Auslegung von Rechtsnormen und Auslegung von Verträgen: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Stefan Vogenauer]]''
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== 1. Relevanz der historischen Perspektive für das europäische Privatrecht ==
== 1. Gegenstand und Zweck; Terminologie ==
Europäisches Privatrecht ist, wie alle modernen Rechte, in schriftlichen Rechtsnormen fixiert. Um zu entscheiden, ob ein Rechtssatz auf einen bestimmten Sachverhalt Anwendung findet oder nicht, bedarf es seiner Interpretation. Im Bereich des europäischen Privatrechts geht es dabei heute vor allem die um die [[Auslegung des Gemeinschaftsrechts]] und die [[Auslegung des internationalen Einheitsrechts]]. Von Bedeutung ist ferner die Interpretation nationalen Gesetzesrechts in Rechtsgebieten, die durch Umsetzung von [[Richtlinie]]n angeglichen sind. Klassische völkerrechtliche Verträge, deren Interpretation traditionell Berührungspunkte mit der [[Auslegung von Verträgen]] im Zivilrecht aufweist, sind dagegen für das europäische Privatrecht kaum noch relevant.
Die Auslegung von Verträgen dient der Feststellung, ob eine vertragliche Bestimmung auf einen bestimmten Sachverhalt Anwendung findet oder nicht. Der Begriff „Auslegung“ (niederländisch ''uitleg'') wird im Deutschen synonym mit dem Ausdruck „Interpretation“ verwendet. Dieser wiederum findet in vielen europäischen Rechtssprachen Entsprechungen, die sich ebenfalls auf das lateinische Wort ''interpretatio'' zurückführen lassen (''interprétation'', ''interpretazione'', ''interpretación''). Englische Juristen benutzen ebenfalls den Begriff ''interpretatio''n, verwenden aber gleichbedeutend den Ausdruck ''construction''.


Feste und allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze des europäischen Privatrechts haben sich noch nicht herausgebildet. Eine der vordringlichen Aufgaben der gegenwärtigen Rechtswissenschaft ist daher die Entwicklung einer europäischen Methodenlehre, die u.a. gemeinsame Strukturen, Regeln und Prinzipien für die Interpretation von Rechtsnormen herausarbeitet. Dabei sind, wie bereits gesehen, auch die nationalen Auslegungsmethoden mit zu berücksichtigen. Diese wiederum stehen in einer langen gemeineuropäischen Tradition, die auch in den Interpretationsmethoden des modernen Gemeinschaftsrechts und des internationalen Einheitsrechts Spuren hinterlassen haben.
Trotz dieser weitreichenden terminologischen Übereinstimmungen ist der Gegenstand dessen, was im einzelnen unter der „Auslegung“ von Verträgen verstanden wird, in verschiedenen europäischen Rechtsordnungen durchaus unterschiedlich. So wird beispielsweise die Kategorie der ''interpretation'' ''of'' ''contracts'' in England relativ eng verstanden. Sie schließt bestimmte Konstellationen nicht ein, die nach deutschem Verständnis gewöhnlich als Fälle der Vertragsauslegung betrachtet werden, etwa die sog. „ergänzende Auslegung“ oder die Problematik der beiderseitigen Falschbezeichnung bei davon abweichendem, übereinstimmendem Willen der Parteien (''falsa demonstratio non nocet''). Das englische Recht kennt derartige Fallgruppen auch, lagert sie aber in eigenständige, funktional äquivalente Rechtsfiguren aus (''implication of terms'', ''rectification for common mistake''). An den Fällen der ''falsa demonstratio'' bzw. der ''rectification'' wird auch deutlich, dass die Auslegung von Verträgen Abgrenzungsprobleme zur Lehre vom [[Irrtum]] aufwirft. Diese erfahren in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedliche Lösungen.


Ein Rückgriff auf diese Tradition kann dabei helfen, allgemein akzeptanzfähige Lösungen für die Gegenwart und die Zukunft zu erarbeiten. Er lässt zunächst vorhandene Gemeinsamkeiten der nationalen Methodenlehren hervortreten. Viele noch heute europaweit anerkannte Regeln und Maximen der Gesetzesauslegung lassen sich auf das mittelalterliche, teils sogar auf das antike [[römisches Recht|römische Recht]] zurückführen. Das gilt selbst für Gesichtspunkte, die zwischenzeitlich in den Hintergrund getreten waren, aber im heutigen Gemeinschaftsrecht eine bedeutende Rolle spielen, wie etwa der bei der Auslegung zu berücksichtigende ''effet utile'' einer Vorschrift. Für andere, vordergründig innovative Interpretationsgrundsätze, wie die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung oder die gelegentlich befürwortete Maxime, der zufolge das europäische Verbrauchervertragsrecht ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]) ''in dubio pro consumatore'' zu interpretieren ist, kennt die europäische Rechtsgeschichte zumindest strukturelle Vorläufer. Auch die übereinstimmende Ablehnung bestimmter methodischer Figuren beruht häufig auf übereinstimmenden historischen Erfahrungen, aus denen sich zumindest eingeschränkte Lehren für die Zukunft ziehen lassen. So haben etwa Gesetzgeber seit dem ''[[Corpus Juris Civilis]]'' immer wieder versucht, die Gerichte durch Auslegungsverbote und Pflichten zur Vorlage an die gesetzgebenden Autoritäten daran zu hindern, zweifelhafte oder nicht vom Wortlaut einer Gesetzesbestimmung erfasste Fälle eigenständig zu entscheiden. Im juristischen Alltagsgeschäft aber erwies sich diese Idee stets als unpraktikabel. Ein derartiger Erfahrungswert sollte auch bei der Erarbeitung einer europäischen Methodenlehre nicht außer Acht bleiben.
Im europäischen Privatrecht bezieht sich die Vertragsauslegung ganz überwiegend auf zivilrechtliche Verträge. Dagegen rückt die Interpretation klassischer völkerrechtlicher Verträge, die verwandten, in Art. 31 ff. der Wiener Vertragsrechtskonvention teilweise kodifizierten Regeln folgt, mit zunehmender Vergemeinschaftung des europäischen Privatrechts in den Hintergrund.


Doch die historische Perspektive hilft nicht nur bei der Aufdeckung von Gemeinsamkeiten, sondern auch bei der Erklärung und Bewertung von Unterschieden. So lassen sich strukturelle Divergenzen der nationalen Methodenlehren, etwa die voneinander abweichende Systematisierung der Interpretationsregeln in den verschiedenen Mitgliedstaaten, auf voneinander abweichende nationale Weiterentwicklungen eines bis in das späte 18. Jahrhundert europaweit anerkannten gemeinsamen Modells zurückführen. Ebenso lassen sich spezifische methodische Detailregelungen, die nur in bestimmten nationalen Rechtsordnungen zu finden sind, in der Regel historisch erklären. Dazu gehört etwa die traditionelle Abneigung des englischen Rechts gegen die Berücksichtigung der parlamentarischen Materialien bei der Gesetzesauslegung oder die im französischen Recht bis vor kurzem anerkannte Auslegungskompetenz des Außenministeriums für die Interpretation völkerrechtlicher Verträge. Die historische Betrachtungsweise hilft, die Ursachen derartiger Strukturen und Detailregelungen zu verstehen. Sie zeigt häufig, dass nationale Besonderheiten in den Methodentraditionen der betreffenden Mitgliedstaaten ihre Berechtigung haben. Umgekehrt verdeutlicht sie auch, dass viele dieser Eigenheiten im Kontext des europäischen (Privat‑)Rechts sinnlos oder zumindest nicht zwingend sind.
== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
=== a) Canones der Vertragsauslegung und ihre Kodifikation ===
In Europa baut die Vertragsauslegung auf einem gesicherten, gemeineuropäischen Kanon von Interpretationsgrundsätzen auf. Er geht auf das antike [[römisches Recht|römische Recht]] und dessen Ausgestaltung im [[ius commune (Gemeines Recht)|''ius commune'']] zurück, wo ihn Wissenschaft und Praxis in engem Zusammenspiel mit den Regeln und Prinzipien der [[Auslegung von Rechtsnormen]] und [[Testament]]en erarbeiteten. In England wurden viele überlieferte Auslegungsmaximen von der Rechtsprechung aufgenommen und auf diese Weise Bestandteil des ''[[common law]]''. Auf dem Kontinent fanden sie Eingang in die frühen [[Kodifikation]]en. Das preußische [[Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten|ALR]] etwa enthielt neben 28 Interpretationsvorschriften in seinen Abschnitten über Willenserklärungen und Verträge im Allgemeinen noch gut ein Dutzend Sonderbestimmungen zur Interpretation besonderer Vertragstypen. Auch die Verfasser des ''[[Code civil]]'' kodifizierten einen umfangreichen Katalog von Regeln der Vertragsauslegung (Art. 1156 ff.), der im gesamten romanischen Rechtskreis rezipiert wurde und bis heute auch im ''[[Codice civile]]'' und im ''[[Código civil]]'' enthalten ist. Im deutschen Rechtskreis dagegen vermehrten sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Zweifel an der Möglichkeit und Wünschbarkeit, die Grundsätze der Vertragsauslegung gesetzlich zu fixieren. Dementsprechend regelte das [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] nur Bruchstücke der Materie. Seine §§ 133, 157 wurden vom [[Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch|ABGB]] und vom [[griechisches Zivilgesetzbuch|griechischen Zivilgesetzbuch]] übernommen. Auch das [[schweizerisches Obligationenrecht|schweizerische Obligationenrecht]] kodifizierte lediglich zwei Spezialprobleme (Art. 2 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1). Das neue ''[[Burgerlijk Wetboek]]'' schließlich verzichtete vollständig auf Interpretationsvorschriften.


