Verwahrung (Wertpapiere) und Verwahrung (allgemein): Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Gegenstand und Zweck ==
== 1. Gegenstand und Zweck ==
Die Aufbewahrung und Verwaltung von Wertpapieren bzw. [[Finanzinstrument]]en durch Depotbanken (''custodians'') hat sich zu einem von den Regeln der allgemeinen [[Verwahrung (allgemein)|Verwahrung]] zu unterscheidenden Bereich entwickelt, dem Depotgeschäft (''global custody'','' custody of investments''). Im weiteren Sinne beschäftigt sich das Recht der Wertpapierverwahrung (Depotrecht) mit der Ausgestaltung und Funktionsweise derjenigen Infrastrukturen, die sich zur reibungslosen Abwicklung und Erfüllung von Wertpapierhandelsgeschäften sowie zur Verwaltung von Anteilsrechten herausgebildet haben (näher 2.). Systematisch ist das Depotrecht daher Teil des [[Bankrecht]]s sowie des [[Kapitalmarktrecht]]s und dient insbesondere dem [[Kapitalanlegerschutz]].
Sämtliche in der europäischen Tradition stehenden [[Kodifikation]]en sowie das ungeschriebene schottische Recht enthalten die Verwahrung als einen besonderen Vertragstypus (''deposit''<nowiki>; </nowiki>''dépôt''<nowiki>;</nowiki>'' depósito''<nowiki>;</nowiki>'' bewaarneming''). Darin vertraut eine Partei, der Hinterleger (Deponent), einer anderen Partei, dem Verwahrer (Depositar), eine Sache zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung an. Nach Beendigung des Verwahrungsverhältnisses hat der Verwahrer genau diese Sache an den Hinterleger (oder einem von diesem bestimmten Dritten) zurückzugeben. Im englischen Recht wird diese Konstellation von den Grundsätzen des ''bailment'' erfasst. Diese erschöpfen sich freilich nicht in der Regelung des Verwahrungsvertrags. Losgelöst von bestimmten Vertragszwecken behandelt das ''bailment'' im Kern jede Form des vertraglichen Anvertrauens fremder Sachen (auch ohne ''consideration''). Zudem findet es auf bestimmte Besitzergreifungen ohne Zustimmung des Eigentümers Anwendung. Das ''bailment ''stellt sich daher als eine vielschichtige, nicht notwendigerweise auf einem Vertrag basierende Rechtsfigur auf der Grenze zwischen ''contract'', ''property'' und ''tort'' dar. Vorliegend kann indes nur das Element des ''depositum ''berücksichtigt werden.


== 2. Infrastruktur moderner Finanzmärkte ==
Während sich der Verwahrungsvertrag im Grundsatz auf alle Formen der Aufbewahrung fremder beweglicher Sachen für einen anderen bezieht, haben sich aufgrund der jeweiligen Eigenheiten besondere Regeln für einige Spezialformen herausgebildet. Dies trifft insbesondere auf das im Rahmen eines [[Transportvertrag]]es entstehende Verwahrungsverhältnis zu. Einen weiteren wichtigen Sonderbereich repräsentiert die Verwahrung von Wertpapieren bzw. [[Finanzinstrument]]en ([[Verwahrung (Wertpapiere)]]). Ein eigenes Rechtsgebiet stellt schließlich die „Geldverwahrung“ im Rahmen eines Girovertrags dar ([[Überweisungsverkehr (grenzüberschreitender)]]). Ferner besteht für die Aufbewahrung von im Zusammenhang mit Bewirtungs- oder Beherbergungsverträgen eingebrachten Sachen ein gesondertes, weitgehend durch Einheitsrecht geprägtes Regime ([[Gastwirtshaftung]]). Schließlich haben manche Kodifikationen dem professionellen Lagergeschäft (''depósito mercantil''<nowiki>;</nowiki>'' magasin général'') einen eigenen Vertragstypus gewidmet, der zwar im Grundsatz auf der allgemeinen Verwahrung aufbaut, diese aber um ein für das [[Handelsrecht]] typisches Rechte- und Pflichtenprogramm ergänzt (z.B. Deutschland; Frankreich; Österreich; Polen; Spanien; Schweiz; Russland).
=== a) Immobilisierung von Wertpapieren ===
Verfügungen über handelbare Kapitalmarkttitel (Effekten) werden nur noch durch Depotkontobuchungen verlautbart. Diese Entwicklung wurde zunächst durch die Immobilisierung oder Mediatisierung von Wertpapieren ermöglicht: Alle innerhalb eines Landes begebenen Wertpapierurkunden werden unmittelbar nach ihrer Emission einer zentralen Stelle zur dauerhaften Aufbewahrung übergeben (Zentralverwahrer, ''central securities depository'', CSD). Handelt es sich um eintragungsbedürftige Finanzinstrumente (''registered securities'') wird anstelle der Investoren entweder der CSD oder ein Strohmann (''nominee'') im maßgeblichen Register eingetragen. Im Rahmen des Handels braucht dann keine Umschreibung zu erfolgen (u.U. aber für die Legitimation gegenüber dem Emittenten). Innerhalb dieses indirekten Verwahrungssystems verweist die Urkunde bzw. der Registereintrag als Repräsentationsmittel des Anteils nicht mehr direkt auf den Anleger (''indirect holding system''). Der CSD besitzt die Anteile nicht für sich, sondern für seine Kunden, in der Regel eine limitierte Anzahl von Depotbanken (Teilnehmer). Auf Depotkonten wird aufgeschlüsselt, für welche Teilnehmer der CSD welche Wertpapiere in welcher Menge verwahrt (erste Verwahrungsebene). Die Teilnehmer halten die Anteile zum Teil als Eigenbestände, überwiegend jedoch als Fremdbestände für eigene Kunden und weisen dies auf entsprechenden Konten aus (zweite Verwahrungsebene). Es können weitere Verwahrungsstellen bis zum Endanleger folgen, wodurch eine Verwahrungspyramide mit beliebig tiefen Verwahrungsketten entsteht. Jedes Glied, das Werte für nachgeordnete Kunden verbucht, ist ein Intermediär. Vergleichbar dem Geldgiroverkehr werden Verfügungen ausschließlich durch Zu- und Abbuchungen auf den von den Intermediären geführten Depotkonten auf Weisung der Anleger vollzogen, physische Übergaben finden nicht statt (Effektengiroverkehr, Art.&nbsp;2(2)(g) RL&nbsp;47/2002). Dadurch ist ein nahezu vollständiger Funktionsverlust der Wertpapierurkunde eingetreten; selbst der Genuss von Investorenrechten wie z.B. Dividenden- und Zinszahlungen oder Bezugs- und Stimmrechte (''corporate actions'') wird weitgehend über Intermediäre abgewickelt (hierzu RL&nbsp;36/2007 über Aktionärsrechte).


=== b) Transparente und intransparente Verwahrungsstrukturen ===
== 2. ''Depositum'' des römischen Rechts ==
Innerhalb des mediatisierten Verwahrungssystems bestehen vertragliche Verhältnisse (Depotverträge) stets nur zwischen den jeweiligen Nachbarn in der Verwahrungskette. Dabei unterhalten die Intermediäre für ihre Kunden vielfach Sammelkonten, auf denen alle Anteile zusammengefasst und ungetrennt verbucht werden, selbst wenn der Kontoinhaber die Werte für nachgelagerte Kunden hält (''omnibus accounts'','' dépôt en fongibilité'', ''verzameldepot''). Auf höheren Ebenen ist der Endanleger daher unbekannt, seine Berechtigung ergibt sich erst aus der Gutschrift bei seinem unmittelbaren Intermediär. Man spricht von einer intransparenten Struktur (so Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Schweiz, Kanada, USA, fakultativ England). Es bestehen allerdings auch transparente Verwahrungssysteme, bei denen die einzelnen Wertpapierbestände auf allen Ebenen direkt dem Endinvestor zugeordnet sind (so Griechenland, nordische Länder, Spanien, fakultativ England). Hierzu können teilweise selbst Privatanleger Teilnehmer des CSD werden, der dann eine beliebig große Menge an Einzelkonten führt (einstufige Verwahrung, z.B. Griechenland, fakultativ England). In anderen Systemen lassen sich die Intermediärsdepots beim CSD in Unterkonten aufschlüsseln, auf denen die Endanleger namentlich ausgewiesen sind (z.B. Finland, Spanien, fakultativ Schweden). Bei diesen Systemen kann also mit einem Blick in die Bücher des CSD der jeweilige Anteilseigner bestimmt werden.
Beim allgemeinen Verwahrungsvertrag handelt es sich um eine sehr alte Rechtsfigur, die ihren Ursprung im ''depositum'' des [[Römisches Recht|römischen Rechts]] findet (D.&nbsp;16,3). Sie zeichnete sich durch zwei zentrale Charakteristika aus. Erstens handelte es sich notwendigerweise um einen unentgeltlichen Vertrag. Die Verwahrung gegen Bezahlung wurde als [[Miete und Pacht|Miete]] (''locatio conductio'') qualifiziert. Zweitens war das ''depositum ''als Realvertrag ausgestaltet und erforderte zur wirksamen Entstehung die Übergabe einer beweglichen Sache. Mit der Verschaffung der tatsächlichen Gewalt war weder die Übertragung des Eigentums noch die Einräumung des [[Besitz]]es im Rechtsinne (''possessio'') einschließlich der hieraus resultierenden Rechte verbunden. Besitzer blieb nur der Hinterleger, der Verwahrer war einfacher Halter (''detentor'').


