Lizenzverträge und Kinderschutz: Unterschied zwischen den Seiten

Aus HWB-EuP 2009
(Unterschied zwischen Seiten)
hwb>Admin
 
 
Zeile 1: Zeile 1:
von ''[[Reto M. Hilty]]''
von ''[[Josep Ferrer i Riba]]''
== 1. Begriff und Charakteristika des Lizenzvertrags ==
== 1. Zielsetzung und Entwicklung des Kinderschutzes ==
Durch Lizenzvertrag (''licence agreement'', ''contrat de licence'') wird die Nutzung eines Rechts des [[Geistiges Eigentum (allgemein)|geistigen Eigentum]]s bzw. eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses gestattet. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten richten sich nach der privatautonomen Entscheidung der Parteien. Ein gemeineuropäisch anerkannter Kanon der den Vertrag prägenden Merkmale besteht nicht. Aus rechtsvergleichender Perspektive sind aber folgende Elemente als typisch hervorzuheben: (i) Beteiligt sind wenigstens zwei Parteien, nämlich ein Lizenzgeber und ein Lizenznehmer; (ii) der Lizenzgeber gestattet dem Lizenznehmer die beschränkte oder unbeschränkte Nutzung des ihm zustehenden Vertragsgegenstandes; (iii) das Vertragsverhältnis ist i.d.R. auf eine bestimmte oder unbestimmte Dauer gerichtet; (iv) üblicherweise ist der Lizenznehmer zur Erbringung einer Gegenleistung verpflichtet.
Die Gewährleistung eines effektiven Kinderschutzes und einer effektiven Kinderfürsorge ist ein fundamentales Gebot der Sozialpolitik, über das ein breiter internationaler Konsens besteht. Die Garantie dieses Schutzes ist eine Pflicht der Staaten (Art. 3(2) UN-Kinderrechtskonvention; Art. 17 EU-Sozialcharta revidiert). Nach dem EU-Recht haben Kinder gemäß Art. 24(1) GRCh einen Anspruch auf diesen Schutz und auf Fürsorge ([[Kindschaftsrecht, internationales]]). Die Schutzpflicht obliegt der Natur der Sache nach in erster Linie nicht dem Staat, sondern den Eltern, als Aufgabe ihrer vornehmlichen Verantwortung für die Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder (Art. 18(1) UN-Kinderrechtskonvention). In der Ausübung ihrer Verantwortung ([[Elterliche Verantwortung]]) haben die Eltern ein Recht auf angemessene Unterstützung. Allerdings können sie in den Fällen, in denen sie ihre Aufgaben nicht erfüllen und das überwiegende Interesse des Kindes eine staatliche Intervention erfordert, auch behördlichen Eingriffen und Einschränkungen der elterlichen Selbstbestimmung unterliegen.


Als Gegenstand eines Lizenzvertrags kommen zum einen Güter in Frage, an denen der Lizenzgeber über eine rechtliche Abwehrposition verfügt (echte Lizenzverträge), so gewerbliche Schutzrechte, das [[Urheberrecht]] oder [[verwandte Schutzrechte]], aber auch gewisse [[Persönlichkeitsrecht|Persönlichkeits-]] und [[Namensrecht]]e. Möglich ist ferner die Lizenzierung faktisch exklusiver Güter, insbesondere von Geheimnissen bzw. Know-how (unechte Lizenzverträge).
Im engen Rechtssinne umfasst der Kinderschutz die Gesamtheit aller Mittel, die den Behörden für die Wahrnehmung eines integralen Schutzes des Minderjährigen zur Verfügung stehen. Obwohl solche Maßnahmen mit einer Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Eltern einhergehen und sogar das vorübergehende Ruhen oder den teilweisen bzw. vollständigen Entzug der elterlichen Verantwortung zur Folge haben können, beinhaltet der Kinderschutz auch – und zwar vorrangig – Maßnahmen der Unterstützung und der Zusammenarbeit mit den Familien. Die Rechtsinstrumente des internationalen und europäischen Rechts nehmen die Zuordnung und Ausübung von Rechten und Pflichten betreffend den persönlichen oder vermögensrechtlichen Kinderschutz in den Begriff der [[Elterliche Verantwortung|elterlichen Verantwortung]] auf. <nowiki>Dies gilt auch dann, wenn die Verantwortung Dritten außerhalb des Familienbereiches oder einer juristischen Person übertragen wird (Art.&nbsp;1(2) Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) und Art.&nbsp;1(2) und Art.&nbsp;2 Nr.&nbsp;7 Brüssel&nbsp;IIa-VO [VO 2201/‌2003]).</nowiki>