Ist die Geschichte der juristischen Methodenlehre nach alledem von großer Relevanz für die Auslegung des europäischen Privatrechts, so handelt es sich doch um eine verhältnismäßig junge Teildisziplin der Rechtsgeschichte. Zwar kann sie auf eine Anzahl bedeutender Spezialuntersuchungen aus dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zurückgreifen. Epochen- und rechtsordnungsübergreifend wird sie aber erst seit ungefähr einem Jahrzehnt verstärkt betrieben, wohl auch vor dem Hintergrund der gegenwärtigen europäischen Rechtsentwicklungen.
In allen europäischen Rechtsordnungen aber leben neben den Kodifikationen zahlreiche gemeinrechtliche Maximen als richterrechtliche Regeln weiter. Dazu gehören etwa die heute vor allem im Recht der [[Allgemeine Geschäftsbedingungen|[Allgemeinen Geschäftsbedingungen]] relevante Regel, unklare Vertragsbestimmungen im Zweifel gegen ihren Formulierer (''contra'' ''proferentem'') auszulegen, der Grundsatz der Interpretation zugunsten der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts (''favor'' ''negotii'', ''ut res magis valeat quam pereat'', ''effet utile'', Grundsatz der „wirksamkeitsorientierten“ oder „vertragserhaltenden Auslegung“) sowie die „enge“ oder „strikte“ Auslegung „belastender“ Bestimmungen, zu denen beispielsweise Haftungsausschlüsse und ‑beschränkungen, Verzichte ([[Erlass einer Forderung|Erlass]]), Vergleiche und Strafversprechen gehören. Doch im Zuge der europäischen Rechtsvereinheitlichung scheint sich der Trend zur Dekodifikation von Auslegungsregeln wieder umzukehren. Während das UN-Kaufrecht ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)]]) noch mit einer Grundregel auskommt (Art. 8), enthalten die neueren Vereinheitlichungsprojekte wieder umfangreichere Regelkataloge, die sich jedenfalls in formaler Hinsicht an das französische Modell anlehnen, vgl. Kap. 4 der [[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT PICC]], Kap. 5 der [[Principles of European Contract Law|PECL]], Titel V des ''[[Code Européen des Contrats (Avant‑projet)]]'' und Kap. II.-8 des Draft [[Common Frame of Reference|DCFR]].


== 2. Auslegung von Rechtsnormen im antiken römischen Recht ==
=== b) Auslegung von Verträgen vs. Auslegung von Willenserklärungen ===
Über die Auslegung von Rechtsnormen im antiken Griechenland ist fast nichts überliefert. Hinsichtlich des [[römisches Recht|römischen Recht]]s lässt sich dagegen auf die zahlreichen Interpretationsvorschriften des ''[[Corpus Juris Civilis]]'' zurückgreifen. Die Kompilatoren ordneten die meisten der relevanten Fragmente, weitgehend ohne Rücksicht auf ihre Herkunft und ihren ursprünglichen Zusammenhang, in vier Titel der Kodifikation ein. Dies sind neben C. 14,1 (''De legibus et constitutionibus principum et edictis'') und D. 1,3 (''De legibus senatusque consultis et longa consuetudine'') vor allem die beiden letzten Digestentitel. D. 50,16 (''De verborum significatione'') enthält insgesamt 246 Fragmente, die sich mit der Frage beschäftigen, welche Bedeutung bestimmten Begriffen und Wendungen beizulegen ist. Es handelt sich um einen Katalog von Legaldefinitionen, der bei der Auslegung von Gesetzen und Rechtsgeschäften zugrunde gelegt werden soll. Erläutert werden etwa Rechtsbegriffe wie „Rechtsstreit“, „Lebensbedarf“, „Eltern“, „Erben“, „Schuldner“, „zahlungsfähig“ oder „grobes Verschulden“. Die meisten Interpretationsmaximen finden sich im Titel ''De diversis regulis iuris antiqui'' (D. 50,17), der aus 211 ''regulae iuris'' besteht. Welche Funktion diese Regeln im römischen Rechtsleben hatten, lässt sich heute nicht mit Sicherheit sagen; es ist aber anzunehmen, dass sie als Kurzusammenfassungen des älteren Rechts durchaus Praxisrelevanz besaßen.
Eine ähnliche Rückbesinnung lässt sich hinsichtlich des relevanten Auslegungsgegenstands feststellen. Für die Juristen des ''ius commune'' war dies der Vertrag als Ganzes. Das englische Recht und die romanischen Rechte behielten diese Perspektive bei. Im deutschen Rechtskreis dagegen wurde im 19. Jahrhundert unter dem Einfluss der Pandektistik ([[Pandektensystem]]) die einzelne Willenserklärung zum zentralen konstruktiven Element des Privatrechts und somit auch zum Hauptgegenstand der Auslegungslehre. Die Auswirkungen dieses Ansatzes sind noch in Art. 8 UN-Kaufrecht sichtbar, der sich nach seinem Wortlaut lediglich auf „Erklärungen und das sonstige Verhalten einer Partei“ bezieht. Die neueren Vereinheitlichungsprojekte dagegen bekennen sich dezidiert zum Vertrag als Auslegungsgegenstand, ordnen aber zum Teil die entsprechende Anwendung der Interpretationsregeln für Verträge auf Willenserklärungen oder andere Rechtsgeschäfte an (Art. 4.2 UNIDROIT PICC, Art. II.-8:202 DCFR, Art. 4 ''Avant-projet'').


Eine geschlossene Auslegungslehre erarbeiteten jedoch weder die klassischen römischen Juristen noch die justinianischen Kompilatoren. Sie grenzten nicht einmal die Regeln für die Interpretation von [[Testament]]en, Verträgen ([[Auslegung von Verträgen]]) und Gesetzen strikt voneinander ab. Einzelne Fragmente konnten durchaus widersprüchliche Aussagen enthalten. Dies gilt etwa für zwei für die weitere Wirkungsgeschichte besonders bedeutsame Quellen. Der ''lex Scire leges'' (D. 1,3,17) zufolge bedeutet „Gesetze zu erkennen“ nicht, „sich an ihren Wortlaut zu klammern. Entscheidend für das Verständnis ist vielmehr der hinter den Gesetzen stehende Sinn und Zweck“. Dagegen heißt es in der ''lex Ille aut ille'' (D. 32,25,1), einem Fragment zur Testamentsauslegung, bei einem eindeutigen Wortlaut dürfe die Frage nach dem dahinterliegenden Willen des Erklärenden nicht aufgeworfen werden: ''Cum in verbis nulla ambiguitas est'','' non debet admitti voluntatis quaestio''.
=== c) „Objektive“ und „subjektive“ Vertragsauslegung ===
Weitgehend parallel zu Aufstieg und Niedergang der Lehre von der Willenserklärung verlief die in der Zivilrechtswissenschaft geführte Debatte zwischen den heute meist als „Willens-“ und „Erklärungstheorie“ bezeichneten Ansätzen, die insbesondere auch für die Lehre vom [[Irrtum]] Bedeutung erlangte. Sie nahm ihren Anfang, als sich die „Willenserklärung“ zum Zentralbegriff der Rechtsgeschäftslehre entwickelte und die Frage auf der Hand lag, welches der beiden begrifflich konstitutiven Elemente der Willenserklärung rechtliche Wirkungen erzeugte: der innere Wille oder die nach außen gelangte Erklärung. Im ersten Fall musste es Ziel der Auslegung sein, den „subjektiven“ Willen des Erklärenden zu ermitteln. Andernfalls hatte die Interpretation darauf abzuzielen, den „objektiven“ Bedeutungsgehalt der Erklärung festzustellen. Obwohl der Streit auch in anderen europäischen Ländern Interesse erregte, wurde er doch im deutschsprachigen Raum am schärfsten geführt. Dort gewannen, wie auch in Frankreich, aber anders als in England, zunächst die „Subjektivisten“ die Oberhand. An der Wende zum 20. Jahrhundert setzten sich dann auch in der deutschen Lehre die „Objektivisten“ durch. Ihnen kam es weniger darauf an, wie die Parteien das Erklärte tatsächlich verstanden hatten, als darauf, wie sie es vernünftigerweise verstehen hätten müssen. Die Aufgabe des Interpreten, also vor allem des Richters, wurde damit weniger als empirisch-beschreibend, denn als wertend verstanden. Die Vertragsauslegung wurde auf diese Weise zu einem Nebenschauplatz der viel weiterreichenden Umgestaltung eines liberalen, in erster Linie auf die Parteiautonomie gegründeten Vertragsrechtsdenkens hin zu einem sozialstaatlichen Vertragsverständnis, das richterliche Interventionsmacht nicht von vornherein ablehnt.


