dieser Varianten kann er die vernünftigerweise eingegangenen Aufwendungen verlangen oder den entsprechenden Betrag aus dem Verkaufserlös einbehalten. Mit ordnungsgemäßer Hinterlegung wird der Schuldner von der Leistungspflicht befreit.
Regelmäßig sehen Rechtsordnungen, die gemeinschaftliche Testamente zulassen, keine besonderen Formvorschriften vor. Vielmehr gelten dieselben Bestimmungen wie bei der Errichtung eines einfachen Testaments. Eine Ausnahme stellt insofern das deutsche Recht dar, wo ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament auch in der Form errichtet werden kann, dass lediglich einer der Testierenden die letztwillige Verfügung in der vorgeschriebenen eigenhändigen Form errichtet und der andere eigenhändig mitunterzeichnet (§&nbsp;2267 BGB).


Im Übrigen haben gemeinschaftliche Testamente in den verschiedenen Rechtsordnungen aber höchst unterschiedliche Ausgestaltungen erfahren. In Österreich (§&nbsp;1248 ABGB) dürfen nur Ehegatten, in Deutschland außerdem noch gleichgeschlechtliche Lebenspartner (§&nbsp;2265 BGB i.V.m. §&nbsp;10 Abs.&nbsp;4 LPartG) gemeinsam testieren. Vergleichbare Einschränkungen sind anderen Rechtsordnungen fremd. Auch die Rechtsfolgen sind nicht einheitlich. Die meisten Rechtsordnungen erklären beim Widerruf einer korrespektiven Verfügung auch die andere für gegenstandslos (Deutschland: §&nbsp;2271 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;1 BGB; Österreich: §&nbsp;1248 ABGB; Finnland: 10:7 ''Perintökaari''<nowiki>; Schweden: ÄB 10:7). Darüber hinaus erlischt in einigen Rechten mit Versterben eines der Testierenden die Möglichkeit des Widerrufs (Deutschland: § 2271 Abs.&nbsp;2 S.&nbsp;1 BGB; Norwegen: §&nbsp;57 </nowiki>''Lov om arv''), während etwa nach österreichischem (§&nbsp;1248 ABGB), finnischem (10:7 ''Perintökaari'') und schwedischem Recht (ÄB 10:7) der Testator seine Verfügung auch noch nach dem Tod des Erstversterbenden frei widerrufen kann.
An den Bestimmungen fällt auf, dass sie im Vergleich zu vielen europäischen Rechtsordnungen eine weniger förmliche Handhabung vorziehen: für den Selbsthilfeverkauf bedarf es keiner gerichtlichen Ermächtigung, was hingegen in manchen Rechtsordnungen erwartet wird (z.B. Italien, Schweiz). Hinsichtlich der Benachrichtigung gibt es keine besonderen Formerfordernisse; auch werden keine Details in Bezug auf die Hinterlegungsstelle festgelegt. Nur für die Hinterlegung von Geldschulden wird bestimmt, dass Geld zu Gunsten des Gläubigers nach dem Recht des Ortes, an dem die Zahlung fällig ist, hinterlegt werden muss.


Nach englischem Recht wird grundsätzlich weder durch einen ''joint will'' noch durch einen ''mutual will'' die Testierfreiheit der Beteiligten eingeschränkt. Wird allerdings die Vereinbarung getroffen, gemeinschaftlich getroffene Verfügungen nicht zu widerrufen (''agreement not to revoke the mutual will''), tritt eine gewisse Bindungswirkung mit dem Tod des Erstversterbenden ein. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der ''mutual will'' im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben oder durch einseitige empfangsbedürftige Erklärung widerrufen werden. Nach dem Tod des Erstverstorbenen wird der Längerlebende jedoch zum Treuhänder des Vermögens, über das im ''mutual will'' bestimmt wurde (''constructive trust''). Hierdurch wird der Längerlebende nicht gehindert, eine anderweitige, im Widerspruch zum ''mutual will'' stehende Verfügung von Todes wegen zu treffen. Doch ändert dies nichts daran, dass nach seinem Tod der ''trust'' weiterhin auf seinem Nachlass lastet und nunmehr von dem mit der Nachlassabwicklung betrauten ''personal representative'' ([[Erbenhaftung]]) zu respektieren ist. Es liegt in der Hand der Parteien, zu vereinbaren, wie weit die Bindungswirkung im Einzelnen reichen soll. Verfügungen unter Lebenden sind regelmäßig zulässig und verstoßen erst dann gegen die Bindungen des ''constructive trust'', wenn sie darauf abzielen, den Treuhandbegünstigten zu benachteiligen.
=== c) Kosten der Erfüllung ===
Nach Art.&nbsp;7:112 PECL und Art.&nbsp;III.-2:113 DCFR hat jede Partei die Erfüllungskosten ihrer Verpflichtungen selbst zu tragen.  