Lizenzgeber kann sein, wer eine entsprechende rechtliche oder faktische Ausschließlichkeitsposition innehat, im Rahmen eines Unterlizenzverhältnisses aber auch der Lizenznehmer selbst. Möglich sind auch Kreuzlizenzen, bei welchen sich die Parteien gegenseitig Lizenzen erteilen und dabei wechselseitig als Lizenznehmer und Lizenzgeber agieren; bei komplexeren Parteiverhältnissen werden Lizenzgegenstände oft in Lizenzpools eingebracht.
== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
In der Praxis hat der Kinderschutz in den letzten Jahrzehnten in Europa umfassende Veränderungen erfahren. Bis zum Beginn der zweiten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhunderts griffen die Sozialeinrichtungen vornehmlich aus Gründen der Wohltätigkeit ein. Sie kümmerten sich vor allem um verwaiste oder aufgrund ihrer außerehelichen Abstammung ausgesetzte Kinder. In den heutigen Gesellschaften ist der Kinderschutz als gesetzliche Pflicht ausgestaltet: Die fahrlässige Nichtergreifung schützender Maßnahmen bei Vermutung schwerwiegender und andauernder Vernachlässigung oder sexuelles Missbrauchs, kann eine Haftung aufgrund der Verletzung des Rechtes auf Nichterleidung unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung zur Folge haben (EGMR Nr.&nbsp;29392/‌95 − ''Z.&nbsp;u.a./‌Großbritannien''<nowiki>; EGMR Nr. 33218/‌96 − </nowiki>''E.&nbsp;u.a./‌Großbritannien''). Zudem ist der Hauptfokus des Kinderschutzes heute vor allem auf diejenigen Kinder gerichtet, für die ein Risiko der Vernachlässigung, der Misshandlung, des sexuellen Missbrauchs, der Ausbeutung und anderer Fälle der Missachtung besteht. Aufgrund der häufigen Notwendigkeit zwingender Interventionen in das familiäre Umfeld solcher Kinder, sind rechtlich komplexe Handlungsrahmen entwickelt worden. Ein wichtiges Ziel dieser Vorschriften ist, die die staatliche Intervention rechtfertigende Schwelle konkret zu bestimmen. Obwohl die genaue Formulierung der Eingriffsschwelle je nach Land variiert, weisen die Tatbestände ähnliche Kriterien auf. Tendenziell werden die Umstände, die eine Intervention der staatlichen Gewalt rechtfertigen, in den jeweiligen Rechtsordnungen derart objektiviert, dass nicht notwendigerweise bewiesen werden muss, dass die Gefährdung des Kindes auf ein vorwerfbares Verhalten der Eltern zurückzuführen ist (analog der Reform des §&nbsp;1666 Abs.&nbsp;1 BGB im Jahre 2008). Der einen staatlichen Eingriff legitimierende Tatbestand wird in der Regel unter dem Vorbehalt definiert, dass der Eingriff nur dann erfolgen darf, wenn es für das Wohlergehen des Kindes erforderlich ist. Dieser ''necessity test'' (der im Rahmen von Art.&nbsp;8(2) EMRK entwickelt und von Art.&nbsp;9(1) UN-Kinderrechtskonvention sowie von Art.&nbsp;24(1) GRCh übernommen wurde) findet nicht nur Anwendung auf das „Ob“ eines staatlichen Eingriffs, sondern auch auf das „Wie“ – also auch auf die Bestimmung der Art der jeweiligen Maßnahme, die ergriffen werden soll.


Der Lizenzgeber ist typischerweise zur Genussverschaffung und &#8209;erhaltung verpflichtet; dazu kann die Beschränkung weiterer Lizenzvergaben oder auch der eigenen Nutzung kommen. Vereinbart sein können auch Pflichten zur Verbesserung des Lizenzgegenstandes, Garantiezusagen, Meistbegünstigungsklauseln oder Wettbewerbsabreden; letztere können Gegenstand kartellrechtlicher Beurteilung sein ([[Geistiges Eigentum und Wettbewerbsbeschränkung]]).
Das in Europa vorherrschende System des Kinderschutzes ist im Hinblick auf die Zuständigkeitsregelung dual, d.h. nach national spezifischen Kriterien auf Verwaltungsbehörden und Gerichte verteilt. Die Gerichte, denen in den meisten Ländern der Status einer Sondergerichtsbarkeit zukommt, sind stets für die Überprüfung der Verwaltungsakte und die Ergreifung einschneidender Maßnahmen zuständig, wie etwa der Entziehung der elterlichen Verantwortung. Die Verwaltungsbehörden, die in der Regel in Zusammenarbeit mit Sozialberatern tätig werden, sind für die Anordnung von Informations-, Unterstützungs- sowie Beaufsichtigungsmaßnahmen und die Durchführung sämtlicher Maßnahmen zuständig. In vielen Fällen wird die Implementierung solcher Maßnahmen Pflegepersonen, Pflegefamilien oder anderen privaten Einrichtungen übertragen. Als Ausnahme dieses Dualsystems ist der Fall Dänemark zu nennen, wo die Maßnahmen durch städtische, gemischte Ausschüsse angeordnet werden, denen Vertreter der lokalen Verwaltung und der Gerichtsbarkeit angehören. Auch die Überprüfung der Maßnahmen findet im dänischen Recht wiederum durch unabhängige Ausschüsse statt; den Gerichten obliegt hier allenfalls die Entziehung der elterlichen Verantwortung.