Man nimmt heute an, dass viele der in der römischen Gesetzesauslegung verwendeten Argumentformen von der „Statuslehre“ der griechischen Rhetorik und der römischen Stoa beeinflusst waren. Ein geläufiger ''status'' („Streitstand“), der in den eben zitierten Digestenfragmenten eine Entsprechung findet, ist etwa der zwischen dem geschriebenen Wort und dem Willen des Gesetzgebers bzw. dem Sinn des Gesetzes, also zwischen ''verba'' und ''voluntas'' oder ''scriptum'' und ''sententia''.
Auf die Praxis der Vertragsauslegung in den europäischen Rechtsordnungen hatten diese Debatten nur geringen Einfluss. Die Gerichte entwickelten für bestimmte Sachverhaltskonstellationen auch dann sachgerechte Lösungen, wenn diese vom theoretisch-abstrakten Ausgangspunkt des jeweiligen Vertragsrechts abwichen. So geht etwa das französische Vertragsrecht bis heute vordergründig von einem dezidiert subjektiven Standpunkt aus. Gleichzeitig erkennt es an, dass der Wille der Parteien in der Regel mit Hilfe „objektiver“ Kriterien ermittelt werden muss. Das englische Recht betont den grundsätzlich objektiven Charakter der Vertragsauslegung. Doch wo diese Grundhaltung zu unsachgemäßen Ergebnissen führt, etwa wenn beide Parteien übereinstimmend dasselbe gewollt, diesen Willen aber unrichtig erklärt haben, bringt es den Parteiwillen mit Hilfe der ''rectification for common mistake'' zur Geltung. Praxisrelevante Nachwirkungen hat der Theoriestreit fast nur noch im Hinblick auf den prozessualen Charakter der Vertragsauslegung. So gilt sie in Frankreich bis heute als im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich nicht überprüfbare Tatfrage (Ermittlung eines tatsächlichen Parteiwillens), während das deutsche und das englische Recht sie als Rechtsfrage (Ermittlung einer „objektiven“, richtigen Bedeutung) einordnen. Inzwischen hat sich auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum zur Vertragsinterpretation eine undogmatischere und gelassenere Haltung durchgesetzt, die auf die Vorgabe eines abstrakten „Ziels“ der Auslegung verzichtet. Stattdessen werden sowohl „subjektive“ als auch „objektive“ Elemente berücksichtigt und der jeweiligen Fallkonstellation und Interessenlage entsprechend gewichtet.  


Doch selbst die ungeordneten und unzusammenhängenden Maximen aus dem Codex und den Digesten gerieten in den folgenden Jahrhunderten in Vergessenheit. Weder die frühmittelalterlichen Volksrechte noch die frühen Kanonisten des 7. und 9. Jahrhunderts wie ''Isidor von Sevilla'' und ''Hincmar von Reims'' äußerten sich näher zur Gesetzesinterpretation. Bis zur Jahrtausendwende entwickelten sich lediglich einige kirchenrechtliche Konfliktregeln für den Fall, dass bestimmte Rechtsnormen einander direkt widersprachen.
=== d) Gewicht der Auslegungskriterien ===
So rückte auch im Verlauf des 20. Jahrhunderts die Frage in den Vordergrund, wie diese Gewichtung erfolgen muss. Dabei ging es vor allem um die sog. „Eindeutigkeitsregel“ (''théorie de l’acte clair'', ''literal rule'' oder ''plain meaning rule''). Ihr zufolge darf der Interpret von dem „eindeutigen“ und „klaren“ Wortlaut einer Vertragsbestimmung selbst dann nicht abweichen, wenn andere Auslegungskriterien, etwa der Zusammenhang, der Zweck oder die Vorgeschichte der Vertragsbestimmung, ein anderes Ergebnis nahelegen. Die Regel hat Vorläufer im [[römisches Recht|römischen Recht]] der Antike und im ''ius commune'', doch eine Vorrangstellung unter den Interpretationsgrundsätzen erlangte sie erst seit dem späten 18. Jahrhundert und vor allem im 19. Jahrhundert. Gleichzeitig wurde außervertraglichen Wertungsmaßstäben, wie beispielsweise Billigkeits- und Vernunfterwägungen, in dieser Epoche wesentlich weniger Gewicht beigemessen als noch im [[ius commune (Gemeines Recht)|''ius commune'']]. Im 20. Jahrhundert dagegen erfuhren derartige ''policy arguments'', nunmehr im Gewande von „[[Treu und Glauben]]“, ''reasonableness'' oder „interessengerechter Auslegung“, wieder eine stärkere Gewichtung. Im Zuge dieser Entwicklung wurde die Eindeutigkeitsregel in allen europäischen Rechtsordnungen schrittweise überwunden, seit den sechziger Jahren auch in England. Derzeit besteht eher die Tendenz, nur einen ''prima facie''-Vorrang des Vertragswortlauts gegenüber den übrigen Auslegungskriterien anzunehmen: An ihm ist festzuhalten, solange es im Einzelfall keine vernünftigen und gewichtigen Gründe gibt, die die Bevorzugung eines anderen Kriteriums fordern.


== 3. Auslegung von Rechtsnormen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ==
Nicht zuletzt als Gegenbewegung zu dieser abnehmenden Gewichtung des Wortlautelements geht die Kautelarpraxis in Europa seit etwa zwei Jahrzehnten insbesondere im grenzüberschreitenden Handelsverkehr zunehmend dazu über, in schriftliche Verträge sog. „Integrations-“, „Vollständigkeits-“ oder „Schriftformklauseln“ (''merger clauses'', ''entire agreement clauses'', ''no oral modification clauses'') aufzunehmen. Mit solchen Klauseln regeln die Parteien, dass das Schriftstück die von den Parteien vereinbarten Bedingungen vollständig enthält. Damit soll im Interesse der Rechtssicherheit in späteren Rechtsstreitigkeiten der Rückgriff auf außerhalb der Vertragsurkunde liegende Umstände abgeschnitten werden: Insbesondere Handlungen und Erklärungen während der Vertragsverhandlungen und nach Vertragsschluss lassen sich nicht zur Rechtfertigung einer Ergänzung oder Abänderung des Vertragstextes anführen. Auf diese Weise streben die Parteien ein Ergebnis an, für das die europäischen Vertragsrechte ein Arsenal an hergebrachten Regeln zum Schutz der „Unversehrtheit des Schriftstücks“ (''integrity of the writing'') kennen. Für England ist dies die ''parol evidence rule''. Die romanischen Kodifikationen unterbinden den Zeugenbeweis für Abmachungen, die nicht in einem schriftlichen Vertrag fixiert sind oder diesem sogar zuwiderlaufen, sofern der Wert des Geschäfts eine bestimmte Obergrenze überschreitet (vgl. nur Art. 1341 ''Code civil''). Im deutschen Recht werden aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten „Andeutungsregel“ jedenfalls bei formgebundenen Verträgen außerhalb des Urkundentextes gelegene Umstände nur dann berücksichtigt, wenn diese in der Urkunde irgendeinen, „wenn auch noch so unvollkommenen Ausdruck gefunden“ haben. Gemeinsam ist allen diesen Regeln, dass sie mittlerweile durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen und praktisch weitgehend bedeutungslos geworden sind. Die ''parol evidence rule'' etwa wird heute auf die widerlegliche Vermutung reduziert, dass die Vertragsurkunde den gesamten Vertragsinhalt wiedergibt. Sie bietet damit keinen stärkeren Schutz gegen Vertragsergänzungen und ‑änderungen aufgrund außerhalb des Vertragswortlauts liegender Umstände als die ebenfalls widerlegliche „Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde“ des deutschen Prozessrechts. Damit scheint jedoch, wie die zunehmende Verwendung von Integrationsklauseln und ähnlichen Abreden zeigt, dem Bedürfnis der Praxis nach Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit nicht hinreichend Rechnung getragen zu werden. Über Wirksamkeit und Reichweite derartiger Klauseln hat sich noch kein europaweiter Konsens herausgebildet. Der Trend geht scheinbar dahin, den privatautonomen Ausschluss einer Ergänzung und Abänderung des Vertragswortlauts zuzulassen. Der Rückgriff auf externe Hilfsmittel für die bloße Vertragsauslegung wird durch derartige Klauseln aber in der Regel nicht ausgeschlossen, vgl. Art. 2.1.17(2) UNIDROIT PICC. Etwas anderes wird wohl zumindest für Handelsgeschäfte gelten, wenn die Klausel sich ausdrücklich auch auf die Vertragsauslegung erstreckt und individuell ausgehandelt ist, vgl. (sogar auch für Verbraucherverträge) Art. 2:105 (3) PECL und Art. II.-104(3) DCFR.
Nach der Wiederentdeckung der Digesten im 11. Jahrhundert erlangten die ''regulae iuris'' eine herausragende Stellung in der Rechtswissenschaft, die bis zum Beginn der Naturrechtsepoche erhalten blieb. Die Glossatoren, die ebenfalls keine wissenschaftliche Methodenlehre entwickelten, stellten Titel 50,17 in den Mittelpunkt des akademischen Unterrichts und verfassten verschiedene Abhandlungen zu einzelnen oder mehreren Maximen. Die Arbeitsweise der Glossatoren führte nicht nur zur Rezeption der in den Digesten enthaltenen Auslegungsregeln. Sie brachte auch neue Interpretationsmaximen hervor. Seit dem 12. Jahrhundert wurden die glossierten Texte am Rand mit den sogenannten ''brocardica'' oder ''generalia'' versehen. Dabei handelte es sich um kurze, sentenzenhafte Maximen mit normativem Gehalt. Sie gingen aus dem Pro und Contra des akademischen Unterrichts hervor und fassten den Inhalt einer Textstelle schlagwortartig zusammen. Am Ende des Jahrhunderts erschienen die ersten Brokardiensammlungen, die diese Sentenzen entweder in systematisierter Form oder in alphabetischer Reihenfolge unter Hinweis auf ihre Fundstelle wiedergaben. Die zwischen ihnen bestehenden Widersprüche wurden nicht bereinigt. Schon bald unterschied man nicht mehr streng zwischen den ''regulae'', die den autoritativen Texten entstammten, und den ''brocardica'', die nur Kommentierungen dieser Texte darstellten. Die Kompilationen der Brokardien, die über Jahrhunderte einen wesentlichen Bestandteil der Rechtsliteratur bildeten, boten den Praktikern nützliche Argumentationshilfen. Sie enthielten Dutzende von Interpretationsmaximen.