== 4. Fazit ==
=== d) Ungeregelt gebliebene Probleme ===
Alles in allem beurteilen die europäischen Rechtsordnungen die Zulässigkeit bindender Verfügungen von Todes wegen nach wie vor sehr unterschiedlich. Wie schwer es fällt, die Sachgerechtigkeit der gegensätzlichen Standpunkte zu beurteilen, zeigt sich daran, dass in den Rechtsordnungen, die bindende Verfügungen von Todes wegen zulassen, vielfach vor den Gefahren gewarnt wird, die mit dem Eingehen einer solchen Bindung verbunden sind. Gleichwohl erscheint es kaum vorstellbar, dass in diesen Rechtsordnungen eines Tages auf die Möglichkeit der Selbstbindung gänzlich verzichtet werden könnte. Denn – trotz aller damit verbundenen Probleme – eröffnet sie dem Erblasser zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten, weil er über das bei seinem Tod vorhandene Vermögen bereits zu Lebzeiten verbindlich disponieren kann.
Einige Probleme, die in Verbindung mit der Erfüllung in europäischen Gesetzen geregelt sind, finden kein Gegenstück in den PECL oder dem DCFR. Hierzu gehört die Erfüllungswirkung der Leistung an einen Dritten. Diese befreit den Schuldner prinzipiell nur, wenn der Dritte eine gesetzliche oder vom Gläubiger erteilte Empfangsermächtigung besitzt. Doch sind verschiedentlich Ausnahmen in den Gesetzen formuliert, wie z.B. der Fall, dass der Gläubiger von der Leistung an den Dritten „profitiert“ (z.B. Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Polen, Spanien) oder Gutglaubensschutz in Bezug auf die Empfangszuständigkeit gewährt wird (Frankreich, Italien, Niederlande, Spanien). Unter diesen Umständen kann auch eine Leistung an einen Dritten Erfüllungswirkung entfalten. In den ''soft-law'' Instrumenten ist nur eine spezielle Bestimmung des Gutglaubensschutzes bezüglich der [[Abtretung]] zu finden. Demnach wird der Schuldner befreit, falls er nicht hätte erkennen müssen, dass es sich bei der Person, an die er zahlt, nicht um die zum Empfang der Leistung berechtigte Person handelte.
 
Weder PECL noch DCFR enthalten eine Regelung hinsichtlich einer Leistung an Erfüllungs statt (''datio in solutum''), wie sie sich in einigen europäischen Rechtsordnungen findet (z.B. Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Polen). Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Partien jederzeit durch Einigung den Inhalt der Leistungspflicht ändern und somit das Erlöschen der Hauptleistungspflicht bewirken können. Ob eine solche Einigung vorhanden ist, muss durch [[Auslegung von Verträgen|Auslegung]] des Parteiwillens ermittelt werden. Die Übernahme einer neuen Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger stellt in der Regel keine Änderung des Leistungsinhalts dar. Obwohl dazu eine allgemeine Bestimmung in den PECL und dem DCFR fehlt, wird doch für die wichtigsten Anwendungsfälle, nämlich die Annahme eines Schecks, einer anderen Zahlungsanweisung oder eines Zahlungsversprechens, die Vermutung aufgestellt, dass diese Annahme vom Gläubiger nur unter der Bedingung ihrer Einlösung erfolgt.
 
Ungeregelt geblieben ist auch die Frage, ob der Schuldner berechtigt ist, eine Quittung und die Rückgabe etwaiger Schuldscheine zu verlangen. Vergleichbare Regelungen sind z.B. in Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Spanien und in der Schweiz zu finden.