Die (außer bei einer Freilizenz) übliche Pflicht des Lizenznehmers zur Gegenleistung besteht meist in der Form einer Geldzahlung, mangels Pauschalvereinbarung verbunden mit einer Abrechnungspflicht (z.B. umsatz- bzw. gewinnabhängige oder gemischte Lizenzgebühr). Zusätzlich vereinbart sein können Pflichten zur Ausübung, zur Verbesserung des Lizenzgegenstandes, zu bestimmter Kennzeichnung oder Werbung, aber auch Nichtangriffsklauseln.
Für die Bestimmung der im einzelnen zu ergreifenden Schutzmaßnahmen gelten in Europa uniforme Handlungsprinzipien, was hauptsächlich auf die harmonisierende Funktion der Rechtsprechung des [[Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte|EGMR]] (s.unten 3.) zurückzuführen ist. Die Schutzmaßnahmen müssen dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit (bzw. dem Prinzip des geringsten Eingriffes) entsprechen. Aus diesem Grund haben unterstützende Maßnahmen Vorrang gegenüber Maßnahmen der Zwangsintervention. Sind im Einzelfall Zwangsmaßnahmen anzuordnen, müssen die Behörden solche vorziehen, die im eigenen Heim des Kindes durchgeführt werden können. Ist letztlich erforderlich, das Kind von seinem familiären Umfeld zu trennen, muss die Reversibilität der Trennung abgewogen werden. In letzterem Fall darf die einzelne Maßnahme einer möglichen zukünftigen Rückführung des Kindes in seine Familie nicht entgegenstehen. Ist eine Pflegeunterbringung erforderlich, geht die Pflegschaft in einem familiären Umfeld einer Pflegschaft in einer Einrichtung vor. Bei Anordnung eines Zwangsmittels sind die berechtigten Interessen der Eltern zu beachten. Bei der Festlegung der Maßnahmen ist das Kind entsprechend seines Alters und seiner Reife anzuhören. Trotz dieser Homogenität der insbesondere verfahrensrechtlichen Handlungsprinzipien in Europa bestehen Unterschiede in Bezug auf die Art der Maßnahmen, die ergriffen werden können, und deren rechtliche Ausgestaltung: Die Art der Maßnahmen hängt von den Prioritäten der Sozialpolitik und den finanziellen Mittel ab, die jedem einzelnen Staat zur Verfügung stehen; die einzelne gesetzliche Ausgestaltung richtet sich nach den jeweiligen nationalen Rechtstraditionen.