Ein weiterer Strang der europäischen Auslegungstradition lässt sich auf das [[kanonisches Recht|kanonische Recht]] zurückführen. Zwei bedeutende Bestandteile des ''Corpus Juris Canonici'', die als ''Liber extra'' und ''Liber'' ''sextus'' bezeichneten Bücher von 1234 bzw. 1298, endeten wie die Digesten mit einem Titel ''De regulis iuris''. Die meisten der darin enthaltenen ''regulae'' hatten ein Gegenstück in D. 50,17. Ungefähr ein Fünftel stimmte wörtlich mit einem Digestenfragment überein. Auch unter ihnen fanden sich mehrere Auslegungsmaximen, die wiederum in die geläufigen Brokardiensammlungen aufgenommen wurden. Das kanonische Recht forderte insbesondere, dem Gesichtspunkt der Billigkeit (''aequitas'') bei der Interpretation großes Gewicht beizumessen. Der ''Liber sextus'' bestimmte bis zum 16. Jahrhundert an vielen Juristenfakultäten gemeinsam mit den beiden letzten Digestentiteln und den Institutionen den Inhalt des ersten Studienjahres.
== 3. Einheitsrecht und vertragsrechtliche Vereinheitlichungsprojekte ==
=== a) Grundregeln ===
Die neuen vertragsrechtlichen Vereinheitlichungsvorhaben enthalten zunächst eine Grundregel der Vertragsauslegung, die von Art. 8(1) und (2) UN-Kaufrecht inspiriert ist (Art. 4.1 und 4.2 UNIDROIT PICC, Art. 5:101 PECL, Art. II.-8:101 DCFR, Art. 39 ''Avant-projet''). Danach ist ein Vertrag nach dem gemeinsamen Willen der Parteien auszulegen. Der Wille nur einer der beiden Parteien ist maßgeblich, wenn die andere Partei diesen Willen bei Vertragsschluss kannte oder kennen musste. Lässt sich weder ein gemeinsamer Wille noch ein relevanter einseitiger Wille ermitteln, ist der Vertrag so zu interpretieren, wie ihn vernünftige Personen gleicher Art wie die Parteien unter gleichen Umständen auffassen würden. Damit ist zum einen klargestellt, dass eine irgendwie geartete „Eindeutigkeitsregel“ in einem zukünftigen europäischen Vertragsrecht keinen Raum finden soll. Zum anderen wird zumindest vordergründig ein Vorrang des Willenskriteriums postuliert. Folgerichtig ist gelegentlich zu lesen, die Vereinheitlichungsprojekte hätten sich der „subjektiven Theorie“ verschrieben. Dabei wird jedoch übersehen, dass in der Praxis nur selten Fälle vorkommen, in denen ein gemeinsamer Wille der Parteien oder ein einseitig relevanter Wille nachweislich von dem Bedeutungsgehalt abweicht, den vernünftige Personen dem Vertrag unter gleichen Umständen beilegen würden. In der Regel orientiert sich die Vertragsauslegung daher an der Bedeutung, die vernünftige Parteien dem Vertrag beimessen würden.


Die ''regulae'' und die ''brocardica'' verloren erst im 18. Jahrhundert an Bedeutung. Doch schon lange zuvor hatte im juristischen Schrifttum die Systematisierung der vorher ungeordnet nebeneinander stehenden Interpretationsmaximen begonnen. Die Konsiliatoren erarbeiteten neue Klassifikationen. Seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts entstanden in Oberitalien mehrere lehrbuchartige Monographien, die sich ausschließlich mit der Gesetzesauslegung befassten. Als Grundstock dieser weitgehend geschlossenen Interpretationslehren dienten weiter die einzelnen Sentenzen des römischen Rechts, deren Zusammenhang oder historischer Ursprung nicht hinterfragt wurde. Statt dessen wurden jetzt grundlegende Kategorien der Auslegung entwickelt und verfeinert, die bis heute nachwirken, etwa die auf ''Bartolus'' zurückgehende Unterscheidung zwischen „erläuternder“, „extensiver“ und „restriktiver Auslegung“ (''interpretatio declarativa'','' extensiva et restrictiva'').
=== b) Bei der Auslegung zu berücksichtigende Kriterien ===
Im Anschluss an diese Grundregel zählen die Vertragsrechtsprojekte, ähnlich wie bereits Art. 8(3) UN-Kaufrecht, eine Reihe von Umständen auf, die bei der Ermittlung des Parteiwillens oder der Bedeutung, die eine vernünftige Person dem Vertrag beilegen würde, zu berücksichtigen sind (Art.&nbsp;4.3 UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;5:102 PECL, Art. II.-8:102 DCFR, Art.&nbsp;39 ''Avant-projet''). Genannt werden die zwischen den Parteien bereits bestehenden Gepflogenheiten, die Umstände, unter denen der Vertrag geschlossen wurde (einschließlich der vorausgegangenen Verhandlungen), das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss und Gebräuche. Aufgezählt werden ferner, über Art.&nbsp;8(3) UN-Kaufrecht hinausgehend, die Gebote von Treu und Glauben und des redlichen Geschäftsverkehrs, Natur und Zweck des Vertrags sowie die Bedeutung, die einem bestimmten Ausdruck in dem betreffenden Geschäftsbereich gewöhnlich gegeben wird. Diese Kataloge von Auslegungskriterien sind nicht abschließend. Sie decken sich weitgehend mit den wichtigsten in den nationalen Vertragsrechten gebräuchlichen Hilfsmitteln der Auslegung. Die einzige Ausnahme stellt der Rückgriff auf vorvertragliche Verhandlungen dar. Diesen halten die englischen Gerichte nicht für ein zulässiges Mittel der Auslegung. Eine in dieser Frage von vielen erwartete Rechtsprechungsänderung lehnte das ''House of Lords'' in ''Chartbrook''<nowiki>, [2009] UKHL 38 (HL), ab.</nowiki>


Mit dem 16.&nbsp;Jahrhundert brach das goldene Zeitalter der Interpretationslehre an. Fragen der Gesetzesauslegung wurden nun nicht nur in Spezialabhandlungen, sondern auch am Beginn von Gesamtdarstellungen des Rechts sowie in besonderen, als „Topiken“ bezeichneten Argumentsammlungen erörtert. Letztere erfreuten sich seit dem 12.&nbsp;Jahrhundert immer größerer Popularität. Sie halfen den Juristen, den „Ort“ (''topos'', ''locus'') des jeweils benötigten Arguments aufzufinden. Bekannte, bis heute gebräuchliche Argumentformen waren etwa die ''topoi'' ''ad absurdum'', ''a simili'', ''e contrario'', ''ex materia'', ''ex effectu'' oder ''ex coniunctis''. Die bekannteste Topik dieser Epoche stammte aus der Feder des Niederländers ''Nicolaus Everardus''. Sie erschien zwischen 1516 und 1604 in 28&nbsp;Auflagen und enthielt auf fast 800&nbsp;Seiten 131&nbsp;''topoi''. Als Basis dienten noch immer die römischen Rechtstexte, die lediglich neu geordnet und mit Beispielen aus der antiken Literatur, insbesondere wieder aus der Rhetorik, angereichert wurden.
=== c) Auslegungsmaximen ===
Im Gegensatz zum UN-Kaufrecht enthalten die Regelungsmodelle noch eine Reihe von traditionellen, aus den nationalen Rechtsordnungen bekannten Auslegungsmaximen. Danach ist erstens der Gesamtzusammenhang des Vertrags zu berücksichtigen (Art.&nbsp;4.4 UNIDROIT PICC, Art. 5:105 PECL, Art.&nbsp;II.-8:105 DCFR, Art.&nbsp;39(1) ''Avant-projet''). Zweitens ist eine vertragserhaltende Interpretation einer Auslegung vorzuziehen, die zur Unwirksamkeit des Vertrages führen würde (Art.&nbsp;4.5 UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;5:106 PECL, Art.&nbsp;II.-8:106 DCFR, Art.&nbsp;40(2) ''Avant-projet''). Statuiert wird drittens die ''contra proferentem''-Regel, die einzige im Gemeinschaftsprivatrecht kodifizierte Vorschrift zur Vertragsauslegung (Art.&nbsp;5 S.&nbsp;2, 3 der Klausel-RL (RL&nbsp;93/13) und Art.&nbsp;6:203 ACQP), die jetzt im weitestmöglichen Sinne aufgefasst wird, so dass sie auch in anderen Geschäften als Verbraucherverträgen (Art.&nbsp;5:103 PECL, Art.&nbsp;II.-8:103 DCFR, Art.&nbsp;40(3) ''Avant-projet'') und sogar für individuell ausgehandelte Klauseln (Art.&nbsp;4.6 UNIDROIT PICC) gelten soll. Schließlich findet sich viertens eine innovative Regel zum Umgang mit voneinander abweichenden Sprachfassungen bei mehrsprachigen Verträgen (Art.&nbsp;4.7 UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;5:107 PECL, Art.&nbsp;II.-8:107 DCFR).