==Literatur==
==Literatur==
''Franz Schlegelberger ''(Hg.), Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes, 1929-1939: Stichwort: Erbvertrag (''Helmut Rühl''), Stichwort Schenkung (''Wolfgang'' ''Siebert''), Stichwort: Testament (''Walter Becker''); ''Robert Battes'', Gemeinschaftliches Testament und Ehegattenerbvertrag als Gestaltungsmittel für die Vermögensordnung der Familie, 1974; ''Christoph Döbereiner'', Ehe- und Erbverträge im deutsch-französischen Rechtsverkehr, 2001; ''Hans-Jürgen von Dickhuth-Harrach'', Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag? in: Festschrift für Gerhard Otte, 2005, 55&nbsp;ff.; ''Rembert Süß'', Erbrecht in Europa, 2.&nbsp;Aufl. 2008;'' Carl Friedrich Nordmeier'', Zulässigkeit und Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente im Internationalen Privatrecht, 2008; ''Murad Ferid'', ''Karl Firsching'', ''Heinrich Dörner'', ''Rainer Hausmann'', Internationales Erbrecht, 9&nbsp;Bde. (Loseblatt); ''Walter Pintens ''(Hg.), International Encyclopedia of Laws, Bd.&nbsp;2, Family and Succession Law (Loseblatt).
''Joachim Gernhuber'', Die Erfüllung und ihre Surrogate, 2.&nbsp;Aufl. 1994;'' Wolfgang Ernst'', Die Verpflichtung zur Leistung in den Principles of European Contract Law und in den Principles of International Commercial Contracts, in: Jürgen Basedow (Hg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, 129&nbsp;ff.; ''J.G.J Rinkes'', Performance, in: Danny Busch, Ewoud H. Hondius, Hugo J. van Kooten, Harriët N. Schelhaas, Wendy M. Schrama (Hg.), The Principles of European Contract Law and Dutch Law, 2002, 291&nbsp;ff.;'' Rudolf Reischauer'', §§&nbsp;1412-1416, in: Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, Bd.&nbsp;2, 3.&nbsp;Aufl. 2002; ''Valentina M. Donini'', Performance: Art. 7:106-112, in: Luisa Antoniolli, Anna Veneziano (Hg.), Principles of European Contract Law and Italian Law, 2005, 332&nbsp;ff.; ''François Terré'','' Philippe Simler'','' Yves Lequette'', Les obligations, 9.&nbsp;Aufl. 2005, 1255&nbsp;ff;'' Ingeborg Schwenzer'', Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 4.&nbsp;Aufl. 2006, §§&nbsp;73-76; ''Edwin Peel'', Treitel on the Law of Contract, 12.&nbsp;Aufl. 2007, Kap.&nbsp;17; ''Tilman Repgen'', §§&nbsp;362-371 und §§ 372-386, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd.&nbsp;II/2, 2007; ''Dirk Olzen'', Das Erlöschen der Schuldverhältnisse, in: Julius v. Staudingers'' ''Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Eckpfeiler des Zivilrechts, 2008, 240&nbsp;ff.  


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Contracts_of_Inheritance_and_Joint_Wills]]
[[en:Discharge_by_Performance_and_its_Surrogates]]

Version vom 28. September 2021, 15:55 Uhr

von Yeşim M. Atamer

1. Begriff und Tatbestandsmerkmale

Die Erfüllung ist der typische und bestimmungsgemäße Beendigungsgrund des Schuldverhältnisses im engeren Sinne. Mit der vollständigen Befriedigung des Gläubigers durch Leistung des Schuldners erlöschen der schuldrechtliche Anspruch und zugleich auch alle Nebenrechte wie Bürgschaften und Pfandrechte. Die Schuld ist erfüllt (solutio). Bis heute ist es besonders im deutschen sowie im französischen Rechtskreis umstritten, ob die rein tatsächliche Bewirkung der Leistung genügt, um die Leistungspflicht erlöschen zu lassen, oder ob zum Tatbestand der Erfüllung auch ein subjektives Tatbestandsmerkmal, nämlich eine Willenseinigung der Parteien oder wenigstens ein Erfüllungswille des Schuldners, gehört. Die Kodifikationen haben sich einer diesbezüglichen Regelung enthalten. Auch internationale Instrumente wie PECL, Draft DCFR und UNIDROIT PICC lassen diese Frage, die in der Praxis nur in verhältnismäßig seltenen Fällen eine Bedeutung gefunden hat, offen.

