Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht
von Gregor Thüsing/Manuel Schwering
1. Gegenstand und Zweck; Terminologie
Der Begriff Diskriminierung stammt vom lateinischen discriminare „trennen, absondern, unterscheiden“. Seiner ursprünglichen Bedeutung nach bezeichnet er die unterschiedliche Behandlung bzw. trennende Klassifizierung von Subjekten oder Objekten. Schon früh wurden in Europa Verbotstatbestände geschaffen, um Schlechterstellungen und Ungleichbehandlungen entgegenzuwirken. Derzeit finden sich in nahezu sämtlichen europäischen Rechtsordnungen Regelungen, die eine ungleiche, benachteiligende und ausgrenzende Behandlung von Gruppen und Individuen ohne sachlichen Grund verbieten. Sie sind Ausdruck des Schutzes menschlicher Wertgleichheit als selbstverständliche Konsequenz zentraler rechtsethischer Werte, die den modernen, grundrechtsorientierten Verfassungsstaaten und ihren Privatrechtsordnungen zugrunde liegen. Jeder Mensch soll vor dem Gesetz gleich sein und nicht wegen seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens und seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt werden. Dieser Grundsatz ist ein wesentliches Kennzeichen unseres Rechtsstaates und ein tragender Pfeiler unserer Rechtskultur (Diskriminierungsverbot (allgemein)).
Besondere Bedeutung erfahren Diskriminierungsverbote im Arbeitsrecht. Die Abhängigkeit und Unterlegenheit des Arbeitnehmers macht gerade in diesem Bereich einen besonderen Schutz erforderlich. Diskriminierungsverbote verhelfen den Arbeitnehmern zur Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte als Ausfluss der menschlichen Würde. Nur ein mit Sanktionen belegtes Diskriminierungsverbot vermag in dem von einem „Machtgefälle“ geprägten Arbeitsverhältnis effektiv zur Verhinderung von Diskriminierungen beizutragen.
2. Entwicklung des Diskriminierungsschutzes im Arbeitsrecht
a) Europäische Entwicklung
Die Entwicklung des arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutzes in Europa wurde maßgeblich durch die Rechtsprechung des EuGH und den Erlass der Antidiskriminierungsrichtlinien geprägt. Inzwischen nehmen Diskriminierungsverbote einen zentralen Platz im europäischen Arbeitsrecht ein. Sie lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen. Am Anfang stand das Verbot der Diskriminierung wegen bestimmter Merkmale einer Person. Dies fing mit dem Verbot der Geschlechtsdiskriminierung durch Art. 119 EG/141 AEUV, die RL 75/117 und RL 76/207 (geändert durch RL 2002/73 und nun ersetzt mit Wirkung vom 15.8.2009 durch RL 2006/54) an und setzte sich in neuerer Zeit mit dem Erlass der Antidiskriminierungsrichtlinien fort. Ende der neunziger Jahre erhielt die Europäische Union mit Art. 13 des Amsterdamer Vertrages eine Regelungsbefugnis, die zu einem umfassenden Tätigwerden zum Schutz vor Diskriminierungen ermächtigte. Dem Rat (Rat und Europäischer Rat) wurde hierdurch aufgegeben, „geeignete Vorkehrungen zu treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen. Bereits im Jahre 2000 machten die Mitgliedstaaten von dieser Regelungskompetenz Gebrauch und erließen zwei neue Richtlinien. In der RL 2000/78 wurde ein allgemeiner Rahmen für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf festgelegt (vgl. KOM(99) 564 endg.). Durch sie soll dem Arbeitgeber eine Benachteiligung von Arbeitnehmern wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verboten werden. Daneben wurde die RL 2000/43 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft verabschiedet (vgl. KOM(99) 566 endg.). Anders als die erstgenannte Richtlinie erfasste diese nicht nur das Arbeitsrecht, sondern erstreckte sich auch auf den zivilrechtlichen Bereich. An die Seite dieser neuen Diskriminierungsverbote trat wenig später die RL 2002/73, die zur Neufassung der RL 76/207 führte und damit dem Verbot der Geschlechtsdiskriminierung einige wesentliche Neuerungen implementierte. Die Richtlinie bestätigte die bisherige Rechtsprechung des EuGH, dass eine Benachteiligung wegen der Schwangerschaft eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts darstellt und erweiterte den Schutz vor Ungleichbehandlungen um die Verbote der Belästigung und sexuellen Belästigung. Mit Wirkung vom 15.8.2006 wurde die RL 76/207 aufgehoben durch die RL 2006/54 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen. Den vorerst letzten Akt auf europäischer Ebene stellt der Vorschlag zum Erlass einer Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zwischen Personen ungeachtet der Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuellen Ausrichtung außerhalb des Arbeitsrechts dar (vgl. KOM(2008) 426 endg.). Sie hat allerdings keine rechtlichen Neuerungen für das Arbeitsrecht zur Folge. Maßgeblich bleiben damit weiterhin die RL 2000/78, RL 2000/43 sowie RL 2006/54.