=== c) Entmaterialisierung von Wertpapieren ===
Die Aufgabe des Depositars erschöpfte sich in der ordnungsgemäßen Aufbewahrung und unversehrten Rückgabe des ihm anvertrauten Gegenstandes auf Verlangen des Hinterlegers einschließlich zwischenzeitlich gewonnener Früchte. Zum Gebrauch der Sache war der Verwahrer nicht befugt und erhielt weder ein Entgelt noch ein dingliches Recht. Das ''depositum'' bestand somit nach römischer Vorstellung ausschließlich im Interesse des Hinterlegers. Der Deponent suchte sich einen Vertrauten aus, der ihm während seiner Abwesenheit (etwa wegen eines Feldzuges) einen Freundschaftsdienst erweisen und auf seine Sachen aufpassen sollte. Diese Zweckrichtung wirkte sich auf das vertragliche Haftungsregime in Form von Erleichterungen für den Depositar aus. Konnte oder wollte der Verwahrer die Sache nicht oder nur beschädigt herausgeben, haftete er dem Hinterleger nur dann auf Ersatz, wenn der Verwahrer mit Vorsatz (''dolus'') gehandelt hatte. Gleichzustellen war dem ''dolus ''die grobe Fahrlässigkeit (''culpa lata''), nach Ansicht mancher Juristen auch, oder statt dessen, die Nichtbeachtung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten (''diligentia quam in suis''). Dieser relative Fahrlässigkeitsmaßstab taucht historisch erstmals beim ''depositum'' auf. Für den Fall, dass der Hinterleger die Gegenstände aufgrund einer Notsituation wie Aufruhr, Brand, Einsturz oder Schiffbruch dem Verwahrer anvertrauen musste (''depositum miserabile''), sah das römische Recht für den untreuen Depositar wegen des in dieser Situation besonders verwerflichen Vertrauensbruchs eine Haftungsverschärfung auf den doppelten Wert (''duplum'') vor. Die genannten Szenarien tauchen bis heute als gesetzlich benannte Beispielsfälle des ''dépôt nécessaire'' in einigen Kodifikationen auf (Belgien; Frankreich; Luxemburg; Spanien; ähnlich Québec).
Die Diskrepanz zwischen Erstellungs- und Verwahrungskosten körperlicher Einzelurkunden und deren praktischer Bedeutung führte vielerorts zu einem mit der Immobilisierung eng verwobenen Phänomen, nämlich der Entmaterialisierung im Sinne eines teilweisen oder völligen Verzichts auf Urkunden als Repräsentationsmittel von Rechten. Der erste Schritt ist die zusammengefasste Verbriefung mehrerer gleichartiger Anteile in Sammel- oder Globalurkunden (''global''/''jumbo certificates''<nowiki>; z.B. Deutschland, England, Luxemburg, Österreich, Schweiz, Kanada, USA.). Bei der häufig verwendeten Dauerglobalurkunde wird die gesamte Emission dauerhaft in einer einzigen Urkunde verbrieft. Kraft gesetzlicher Fiktion repräsentiert diese zwar eine mit der Stückelung der Emission übereinstimmende Anzahl von Einzelurkunden. Jedoch wurde die Auslieferung effektiver Stücke in den Emissionsbedingung ausgeschlossen. Trotz physischer Grundlage sind Verfügungen daher nur noch im Buchungswege möglich („Zwangsgiro“). Konsequenter erscheint daher der vollständige Verzicht auf jedes Papier. An dessen Stelle treten elektronische Registereinträge zur Verlautbarung von Anteilsrechten (Wertrechte, </nowiki>''dematerialised/ uncertificated securities''). Als erste Rechtsordnung hat Frankreich sein Wertpapiersystem in den 1980er Jahren für alle Kapitalmarktwerte aller Emittenten zwingend auf reine Wertrechte umgestellt; ein Beispiel, das zunehmend Schule <nowiki>macht (etwa Belgien, Griechenland, Italien, Spanien, nordische Länder, Japan, bevorstehend Niederlande, fakultativ [z.T. schon früher] England, Schweiz, USA, Kanada, Australien, beschränkt auf Regierungsleihen Deutschland, Österreich).</nowiki>


=== d) Abwicklung von Handelsgeschäften (Clearing & Settlement) ===
Umgekehrt war der Verwahrer berechtigt, mit der ''actio depositi contraria'' vom Hinterleger alle Aufwendungen ersetzt zu verlangen, die er während der Verwahrung auf den Gegenstand getätigt hatte. Zudem hatte der Deponent dem Depositar sämtliche Schäden zu ersetzen, die letzterem durch die Lagerung der fremden Sachen entstanden waren, ohne dass ersterem ein Verschulden bewiesen werden musste. Insofern bestand also eine [[Gefährdungshaftung]] des Deponenten. Diese Pflichtenverteilung erklärt sich aus dem Utilitätsprinzip: Nur der Deponent profitierte vom ''depositum'', weshalb der Depositar möglichst keine Vermögenseinbußen erleiden sollte.
Diejenigen Geschäftsprozesse, die auf den Abschluss eines Wertpapierhandelsgeschäfts über eine [[Börsen|Börse]] oder einem anderen [[Märkte für Finanzinstrumente|Markt für Finanzinstrumente]] (''trading'') folgen und der Abrechnung (''clearing'') und Abwicklung (''settlement'') des Geschäfts dienen, werden zusammenfassend als Nachhandels- oder ''post trade''-Phase bzw. als das ''Clearing ''und'' Settlement'' (C&S) der Transaktion bezeichnet. Als Oberbegriff umschreibt ''Clearing'' alle Prozesse, die zur Feststellung der gegenseitigen Verbindlichkeiten notwendig sind und deren Erfüllung vorbereiten (Übermittlung und Abgleich von Geschäftsdaten, Aufrechnung gegenläufiger Verpflichtungen, Feststellung etwaiger Besicherungspflichten etc.). Immer häufiger wird im Rahmen des ''Clearing'' eine zentrale Vertragspartei in den Abwicklungsprozess mit einbezogen (''central counterparty'', CCP, Art.&nbsp;2(c) RL&nbsp;26/1998). Dabei werden alle Verträge zwischen den Marktteilnehmern in zwei identische Einzelgeschäfte mit dem CCP als Kontrahenten aufgespaltet (Kauf A-B wird zu Kauf A-CCP und CCP-B). Der CCP trägt das Ausfallrisiko der Teilnehmer, welche zur Absicherung [[Finanzsicherheiten]] bestellen müssen (''margening''). Soweit sie sich auf dieselbe Wertpapiergattung beziehen, werden die zwischen den Teilnehmern und dem CCP entstandenen Einzelverträge zu einer einzigen Nettolieferpflicht („Spitze“) saldiert (''mulilateral netting''), wodurch die effektiv zu bewegendem Volumina und damit verbundenen Risiken um ein Vielfaches (über 90%) reduziert werden. Der letzte Abwicklungsschritt ist die Belieferung der einzelnen Geschäfte durch entsprechende Depotumbuchungen (''settlement''). Auf der obersten Verwahrungsebene nimmt der CSD die Umbuchungen vor (Settlementsystem), auf den nachgelagerten Stufen sind die Intermediäre für die Kontenumstellungen verantwortlich. Im Falle der Einschaltung eines CCP werden im Settlementsystem lediglich die Spitzen ausgeglichen, während auf den unteren Ebenen alle Handelsgeschäfte buchungstechnisch erfüllt werden müssen. Deswegen lässt sich bei Börsengeschäften in der Regel keine durchgängige Buchungskette zwischen Verkäufer und Käufer mehr identifizieren. Innerhalb des buchungsgestützten Effektensystems ist der (vermittelte) Zugang zu einem Verwahrungs- und Settlementsystem Voraussetzung zur Teilnahme an einem Wertpapiermarkt (''essential facility''), weshalb sich die Infrastrukturen auch grenzüberschreitend immer stärker vernetzen. In Belgien und Luxemburg existieren zudem zwei spezialisierte Knotenpunkte zur Abwicklung internationaler Wertpapiertransaktionen, die ''international'' ''central securities depositories'' (ICSD).


== 3. Einzelstaatliche Regelungsstrukturen ==
Schließlich kannte das römische Recht die Figur der unregelmäßigen oder irregulären Verwahrung (''depositum irregulare''). Sie entstand, wenn Geld mit der Vereinbarung hinterlegt wurde, dass es vom Verwahrer gebraucht werden durfte und lediglich eine wertmäßige Erstattung anstelle der Rückgabe derselben Münzen geschuldet war. Das ''depositum irregulare'' war daher durch den Eigentumsübergang auf den Verwahrer gekennzeichnet, während der Hinterleger lediglich einen schuldrechtlichen Gattungsanspruch erhielt. Die Rechtsfigur glich damit weitgehend einem [[Darlehen]] (''mutuum''), was nicht zuletzt der Umstand belegt, dass auch eine Zinsvereinbarung getroffen werden durfte, das ''depositum irregulare'' also nicht zwingend unentgeltlich war. Der funktionale Unterschied zwischen Darlehen und unregelmäßiger Verwahrung wurde darin gesehen, dass ersteres zur Geldbeschaffung im Interesse des Darlehensnehmers eingegangen wurde, während letzteres vornehmlich dem Hinterlegungsbedürfnis des Deponenten diente.
Werden Vermögensgegenstände nicht nach Hinterlegern getrennt, sondern gattungsmäßig gesammelt (fungibel) bei einem Dritten verwahrt, liegt grundsätzlich ein ''depositum irregulare'' vor, so dass dem Hinterleger nur ein schuldrechtlicher Rückgabeanspruch zusteht ([[Verwahrung (allgemein)]]). Der Anleger wäre folglich dem Insolvenzrisiko seines Intermediärs ausgesetzt und stünde schlechter als nach klassischem Wertpapierrecht. Die Abschirmung des Investments vor dem Kredit- und Einlagenrisiko der Bank stellt daher ein Kernziel des depotrechtlichen Regimes dar. Zudem stößt das klassische Wertpapierrecht mit seinem physischen Anknüpfungspunkt zur Übertragung von Anteilsrechten auf modernen Kapitalmärkten an seine konstruktiven Grenzen. Besondere Probleme werfen Fragen des gutgläubigen Erwerbs ([[Erwerb vom Nichtberechtigten]]) sowie die Unmöglichkeit der eindeutigen Nachverfolgung (''tracing'','' droit de suite'') von Vermögensgegenständen entlang einer Buchungskette auf. Viele Einzelfragen harren in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen einer abschließenden Klärung. Insgesamt lassen sich zwei (fließend in einander übergehende) Lösungsansätze identifizieren, die Miteigentumslösungen und die Treuhandlösungen.