== 4. Auslegung von Rechtsnormen im Natur- und Vernunftrecht ==
=== d) „Ergänzende“ Vertragsauslegung ===
Aus diesen Quellen schöpften noch die Natur- und Vernunftrechtler ([[Naturrecht]]).'' Hugo Grotius'' und ''Samuel von Pufendorf'' interessierten sich vor allem für die Vertragsauslegung und betonten, diese diene primär der Ermittlung des Parteiwillens. ''Christian Thomasius'' übertrug diesen Ansatz auf die Gesetzesinterpretation und wurde somit zum Ahnherrn der heute als „subjektive Auslegung“ bezeichneten Richtung, die sich allerdings erst im 19.&nbsp;Jahrhundert durchsetzte. Vor allem aber trug ''Christian Thomasius'' dazu bei, die ungeordneten Argumentkataloge der Topiken zu systematisieren, indem er zwischen „grammatikalischen“, also am Wortlaut orientierten, und „logischen“, also anderen zur Ermittlung des Textsinnes und des Willens der Gesetzesverfasser dienenden Hilfsmitteln unterschied.
Die Vereinheitlichungsentwürfe bemühen sich um eine systematische Unterscheidung zwischen Vertragsauslegung, „Ausfüllung einer Vertragslücke“ (Art.&nbsp;4.8 UNIDROIT PICC) und Einfügung „stillschweigend übernommener Pflichten“ (Art. 5.1.1 und 5.1.2 UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;6:102 PECL, Art.&nbsp;II.-9:101 DCFR, Art.&nbsp;32 ''Avant-projet''). Sie verwerfen damit den modernen Ansatz des deutschen und des französischen Rechts. Dieser geht, nicht zuletzt im Gefolge neuerer hermeneutischer Erkenntnisse, davon aus, dass sich die „Auslegung“ und die „Ergänzung“ von Verträgen nicht randscharf voneinander abgrenzen lassen und die sog. „ergänzende Auslegung“ oder ''interprétation supplétive'' als Unterfall der Auslegung anzusehen ist. Die neueren Vorhaben knüpfen vielmehr an das anglo-amerikanische Modell der ''implication of terms'' an, das weitreichende strukturelle Ähnlichkeiten mit der gemeinrechtlichen Lehre von der ''condicio tacita'' aufweist: Haben die Parteien eine bestimmte Angelegenheit unbewusst nicht geregelt, ist das Gericht unter bestimmten Umständen befugt, eine „stillschweigende Bedingung“ in den Vertrag hineinzulesen. Dabei soll es allerdings wiederum auf die bereits bei der Interpretation zu berücksichtigenden Kriterien zurückgreifen. Der Versuch der Abgrenzung zwischen Auslegung und Ergänzung bzw. Implikation erweist sich damit als illusorisch.
 
== 5. Nationalisierung der Auslegungslehre im 19. Jahrhundert ==
Bis zum Ende des 18.&nbsp;Jahrhunderts folgte die Auslegung von Rechtsnormen überall in Europa einheitlichen Grundsätzen. Dies gilt im Übrigen auch für England, das im Hinblick auf die Gesetzesinterpretation durchaus als Provinz des [[ius commune (Gemeines Recht)|''ius commune'']] gelten kann. In der Tat gab es im englischen Recht noch am Beginn des 19.&nbsp;Jahrhunderts nicht einen Auslegungsgrundsatz, der nicht in der gemeinrechtlich-kontinentalen Interpretationslehre eine Entsprechung gefunden hätte.
 
Erst im Gefolge der großen [[Kodifikation]]en ging die Einheit der europäischen Auslegungslehre verloren. Dazu trugen weniger die in ihnen enthaltenen bruchstückhaften Kodifizierungen einzelner Interpretationsregeln (z.B. §§&nbsp;46-49 der Einleitung zum preußischen ALR, Art.&nbsp;4 und 5 frz. ''Code civil'' oder §§&nbsp;6-9 des ABGB) als die Nationalisierung der Rechtswissenschaft bei. Die Auslegungsmaximen des römischen Rechts traten, je nach Rechtsordnung, mehr oder weniger in den Hintergrund, ohne jedoch jemals völlig verlorenzugehen.
 
Spezifisch nationale Systematisierungen der Materie entstanden. Zum Beispiel behauptet sich die auf ''Bartolus'' zurückgehende Unterscheidung zwischen den Arten der ''interpretatio authentica'','' usualis et doctrinalis'', die sich auf die Auslegungskompetenzen des Gesetzgebers, der Gerichte und der Rechtslehre bezieht, in der Methodenliteratur Frankreichs bis heute, obwohl sie im modernen französischen Recht keine Funktion mehr erfüllt. Ebenso hat sich in Frankreich die auf ''Christian Thomasius'' zurückgehende Dichotomie von „grammatischer“ und „logischer“ Interpretation erhalten. In Deutschland wurde sie dagegen durch die von ''Friedrich Carl von Savigny'' entwickelte Einteilung in vier „Elemente“ der Auslegung (grammatisch, historisch, systematisch und logisch) verdrängt, die im Laufe des 20.&nbsp;Jahrhunderts mit gewisser Zeitverzögerung aufgenommen und weiterentwickelt wurde. Auch eine weitere grundlegende Unterscheidung, die ''Savigny'' erstmals vorschlug und die heute im deutschen Recht weitgehend unumstritten ist, die scharfe begriffliche Trennung zwischen „Auslegung“ und „Fortbildung“ des Gesetzes, wurde in Frankreich nicht rezipiert. Dass der [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]], der der Sache nach durchaus „Rechtsfortbildungen“ im Sinne der deutschen Methodenlehre betreibt, dabei der französischen Terminologie folgt und von „Auslegung“ des Gemeinschaftsrechts spricht, führt daher gerade bei deutschen Juristen immer noch zu Irritationen.
 
Trotz der unterschiedlichen Kategorisierungen und Begrifflichkeiten der nationalen Auslegungslehren in Europa lassen sich aber auch im 19. und 20.&nbsp;Jahrhundert viele gleichlaufende Tendenzen feststellen. In allen Rechtsordnungen herrschte bis weit in das 18.&nbsp;Jahrhundert eine relativ großzügige Auslegungslehre vor, die dem Interpreten insbesondere im Rahmen der „extensiven“ und der „restriktiven“ Auslegung große Freiheiten bei der Abweichung vom Gesetzeswortlaut eröffnete. Seit dem späten 18.&nbsp;Jahrhundert setzte sich dagegen in den kontinentalen Rechtsordnungen eine wesentlich stärker textbezogene Methode durch. Diese später als „exegetische Schule“ oder „Begriffsjurisprudenz“ bezeichnete Richtung war zwar, wie die jüngere Forschung gezeigt hat, keineswegs so rigide, wie lange Zeit angenommen wurde. Dennoch bedeutete sie eine dezidierte Neugewichtung der Auslegungskriterien und damit einen entschiedenen Bruch mit der Interpretationsmethode des früheren [[ius commune (Gemeines Recht)|''ius commune'']]. Eine ähnliche, im Ergebnis wohl noch radikalere Bewegung hin zu einer ''literal'' oder ''plain meaning rule'' vollzog sich im englischen Recht mit einer gewissen Zeitverzögerung im ersten Drittel des 19.&nbsp;Jahrhunderts. Auch bei der Gegenbewegung weg von einer wortlautorientierten und hin zu einer „freieren“, stärker zweckbezogenen und von außerrechtlichen Wertmaßstäben geleiteten Methode der Auslegung und Fortbildung von Rechtsnormen lässt sich eine weitgehende Parallelität erkennen. Auf dem Kontinent begann sie im letzten Viertel des 19.&nbsp;Jahrhunderts, in England dagegen erst um die Mitte des 20.&nbsp;Jahrhunderts So besteht dann heute auch trotz aller Detailunterschiede, insbesondere hinsichtlich der rechtswissenschaftlichen Systematisierung der Materie, wieder eine „fundamentale Einheit“ (''Stefan Vogenauer'') der Auslegungspraxis in den europäischen Rechtsordnungen.