Neben dieser ersten Gruppe von Diskriminierungsverboten, hält das europäische Arbeitsrecht spezielle Regelungen zum Diskriminierungsschutz für besondere Arbeitsverhältnisse bereit. Die Diskriminierungsverbote der Arbeitsschutz-Leiharbeits-RL (RL 91/383), der Teilzeitarbeits-RL (RL 97/81), der Befristungs-RL (RL 99/70) und auch der Rahmenvereinbarung Telearbeit unterscheiden sich von dieser ersten Gruppe dadurch, dass hier nicht an ein Merkmal oder eine Eigenschaft eines Arbeitnehmers angeknüpft wird, sondern bestimmte arbeitsvertragliche Gestaltungen einem Diskriminierungsverbot unterworfen werden. Hierin ist eine wesentliche Fortentwicklung des Diskriminierungsschutzes zu sehen.
b) Nationale Entwicklungen
Das deutsche Arbeitsrecht kannte auch schon vor der Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien zahlreiche Diskriminierungsverbote. Insbesondere Diskriminierungen wegen des Geschlechts wurden seit 1980 (Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz, BGBl. 1980 I, 1308) durch § 611a BGB arbeitsrechtlich untersagt und sanktioniert. Im Bereich des öffentlichen Dienstes sind die Grundsätze des Art. 3 Abs. 3 GG sowohl im Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) als auch im Bundesbeamtengesetz (BBG) verankert. Art. 33 Abs. 2 GG garantiert jedem Deutschen den gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt entsprechend seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung und verbietet damit sachwidrige Differenzierungen. Das Beschäftigtenschutzgesetz (BeschSchG) verbot sexuelle Belästigungen in der Privatwirtschaft wie auch im öffentlichen Dienst. In §§ 67, 105 S. 2 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) wie auch in § 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) (erweitert um das Verbot der Benachteiligung wegen der sexuellen Identität durch das Betriebsverfassungs-Reformgesetz vom 27.6.2001 [BGBl. 2001 I, 1852]) sind entsprechende Überwachungspflichten für Dienstherren/Arbeitgeber sowie den Personal-/Betriebsrat verankert. Das neue Bundesgleichstellungsgesetz (BGBl. 2001 I, 3234), das am 5.12.2001 in Kraft trat, enthält vielfältige Fördermaßnahmen, um gegen Diskriminierungen wegen des Geschlechts innerhalb der Bundesverwaltung vorzugehen. Am 23.12.2000 trat die Änderung von Art. 12a Abs. 4 S. 2 GG in Kraft, die Frauen den Zugang zu allen Bereichen der Streitkräfte ermöglicht. Im Sozialgesetzbuch (SGB) IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – wurden seit dem 1.7.2001 neben einem allgemeinen Diskriminierungsverbot in § 81 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX auch weitreichende positive Maßnahmen festgeschrieben, mit denen die Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen verbessert werden soll. Trotz dieses Fortschritts nahm der Diskriminierungsschutz bislang keinen zentralen Platz im deutschen Arbeitnehmerschutzrecht ein. Eine gravierende Änderung brachte erst die Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien (RL 2000/43, RL 2000/78, RL 2002/73 sowie RL 2004/113), durch das Inkrafttreten des AGG am 1.8.2006. Das AGG sieht entsprechend der Richtlinien ein umfassendes Diskriminierungsverbot auch für den Bereich des Arbeitsrechts vor (§§ 6-18 AGG). Unzulässig sind danach etwa Benachteiligungen aus Gründen der „Rasse“, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Im Falle einer Verletzung erhalten die von der Benachteiligung betroffenen Arbeitnehmer Rechtsansprüche gegen den Arbeitgeber oder Dritte. Mit Umsetzung des AGG dürfte künftig der vorgeschriebene europäische Standard mit Ausnahme der Bereichsaunahme für die betriebliche Altersversorgung und den Kündigungsschutz, im Bereich des arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutzes gewährleistet sein, zum Teil geht das Gesetz sogar über die europäischen Vorgaben hinaus.