=== a) Miteigentumslösungen ===
== 3. Regelungsstrukturen moderner Rechtsordnungen ==
<nowiki>Die meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen gewähren dem Investor ein dingliches (Mit‑)Eigentumsrecht an der Gesamtheit der beim Zentralverwahrer hinterlegten Wertpapiere bzw. in dessen Namen eingetragenen Wertrechte. Insofern besteht also eine direkte sachenrechtliche Beziehung zwischen dem Anleger und dem Repräsentationsmittel des Vermögensgegenstandes. Dabei hat der Investor kein Recht auf ein einzelnes, nummernmäßig bestimmtes Papier bzw. Registereintrag, sondern verfügt in Höhe seiner Gutschrift über Bruchteilseigentum an allen beim CSD verwahrten Vermögensgegenständen gleicher Gattung (so deutsches [1937] und österreichisches [1969] DepotG). In anderen </nowiki>Rechtsordnungen wird durch die Übernahme in die Sammelverwahrung ein globaler Gesamtsammelbestand fingiert, der aus sämtlichen bei allen am Buchungssystem teilnehmenden Verwahrern verbuchten Werten gleicher Gattung besteht, ungeachtet ihres tatsächlichen Verwahrungsortes (''universalité de titre de même espèce''). An diesem gedachten (ideellen) Sammelbestand erhält der Hinterleger ein „unkörperliches Miteigentumsrecht“ (''droit de copropriété'','' de nature incorporelle'', so belgisches ''Arrêté Royal n° 62''<nowiki> [1967], ganz ähnlich luxemburgische </nowiki>''Loi du 1.8.2001''<nowiki> [ehemals </nowiki>''Règlement Grand-Ducal du 17.2.1971''&#93;, niederländisches ''Wet giraal effectenverkeer''<nowiki> [1977]). Diese Eigentümerstellung darf außerhalb der Insolvenz des Kontoführers allerdings nicht gegenüber jedermann, sondern nur gegenüber dem eigenen Intermediär „mediatisiert“ ausgeübt werden (Belgien, Luxemburg, Niederlande; umstritten in Deutschland, Österreich). Selbst das papierfreie französische System hält an einer „körperlichen“ Terminologie fest, indem der Eininvestor als Eigentümer eines „durch die Kontogutschrift materialisierten“ Wertrechts bezeichnet wird (</nowiki>''valeurs mobilières ne sont matérialisés que par une inscription au compte de leur propriétaire'', Art.&nbsp;R211-1 ''Code monétaire et financier''). Der italienische Gesetzgeber fingierte die depotrechtliche Verwahrung kurzerhand als ''depositum regulare'', wobei die Buchung als normale Übergabe behandelt wird, mit der Folge, dass der Hinterleger sein ursprüngliches dingliches Recht behält (''Legge 19.6.1986'','' n. 289''). Die transparenten Systeme gewähren dem Investor stets ein direktes Eigentumsrecht an den beim CSD verbuchten Anteilen.
Viele der vorgenannten Elemente des römischen ''depositum ''lassen sich trotz einiger wichtiger Modifikationen bis heute anhand moderner Rechtsordnungen nachvollziehen. Augenfällig wird dieser Befund zunächst an der in den romanischen Rechtsordnungen (''dépôt''<nowiki>;</nowiki>'' depósito''<nowiki>;</nowiki>'' deposito'') sowie in Schottland (''deposit'') noch heute verwendeten Terminologie. Zudem wird das englische ''bailment'' in seiner Grundform ausdrücklich als ''depositum ''bezeichnet (''Coggs v. Bernard'' (1703) 2 Ld. Raym. 909).


Für die Übertragung der dinglichen Rechte wenden einige Rechtsordnungen im Grundsatz schlicht die allgemeinen Regeln zur [[Eigentumsübertragung (beweglicher Sachen)|Eigentumsübertragung]] an, wobei die Kontobuchung als der Übergang des mittelbaren Besitzes an den Urkunden verstanden wird (Deutschland, Österreich). In anderen Gesetzen findet sich ein ausdrücklicher Hinweis auf die Kontobuchung als Übertragungsmodus (''virement de compte à compte'', Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande). Als problematisch stellt sich in vielen Rechtsordnungen die Reichweite dieser Regeln dar, insbesondere, ob ein gutgläubiger Erwerb ([[Erwerb vom Nichtberechtigten]]) auf Grundlage der Buchung als Besitzsurrogat möglich ist. Die herrschende Ansicht bejaht dies in Deutschland und Österreich. In Frankreich ist bis heute unklar, ob der Grundsatz ''la possession vaut titre'' des Art.&nbsp;2279 ''Code civil'' auch für den „Buchungsbesitz“ gilt; in Belgien wurde dies explizit angeordnet. Nach italienischem Recht sind einer im Buchungswege vorgenommenen Übertragung die gleichen Wirkungen beizumessen, wie in den allgemeinen Regeln über den Umlauf von Wertpapieren für physische Übergaben vorgesehen. Insgesamt behandeln die Miteigentumslösungen damit die mediatisierten und weitgehend entmaterialisierten Anteilsrechte verfügungstechnisch analog dem klassischen Wertpapierrecht. Dabei herrscht die Vorstellung, dass bei Handelsgeschäften derselbe Vermögensgegenstand übertragen wird, nämlich das dingliches Anteilsrecht am Sammelbestand; und zwar unabhängig davon, ob sich Veräußerer und Erwerber ''ex ante'' oder ''ex post'' identifizieren lassen und durch eine durchgängige Buchungskette miteinander verbunden sind.
=== a) Grundelemente des Verwahrungsvertrags ===
So sehen einige Rechtssysteme die Unentgeltlichkeit des Verwahrungsvertrags im Grundsatz noch als dessen Wesensmerkmal an (Belgien; Frankreich; Luxemburg; Spanien; Schottland). Allerdings haben sie sich insofern von den Vorstellungen des römischen Rechts gelöst, als zumindest die ausdrückliche Vereinbarung einer Gegenleistung zugelassen wird (Spanien; implizit Belgien; Frankreich; Luxemburg). In Schottland wird ein solcher vergüteter Verwahrungsvertrag indes nicht mehr als echtes ''deposit'', sondern als eigener Vertragstypus eingeordnet (''onerous deposit ''bzw. ''locatio custodiae''). Demgegenüber kann das englische ''bailment ''sowohl kostenlos als auch kostenpflichtig ausgestaltet sein. Modernere Kodifikationen vermuten im Ausgangspunkt zwar weiterhin die Unentgeltlichkeit, lassen jedoch auch stillschweigende Gegenleistungsabreden zu, die sich insbesondere aus dem Beruf des Verwahrers oder einem Handelsbrauch ergeben können (Griechenland; Italien; Österreich; Schweiz; Tschechien; Louisiana; Québec). Bei entsprechenden Anhaltspunkten kommt es zum Teil sogar zu einer Vermutungsumkehr zugunsten der Vereinbarung eines ortsüblichen Entgelts (Deutschland; Niederlande; Portugal). Den Abschluss dieser Entwicklung weg von einem unvollkommen zweiseitigen hin zu einem synallagmatischen Vertrag bildet die Vorstellung, dass die Verwahrung (stillschweigend) stets gegen ein Entgelt erfolgt, es sei denn, das Gegenteil ergibt sich aus den Umständen des konkreten Falles (Polen; Ungarn; ähnlich Russland). Das handelsrechtliche Lagergeschäft ist demgegenüber stets als entgeltlicher Vertrag ausgestaltet.


=== b) Treuhandlösungen ===
Eine ähnliche Entwicklung lässt sich beim realvertraglichen Kennzeichen des ''depositum'' verzeichnen. Zwar ist die Übergabe immer noch zwingende Entstehungsvoraussetzung in vielen Kodifikationen (Belgien; Frankreich; Griechenland; Italien; Luxemburg; Österreich; Spanien; Louisiana; Québec) sowie beim englischen ''bailment ''und dem schottischen ''deposit''. Zunehmend wird die Verwahrung jedoch als reiner Konsensualvertrag ohne notwendige Realhandlung konstruiert (Niederlande; Polen; Ungarn; Russland; Schweiz; Tschechien; h.M. in Deutschland), da der ursprüngliche Zweck des Realvertrags – Schutz vor einer spontan eingegangenen unentgeltlichen Verwahrungspflicht – angesichts des zwischenzeitlich anerkannten Vergütungsanspruchs obsolet geworden ist.
Nach den Treuhandlösungen steht dem Anleger an den beim Zentralverwahrer befindlichen Vermögensgegenständen kein unmittelbares dingliches Recht zu. Ein solches erhält der Investor vielmehr nur in Bezug auf die bei seinem unmittelbaren Intermediär befindlichen Vermögenswerte. Federführend für dieses Modell ist das ''security entitlement'' nach Art.&nbsp;8 des ''Uniform Commercial Code'' (UCC) in der revidierten Fassung von 1994 (dieses Konzept wurde in Kanada, Puerto Rico, Panama übernommen). Im Ausgangspunkt ist das ''security entitlement'' ein Paket von Rechten, welches sich gegen den unmittelbaren Intermediär richtet und u.a. zu Verfügungsanweisungen berechtigt und den Intermediär verpflichtet, dem Anleger den Genuss von Investorenrechten zu ermöglichen. Im Kern handelt es sich beim ''security entitlement'' also um einen schuldrechtlichen Anspruch. Dieser wird jedoch insofern „verdinglicht“, als alle Gutschriften, die dem Intermediär von seinem Verwahrer erteilt werden, nicht dem Zugriff der allgemeinen Gläubiger des Intermediärs unterliegen, sondern allein der Deckung der Ansprüche der Investoren dienen. Es entsteht ein Vermögensrecht ''sui generis ''zwischen Schuld- und Sachenrecht. Trotz einiger Auslegungszweifel wird das ungeschriebene englische Recht mehrheitlich dahingehend ausgelegt, dass es sachlich dem ''security entitlement'' entspricht. Die Verwahrung durch Intermediäre wird nämlich als eine Kette von nacheinander geschalteten [[Trust und Treuhand|''trusts'']] zugunsten der jeweiligen Kunden verstanden. Die Vermögensgegenstände der ''(sub‑) trusts'' zugunsten der Anleger bestehen aus den ''equitable interests'' (''[[equity]]'') der Depotbanken an den von ihren eigenen Intermediären gehaltenen Werten. Die Teilnehmer des Settlementsystems sind ''legal owner'' der Anteilsrechte und halten diese ''on trust'' für nachgelagerte Ebenen. Eine vergleichbare Treuhandlösung sehen zudem einige kontinentaleuropäische Rechtsordnungen für im Ausland gelagerte, aber von inländischen Investoren gehaltene Effekten vor (z.B. Deutschland, Österreich; andere Länder dehnen das inländische Regime auf im Ausland verwahrte, aber auf inländischen Konten verbuchte Werte aus, etwa Belgien, Luxemburg, Niederlande). Das schweizerische Bucheffektengesetz von 2008 kombiniert das Miteigentumsmodell mit dem Konzept des ''security entitlement'' und schafft einen eigenen Vermögenswert zwischen beiden Lösungen (in diese Richtung schon Belgien, Luxemburg, Niederlande).