Objektives Tatbestandsmerkmal der Erfüllung ist eine vom Inhalt und Umfang her der Leistungspflicht (Leistungspflicht, Inhalt der) entsprechende Handlung oder Unterlassung. Nur das Erlöschen durch Befriedigung des Leistungsinteresses fällt unter den Begriff der Erfüllung. Der Inhalt der Leistungspflicht bestimmt sich primär nach ausdrücklicher und stillschweigender Parteiabrede und sekundär nach dispositivem Recht.

Abweichungen vom Leistungsinhalt, sofern sie nicht unerheblich sind, resultieren in Nichterfüllung und geben dem Gläubiger den Zugriff auf etwaige Rechtsbehelfe. Der Schuldner ist normalerweise nicht berechtigt, einseitig den Schuldinhalt zu ändern, etwa sich durch Zahlung von Schadensersatz von der Verbindlichkeit zu befreien (anders z.B. England Erfüllungsanspruch). Aufgrund der Privatautonomie steht es den Parteien jedoch frei, einer beliebigen Leistung die Erfüllungswirkung beizulegen (Leistung an Erfüllungs statt). Europäische Rechtsordnungen geben dem Schuldner aber auch einige wenige Möglichkeiten, durch äquivalenten Ersatz für die geschuldete Leistung (Erfüllungssurrogat) das Leistungsinteresse des Gläubigers zu befriedigen. Einen solchen Ersatz stellen insbesondere die Hinterlegung und die Aufrechnung dar. Speziell für Geldschulden stellt sich die Frage, ob die Ausstellung eines Schecks oder einer anderen Zahlungsanweisung oder die Überweisung auf ein Bankkonto einen äquivalenten Ersatz bilden, und somit dem Schuldner das Recht gegeben ist, seine Leistungspflicht gegebenenfalls auf diesem Wege zu erfüllen. In vielen europäischen Rechtsordnungen wird dies verneint. Barzahlung bildet die Regel (z.B. in Deutschland, England, Frankreich, Portugal, Schweiz, Spanien), und etwas anderes kann sich nur aus Parteivereinbarung ergeben. Doch PECL, DCFR und UNIDROIT PICC vertreten hier einen anderen Standpunkt: Die Zahlung von Geld kann in jeder Form erfolgen, die im allgemeinen Geschäftsverkehr üblich ist. Demnach steht es dem Schuldner frei, statt Barzahlung eine dieser üblichen Methoden zur Zahlung zur nutzen. Der Gläubiger muss dieses Erfüllungssurrogat annehmen.

Der schuldrechtliche Anspruch geht mit Eintreten des für den Gläubiger erwünschten Leistungserfolgs unter. Der DCFR spricht in diesem Rahmen von full performance. Deswegen wird in denjenigen Fällen, in denen zwischen Leistungshandlung und ‑erfolg eine Zeitspanne tritt, die Erfüllung erst im Moment des Erfolgseintrittes stattfinden. Hier muss unterschieden werden zwischen der Rechtzeitigkeit der Leistung (Leistungspflicht, Inhalt der) und dem Moment des Untergangs der Schuld. Die Frage, ob der Schuldner rechtzeitig erfüllt hat, wird danach beurteilt, ob er rechtzeitig alle Leistungshandlungen am richtigen Ort vollbracht hat. Dass der Erfolg und somit die Erfüllung erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt, fällt nicht ins Gewicht. Für Geldschulden beispielweise bestimmen PECL und DCFR den Leistungsort (Leistungspflicht, Inhalt der) als den Ort, an dem der Gläubiger zur Zeit des Vertragsschlusses seine Niederlassung hat. So hat der Schuldner rechtzeitig geleistet, wenn er statt Barzahlung einen Scheck ausstellt und dieser unter Einhaltung der Leistungszeit bei dem Gläubiger eintrifft. Die Schuld erlischt aber erst mit Einlösung des Schecks zu einem späteren Zeitpunkt. Wann im Falle einer Zahlung durch Überweisung die Erfüllung eintritt und somit die Schuld untergeht, ist in vielen Rechtsordnungen strittig und wird auch in den PECL und dem DCFR nicht festgelegt. Auch RL 2007/64 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (Überweisungsverkehr (grenzüberschreitender)) verschafft keine Klarheit. Die UNIDROIT PICC hingegen fixieren in dem mehrgliedrigen bargeldlosen Zahlungsprozess den Moment als Erfüllungsmoment, in dem die Überweisung an das Kreditinstitut des Gläubigers wirksam wird (Art. 6.1.8(2)).