In Frankreich sind Diskriminierungen aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Familiensituation und Familienname, Schwangerschaft, körperlicher Erscheinung, Gesundheitszustand, Behinderung, genetischen Merkmalen, Sitten und Gebräuchen, sexueller Orientierung, Alter, politischer Meinung, gewerkschaftlichen Aktivitäten, wirklicher oder vermuteter Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit zu einer Rasse, Nation, oder Religion bereits generell durch die Art. 225-1 bis 225-3 des französischen Strafgesetzbuches Code pénal untersagt und mit Strafe bedroht. Die Liste der verbotenen Merkmale ist hier deutlich länger als der europäische Kanon. Außerdem wurde im Jahre 2004 mit der Haute autorité de lutte contre les discriminations et pour l’égalité eine unabhängige, administrative Behörde eingerichtet, welche über die Einhaltung der sich gegen Diskriminierung richtenden französischen Gesetze und der von Frankreich unterzeichneten internationalen Übereinkommen wacht.
Im Vereinten Königreich bestanden bereits vor dem Erlass der Richtlinien zahlreiche Diskriminierungsverbote. Namentlich der Equal Pay Act von 1970, der Race Relations Act von 1976, der Sex Discrimination Act von 1986 sowie der Disabilities Discrimination Act von 1995 boten ein breites Spektrum an Diskriminierungsverboten. Zur Umsetzung der Richtlinien wurde das bestehende Gesetzesrecht ergänzt. Neu geschaffen wurden die Employment Equality (Religion or Belief) Regulations 2003 und die Employment Equality (Sexual Orientation) Regulations 2003. Den Anforderungen der Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf bei Diskriminierung wegen des Alters kam man schließlich durch die Employment Equality (Age) Regulations 2006 nach.
3. Ausgestaltung von Diskriminierungsverboten
In Bezug auf die Ausgestaltung arbeitsrechtlicher Diskriminierungsverbote ist das Verständnis der Antidiskriminierungsrichtlinien zugrunde zu legen. Den dort im jeweiligen Art. 2 enthaltenen Diskriminierungsverboten ist gemein, dass sie die unmittelbare und mittelbare Diskriminierung sowie die Belästigung und Anweisung zur Diskriminierung aufgrund der genannten Merkmale grundsätzlich verbieten. Vier Erscheinungsformen der Benachteiligung werden demnach von den Richtlinien anerkannt.
a) Formen der Benachteiligung
Die in der RL 2000/43 festgehaltene Definition der unmittelbaren Diskriminierung orientiert sich an der Richtlinie im Bereich der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (vgl. Bericht der Kommission v. 15.12.2006 betreffend Anwendung der RL 2000/43, 4). Eine unmittelbare Benachteiligung liegt demnach vor, wenn eine Person wegen eines in Art. 1 genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Maßstab ist also eine Vergleichsperson, gegenüber der der Benachteiligte ungünstiger behandelt wird, wurde, oder würde. Ob eine Person gegenüber einer anderen zurückgesetzt wird, ist wertend zu bestimmen. Dabei ist ein objektiver Vergleichsmaßstab anzulegen und nicht auf das subjektive Empfinden der betroffenen Person abzustellen. Vielmehr ist danach zu fragen, ob ein vernünftiger Dritter in der Situation des Betroffenen die in Frage stehende Behandlung als eine Zurücksetzung empfunden hätte. Dies allein reicht jedoch nicht. Hinzukommen muss, dass die benachteiligende Maßnahme durch eines oder mehrer der erwähnten Merkmale motiviert sein muss bzw. der Benachteiligende bei seiner Handlung hieran angeknüpft hat. Etwa wenn ein Arbeitgeber den Bewerberkreis in seiner Stellenanzeige ausschließlich auf nicht behinderte Menschen beschränkt, obwohl die umschriebene Tätigkeit ebenso gut von einem behinderten Menschen ausgeübt werden könnte.