Verfügungen im Treuhandsystem vollziehen sich rechtlich nach dem Modell der Giroüberweisung: Mit der Gutschrift entsteht eine neue Berechtigung beim Erwerber, während die alte Berechtigung des Veräußerers mit der Belastung des Kontos erlischt; es wird also gerade nicht derselbe Vermögensgegenstand „durchgereicht“. Bei diesem Modell stellt sich die Frage des gutgläubigen Erwerbs folglich nicht. Zudem bereitet die Praxis des ''netting'' keine konstruktiven Schwierigkeiten. Allerdings können im Treuhandsystem mehr Berechtigungen gutgeschrieben werden, als ursprünglich Anteile emittiert wurden, was zu Problemen bei ''corporate actions'' führen kann.
In Bezug auf den Vertragsgegenstand werden im Einklang mit dem römischen Recht ganz überwiegend nur bewegliche Sachen zugelassen. Nur selten ist die „Verwahrung“ von Immobilien möglich (so Österreich; Portugal; Südafrika; englisches ''bailment''), ohne dass diese Tätigkeit notwendig als [[Dienst(leistungs)vertrag|Dienst-]] oder [[Werkvertrag]] qualifiziert wird.


== 4. Gemeinschaftsrechtrechtliche Regelungsstrukturen ==
=== b) Pflichten des Verwahrers ===
Die Eckpfeiler des europäischen Marktinfrastrukturrechts markieren die Finalitätsrichtlinie (RL&nbsp;26/1998) und die Finanzsicherheitenrichtlinie (RL&nbsp;47/2002) ([[Finanzsicherheiten]]). Zudem enthält die Richtlinie über [[Märkte für Finanzinstrumente]] (MiFID) (RL&nbsp;39/2004) inklusive Durchführungsrichtlinie (RL&nbsp;73/2006) verwahrungsrelevante Vorschriften, etwa Vorgaben zu Verbuchung und Weitergabe mediatisierter Vermögenswerte (Art.&nbsp;13(7) MiFID, 16&nbsp;ff. RL 73/ 2006). Die MiFID gewährt den Marktteilnehmern ferner einen Anspruch auf (grenzüberschreitenden) Zugang zu und Wahl von C&S-Systemen (Art.&nbsp;34,&nbsp;46). Als Folge ist nicht mehr jedem Markt genau ein Abwicklungssystem zugeordnet, so dass eine Transaktion in Land A abgeschlossen, in Land B abgerechnet und in Land C abgewickelt werden kann, sofern die Systeme miteinander vernetzt und kompatibel sind. Letzteres kann nur von den Anbietern selbst verwirklicht werden. Aus diesem Grund, und um kartellrechtlichen Bedenken zu begegnen, hat die C&S-Industrie einen ''Code of Conduct ''mit Vorschriften u.a. zu Preistransparenz und Systemkompatibilität ausgearbeitet, über deren Umsetzung eine von der Kommission eingesetzte ''Monitoring Group of the Code of Conduct on Clearing and Settlement ''(MOG) berichtet.
Das grundsätzliche Pflichtenprogramm des Verwahrers hat sich seit dem römischen Recht kaum verändert, d.h. er hat den Gegenstand zunächst sicher für den Hinterleger aufzubewahren und anschließend unversehrt ''in specie ''zurückzugeben, wobei er ihn zwischenzeitlich nicht nutzen darf (sofern nicht zur Erhaltung des Gegenstandes erforderlich). Die Rückgabe kann der Hinterleger nach fast allen Rechtsordnungen jederzeit verlangen, und zwar sogar dann, wenn zuvor eine längere Laufzeit vereinbart wurde. Hierin spiegelt sich bis heute der Umstand, dass das ''depositum'' vornehmlich zugunsten des Hinterlegers eingegangen wird. In Italien ist allerdings ausdrücklich die Möglichkeit regelt, im Interesse des Verwahrers eine Mindestlaufzeit zu vereinbaren (ebenso England). Manche Rechtssysteme normieren zum Ausgleich für die vorzeitige Aufkündigung jedoch eine angemessene Kompensation (Deutschland; Österreich; Portugal; Ungarn; Schweiz; Russland; Québec), während andere ein jederzeitiges Kündigungsrecht auch ohne ausdrückliche Entschädigung gewähren (Belgien; Frankreich; Griechenland; Luxemburg; Niederlande; Polen; Spanien; Tschechien; Louisiana). Im Ergebnis dürfte sich dort eine ähnliche Kompensation jedoch aus dem allgemeinen Vertragsrecht oder dem verwahrungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch (so wohl Schottland) ergeben. Neben der Sache hat der Verwahrer etwaige Früchte herauszugeben (Belgien; Deutschland; Frankreich; Italien; Luxemburg; Niederlande; Österreich; Portugal; Spanien; Schottland; Tschechien; Louisiana; Québec).


Fragen der Wertpapierverwahrung rücken zunehmend in den rechtspolitischen Fokus der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]], da eine klare rechtliche Basis für die Abwicklung (grenzüberschreitender) Wertpapiertransaktionen eine Grundvoraussetzung für einen effizienten [[Europäischer Binnenmarkt|europäischen Binnenmarkt]] für Finanzdienstleistungen und die Ausübung der [[Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit]] ist (reichhaltiges Material unter GD MARKT, Finanzdienstleistungen, Infrastruktur). Ausgangspunkt waren zwei Berichte der sog. ''Giovannini Group'', die 15 Markthindernisse identifizierte (2001) und entsprechende Lösungswege aufzeigte (2003). Hieraus resultierte eine Mitteilung zu künftigen Maßnahmen im C&S-Bereich (KOM(2004) 312 endg.). In der Folge berief die Kommission mehrere Expertengruppen ein, namentlich die ''Clearing and Settlement Advisory and Monitoring Expert Group'' (CESAME) zu Technik, Marktpraktiken und Governance, die ''Clearing and Settlement Fiscal Compliance Expert Group'' (FISCO) zum Steuerrecht sowie die ''Legal Certainty Group'' (LCG) zur Vereinheitlichung des Rechts der Intermediär-verwahrten Wertpapiere. Daneben gibt es vielfältige Arbeitspapiere und Empfehlungen internationaler Sachverständigengruppen, etwa der ''Group of Thirty ''(G30), ''European Financial Markets Lawyers Group ''(EFMLG), ''European Central Securities Depositories Association ''(ECSDA), ''Committee of European Securities Regulators ''(CESR), ''Committee on Payment and Settlement Systems ''(CPSS).  
Das konkrete Haftungsregime des Verwahrers hängt in vielen Rechtsordnungen davon ab, ob dieser eine Vergütung für seine Dienstleistung verlangt; falls ja, haftet er für jede Form der Fahrlässigkeit, wobei ihm nach allgemeinen Grundsätzen der Entlastungsbeweis obliegt (Deutschland; England; Griechenland; Italien; Österreich; Spanien; Ungarn; Louisiana; in Québec Entlastung nur bei höherer Gewalt). Sollte die Verwahrung jedoch kostenlos sein, hat sich die Haftungserleichterung für altruistische Verträge auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten bis heute vielerorts bewahrt (etwa Deutschland; Louisiana; Russland; ähnlich Italien; ungeklärt England). Konstruktiv stellt sich (wegen der dortigen Vermutung für die Unentgeltlichkeit) in manchen Ländern das gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis sogar umgekehrt dar: Grundsätzlich wird nur für die ''diligentia quam in suis'' gehaftet, falls nicht (ausnahmsweise) eine Gegenleistung vereinbart wurde (z.B. Belgien; Frankreich; Griechenland; Luxemburg; Schottland). Wieder andere Rechtsordnungen kennen gar keine verwahrungsspezifische Haftungsbeschränkung (Niederlande; Ungarn; Schweiz). Umgekehrt wird zum Teil eine verschärfte Haftung für jede Verschlechterung vorgesehen, falls der Verwahrer Ort oder Art der Verwahrung unberechtigt ändert oder die Sache ohne Erlaubnis gebraucht (z.B. England; Österreich; Polen; Spanien; Tschechien). Schließlich kennen einige Zivilgesetzbücher noch die notwendige Verwahrung aufgrund einer Notlage. Allerdings wird hierfür keine verschärfte Haftung im eigentlichen Sinne mehr vorgesehen, sondern eine Beweiserleichterung insofern gewährt, als der Zeugenbeweis anders als im allgemeinen Vertragsrecht auch bei hohen Streitwerten zugelassen wird (so Frankreich; Belgien; Luxemburg). In Québec wird sogar umgekehrt eine Haftungserleichterung entsprechend der unentgeltlichen Verwahrung angeordnet, allerdings erweitert um einen Annahmezwang des Verwahrers. Spanien erklärt schlicht das allgemeine Verwahrungsregime für anwendbar.