Die erfüllende Person kann prinzipiell ein anderer als der Schuldner sein, sofern die Schuld nicht persönlich zu bewirken ist (vgl. Leistungspflicht, Inhalt der). Sollte aber ausnahmsweise der Gläubiger selbst einen dem Schuldinhalt entsprechenden Zustand herstellen, kann nicht von einer Erfüllung gesprochen werden.

2. Systematische Einordnung

Mit der vollständigen Befriedigung des Gläubigers durch eine vertrags- und gesetzeskonforme Leistung des Schuldners erlischt die Leistungspflicht. In dieser Hinsicht ist der Begriff der Erfüllung ein zweideutiger: Er kann sich sowohl auf den Tatbestand der Erfüllungshandlung als auch auf die Rechtsfolgen dieser Handlung beziehen. Im deutschen Sprachbereich wird deswegen zwischen dem Begriff der Leistung, der sich mit den Voraussetzungen des Erfüllungsvorgangs auseinandersetzt (d.h. was, wann, wo, von wem geleistet werden muss, Leistungspflicht, Inhalt der) und dem der Erfüllung, der sich auf die Folgen und Wirkungen der Handlung konzentriert, unterschieden.

Eine vergleichbare begriffliche Trennung ist jedoch nicht allen europäischen Rechtskreisen eigen. Auch der Aufbau des BGB, wonach die Leistung und ihre Modalitäten im Abschnitt zum Inhalt der Schuldverhältnisse, die Erfüllung als ein Grund des Erlöschens der Schuld hingegen in einem getrennten Abschnitt geregelt werden, findet nur einige wenige Nachfolger (etwa Griechenland). Verbreiteter ist es, die Fragen in Bezug auf den richtigen Inhalt der Leistung und die Folgen einer solchen Leistung zusammen unter dem Begriff der Erfüllung zu behandeln. Dieser wird dann entweder mit den Gründen des Erlöschens der Schuld untersucht (etwa Frankreich, Portugal, Spanien) oder aber vor den Folgen der Nichterfüllung platziert, und alle anderen Gründe des Erlöschens der Schuld werden getrennt geregelt (etwa Italien, Holland, Polen, Schweiz).

Im englischen Recht fällt es schwer, überhaupt ein Äquivalent für die Begriffe Leistung und Erfüllung zu finden; sie werden allgemein als performance umschrieben. Gängig ist auch hier eine zusammenhängende Darstellung von performance und non-performance und in diesem Rahmen von einigen wenigen Aspekten der Leistungsmodalitäten (wie die Leistungszeit oder der Leistungsort). Dass diese Begriffe im Vergleich zu kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen nur wenig Aufmerksamkeit gefunden haben, mag darauf zurückzuführen sein, dass im englischen Recht der Erfüllungsanspruch des Gläubigers nur als Ausnahmetatbestand aufgefasst wird.

Die UNIDROIT PICC und die PECL haben es vorgezogen, alle Fragen, die in Verbindung mit Erfüllung durch Leistung auftreten, in dem Abschnitt „Erfüllung“ (Kap. 6, Abschn. 1 UNIDROIT PICC; Kap. 7 PECL) zu untersuchen und danach die Bestimmungen über die Nichterfüllung abzuhandeln. In der englischen Version fällt auf, dass durchgängig nur das Wort performance benutzt wird, was in der deutschen Version teils als Erfüllung, teils als Leistung übersetzt ist. Einen gesonderten Abschnitt über das Erlöschen der Schuld enthalten diese Regelwerke nicht. Bis heute wurde außer der Erfüllung nur die Aufrechnung als ein Grund für den Untergang der Schuld geregelt.