==Literatur==
==Literatur==
''Wolfgang Fikentscher'', Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, 5&nbsp;Bde., 1975-1977; ''Peter Raisch'', Juristische Methoden, 1995; ''William D. Popkin'', Statutes in Court, 1999; ''Jan Schröder'', Recht als Wissenschaft, 2001; ''Stefan Vogenauer'', Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent, 2001; ''Jan Schröder'' (Hg.), Theorie der Interpretation vom Humanismus bis zur Romantik, 2001; ''idem'', Zur gesamteuropäischen Tradition der juristischen Methodenlehre, in: Akademie-Journal – Magazin der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften 2 (2002) 37&nbsp;ff.; ''Benoît Frydman'', Le sens des lois, 2005; ''Stefan Vogenauer'', Eine gemeineuropäische Methodenlehre des Rechts: Plädoyer und Programm, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 13 (2005) 234&nbsp;ff.
''Alexander Lüderitz'', Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966; ''Hein Kötz'', Europäisches Vertragsrecht, Bd.&nbsp;1, 1996, 162&nbsp;ff.; ''Silvia Ferreri'', The Interpretation of Contracts from a European Perspective, in: Reiner Schulze (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss im Acquis communautaire, 2003, 117&nbsp;ff.; ''Stefan Vogenauer'', §§&nbsp;133,&nbsp;157, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd.&nbsp;I, 2003; ''idem'', §§&nbsp;305&nbsp;ff., in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd.&nbsp;II/1, 2007; ''Claus-Wilhelm Canaris'', ''Hans Christoph Grigoleit'', Interpretation of Contracts, in: Arthur Hartkamp, Martijn Hesselink, Ewoud Hondius, Carla Joustra, Edgar du Perron, Muriel Veldman (Hg.), Towards a European Civil Code, 3.&nbsp;Aufl. 2004, 445&nbsp;ff.; ''Antje Baumann'', Regeln der Auslegung internationaler Handelsgeschäfte, 2004; ''Jacques H. Herbots'', Interpretation of Contracts, in: Jan Smits (Hg.), Elgar Encyclopedia of Comparative Law, 2006, 325&nbsp;ff.; ''Nicole Kornet'', Contract Interpretation and Gap Filling, 2006; ''Stefan Vogenauer'', Interpretation of Contracts, in: Andrew Burrows, Edwin Peel (Hg.), Contract Terms, 2007, 123&nbsp;ff.; ''Olaf Meyer'', Die privatautonome Abbedingung der vorvertraglichen Abreden, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 72 (2008) 562&nbsp;ff.; ''Stefan Vogenauer'', Art.&nbsp;4.1&nbsp;ff., in: idem, Jan Kleinheisterkamp (Hg.), Commentary on the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 2009.


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Version vom 28. September 2021, 14:57 Uhr

von Stefan Vogenauer

1. Gegenstand und Zweck; Terminologie

Die Auslegung von Verträgen dient der Feststellung, ob eine vertragliche Bestimmung auf einen bestimmten Sachverhalt Anwendung findet oder nicht. Der Begriff „Auslegung“ (niederländisch uitleg) wird im Deutschen synonym mit dem Ausdruck „Interpretation“ verwendet. Dieser wiederum findet in vielen europäischen Rechtssprachen Entsprechungen, die sich ebenfalls auf das lateinische Wort interpretatio zurückführen lassen (interprétation, interpretazione, interpretación). Englische Juristen benutzen ebenfalls den Begriff interpretation, verwenden aber gleichbedeutend den Ausdruck construction.

Trotz dieser weitreichenden terminologischen Übereinstimmungen ist der Gegenstand dessen, was im einzelnen unter der „Auslegung“ von Verträgen verstanden wird, in verschiedenen europäischen Rechtsordnungen durchaus unterschiedlich. So wird beispielsweise die Kategorie der interpretation of contracts in England relativ eng verstanden. Sie schließt bestimmte Konstellationen nicht ein, die nach deutschem Verständnis gewöhnlich als Fälle der Vertragsauslegung betrachtet werden, etwa die sog. „ergänzende Auslegung“ oder die Problematik der beiderseitigen Falschbezeichnung bei davon abweichendem, übereinstimmendem Willen der Parteien (falsa demonstratio non nocet). Das englische Recht kennt derartige Fallgruppen auch, lagert sie aber in eigenständige, funktional äquivalente Rechtsfiguren aus (implication of terms, rectification for common mistake). An den Fällen der falsa demonstratio bzw. der rectification wird auch deutlich, dass die Auslegung von Verträgen Abgrenzungsprobleme zur Lehre vom Irrtum aufwirft. Diese erfahren in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedliche Lösungen.

Im europäischen Privatrecht bezieht sich die Vertragsauslegung ganz überwiegend auf zivilrechtliche Verträge. Dagegen rückt die Interpretation klassischer völkerrechtlicher Verträge, die verwandten, in Art. 31 ff. der Wiener Vertragsrechtskonvention teilweise kodifizierten Regeln folgt, mit zunehmender Vergemeinschaftung des europäischen Privatrechts in den Hintergrund.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

a) Canones der Vertragsauslegung und ihre Kodifikation

In Europa baut die Vertragsauslegung auf einem gesicherten, gemeineuropäischen Kanon von Interpretationsgrundsätzen auf. Er geht auf das antike römische Recht und dessen Ausgestaltung im ius commune zurück, wo ihn Wissenschaft und Praxis in engem Zusammenspiel mit den Regeln und Prinzipien der Auslegung von Rechtsnormen und Testamenten erarbeiteten. In England wurden viele überlieferte Auslegungsmaximen von der Rechtsprechung aufgenommen und auf diese Weise Bestandteil des common law. Auf dem Kontinent fanden sie Eingang in die frühen Kodifikationen. Das preußische ALR etwa enthielt neben 28 Interpretationsvorschriften in seinen Abschnitten über Willenserklärungen und Verträge im Allgemeinen noch gut ein Dutzend Sonderbestimmungen zur Interpretation besonderer Vertragstypen. Auch die Verfasser des Code civil kodifizierten einen umfangreichen Katalog von Regeln der Vertragsauslegung (Art. 1156 ff.), der im gesamten romanischen Rechtskreis rezipiert wurde und bis heute auch im Codice civile und im Código civil enthalten ist. Im deutschen Rechtskreis dagegen vermehrten sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Zweifel an der Möglichkeit und Wünschbarkeit, die Grundsätze der Vertragsauslegung gesetzlich zu fixieren. Dementsprechend regelte das BGB nur Bruchstücke der Materie. Seine §§ 133, 157 wurden vom ABGB und vom griechischen Zivilgesetzbuch übernommen. Auch das schweizerische Obligationenrecht kodifizierte lediglich zwei Spezialprobleme (Art. 2 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1). Das neue Burgerlijk Wetboek schließlich verzichtete vollständig auf Interpretationsvorschriften.

In allen europäischen Rechtsordnungen aber leben neben den Kodifikationen zahlreiche gemeinrechtliche Maximen als richterrechtliche Regeln weiter. Dazu gehören etwa die heute vor allem im Recht der [Allgemeinen Geschäftsbedingungen relevante Regel, unklare Vertragsbestimmungen im Zweifel gegen ihren Formulierer (contra proferentem) auszulegen, der Grundsatz der Interpretation zugunsten der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts (favor negotii, ut res magis valeat quam pereat, effet utile, Grundsatz der „wirksamkeitsorientierten“ oder „vertragserhaltenden Auslegung“) sowie die „enge“ oder „strikte“ Auslegung „belastender“ Bestimmungen, zu denen beispielsweise Haftungsausschlüsse und ‑beschränkungen, Verzichte (Erlass), Vergleiche und Strafversprechen gehören. Doch im Zuge der europäischen Rechtsvereinheitlichung scheint sich der Trend zur Dekodifikation von Auslegungsregeln wieder umzukehren. Während das UN-Kaufrecht (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)) noch mit einer Grundregel auskommt (Art. 8), enthalten die neueren Vereinheitlichungsprojekte wieder umfangreichere Regelkataloge, die sich jedenfalls in formaler Hinsicht an das französische Modell anlehnen, vgl. Kap. 4 der UNIDROIT PICC, Kap. 5 der PECL, Titel V des Code Européen des Contrats (Avant‑projet) und Kap. II.-8 des Draft DCFR.

b) Auslegung von Verträgen vs. Auslegung von Willenserklärungen

Eine ähnliche Rückbesinnung lässt sich hinsichtlich des relevanten Auslegungsgegenstands feststellen. Für die Juristen des ius commune war dies der Vertrag als Ganzes. Das englische Recht und die romanischen Rechte behielten diese Perspektive bei. Im deutschen Rechtskreis dagegen wurde im 19. Jahrhundert unter dem Einfluss der Pandektistik (Pandektensystem) die einzelne Willenserklärung zum zentralen konstruktiven Element des Privatrechts und somit auch zum Hauptgegenstand der Auslegungslehre. Die Auswirkungen dieses Ansatzes sind noch in Art. 8 UN-Kaufrecht sichtbar, der sich nach seinem Wortlaut lediglich auf „Erklärungen und das sonstige Verhalten einer Partei“ bezieht. Die neueren Vereinheitlichungsprojekte dagegen bekennen sich dezidiert zum Vertrag als Auslegungsgegenstand, ordnen aber zum Teil die entsprechende Anwendung der Interpretationsregeln für Verträge auf Willenserklärungen oder andere Rechtsgeschäfte an (Art. 4.2 UNIDROIT PICC, Art. II.-8:202 DCFR, Art. 4 Avant-projet).