Im August 2008 legte die ''Legal Certainty Group'' ihren ausführlichen Abschlussbericht nebst Regelungsempfehlungen vor. Ausgehend von einem funktionalen Ansatz wird dort nicht die Rechtsnatur des Anteils (Eigentum, Treuhand), sondern lediglich die Wirkung von Depotgutschriften festgelegt (''book entry securities'', Empfehlung&nbsp;4). Diese werden grundsätzlich vor der Insolvenz des Intermediärs geschützt. Mit Gutschrift werden die Anteile Dritten (nicht notwendig dem Emittenten) gegenüber wirksam erworben und durch Belastungsbuchung veräußert; gutgläubiger Erwerb ist möglich (Empfehlung 5-7). Zudem enthält der Bericht Empfehlungen, unter welchen Voraussetzungen Depotgutschriften und ‑belastungen rückgängig gemacht oder vorläufig erteilt werden dürfen und welche Rechtsfolgen etwaige Stornierungen zeitigen (Empfehlung 6&nbsp;f.,&nbsp;9). Darüber hinaus sind Vorschläge zur mediatisierten Ausübung von Investorenrechten enthalten (Empfehlung 12-14). Schließlich sollen Emittenten wählen können, ob ihre Emission beim inländischen oder einem ausländischen CSD immobilisiert wird (Empfehlung 15). Insgesamt sind die Empfehlungen der LCG detaillierter und zielen auf einen höheren Harmonisierungsgrad ab als das einheitsrechtliche Projekt von UNIDROIT (dazu 5.). Die Ergebnisse der LCG sollen in eine zukünftige Richtlinie zum Depotrecht münden, wozu die Kommission im April 2009 eine öffentliche Konsultation eingeleitet hat. Der [[Common Frame of Reference|DFCR]] verhält sich zu depotrechtlichen Fragestellungen uneinheitlich: Während die Vorschriften zur allgemeinen [[Verwahrung (allgemein)|Verwahrung]] (Art.&nbsp;IV.C.-5:101(2)(c)) und zur [[Eigentumsübertragung (beweglicher Sachen)|Eigentumsübertragung beweglicher Sachen]] (Art.&nbsp;VII.-1:101(4)(a)) Wertpapiere aussparen, sind die Regelungen über [[Mobiliarsicherheiten]] auf immobilisierte Anteilsrechte explizit anwendbar (Art.&nbsp;IX.-1:201(7),&nbsp;(8)) ([[Finanzsicherheiten]]).
Traditionell wird das Verwahrungsgeschäft aufgrund des dem Verwahrer entgegengebrachten Vertrauens als ein höchstpersönliches Geschäft eingestuft, bei dem die Weitergabe der Sache zur Unterwahrung an einen Dritten nur im Falle der Zustimmung des Hinterlegers oder in Notfällen erlaubt ist (Deutschland; England; Griechenland; Niederlande; Österreich; Polen; Portugal; Ungarn; Russland; grundsätzlich zulässig aber in Schottland). Als Begründung wird heute zusätzlich angeführt, dass der Hinterleger in der Praxis oft genau wissen muss, wo seine Gegenstände tatsächlich gelagert werden, damit er sie zur punktgenauen Verwendung zurückfordern kann (''just in time deliveries''). Außerdem könnte die Versicherung des Deponenten die Weitergabe an einen Dritten nicht mehr abdecken. Ist die Unterverwahrung ausnahmsweise zulässig, beschränken einige Rechtsordnungen die Verantwortung des Erstverwahrers auf sein eigenes Auswahlverschulden (z.B. Deutschland; Griechenland; Portugal), während ihn andere voll für die Handlungen des Zweitverwahrers haften lassen (z.B. Niederlande; Schottland; Ungarn; Russland).


== 5. Einheitsrechtsrechtliche Regelungsstrukturen ==
=== c) Pflichten des Hinterlegers ===
Ein globales Modell der Wertpapierverwahrung schlägt die von [[UNIDROIT]]'' ''erarbeitete ''Draft Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Securities'' vor, die im Oktober 2009 in Genf verabschiedet werden soll. Der Entwurf zielt nicht auf eine Vollharmonisierung ab, sondern strebt eine dem funktionalen Ansatz folgende Kompromisslösung zwischen grenzüberschreitender Rechtssicherheit und Bewahrung nationaler Regelungsstrukturen an (''functional approach'', ''internal soundness''). Mit der Gutschrift erhält der Endinvestor u.a. einen insolvenzfesten (Art.&nbsp;14,&nbsp;21) Anspruch auf die aus dem Wertpapier folgenden Vorteile sowie das Recht, über seinen Anteil im Wege der Buchungsanweisung zu verfügen (Art.&nbsp;9). Der Anteil wird durch Gutschrift erworben und durch Belastung veräußert (Art.&nbsp;11; zur Verpfändung [[Finanzsicherheiten]]), wobei gutgläubiger Erwerb ([[Erwerb vom Nichtberechtigten]]) zugelassen wird (Art.&nbsp;18). Die Konvention überlässt die Frage nach der Wirksamkeit bzw. Stornierungsmöglichkeit einer Depotbuchung jedoch nahezu vollständig dem nationalen Recht (Art.&nbsp;16), wodurch der erreichte Grad an Rechtssicherheit wesentlich geschmälert wird. Auch an vielen weiteren Stellen verweist die Konvention auf nationales Recht, weshalb letzterem und damit dem Kollisionsrecht weiterhin erhebliche Bedeutung beizumessen sein wird.
Gemäß der römischen Tradition gehen einige Rechtsordnungen in der Grundkonstruktion noch von einem unvollkommen zweiseitigen Vertrag aus, bei dem den Hinterleger keine im Synallagma stehende Hauptleistungspflicht trifft. Jedoch wird die Vereinbarung einer Vergütung wie dargelegt mittlerweile überall ermöglicht (oder sogar bereits vermutet), so dass die unentgeltliche Verwahrung in der Rechtswirklichkeit im Vergleich zur geschäftsmäßigen Aufbewahrung nur eine untergeordnete Rolle spielt. Typischerweise trifft den Verwahrer also regelmäßig die Pflicht, den für die Dienstleistung (stillschweigend) vereinbarten Preis zu entrichten. Dieser wird häufig erst bei Rückgabe der Sache fällig, so dass der Verwahrer – vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung – zur Vorleistung verpflichtet ist. Letzterem wird oft jedoch bis zur vollständigen Entgeltzahlung ein (verwahrungsrechtliches) Zurückbehaltungsrecht zugestanden (z.B. Belgien; Deutschland; Frankreich; Luxemburg; Spanien; anders etwa Österreich).


== 6. Internationales Privatrecht ==
Der Hinterleger hat dem Verwahrer regelmäßig, d.h. insbesondere auch im Falle der kostenlosen Verwahrung, die während der Aufbewahrung getätigten Aufwendungen zu ersetzen, sofern diese nicht bereits ausdrücklich von einer etwaigen Vergütung erfasst werden (Belgien; Deutschland; Frankreich; Griechenland; Italien; Luxemburg; Niederlande; Spanien; Österreich; Polen; Tschechien; Ungarn; Louisiana; Québec; in England nur bei Unentgeltlichkeit). Zudem ist der Hinterleger verpflichtet, dem Verwahrer die durch die Verwahrung verursachten Schäden zu ersetzen. Diesbezüglich sehen einige Kodifikationen im Anschluss an das römische Recht im Grundsatz weiterhin eine verschuldensunabhängige Ersatzpflicht vor (z.B. Belgien; Frankreich; Italien; Luxemburg; Spanien). Darunter befinden sich übrigens selbst solche Rechtsordnungen, die in der Praxis regelmäßig von einer zumindest stillschweigenden Vergütungsvereinbarung ausgehen (Niederlande; Tschechien; Louisiana; Québec). Demgegenüber sind andere Zivilgesetzbücher auch im Verwahrungsrecht zu einer Verschuldenshaftung des Hinterlegers übergegangen (Griechenland; Österreich; Portugal; Schweiz; ähnlich Deutschland; noch unentschieden in Schottland).
Das [[Internationales Privatrecht|internationale Privatrecht]] der Intermediär-verwahrten Wertpapiere unterliegt besonderen gemeinschaftsrechtlichen und einheitsrechtlichen Regelungen ([[Finanzsicherheiten]]).
 
Schließlich ist der Hinterleger verpflichtet, den Gegenstand nach Beendigung des Verwahrungsvertrags zurückzunehmen (Belgien; Frankreich; Luxemburg), wobei der Verwahrer die Rücknahme im Falle einer Laufzeitvereinbarung nicht wie der Hinterleger jederzeit, sondern vor Ablauf der Verwahrungsdauer nur bei einem berechtigten Grund verlangen kann (Deutschland; Griechenland; Italien; Niederlande; Polen; Spanien; Österreich; Louisiana; Schweiz; Tschechien; wohl auch Frankreich).
 
=== d) Unregelmäßige Verwahrung ===
Wesenselement der Verwahrung ist, dass der Depositar weder Eigentümer der hinterlegten Waren wird, noch ein allgemeines Nutzungsrecht erhält (Belgien; Deutschland; Frankreich; England; Griechenland; Italien; Luxemburg; Niederlande; Polen; Portugal; Schottland; Spanien; Ungarn; Russland; Louisiana; Québec). Wird das Gegenteil vereinbart, wird dieser Vertrag analog dem römischen Recht regelmäßig nicht mehr als eigentlicher Verwahrungsvertrag, sondern als unregelmäßige oder irreguläre Verwahrung bezeichnet und dem Leih- oder [[Darlehen]]srecht unterworfen (z.B. Deutschland; Griechenland; Italien; Polen; Portugal; Österreich; Schottland; Spanien).
 