Dogmatisch schwieriger zu fassen, ist das Verbot der mittelbaren Diskriminierung. Der europäische Gesetzgeber leitete sich hier die Definition aus der Rechtsprechung des EuGH zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer ab (vgl. Bericht der Kommission v. 15.12.2006 betreffend Anwendung der RL 2000/43, 4 bezugnehmend auf EuGH Rs. C-237/94 – O’Flynn, Slg. 1996, I-2617). Nach Art. 2(2)(b) der RL 2000/78 und RL 2000/43 liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Maßnahmen, Kriterien oder Verfahren Personen oder Personengruppen, bei denen eines der in Art. 1 aufgeführten Merkmale vorliegt, in besonderer Weise gegenüber anderen Personen oder Personengruppen benachteiligen, bei denen die genannten Merkmale nicht vorliegen. Dies gilt jedoch nicht, wenn ein sachlicher Grund die Ungleichbehandlung rechtfertigt und die eingesetzten Mittel erforderlich und angemessen sind. Im Kern ist das Verbot mittelbarer Benachteiligung in jedem Diskriminierungsverbot enthalten. Es soll verhindern, dass Vorwände gesucht werden, nach scheinbar neutralen Kriterien zu unterscheiden, um letztlich dann doch die verbotene Entscheidung zu realisieren. Insofern weist es keinen selbstständigen Gerechtigkeitsgehalt auf, sondern dient allein als Hilfsinstrument zur Durchsetzung des eigentlichen Verbots unmittelbarer Diskriminierung. Anknüpfungspunkt für die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung sind dem Anschein nach neutrale Regelungen. Lässt sich eine Anknüpfung an ein verpöntes Merkmal in der betreffenden Vorschrift nicht ausmachen, scheidet eine mittelbare Benachteiligung aus und es kommt allenfalls eine unmittelbare Benachteiligung in Betracht. Um die benachteiligende Wirkung der scheinbar neutralen Vorschrift festzustellen, bedarf es der Bildung von Vergleichsgruppen. Zu vergleichen ist die Gruppe derjenigen, die durch die Anwendung der Vorschrift Nachteile erleidet, mit der Gruppe derer, die durch die Anwendung begünstigt bzw. nicht belastet wird. Innerhalb der benachteiligten Gruppe müssen die Arbeitnehmer, die ein bestimmtes Merkmal aufweisen, zahlenmäßig stärker vertreten sein, als in der begünstigten Gruppe. Dies ist anhand eines statistischen Vergleichs festzustellen (vgl. BAG 8.6.2005, NZA 2006, 611).
Neben die klassischen Erscheinungsformen der unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligung tritt die Belästigung als dritte Benachteiligungsform. Anders als die bereits erwähnten Benachteiligungen erfordert die Feststellung einer Belästigung keinen Vergleich zu anderen Personen oder Personengruppen. Ihr spezifischer Unrechtsgehalt liegt nicht in einer Ungleichbehandlung, sondern in der Verletzung der Würde und des Persönlichkeitsrechts des betroffenen Arbeitnehmers. Nach Art. 2(3) der RL 2000/78 und RL 2000/43 muss es sich um unerwünschte Verhaltensweisen handeln, die mit einem verpönten Merkmal im Zusammenhang stehen. Als mögliche Ausdrucksformen kommen daher Verleumdungen, Beleidigungen, abwertende Äußerungen, Anfeindungen, Drohungen aber auch körperliche Übergriffe in Betracht, soweit sie durch ein entsprechendes Merkmal motiviert sind und ein „feindlich geprägtes Umfeld“ schaffen. Letzteres ist anhand einer wertenden Gesamtschau in Anlehnung an die Kriterien der US-Rechtsprechung zu bestimmen.