c) „Objektive“ und „subjektive“ Vertragsauslegung

Weitgehend parallel zu Aufstieg und Niedergang der Lehre von der Willenserklärung verlief die in der Zivilrechtswissenschaft geführte Debatte zwischen den heute meist als „Willens-“ und „Erklärungstheorie“ bezeichneten Ansätzen, die insbesondere auch für die Lehre vom Irrtum Bedeutung erlangte. Sie nahm ihren Anfang, als sich die „Willenserklärung“ zum Zentralbegriff der Rechtsgeschäftslehre entwickelte und die Frage auf der Hand lag, welches der beiden begrifflich konstitutiven Elemente der Willenserklärung rechtliche Wirkungen erzeugte: der innere Wille oder die nach außen gelangte Erklärung. Im ersten Fall musste es Ziel der Auslegung sein, den „subjektiven“ Willen des Erklärenden zu ermitteln. Andernfalls hatte die Interpretation darauf abzuzielen, den „objektiven“ Bedeutungsgehalt der Erklärung festzustellen. Obwohl der Streit auch in anderen europäischen Ländern Interesse erregte, wurde er doch im deutschsprachigen Raum am schärfsten geführt. Dort gewannen, wie auch in Frankreich, aber anders als in England, zunächst die „Subjektivisten“ die Oberhand. An der Wende zum 20. Jahrhundert setzten sich dann auch in der deutschen Lehre die „Objektivisten“ durch. Ihnen kam es weniger darauf an, wie die Parteien das Erklärte tatsächlich verstanden hatten, als darauf, wie sie es vernünftigerweise verstehen hätten müssen. Die Aufgabe des Interpreten, also vor allem des Richters, wurde damit weniger als empirisch-beschreibend, denn als wertend verstanden. Die Vertragsauslegung wurde auf diese Weise zu einem Nebenschauplatz der viel weiterreichenden Umgestaltung eines liberalen, in erster Linie auf die Parteiautonomie gegründeten Vertragsrechtsdenkens hin zu einem sozialstaatlichen Vertragsverständnis, das richterliche Interventionsmacht nicht von vornherein ablehnt.

Auf die Praxis der Vertragsauslegung in den europäischen Rechtsordnungen hatten diese Debatten nur geringen Einfluss. Die Gerichte entwickelten für bestimmte Sachverhaltskonstellationen auch dann sachgerechte Lösungen, wenn diese vom theoretisch-abstrakten Ausgangspunkt des jeweiligen Vertragsrechts abwichen. So geht etwa das französische Vertragsrecht bis heute vordergründig von einem dezidiert subjektiven Standpunkt aus. Gleichzeitig erkennt es an, dass der Wille der Parteien in der Regel mit Hilfe „objektiver“ Kriterien ermittelt werden muss. Das englische Recht betont den grundsätzlich objektiven Charakter der Vertragsauslegung. Doch wo diese Grundhaltung zu unsachgemäßen Ergebnissen führt, etwa wenn beide Parteien übereinstimmend dasselbe gewollt, diesen Willen aber unrichtig erklärt haben, bringt es den Parteiwillen mit Hilfe der rectification for common mistake zur Geltung. Praxisrelevante Nachwirkungen hat der Theoriestreit fast nur noch im Hinblick auf den prozessualen Charakter der Vertragsauslegung. So gilt sie in Frankreich bis heute als im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich nicht überprüfbare Tatfrage (Ermittlung eines tatsächlichen Parteiwillens), während das deutsche und das englische Recht sie als Rechtsfrage (Ermittlung einer „objektiven“, richtigen Bedeutung) einordnen. Inzwischen hat sich auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum zur Vertragsinterpretation eine undogmatischere und gelassenere Haltung durchgesetzt, die auf die Vorgabe eines abstrakten „Ziels“ der Auslegung verzichtet. Stattdessen werden sowohl „subjektive“ als auch „objektive“ Elemente berücksichtigt und der jeweiligen Fallkonstellation und Interessenlage entsprechend gewichtet.

d) Gewicht der Auslegungskriterien

So rückte auch im Verlauf des 20. Jahrhunderts die Frage in den Vordergrund, wie diese Gewichtung erfolgen muss. Dabei ging es vor allem um die sog. „Eindeutigkeitsregel“ (théorie de l’acte clair, literal rule oder plain meaning rule). Ihr zufolge darf der Interpret von dem „eindeutigen“ und „klaren“ Wortlaut einer Vertragsbestimmung selbst dann nicht abweichen, wenn andere Auslegungskriterien, etwa der Zusammenhang, der Zweck oder die Vorgeschichte der Vertragsbestimmung, ein anderes Ergebnis nahelegen. Die Regel hat Vorläufer im römischen Recht der Antike und im ius commune, doch eine Vorrangstellung unter den Interpretationsgrundsätzen erlangte sie erst seit dem späten 18. Jahrhundert und vor allem im 19. Jahrhundert. Gleichzeitig wurde außervertraglichen Wertungsmaßstäben, wie beispielsweise Billigkeits- und Vernunfterwägungen, in dieser Epoche wesentlich weniger Gewicht beigemessen als noch im ius commune. Im 20. Jahrhundert dagegen erfuhren derartige policy arguments, nunmehr im Gewande von „Treu und Glauben“, reasonableness oder „interessengerechter Auslegung“, wieder eine stärkere Gewichtung. Im Zuge dieser Entwicklung wurde die Eindeutigkeitsregel in allen europäischen Rechtsordnungen schrittweise überwunden, seit den sechziger Jahren auch in England. Derzeit besteht eher die Tendenz, nur einen prima facie-Vorrang des Vertragswortlauts gegenüber den übrigen Auslegungskriterien anzunehmen: An ihm ist festzuhalten, solange es im Einzelfall keine vernünftigen und gewichtigen Gründe gibt, die die Bevorzugung eines anderen Kriteriums fordern.

Nicht zuletzt als Gegenbewegung zu dieser abnehmenden Gewichtung des Wortlautelements geht die Kautelarpraxis in Europa seit etwa zwei Jahrzehnten insbesondere im grenzüberschreitenden Handelsverkehr zunehmend dazu über, in schriftliche Verträge sog. „Integrations-“, „Vollständigkeits-“ oder „Schriftformklauseln“ (merger clauses, entire agreement clauses, no oral modification clauses) aufzunehmen. Mit solchen Klauseln regeln die Parteien, dass das Schriftstück die von den Parteien vereinbarten Bedingungen vollständig enthält. Damit soll im Interesse der Rechtssicherheit in späteren Rechtsstreitigkeiten der Rückgriff auf außerhalb der Vertragsurkunde liegende Umstände abgeschnitten werden: Insbesondere Handlungen und Erklärungen während der Vertragsverhandlungen und nach Vertragsschluss lassen sich nicht zur Rechtfertigung einer Ergänzung oder Abänderung des Vertragstextes anführen. Auf diese Weise streben die Parteien ein Ergebnis an, für das die europäischen Vertragsrechte ein Arsenal an hergebrachten Regeln zum Schutz der „Unversehrtheit des Schriftstücks“ (integrity of the writing) kennen. Für England ist dies die parol evidence rule. Die romanischen Kodifikationen unterbinden den Zeugenbeweis für Abmachungen, die nicht in einem schriftlichen Vertrag fixiert sind oder diesem sogar zuwiderlaufen, sofern der Wert des Geschäfts eine bestimmte Obergrenze überschreitet (vgl. nur Art. 1341 Code civil). Im deutschen Recht werden aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten „Andeutungsregel“ jedenfalls bei formgebundenen Verträgen außerhalb des Urkundentextes gelegene Umstände nur dann berücksichtigt, wenn diese in der Urkunde irgendeinen, „wenn auch noch so unvollkommenen Ausdruck gefunden“ haben. Gemeinsam ist allen diesen Regeln, dass sie mittlerweile durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen und praktisch weitgehend bedeutungslos geworden sind. Die parol evidence rule etwa wird heute auf die widerlegliche Vermutung reduziert, dass die Vertragsurkunde den gesamten Vertragsinhalt wiedergibt. Sie bietet damit keinen stärkeren Schutz gegen Vertragsergänzungen und ‑änderungen aufgrund außerhalb des Vertragswortlauts liegender Umstände als die ebenfalls widerlegliche „Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde“ des deutschen Prozessrechts. Damit scheint jedoch, wie die zunehmende Verwendung von Integrationsklauseln und ähnlichen Abreden zeigt, dem Bedürfnis der Praxis nach Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit nicht hinreichend Rechnung getragen zu werden. Über Wirksamkeit und Reichweite derartiger Klauseln hat sich noch kein europaweiter Konsens herausgebildet. Der Trend geht scheinbar dahin, den privatautonomen Ausschluss einer Ergänzung und Abänderung des Vertragswortlauts zuzulassen. Der Rückgriff auf externe Hilfsmittel für die bloße Vertragsauslegung wird durch derartige Klauseln aber in der Regel nicht ausgeschlossen, vgl. Art. 2.1.17(2) UNIDROIT PICC. Etwas anderes wird wohl zumindest für Handelsgeschäfte gelten, wenn die Klausel sich ausdrücklich auch auf die Vertragsauslegung erstreckt und individuell ausgehandelt ist, vgl. (sogar auch für Verbraucherverträge) Art. 2:105 (3) PECL und Art. II.-104(3) DCFR.