== 4. Vereinheitlichungsprojekte ==
Im Jahre 2007 hat die ''[[Study Group on a European Civil Code]]'' ein europäisches Regelwerk zu Dienstleistungsverträgen – die PEL&nbsp;SC (''Principles of European Law'','' Service Contracts'') – vorgelegt, die einen eigenen Abschnitt zur Verwahrung enthalten (''storage'', Art.&nbsp;4:101&nbsp;ff.). Dessen Regelungen wurden mit kleineren (redaktionellen) Änderungen in den DFCR ([[Common Frame of Reference|Gemeinsamer Referenzrahmen]]) übernommen (Art.&nbsp;IV. C.-5:101&nbsp;ff.). Inhaltlich stellen die PEL&nbsp;SC im Wesentlichen eine Aufbereitung des gemeinsamen Kerns der europäischen Rechtsordnungen ohne größere Abweichungen dar. Der Verwahrungsvertrag ist als ein rein konsensualer, typischerweise entgeltlicher Vertrag ausgestaltet, der verhältnismäßig detaillierte Rechte und Pflichten für beide Vertragsparteien begründet. In der Sache entspricht das ausdifferenziert niedergelegte Pflichtenprogramm überwiegend dem geltenden Recht. Hierbei ist die Tendenz zu erkennen, den Verwahrungsvertrag stärker an die allgemeinen Prinzipien für synallagmatische Austauschverträge anzugleichen und sich von der römischrechtlichen Vorstellung eines unentgeltlichen, altruistischen Vertrags gänzlich zu lösen (z.B. ist weder ein strikte Haftung des Hinterlegers noch eine vermutete Haftungserleichterung für den Verwahrer vorgesehen).
 
Für den Spezialbereich der Haftung für im Zusammenhang von Bewirtungsverträgen eingebrachte Sachen existiert bereits ein im Rahmen des [[Europarat (Privatrechtsvereinheitlichung)|Europarates]] ausgehandeltes Übereinkommen, das in 17 Staaten in Kraft steht ([[Gastwirtshaftung]]).
 
== 5. Internationales Privatrecht ==
Als schuldrechtlicher Vertrag richtet sich das [[Internationales Privatrecht|internationale Privatrecht]] der Verwahrung grundsätzlich nach der Rom&nbsp;I-VO (VO 593/2008; [[Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)]]). Für dingliche Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Verwahrung (Besitz, Besitzschutz, Eigentumsverhältnisse) gilt die [[Anknüpfung]] an den tatsächlichen Verwahrungsort (''lex rei sitae''; [[Sachenrecht, internationales]]). Soweit es um sachenrechtliche Aspekte bei der [[Verwahrung (Wertpapiere)|Verwahrung von Wertpapieren]] geht, bestehen spezielle europäische und einheitsrechtliche Kollisionsregeln ([[Finanzsicherheiten]]).  


== Literatur==
== Literatur==
''James Steven Rogers'', Policy Perspectives on Revised U.C.C. Article 8, UCLA Law Review 43 (1996) 1431&nbsp;ff.;'' Joanna Benjamin'','' Madeleine Yates'', The Law of Global Custody, 2.&nbsp;Aufl. 2002; ''Frédéric Nizard'', Les titres négociables, 2003; ''Eva'' ''Micheler'', Wertpapierrecht zwischen Schuldrecht und Sachenrecht, 2004; ''Matthias Haentjens'', Harmonisation of Securities Law, Custody and Transfer of Securities in European Private Law, 2007; ''Philipp R. Wood'', Set-Off and Netting, Derivatives, Clearing Systems, 2.&nbsp;Aufl. 2007, Rn.&nbsp;18-001&nbsp;ff.;'' Luc Thévenoz'', Intermediated Securities, Legal Risk, and the International Harmonisation of Commercial Law, Stanford Journal of Law, Business & Finance 13 (2008) 384&nbsp;ff.; ''Law Commission'', The Unidroit Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Securities, Further Updated Advice to HM Treasury, May 2008;'' Legal Certainty Group'', Second Advice of the Legal Certainty Group: Solutions to Legal Barriers related to Post trading within the EU, August 2008; ''Dorothee Einsele'', Depotgeschäft, in: Münchener Kommentar zum HGB, Bd.&nbsp;5, 2.&nbsp;Aufl. 2009.
''Herbert Hausmaninger'', Diligentia quam in suis, in: Festschrift für Max Kaser, 1976, 265&nbsp;ff.;'' Wiesław Litewski'', Studien zur Verwahrung im Römischen Recht, 1978; ''Reinhard Zimmermann'', The Law of Obligations, 1996, 204&nbsp;ff.; ''The Law Society of Scotland'', The Laws of Scotland, Bd.&nbsp;8, 1992, Stichwort Deposit, 1&nbsp;ff.; ''Andrew Bell'', The Place of Bailment in the Modern Law of Obligations, in: Norman Palmer, Ewan McKendrick (Hg.), Interests in Goods, 2.&nbsp;Aufl. 1998, 461&nbsp;ff.; ''Jérôme Huet'', Traité de droit civil, Les principaux contrats spéciaux, 2.&nbsp;Aufl. 2001, 1549&nbsp;ff.;'' Dieter Reuter'','' ''§§&nbsp;657-704 (Geschäftsbesorgung), in: Julius v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Neubearb. 2006 ''Graham S. McBain'', Modernising and Codifying the Law of Bailment, Journal of Business Law 2008, 1&nbsp;ff.; ''Len S. Sealy'','' Richard J.A. Hooley'', Commercial Law, Text Cases and Materials, 4.&nbsp;Aufl. 2009, 78&nbsp;ff.


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[[en:Intermediated_Securities]]
[[en:Deposit]]

Version vom 29. September 2021, 15:39 Uhr

von Simon Schwarz

1. Gegenstand und Zweck

Sämtliche in der europäischen Tradition stehenden Kodifikationen sowie das ungeschriebene schottische Recht enthalten die Verwahrung als einen besonderen Vertragstypus (deposit; dépôt; depósito; bewaarneming). Darin vertraut eine Partei, der Hinterleger (Deponent), einer anderen Partei, dem Verwahrer (Depositar), eine Sache zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung an. Nach Beendigung des Verwahrungsverhältnisses hat der Verwahrer genau diese Sache an den Hinterleger (oder einem von diesem bestimmten Dritten) zurückzugeben. Im englischen Recht wird diese Konstellation von den Grundsätzen des bailment erfasst. Diese erschöpfen sich freilich nicht in der Regelung des Verwahrungsvertrags. Losgelöst von bestimmten Vertragszwecken behandelt das bailment im Kern jede Form des vertraglichen Anvertrauens fremder Sachen (auch ohne consideration). Zudem findet es auf bestimmte Besitzergreifungen ohne Zustimmung des Eigentümers Anwendung. Das bailment stellt sich daher als eine vielschichtige, nicht notwendigerweise auf einem Vertrag basierende Rechtsfigur auf der Grenze zwischen contract, property und tort dar. Vorliegend kann indes nur das Element des depositum berücksichtigt werden.

Während sich der Verwahrungsvertrag im Grundsatz auf alle Formen der Aufbewahrung fremder beweglicher Sachen für einen anderen bezieht, haben sich aufgrund der jeweiligen Eigenheiten besondere Regeln für einige Spezialformen herausgebildet. Dies trifft insbesondere auf das im Rahmen eines Transportvertrages entstehende Verwahrungsverhältnis zu. Einen weiteren wichtigen Sonderbereich repräsentiert die Verwahrung von Wertpapieren bzw. Finanzinstrumenten (Verwahrung (Wertpapiere)). Ein eigenes Rechtsgebiet stellt schließlich die „Geldverwahrung“ im Rahmen eines Girovertrags dar (Überweisungsverkehr (grenzüberschreitender)). Ferner besteht für die Aufbewahrung von im Zusammenhang mit Bewirtungs- oder Beherbergungsverträgen eingebrachten Sachen ein gesondertes, weitgehend durch Einheitsrecht geprägtes Regime (Gastwirtshaftung). Schließlich haben manche Kodifikationen dem professionellen Lagergeschäft (depósito mercantil; magasin général) einen eigenen Vertragstypus gewidmet, der zwar im Grundsatz auf der allgemeinen Verwahrung aufbaut, diese aber um ein für das Handelsrecht typisches Rechte- und Pflichtenprogramm ergänzt (z.B. Deutschland; Frankreich; Österreich; Polen; Spanien; Schweiz; Russland).

2. Depositum des römischen Rechts

Beim allgemeinen Verwahrungsvertrag handelt es sich um eine sehr alte Rechtsfigur, die ihren Ursprung im depositum des römischen Rechts findet (D. 16,3). Sie zeichnete sich durch zwei zentrale Charakteristika aus. Erstens handelte es sich notwendigerweise um einen unentgeltlichen Vertrag. Die Verwahrung gegen Bezahlung wurde als Miete (locatio conductio) qualifiziert. Zweitens war das depositum als Realvertrag ausgestaltet und erforderte zur wirksamen Entstehung die Übergabe einer beweglichen Sache. Mit der Verschaffung der tatsächlichen Gewalt war weder die Übertragung des Eigentums noch die Einräumung des Besitzes im Rechtsinne (possessio) einschließlich der hieraus resultierenden Rechte verbunden. Besitzer blieb nur der Hinterleger, der Verwahrer war einfacher Halter (detentor).