Schließlich wird nach Art. 2(4) der RL 2000/78 und RL 2000/43 die Anweisung zur Diskriminierung einer Diskriminierung gleichgestellt. Nähere Erläuterungen zum Begriff der Anweisung finden sich nicht. Angesprochen werden aber wohl insbesondere Arbeitgeber sowie Führungskräfte und andere Verantwortliche, die Diskriminierungen nicht durch Hetzkampagnen und Intrigen fördern sollen. Der Begriff ist damit weit zu verstehen. Nicht nur die wissentliche und willentliche Anordnung wird erfasst, sondern gleichermaßen die konkrete Gestattung zur Diskriminierung, sofern der Angewiesene bereits fest entschlossen war.
b) Rechtfertigung
Grundsätzlich löst nicht jede unterschiedliche Behandlung zugleich einen Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot aus. Entscheidend ist vielmehr, ob die Ungleichbehandlung im Einzelfall gerechtfertigt war oder nicht. Die Möglichkeit der Rechtfertigung ist ein zentraler und auch notwendiger Baustein im Recht der Antidiskriminierung. Diskriminierungsverbote gelten nicht absolut. Es gibt stets zwingende sachliche Gründe, die es erlauben, auch pönalisierte Kriterien zu benutzen, weil entweder die Interessen des Vertragspartners oder dritter Personen, gelegentlich auch diejenigen der gesetzlich geschützten Rechtsträger dies selbst erfordern. Die dogmatische Schwierigkeit besteht darin, „berechtigte Gründe“ für jedes Benachteiligungsverbot getrennt zu entwickeln und sie außerdem vom sachlichen Grund im Sinn des allgemeinen Gleichbehandlungsgebotes abzugrenzen (vgl. dazu die sog. „neue Formel“ des Bundesverfassungsgerichts in BVerfG 7.10.1980, BVerfGE 55, 72, 88). Jedes Verbotskriterium zeichnet sich durch seine eigene Sachgesetzlichkeit aus. Die Richtlinien tragen dieser Verschiedenheit möglicher Rechtfertigung durch die Festschreibung bestimmter Ausnahmetatbestände Rechnung. In den jeweiligen Art. 4 der RL 2000/78 und RL 2000/43 werden Ungleichbehandlungen wegen der verpönten Merkmale für zulässig erachtet, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Darüber hinaus lässt die RL 2000/78 in Art. 6 unter den dort genannten Voraussetzungen Ungleichbehandlungen wegen des Alters zu. Insgesamt sind die für die Diskriminierungsverbote geltenden Sachgesetzlichkeiten jedoch noch zu wenig erforscht. Als gesichert gilt aber, dass an die Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung unter verschiedenen Aspekten „härtere“ Anforderungen gestellt werden, als an den sachlichen Grund des allgemeinen Gleichheitssatzes. Zum einen können bloße Marktüberlegungen eine verbotene Diskriminierung nicht legitimieren, weil sonst bei den wichtigen Arbeitsverträgen eine besonders einschneidende Minderung der Gegenleistung erlaubt wäre. Andererseits wird es für eine Rechtfertigung – anders als bei der allgemeinen Gleichbehandlung – nicht ausreichen, das ein sachlicher Bezug zum Inhalt des vertraglichen Rechtsgeschäfts besteht und dieser für den durchschnittlichen Betrachter nachzuvollziehen ist. Die Abwägung zwischen den Interessen und Grundrechten der betroffenen Personen muss zusätzlich dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügen.