3. Einheitsrecht und vertragsrechtliche Vereinheitlichungsprojekte

a) Grundregeln

Die neuen vertragsrechtlichen Vereinheitlichungsvorhaben enthalten zunächst eine Grundregel der Vertragsauslegung, die von Art. 8(1) und (2) UN-Kaufrecht inspiriert ist (Art. 4.1 und 4.2 UNIDROIT PICC, Art. 5:101 PECL, Art. II.-8:101 DCFR, Art. 39 Avant-projet). Danach ist ein Vertrag nach dem gemeinsamen Willen der Parteien auszulegen. Der Wille nur einer der beiden Parteien ist maßgeblich, wenn die andere Partei diesen Willen bei Vertragsschluss kannte oder kennen musste. Lässt sich weder ein gemeinsamer Wille noch ein relevanter einseitiger Wille ermitteln, ist der Vertrag so zu interpretieren, wie ihn vernünftige Personen gleicher Art wie die Parteien unter gleichen Umständen auffassen würden. Damit ist zum einen klargestellt, dass eine irgendwie geartete „Eindeutigkeitsregel“ in einem zukünftigen europäischen Vertragsrecht keinen Raum finden soll. Zum anderen wird zumindest vordergründig ein Vorrang des Willenskriteriums postuliert. Folgerichtig ist gelegentlich zu lesen, die Vereinheitlichungsprojekte hätten sich der „subjektiven Theorie“ verschrieben. Dabei wird jedoch übersehen, dass in der Praxis nur selten Fälle vorkommen, in denen ein gemeinsamer Wille der Parteien oder ein einseitig relevanter Wille nachweislich von dem Bedeutungsgehalt abweicht, den vernünftige Personen dem Vertrag unter gleichen Umständen beilegen würden. In der Regel orientiert sich die Vertragsauslegung daher an der Bedeutung, die vernünftige Parteien dem Vertrag beimessen würden.

b) Bei der Auslegung zu berücksichtigende Kriterien

Im Anschluss an diese Grundregel zählen die Vertragsrechtsprojekte, ähnlich wie bereits Art. 8(3) UN-Kaufrecht, eine Reihe von Umständen auf, die bei der Ermittlung des Parteiwillens oder der Bedeutung, die eine vernünftige Person dem Vertrag beilegen würde, zu berücksichtigen sind (Art. 4.3 UNIDROIT PICC, Art. 5:102 PECL, Art. II.-8:102 DCFR, Art. 39 Avant-projet). Genannt werden die zwischen den Parteien bereits bestehenden Gepflogenheiten, die Umstände, unter denen der Vertrag geschlossen wurde (einschließlich der vorausgegangenen Verhandlungen), das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss und Gebräuche. Aufgezählt werden ferner, über Art. 8(3) UN-Kaufrecht hinausgehend, die Gebote von Treu und Glauben und des redlichen Geschäftsverkehrs, Natur und Zweck des Vertrags sowie die Bedeutung, die einem bestimmten Ausdruck in dem betreffenden Geschäftsbereich gewöhnlich gegeben wird. Diese Kataloge von Auslegungskriterien sind nicht abschließend. Sie decken sich weitgehend mit den wichtigsten in den nationalen Vertragsrechten gebräuchlichen Hilfsmitteln der Auslegung. Die einzige Ausnahme stellt der Rückgriff auf vorvertragliche Verhandlungen dar. Diesen halten die englischen Gerichte nicht für ein zulässiges Mittel der Auslegung. Eine in dieser Frage von vielen erwartete Rechtsprechungsänderung lehnte das House of Lords in Chartbrook, [2009] UKHL 38 (HL), ab.

c) Auslegungsmaximen

Im Gegensatz zum UN-Kaufrecht enthalten die Regelungsmodelle noch eine Reihe von traditionellen, aus den nationalen Rechtsordnungen bekannten Auslegungsmaximen. Danach ist erstens der Gesamtzusammenhang des Vertrags zu berücksichtigen (Art. 4.4 UNIDROIT PICC, Art. 5:105 PECL, Art. II.-8:105 DCFR, Art. 39(1) Avant-projet). Zweitens ist eine vertragserhaltende Interpretation einer Auslegung vorzuziehen, die zur Unwirksamkeit des Vertrages führen würde (Art. 4.5 UNIDROIT PICC, Art. 5:106 PECL, Art. II.-8:106 DCFR, Art. 40(2) Avant-projet). Statuiert wird drittens die contra proferentem-Regel, die einzige im Gemeinschaftsprivatrecht kodifizierte Vorschrift zur Vertragsauslegung (Art. 5 S. 2, 3 der Klausel-RL (RL 93/13) und Art. 6:203 ACQP), die jetzt im weitestmöglichen Sinne aufgefasst wird, so dass sie auch in anderen Geschäften als Verbraucherverträgen (Art. 5:103 PECL, Art. II.-8:103 DCFR, Art. 40(3) Avant-projet) und sogar für individuell ausgehandelte Klauseln (Art. 4.6 UNIDROIT PICC) gelten soll. Schließlich findet sich viertens eine innovative Regel zum Umgang mit voneinander abweichenden Sprachfassungen bei mehrsprachigen Verträgen (Art. 4.7 UNIDROIT PICC, Art. 5:107 PECL, Art. II.-8:107 DCFR).

d) „Ergänzende“ Vertragsauslegung

Die Vereinheitlichungsentwürfe bemühen sich um eine systematische Unterscheidung zwischen Vertragsauslegung, „Ausfüllung einer Vertragslücke“ (Art. 4.8 UNIDROIT PICC) und Einfügung „stillschweigend übernommener Pflichten“ (Art. 5.1.1 und 5.1.2 UNIDROIT PICC, Art. 6:102 PECL, Art. II.-9:101 DCFR, Art. 32 Avant-projet). Sie verwerfen damit den modernen Ansatz des deutschen und des französischen Rechts. Dieser geht, nicht zuletzt im Gefolge neuerer hermeneutischer Erkenntnisse, davon aus, dass sich die „Auslegung“ und die „Ergänzung“ von Verträgen nicht randscharf voneinander abgrenzen lassen und die sog. „ergänzende Auslegung“ oder interprétation supplétive als Unterfall der Auslegung anzusehen ist. Die neueren Vorhaben knüpfen vielmehr an das anglo-amerikanische Modell der implication of terms an, das weitreichende strukturelle Ähnlichkeiten mit der gemeinrechtlichen Lehre von der condicio tacita aufweist: Haben die Parteien eine bestimmte Angelegenheit unbewusst nicht geregelt, ist das Gericht unter bestimmten Umständen befugt, eine „stillschweigende Bedingung“ in den Vertrag hineinzulesen. Dabei soll es allerdings wiederum auf die bereits bei der Interpretation zu berücksichtigenden Kriterien zurückgreifen. Der Versuch der Abgrenzung zwischen Auslegung und Ergänzung bzw. Implikation erweist sich damit als illusorisch.

Literatur

Alexander Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966; Hein Kötz, Europäisches Vertragsrecht, Bd. 1, 1996, 162 ff.; Silvia Ferreri, The Interpretation of Contracts from a European Perspective, in: Reiner Schulze (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss im Acquis communautaire, 2003, 117 ff.; Stefan Vogenauer, §§ 133, 157, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. I, 2003; idem, §§ 305 ff., in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. II/1, 2007; Claus-Wilhelm Canaris, Hans Christoph Grigoleit, Interpretation of Contracts, in: Arthur Hartkamp, Martijn Hesselink, Ewoud Hondius, Carla Joustra, Edgar du Perron, Muriel Veldman (Hg.), Towards a European Civil Code, 3. Aufl. 2004, 445 ff.; Antje Baumann, Regeln der Auslegung internationaler Handelsgeschäfte, 2004; Jacques H. Herbots, Interpretation of Contracts, in: Jan Smits (Hg.), Elgar Encyclopedia of Comparative Law, 2006, 325 ff.; Nicole Kornet, Contract Interpretation and Gap Filling, 2006; Stefan Vogenauer, Interpretation of Contracts, in: Andrew Burrows, Edwin Peel (Hg.), Contract Terms, 2007, 123 ff.; Olaf Meyer, Die privatautonome Abbedingung der vorvertraglichen Abreden, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 72 (2008) 562 ff.; Stefan Vogenauer, Art. 4.1 ff., in: idem, Jan Kleinheisterkamp (Hg.), Commentary on the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 2009.