Die Aufgabe des Depositars erschöpfte sich in der ordnungsgemäßen Aufbewahrung und unversehrten Rückgabe des ihm anvertrauten Gegenstandes auf Verlangen des Hinterlegers einschließlich zwischenzeitlich gewonnener Früchte. Zum Gebrauch der Sache war der Verwahrer nicht befugt und erhielt weder ein Entgelt noch ein dingliches Recht. Das depositum bestand somit nach römischer Vorstellung ausschließlich im Interesse des Hinterlegers. Der Deponent suchte sich einen Vertrauten aus, der ihm während seiner Abwesenheit (etwa wegen eines Feldzuges) einen Freundschaftsdienst erweisen und auf seine Sachen aufpassen sollte. Diese Zweckrichtung wirkte sich auf das vertragliche Haftungsregime in Form von Erleichterungen für den Depositar aus. Konnte oder wollte der Verwahrer die Sache nicht oder nur beschädigt herausgeben, haftete er dem Hinterleger nur dann auf Ersatz, wenn der Verwahrer mit Vorsatz (dolus) gehandelt hatte. Gleichzustellen war dem dolus die grobe Fahrlässigkeit (culpa lata), nach Ansicht mancher Juristen auch, oder statt dessen, die Nichtbeachtung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten (diligentia quam in suis). Dieser relative Fahrlässigkeitsmaßstab taucht historisch erstmals beim depositum auf. Für den Fall, dass der Hinterleger die Gegenstände aufgrund einer Notsituation wie Aufruhr, Brand, Einsturz oder Schiffbruch dem Verwahrer anvertrauen musste (depositum miserabile), sah das römische Recht für den untreuen Depositar wegen des in dieser Situation besonders verwerflichen Vertrauensbruchs eine Haftungsverschärfung auf den doppelten Wert (duplum) vor. Die genannten Szenarien tauchen bis heute als gesetzlich benannte Beispielsfälle des dépôt nécessaire in einigen Kodifikationen auf (Belgien; Frankreich; Luxemburg; Spanien; ähnlich Québec).

Umgekehrt war der Verwahrer berechtigt, mit der actio depositi contraria vom Hinterleger alle Aufwendungen ersetzt zu verlangen, die er während der Verwahrung auf den Gegenstand getätigt hatte. Zudem hatte der Deponent dem Depositar sämtliche Schäden zu ersetzen, die letzterem durch die Lagerung der fremden Sachen entstanden waren, ohne dass ersterem ein Verschulden bewiesen werden musste. Insofern bestand also eine Gefährdungshaftung des Deponenten. Diese Pflichtenverteilung erklärt sich aus dem Utilitätsprinzip: Nur der Deponent profitierte vom depositum, weshalb der Depositar möglichst keine Vermögenseinbußen erleiden sollte.

Schließlich kannte das römische Recht die Figur der unregelmäßigen oder irregulären Verwahrung (depositum irregulare). Sie entstand, wenn Geld mit der Vereinbarung hinterlegt wurde, dass es vom Verwahrer gebraucht werden durfte und lediglich eine wertmäßige Erstattung anstelle der Rückgabe derselben Münzen geschuldet war. Das depositum irregulare war daher durch den Eigentumsübergang auf den Verwahrer gekennzeichnet, während der Hinterleger lediglich einen schuldrechtlichen Gattungsanspruch erhielt. Die Rechtsfigur glich damit weitgehend einem Darlehen (mutuum), was nicht zuletzt der Umstand belegt, dass auch eine Zinsvereinbarung getroffen werden durfte, das depositum irregulare also nicht zwingend unentgeltlich war. Der funktionale Unterschied zwischen Darlehen und unregelmäßiger Verwahrung wurde darin gesehen, dass ersteres zur Geldbeschaffung im Interesse des Darlehensnehmers eingegangen wurde, während letzteres vornehmlich dem Hinterlegungsbedürfnis des Deponenten diente.

3. Regelungsstrukturen moderner Rechtsordnungen

Viele der vorgenannten Elemente des römischen depositum lassen sich trotz einiger wichtiger Modifikationen bis heute anhand moderner Rechtsordnungen nachvollziehen. Augenfällig wird dieser Befund zunächst an der in den romanischen Rechtsordnungen (dépôt; depósito; deposito) sowie in Schottland (deposit) noch heute verwendeten Terminologie. Zudem wird das englische bailment in seiner Grundform ausdrücklich als depositum bezeichnet (Coggs v. Bernard (1703) 2 Ld. Raym. 909).

a) Grundelemente des Verwahrungsvertrags

So sehen einige Rechtssysteme die Unentgeltlichkeit des Verwahrungsvertrags im Grundsatz noch als dessen Wesensmerkmal an (Belgien; Frankreich; Luxemburg; Spanien; Schottland). Allerdings haben sie sich insofern von den Vorstellungen des römischen Rechts gelöst, als zumindest die ausdrückliche Vereinbarung einer Gegenleistung zugelassen wird (Spanien; implizit Belgien; Frankreich; Luxemburg). In Schottland wird ein solcher vergüteter Verwahrungsvertrag indes nicht mehr als echtes deposit, sondern als eigener Vertragstypus eingeordnet (onerous deposit bzw. locatio custodiae). Demgegenüber kann das englische bailment sowohl kostenlos als auch kostenpflichtig ausgestaltet sein. Modernere Kodifikationen vermuten im Ausgangspunkt zwar weiterhin die Unentgeltlichkeit, lassen jedoch auch stillschweigende Gegenleistungsabreden zu, die sich insbesondere aus dem Beruf des Verwahrers oder einem Handelsbrauch ergeben können (Griechenland; Italien; Österreich; Schweiz; Tschechien; Louisiana; Québec). Bei entsprechenden Anhaltspunkten kommt es zum Teil sogar zu einer Vermutungsumkehr zugunsten der Vereinbarung eines ortsüblichen Entgelts (Deutschland; Niederlande; Portugal). Den Abschluss dieser Entwicklung weg von einem unvollkommen zweiseitigen hin zu einem synallagmatischen Vertrag bildet die Vorstellung, dass die Verwahrung (stillschweigend) stets gegen ein Entgelt erfolgt, es sei denn, das Gegenteil ergibt sich aus den Umständen des konkreten Falles (Polen; Ungarn; ähnlich Russland). Das handelsrechtliche Lagergeschäft ist demgegenüber stets als entgeltlicher Vertrag ausgestaltet.

Eine ähnliche Entwicklung lässt sich beim realvertraglichen Kennzeichen des depositum verzeichnen. Zwar ist die Übergabe immer noch zwingende Entstehungsvoraussetzung in vielen Kodifikationen (Belgien; Frankreich; Griechenland; Italien; Luxemburg; Österreich; Spanien; Louisiana; Québec) sowie beim englischen bailment und dem schottischen deposit. Zunehmend wird die Verwahrung jedoch als reiner Konsensualvertrag ohne notwendige Realhandlung konstruiert (Niederlande; Polen; Ungarn; Russland; Schweiz; Tschechien; h.M. in Deutschland), da der ursprüngliche Zweck des Realvertrags – Schutz vor einer spontan eingegangenen unentgeltlichen Verwahrungspflicht – angesichts des zwischenzeitlich anerkannten Vergütungsanspruchs obsolet geworden ist.

In Bezug auf den Vertragsgegenstand werden im Einklang mit dem römischen Recht ganz überwiegend nur bewegliche Sachen zugelassen. Nur selten ist die „Verwahrung“ von Immobilien möglich (so Österreich; Portugal; Südafrika; englisches bailment), ohne dass diese Tätigkeit notwendig als Dienst- oder Werkvertrag qualifiziert wird.

b) Pflichten des Verwahrers

Das grundsätzliche Pflichtenprogramm des Verwahrers hat sich seit dem römischen Recht kaum verändert, d.h. er hat den Gegenstand zunächst sicher für den Hinterleger aufzubewahren und anschließend unversehrt in specie zurückzugeben, wobei er ihn zwischenzeitlich nicht nutzen darf (sofern nicht zur Erhaltung des Gegenstandes erforderlich). Die Rückgabe kann der Hinterleger nach fast allen Rechtsordnungen jederzeit verlangen, und zwar sogar dann, wenn zuvor eine längere Laufzeit vereinbart wurde. Hierin spiegelt sich bis heute der Umstand, dass das depositum vornehmlich zugunsten des Hinterlegers eingegangen wird. In Italien ist allerdings ausdrücklich die Möglichkeit regelt, im Interesse des Verwahrers eine Mindestlaufzeit zu vereinbaren (ebenso England). Manche Rechtssysteme normieren zum Ausgleich für die vorzeitige Aufkündigung jedoch eine angemessene Kompensation (Deutschland; Österreich; Portugal; Ungarn; Schweiz; Russland; Québec), während andere ein jederzeitiges Kündigungsrecht auch ohne ausdrückliche Entschädigung gewähren (Belgien; Frankreich; Griechenland; Luxemburg; Niederlande; Polen; Spanien; Tschechien; Louisiana). Im Ergebnis dürfte sich dort eine ähnliche Kompensation jedoch aus dem allgemeinen Vertragsrecht oder dem verwahrungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch (so wohl Schottland) ergeben. Neben der Sache hat der Verwahrer etwaige Früchte herauszugeben (Belgien; Deutschland; Frankreich; Italien; Luxemburg; Niederlande; Österreich; Portugal; Spanien; Schottland; Tschechien; Louisiana; Québec).