Auch der DCFR folgt der Systematik der Europäischen Grundregeln: Buch 3, Kap. 2 ist der Erfüllung, Kap. 3 der Nichterfüllung und den diesbezüglichen Rechtsbehelfen gewidmet. Interessant ist es, dass am Ende des Kapitels zur Erfüllung ein zusätzlicher Artikel zu finden ist, wonach mit einer Leistung, die den vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen entspricht, die Schuld erlischt. Somit sind im DCFR die Voraussetzungen und die Wirkung der Erfüllung in einem ganzheitlichen Ansatz geregelt. Neben der Aufrechnung wird in diesem Regelwerk auch der Konfusion als einem anderen Grund des Erlöschens der Schuld ein Artikel gewidmet.

Obwohl die europäischen und internationalen soft-law Instrumente die Erfüllung durch Leistung in ihren Voraussetzungen und ihren Wirkungen als ein Ganzes betrachten, ist in der vorliegenden Darstellung der deutschen Tradition folgend eine Unterteilung der Themen unternommen worden. Alle Fragen, die mit der Tatbestandsseite der Leistung zu tun haben, sind unter dem Stichwort Leistungspflicht zu finden, wohingegen Fragen und Institute, die mit der erlöschenden Wirkung der Leistung verbunden sind, hier abgehandelt werden. Den folgenden Erläuterungen sind die vom Wortlaut her größtenteils übereinstimmenden Bestimmungen der PECL und des DCFR zugrunde gelegt.

3. Erfüllungsrelevante Institute in den PECL und dem DCFR

a) Anrechnung der Leistung

Wann immer ein Gläubiger mehrere selbständige Ansprüche der gleichen Art gegenüber dem gleichen Schuldner hat und das Geleistete nicht ausreicht, um sie alle zu tilgen, muss eine Tilgungsreihenfolge bestimmt werden. Dies wird in vielen europäischen Gesetzbüchern getan und so auch in PECL und DCFR (Art. 7:109 PECL, Art. III.-2:110 DCFR). Beide Regelwerke privilegieren den Schuldner, so dass er an erster Stelle über die Anrechnung entscheiden kann, ohne die Interessen des Gläubigers berücksichtigen zu müssen (wie auch in Deutschland, England, Frankreich, Niederlande und im römischen Recht). Die freie Wahl des Schuldners wird nur hinsichtlich der Anrechnung auf unselbständige Nebenforderungen begrenzt. Die Zahlung wird zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptforderung angerechnet, solange der Gläubiger nichts anderes bestimmt.

Die Tilgungsbestimmung des Schuldners muss im Moment der Leistung getroffen werden. Sie bedarf keiner Form, kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen und ist, wie in den meisten europäischen Rechtsordnungen (anders z.B. Österreich), eine einseitige Erklärung. Mangelt es an einer Erklärung des Schuldners, geht das Recht der Anrechnung gemäß PECL und DCFR auf den Gläubiger über, der innerhalb angemessener Zeit seine Entscheidung bekannt geben muss. Manche europäischen Länder teilen diesen Ansatz, verlangen aber, dass die Anrechnung auf der vom Gläubiger auszustellenden Quittung vermerkt sein muss (z.B. Frankreich, Italien, Schweiz). Andere Länder ziehen es vor, direkt eine gesetzliche Anrechnungsordnung walten zu lassen (z.B. Deutschland, Niederlande). Auch die Tilgungsbestimmung des Gläubigers erfährt eine Begrenzung in den PECL und im DCFR dahin, dass sie unwirksam ist, falls sie eine noch nicht fällige, rechtswidrige oder bestrittene Verpflichtung betrifft.