4. Rechtsfolgen bei Verstoß
Um Diskriminierungsverboten zur vollen Geltung zu verschaffen, bedarf es besonderer Sanktionen im Falle ihrer Missachtung. Die RL 2000/ 78 und RL 2000/43 geben aber keine konkreten Vorgaben hinsichtlich der Sanktionen, die im Einzelfall zugunsten des benachteiligten Arbeitnehmers zu verhängen sind. Es wird einzig darauf hingewiesen, dass die Sanktionen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen (vgl. Art. 15 RL 2000/78, Art. 17 RL 2000/ 43). Dies betrifft etwa Schadensersatzleistungen, die ausdrückliche Erwähnung finden. Im Übrigen bleibt die konkrete Ausgestaltung den Mitgliedstaaten überlassen. Eine Präzisierung erfahren die zu verhängenden Sanktionen allerdings durch die Rechtsprechung des EuGH. Danach reicht ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot für sich genommen aus, um die Haftung des Urhebers auszulösen. Auf ein Verschulden kommt es insoweit nicht an. Ferner hat der zu leistende Schadensersatz in einem angemessenen Verhältnis zum tatsächlich erlittenen Schaden zu stehen (vgl. EuGH Rs. C-180/95 – Draehmpaehl, Slg. 1997, I-2195; EuGH Rs. 14/83 – von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891). Hieran haben sich die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung zu orientieren.
In den englischen Gesetzen ist im Falle eines Verstoßes gegen die Diskriminierungsverbote als Rechtsfolge die Leistung von Schadensersatz vorgesehen, sofern es die Billigkeit erfordert (vgl. Sex Discrimination Act 1975, sec. 65 Abs. 1 lit. b sowie Race Relations Act 1976, sec. 56 Abs. 1 lit. b. Darüber hinaus kann der Ersatz immaterieller Schäden verlangt werden (vgl. sec. 66 Abs. 4 und sec. 57 Abs. 4 der vorgenannten Gesetze). Die genauen Maßstäbe werden jedoch von der Rechtsprechung festgelegt.
Die französischen Gesetze enthalten ebenfalls Regelungen zur Sanktionierung diskriminierender Verhaltensweisen. Es wurden sowohl Zivil- als auch Strafmaßnahmen eingeführt. Die Strafmaßnahmen erstrecken sich auf eine Liste verpönter Merkmale, die über die europäischen Vorgaben hinaus geht. Den Urhebern von Diskriminierungen drohen nun Gefängnisstrafen bis zu zwei Jahren und Geldstrafen bis zu EUR 30.000,- (vgl. Art. 225-2 Code pénal). Hinzu treten zivilrechtliche Schadensersatzansprüche.
Auf nationaler Ebene ist im AGG eine spezielle Sanktionsregelung vorgesehen (vgl. § 15 AGG). Aus der Vorschrift folgt ein Anspruch des Benachteiligten auf Schadensersatz und Entschädigung. Während in § 15 Abs. 1 AGG der Ersatz des materiellen Schadens geregelt ist, räumt Abs. 2 dem Betroffenen einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung als Ausgleich für einen erlittenen immateriellen Schaden ein. Letzterer wird verschuldensunabhängig gewährt. Nach wie vor nicht möglich ist die Geltendmachung eines Anspruchs auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses im Falle einer benachteiligenden Einstellungspraxis wie § 15 Abs. 6 AGG nun ausdrücklich klarstellt.
5. Bedeutung der Diskriminierungsverbote für die Entwicklung des Arbeitsrechts
Diskriminierungsverbote haben ihren festen Platz im Arbeitsrecht. Ihr wesentlicher Effekt besteht nicht nur darin, dass zahlreiche Arbeitgeberentscheidungen verboten, sondern – wie im Fall des AGG – auch kontrollfähig werden. Die Gleichbehandlungsgebote eröffnen die Tür zur gerichtlichen Kontrolle. Der Arbeitgeber mag sich rechtfertigen können, er muss es jedoch, soll seine Entscheidung vor den Gerichten Bestand haben. Der einseitigen, schlecht begründeten, ja willkürlichen Entscheidung durch den Arbeitgeber ist Einhalt geboten. Dies gilt nicht nur während des Arbeitsverhältnisses, wo der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz bei kollektiven Entscheidungen bereits einen Schutz des Arbeitnehmers bewirkt, sondern insbesondere auch dort, wo bislang weitgehende Vertragsfreiheit herrschte, nämlich bei der Einstellung. Eben hier liegt auch der spannungsreiche Konflikt zur Vertragsfreiheit, denn bislang brauchte sich der Arbeitgeber hier nicht zu rechtfertigen.
Literatur
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