Das konkrete Haftungsregime des Verwahrers hängt in vielen Rechtsordnungen davon ab, ob dieser eine Vergütung für seine Dienstleistung verlangt; falls ja, haftet er für jede Form der Fahrlässigkeit, wobei ihm nach allgemeinen Grundsätzen der Entlastungsbeweis obliegt (Deutschland; England; Griechenland; Italien; Österreich; Spanien; Ungarn; Louisiana; in Québec Entlastung nur bei höherer Gewalt). Sollte die Verwahrung jedoch kostenlos sein, hat sich die Haftungserleichterung für altruistische Verträge auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten bis heute vielerorts bewahrt (etwa Deutschland; Louisiana; Russland; ähnlich Italien; ungeklärt England). Konstruktiv stellt sich (wegen der dortigen Vermutung für die Unentgeltlichkeit) in manchen Ländern das gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis sogar umgekehrt dar: Grundsätzlich wird nur für die diligentia quam in suis gehaftet, falls nicht (ausnahmsweise) eine Gegenleistung vereinbart wurde (z.B. Belgien; Frankreich; Griechenland; Luxemburg; Schottland). Wieder andere Rechtsordnungen kennen gar keine verwahrungsspezifische Haftungsbeschränkung (Niederlande; Ungarn; Schweiz). Umgekehrt wird zum Teil eine verschärfte Haftung für jede Verschlechterung vorgesehen, falls der Verwahrer Ort oder Art der Verwahrung unberechtigt ändert oder die Sache ohne Erlaubnis gebraucht (z.B. England; Österreich; Polen; Spanien; Tschechien). Schließlich kennen einige Zivilgesetzbücher noch die notwendige Verwahrung aufgrund einer Notlage. Allerdings wird hierfür keine verschärfte Haftung im eigentlichen Sinne mehr vorgesehen, sondern eine Beweiserleichterung insofern gewährt, als der Zeugenbeweis anders als im allgemeinen Vertragsrecht auch bei hohen Streitwerten zugelassen wird (so Frankreich; Belgien; Luxemburg). In Québec wird sogar umgekehrt eine Haftungserleichterung entsprechend der unentgeltlichen Verwahrung angeordnet, allerdings erweitert um einen Annahmezwang des Verwahrers. Spanien erklärt schlicht das allgemeine Verwahrungsregime für anwendbar.

Traditionell wird das Verwahrungsgeschäft aufgrund des dem Verwahrer entgegengebrachten Vertrauens als ein höchstpersönliches Geschäft eingestuft, bei dem die Weitergabe der Sache zur Unterwahrung an einen Dritten nur im Falle der Zustimmung des Hinterlegers oder in Notfällen erlaubt ist (Deutschland; England; Griechenland; Niederlande; Österreich; Polen; Portugal; Ungarn; Russland; grundsätzlich zulässig aber in Schottland). Als Begründung wird heute zusätzlich angeführt, dass der Hinterleger in der Praxis oft genau wissen muss, wo seine Gegenstände tatsächlich gelagert werden, damit er sie zur punktgenauen Verwendung zurückfordern kann (just in time deliveries). Außerdem könnte die Versicherung des Deponenten die Weitergabe an einen Dritten nicht mehr abdecken. Ist die Unterverwahrung ausnahmsweise zulässig, beschränken einige Rechtsordnungen die Verantwortung des Erstverwahrers auf sein eigenes Auswahlverschulden (z.B. Deutschland; Griechenland; Portugal), während ihn andere voll für die Handlungen des Zweitverwahrers haften lassen (z.B. Niederlande; Schottland; Ungarn; Russland).

c) Pflichten des Hinterlegers

Gemäß der römischen Tradition gehen einige Rechtsordnungen in der Grundkonstruktion noch von einem unvollkommen zweiseitigen Vertrag aus, bei dem den Hinterleger keine im Synallagma stehende Hauptleistungspflicht trifft. Jedoch wird die Vereinbarung einer Vergütung wie dargelegt mittlerweile überall ermöglicht (oder sogar bereits vermutet), so dass die unentgeltliche Verwahrung in der Rechtswirklichkeit im Vergleich zur geschäftsmäßigen Aufbewahrung nur eine untergeordnete Rolle spielt. Typischerweise trifft den Verwahrer also regelmäßig die Pflicht, den für die Dienstleistung (stillschweigend) vereinbarten Preis zu entrichten. Dieser wird häufig erst bei Rückgabe der Sache fällig, so dass der Verwahrer – vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung – zur Vorleistung verpflichtet ist. Letzterem wird oft jedoch bis zur vollständigen Entgeltzahlung ein (verwahrungsrechtliches) Zurückbehaltungsrecht zugestanden (z.B. Belgien; Deutschland; Frankreich; Luxemburg; Spanien; anders etwa Österreich).

Der Hinterleger hat dem Verwahrer regelmäßig, d.h. insbesondere auch im Falle der kostenlosen Verwahrung, die während der Aufbewahrung getätigten Aufwendungen zu ersetzen, sofern diese nicht bereits ausdrücklich von einer etwaigen Vergütung erfasst werden (Belgien; Deutschland; Frankreich; Griechenland; Italien; Luxemburg; Niederlande; Spanien; Österreich; Polen; Tschechien; Ungarn; Louisiana; Québec; in England nur bei Unentgeltlichkeit). Zudem ist der Hinterleger verpflichtet, dem Verwahrer die durch die Verwahrung verursachten Schäden zu ersetzen. Diesbezüglich sehen einige Kodifikationen im Anschluss an das römische Recht im Grundsatz weiterhin eine verschuldensunabhängige Ersatzpflicht vor (z.B. Belgien; Frankreich; Italien; Luxemburg; Spanien). Darunter befinden sich übrigens selbst solche Rechtsordnungen, die in der Praxis regelmäßig von einer zumindest stillschweigenden Vergütungsvereinbarung ausgehen (Niederlande; Tschechien; Louisiana; Québec). Demgegenüber sind andere Zivilgesetzbücher auch im Verwahrungsrecht zu einer Verschuldenshaftung des Hinterlegers übergegangen (Griechenland; Österreich; Portugal; Schweiz; ähnlich Deutschland; noch unentschieden in Schottland).

Schließlich ist der Hinterleger verpflichtet, den Gegenstand nach Beendigung des Verwahrungsvertrags zurückzunehmen (Belgien; Frankreich; Luxemburg), wobei der Verwahrer die Rücknahme im Falle einer Laufzeitvereinbarung nicht wie der Hinterleger jederzeit, sondern vor Ablauf der Verwahrungsdauer nur bei einem berechtigten Grund verlangen kann (Deutschland; Griechenland; Italien; Niederlande; Polen; Spanien; Österreich; Louisiana; Schweiz; Tschechien; wohl auch Frankreich).

d) Unregelmäßige Verwahrung

Wesenselement der Verwahrung ist, dass der Depositar weder Eigentümer der hinterlegten Waren wird, noch ein allgemeines Nutzungsrecht erhält (Belgien; Deutschland; Frankreich; England; Griechenland; Italien; Luxemburg; Niederlande; Polen; Portugal; Schottland; Spanien; Ungarn; Russland; Louisiana; Québec). Wird das Gegenteil vereinbart, wird dieser Vertrag analog dem römischen Recht regelmäßig nicht mehr als eigentlicher Verwahrungsvertrag, sondern als unregelmäßige oder irreguläre Verwahrung bezeichnet und dem Leih- oder Darlehensrecht unterworfen (z.B. Deutschland; Griechenland; Italien; Polen; Portugal; Österreich; Schottland; Spanien).

4. Vereinheitlichungsprojekte

Im Jahre 2007 hat die Study Group on a European Civil Code ein europäisches Regelwerk zu Dienstleistungsverträgen – die PEL SC (Principles of European Law, Service Contracts) – vorgelegt, die einen eigenen Abschnitt zur Verwahrung enthalten (storage, Art. 4:101 ff.). Dessen Regelungen wurden mit kleineren (redaktionellen) Änderungen in den DFCR (Gemeinsamer Referenzrahmen) übernommen (Art. IV. C.-5:101 ff.). Inhaltlich stellen die PEL SC im Wesentlichen eine Aufbereitung des gemeinsamen Kerns der europäischen Rechtsordnungen ohne größere Abweichungen dar. Der Verwahrungsvertrag ist als ein rein konsensualer, typischerweise entgeltlicher Vertrag ausgestaltet, der verhältnismäßig detaillierte Rechte und Pflichten für beide Vertragsparteien begründet. In der Sache entspricht das ausdifferenziert niedergelegte Pflichtenprogramm überwiegend dem geltenden Recht. Hierbei ist die Tendenz zu erkennen, den Verwahrungsvertrag stärker an die allgemeinen Prinzipien für synallagmatische Austauschverträge anzugleichen und sich von der römischrechtlichen Vorstellung eines unentgeltlichen, altruistischen Vertrags gänzlich zu lösen (z.B. ist weder ein strikte Haftung des Hinterlegers noch eine vermutete Haftungserleichterung für den Verwahrer vorgesehen).

Für den Spezialbereich der Haftung für im Zusammenhang von Bewirtungsverträgen eingebrachte Sachen existiert bereits ein im Rahmen des Europarates ausgehandeltes Übereinkommen, das in 17 Staaten in Kraft steht (Gastwirtshaftung).

5. Internationales Privatrecht

Als schuldrechtlicher Vertrag richtet sich das internationale Privatrecht der Verwahrung grundsätzlich nach der Rom I-VO (VO 593/2008; Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)). Für dingliche Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Verwahrung (Besitz, Besitzschutz, Eigentumsverhältnisse) gilt die Anknüpfung an den tatsächlichen Verwahrungsort (lex rei sitae; Sachenrecht, internationales). Soweit es um sachenrechtliche Aspekte bei der Verwahrung von Wertpapieren geht, bestehen spezielle europäische und einheitsrechtliche Kollisionsregeln (Finanzsicherheiten).

Literatur

Herbert Hausmaninger, Diligentia quam in suis, in: Festschrift für Max Kaser, 1976, 265 ff.; Wiesław Litewski, Studien zur Verwahrung im Römischen Recht, 1978; Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations, 1996, 204 ff.; The Law Society of Scotland, The Laws of Scotland, Bd. 8, 1992, Stichwort Deposit, 1 ff.; Andrew Bell, The Place of Bailment in the Modern Law of Obligations, in: Norman Palmer, Ewan McKendrick (Hg.), Interests in Goods, 2. Aufl. 1998, 461 ff.; Jérôme Huet, Traité de droit civil, Les principaux contrats spéciaux, 2. Aufl. 2001, 1549 ff.; Dieter Reuter, §§ 657-704 (Geschäftsbesorgung), in: Julius v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Neubearb. 2006 Graham S. McBain, Modernising and Codifying the Law of Bailment, Journal of Business Law 2008, 1 ff.; Len S. Sealy, Richard J.A. Hooley, Commercial Law, Text Cases and Materials, 4. Aufl. 2009, 78 ff.