Wenn beide Seiten keine Tilgungsbestimmung treffen, so finden subsidiäre Bestimmungen Anwendung, die eine gesetzliche Anrechnungsregelung statuieren. Die Reihenfolge, welche die PECL und der DCFR festsetzen, stimmt überein: Die Leistung wird zuerst auf diejenige Forderung angerechnet, die fällig ist oder als erste fällig werden wird, als zweites auf diejenige Forderung, die die geringste Sicherheit aufweist, dann auf die, die den Schuldner am meisten belastet und zuletzt auf die, die als erste entstanden ist. Wenn keines dieser Kriterien anwendbar ist, wird die Leistung anteilig auf alle Verpflichtungen angerechnet. Viele der europäischen Rechtsordnungen teilen diese Reihenfolge insoweit, dass die Anrechnung auf die fällige Forderung zuerst und die pro rata Anrechnung zuletzt angeordnet ist. Die Zwischenstufen variieren jedoch oft.

b) Hinterlegung und Selbst­hilfeverkauf

Die PECL und der DCFR kennen, wie auch viele europäische Rechtsordnungen (etwa Deutschland, Frankreich), Bestimmungen für den Fall, dass der Gläubiger die geschuldete Sache bzw. das Geld nicht annimmt und dadurch die Erfüllung verhindert. Der Begriff des Gläubigerverzugs (mora creditoris), wie er z.B. in Deutschland, Italien, Niederlande oder in der Schweiz vorkommt, wird aber in diesem Rahmen nicht verwendet; wohl zum einen deswegen, weil dieser in einigen europäischen Rechtsordnungen als eigenständiges Institut unbekannt ist, zum anderen aber auch weil andere Gründe, die zur Hinterlegung oder zum Selbsthilfeverkauf berechtigen (wie z.B. Rückgabepflichten bei Vertragsauflösung), in den jeweiligen Bestimmungen der PECL und des DCFR geregelt sind (Art. 7:110/111 PECL; Art. III.-2:111/112 DCFR).

Die Möglichkeit der Hinterlegung sowie des Selbsthilfeverkaufs bei Sach- und Geldschulden basiert auf dem Gedanken des Schuldnerschut-zes und gibt diesem die Möglichkeit, sich unabhängig vom Gläubiger von der Schuld zu befreien. Berechtigt dazu sind nicht nur der Schuldner, sondern auch Dritte, die ein Interesse an der Leistung haben (Leistungspflicht, Inhalt der), weil entweder der Schuldner die Leistung nicht erbracht hat oder klar ist, dass er zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht leisten wird. Als Hinterlegungsgrund legen beide Bestimmungen nur die Nichtannahme des Gläubigers fest. Die Ungewissheit über die Person des Gläubigers oder andere in der Person des Gläubigers liegende Gründe, die eine Annahme der Sache verhindern, finden keine spezielle Erwähnung.

Falls die Annahme der gehörig angebotenen Leistung verweigert wird, kann der Schuldner die Gegenstände zu angemessenen Bedingungen zugunsten der anderen Partei bei einem Dritten hinterlegen oder aber sofort diese zu angemessenen Bedingungen verkaufen und der anderen Partei den Nettoerlös auszahlen. Im Falle der Hinterlegung reicht eine spätere Benachrichtigung des Gläubigers über die Details. Ein Selbsthilfeverkauf muss aber im Voraus angedroht werden, damit die andere Partei noch rechtzeitig eingreifen und die Sache ggf. entgegennehmen kann. Die Wahlmöglichkeit des Schuldners entfällt, wenn die Gegenstände leicht verderblich sind oder ihre Erhaltung unzumutbar teuer ist. In diesem Falle muss der Schuldner angemessene Maßnahmen zu ihrer Verwertung treffen. Bei jeder dieser Varianten kann er die vernünftigerweise eingegangenen Aufwendungen verlangen oder den entsprechenden Betrag aus dem Verkaufserlös einbehalten. Mit ordnungsgemäßer Hinterlegung wird der Schuldner von der Leistungspflicht befreit.

An den Bestimmungen fällt auf, dass sie im Vergleich zu vielen europäischen Rechtsordnungen eine weniger förmliche Handhabung vorziehen: für den Selbsthilfeverkauf bedarf es keiner gerichtlichen Ermächtigung, was hingegen in manchen Rechtsordnungen erwartet wird (z.B. Italien, Schweiz). Hinsichtlich der Benachrichtigung gibt es keine besonderen Formerfordernisse; auch werden keine Details in Bezug auf die Hinterlegungsstelle festgelegt. Nur für die Hinterlegung von Geldschulden wird bestimmt, dass Geld zu Gunsten des Gläubigers nach dem Recht des Ortes, an dem die Zahlung fällig ist, hinterlegt werden muss.

c) Kosten der Erfüllung

Nach Art. 7:112 PECL und Art. III.-2:113 DCFR hat jede Partei die Erfüllungskosten ihrer Verpflichtungen selbst zu tragen.

d) Ungeregelt gebliebene Probleme

Einige Probleme, die in Verbindung mit der Erfüllung in europäischen Gesetzen geregelt sind, finden kein Gegenstück in den PECL oder dem DCFR. Hierzu gehört die Erfüllungswirkung der Leistung an einen Dritten. Diese befreit den Schuldner prinzipiell nur, wenn der Dritte eine gesetzliche oder vom Gläubiger erteilte Empfangsermächtigung besitzt. Doch sind verschiedentlich Ausnahmen in den Gesetzen formuliert, wie z.B. der Fall, dass der Gläubiger von der Leistung an den Dritten „profitiert“ (z.B. Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Polen, Spanien) oder Gutglaubensschutz in Bezug auf die Empfangszuständigkeit gewährt wird (Frankreich, Italien, Niederlande, Spanien). Unter diesen Umständen kann auch eine Leistung an einen Dritten Erfüllungswirkung entfalten. In den soft-law Instrumenten ist nur eine spezielle Bestimmung des Gutglaubensschutzes bezüglich der Abtretung zu finden. Demnach wird der Schuldner befreit, falls er nicht hätte erkennen müssen, dass es sich bei der Person, an die er zahlt, nicht um die zum Empfang der Leistung berechtigte Person handelte.

Weder PECL noch DCFR enthalten eine Regelung hinsichtlich einer Leistung an Erfüllungs statt (datio in solutum), wie sie sich in einigen europäischen Rechtsordnungen findet (z.B. Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Polen). Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Partien jederzeit durch Einigung den Inhalt der Leistungspflicht ändern und somit das Erlöschen der Hauptleistungspflicht bewirken können. Ob eine solche Einigung vorhanden ist, muss durch Auslegung des Parteiwillens ermittelt werden. Die Übernahme einer neuen Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger stellt in der Regel keine Änderung des Leistungsinhalts dar. Obwohl dazu eine allgemeine Bestimmung in den PECL und dem DCFR fehlt, wird doch für die wichtigsten Anwendungsfälle, nämlich die Annahme eines Schecks, einer anderen Zahlungsanweisung oder eines Zahlungsversprechens, die Vermutung aufgestellt, dass diese Annahme vom Gläubiger nur unter der Bedingung ihrer Einlösung erfolgt.

Ungeregelt geblieben ist auch die Frage, ob der Schuldner berechtigt ist, eine Quittung und die Rückgabe etwaiger Schuldscheine zu verlangen. Vergleichbare Regelungen sind z.B. in Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Spanien und in der Schweiz zu finden.

Literatur

Joachim Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, 2. Aufl. 1994; Wolfgang Ernst, Die Verpflichtung zur Leistung in den Principles of European Contract Law und in den Principles of International Commercial Contracts, in: Jürgen Basedow (Hg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, 129 ff.; J.G.J Rinkes, Performance, in: Danny Busch, Ewoud H. Hondius, Hugo J. van Kooten, Harriët N. Schelhaas, Wendy M. Schrama (Hg.), The Principles of European Contract Law and Dutch Law, 2002, 291 ff.; Rudolf Reischauer, §§ 1412-1416, in: Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 2, 3. Aufl. 2002; Valentina M. Donini, Performance: Art. 7:106-112, in: Luisa Antoniolli, Anna Veneziano (Hg.), Principles of European Contract Law and Italian Law, 2005, 332 ff.; François Terré, Philippe Simler, Yves Lequette, Les obligations, 9. Aufl. 2005, 1255 ff; Ingeborg Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2006, §§ 73-76; Edwin Peel, Treitel on the Law of Contract, 12. Aufl. 2007, Kap. 17; Tilman Repgen, §§ 362-371 und §§ 372-386, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. II/2, 2007; Dirk Olzen, Das Erlöschen der Schuldverhältnisse, in: Julius v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Eckpfeiler des Zivilrechts, 2008, 240 ff.