Welches materielle Vertragsrecht zur Anwendung gelangt, ist streitig und wird rechtsvergleichend uneinheitlich beurteilt. In Deutschland wird mehrheitlich von einem Vertrag ''sui generis'' ausgegangen; in der Praxis finden sich aber – nebst der Anwendung des allgemeinen Vertragsrechts – häufig wenig systematische Rückgriffe auf besondere Vertragstypen (insb. Miet- und Kaufrecht). In anderen Rechtsordnungen wird die Nähe zu den Gebrauchsüberlassungsverträgen stärker betont (z.B. in Frankreich, ''contrat de louage''). Jedenfalls wird der Lizenzvertrag meist als Risikogeschäft angesehen, bei dem keine der Parteien den wirtschaftlichen Erfolg des Vertrages voraussehen und garantieren kann. Dies führt zu einer tendenziellen Abschwächung der Haftung des Lizenzgebers, es sei denn, er habe entsprechende Garantien übernommen oder ein Mangel (z.B. das mangelnde Funktionieren einer Erfindung) werde als voraussehbar beurteilt. Bei nachträglicher Nichtigkeit wird eine Rückzahlung der Lizenzgebühren im Allgemeinen abgelehnt.
Die Übernahme von Schutzfunktionen durch andere Personen als die Eltern – sei es durch Angehörige im weiteren Familienkreis, Pflegepersonen, öffentliche oder private Einrichtungen – ist rechtlich unterschiedlich ausgestaltet. Einige Rechtsordnungen greifen auf die gleichen Rechtsinstitutionen zurück, die gewöhnlich Anwendung finden, um die Ausübung der elterlichen Verantwortung zu ersetzen, wenn diese nicht oder nur zum Teil erfolgt. Hierunter fallen etwa die Vormundschaft für Kinder ([[Vormundschaft (rechtliche Fürsorge) für Minderjährige]]), die Pflegschaft oder andere entsprechende Institutionen (so z.B. in Deutschland, Spanien und Italien). In den Fällen, in denen die Vormundschaft oder die Pflegschaft einer öffentlichen Einrichtung übertragen wird, unterliegt allerdings ihre Begründung und Ausübung Sonderregelungen aufgrund der Ausübung durch die öffentliche Gewalt. Andere Rechtsordnungen greifen auf die Technik der freiwilligen oder aufgezwungenen Delegation der elterlichen Verantwortung an Dritte zurück, wenn auch in schwerwiegenden Fällen die Entziehung dieser Verantwortung und die Begründung einer Vormundschaft möglich ist (Frankreich). Der Kinderschutz kann auch durch Übertragung der elterlichen Verantwortung auf öffentliche Einrichtungen im Wege der richterlichen Anordnung wahrgenommen werden (England). Im englischen Recht führt zwar die richterliche Anordnung eines ''care order'' zugunsten einer Kommunalbehörde zu einer Übertragung der ''parental responsibility'' auf diese. Diese Zuordnung führt jedoch weder zu einem Ruhen noch zur Entziehung der Verantwortung der Eltern. Die Eltern dürfen ihre Verantwortung aber in diesem Falle nur im Einklang mit den Entscheidungen ausüben, zu denen die Behörde legitimiert wurde. Hinsichtlich der Vielfalt dieser rechtlichen Ausgestaltungen, die in Europa angewendet werden, ist die Einordnung der Ausübung der Schutzfunktionen und der Kindessorge unter den einheitlichen Begriff der [[Elterliche Verantwortung|elterlichen Verantwortung]] im europäischen Recht eine problemlösende und fortschrittliche Entwicklung. Allerdings werden die Probleme der Koordination zwischen der miteinander konkurrierenden Ausübung der Verantwortung durch die Eltern einerseits und durch Dritte andererseits nicht gelöst.


Lizenzen können in gewisse Register für gewerbliche Schutzrechte eingetragen werden, wobei solche Eintragungen je nach Rechtsordnung unterschiedlich wirken. Im deutschen Recht haben sie nur deklaratorische Wirkung, es kommt allein auf die materiellrechtliche Lage an. In anderen Rechtsordnungen (wie Frankreich, Italien, in der Schweiz und Österreich) wirkt die Lizenzierung – wie die Übertragung – von Schutzrechten Dritten gegenüber (außer im Falle der Bösgläubigkeit) erst mit der Eintragung. Das europäische Recht zeigt deutliche Tendenzen zugunsten der letztgenannten Lösung, d.h. einer Publizitätswirkung der betreffenden Register.
== 3. Internationaler Kinderschutz und Konvergenzlinien in den Rechtsordnungen ==
Um einen möglichst effektiven grenzüberschreitenden Kinderschutz zu gewährleisten, wurden unterschiedliche Instrumente des internationalen Privatrechts und Prozessrechts entwickelt ([[Kindschaftsrecht, internationales]]). In kollisionsrechtlicher Hinsicht sind hier hauptsächlich das durch die [[Haager Konferenz für IPR]] entwickelte Haager Kinderschutzübereinkommen von 1996 (KSÜ) und die Brüssel&nbsp;IIa-VO zu nennen. Beide legen die behördliche und gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung sowie die Vollstreckung von Entscheidungen über die elterliche Verantwortung im weitesten Sinne fest. Zu diesen Entscheidungen zählen alle Schutzmaßnahmen außer denen, die zur Vorbereitung einer [[Adoption]] dienen (Art.&nbsp;4(b) KSÜ; Art.&nbsp;1(3) (b) Brüssel&nbsp;IIa-VO). Das KSÜ revidiert das Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (1961), das nur von wenigen Staaten ratifiziert wurde. Daneben regelt das Übereinkommen das jeweils anzuwendende Recht und geht von dem Prinzip aus, dass grundsätzlich die zuständigen Behörden ihr jeweiliges nationales Recht für die Ergreifung von Maßnahmen anwenden (Art.&nbsp;15 (1)). Die Brüssel&nbsp;IIa-VO ersetzt ihrerseits die Brüssel&nbsp;II-VO (VO&nbsp;1347/‌2000), die zwar den gleichen Zweck verfolgte, in ihrem Anwendungsbereich indes enger ausgestaltet war, da nur die Fragen der elterlichen Verantwortung im Rahmen von Eheverfahren Gegenstand der Regelungen waren. Die Erweiterung der Brüssel&nbsp;IIa-VO ist für den Kinderschutz insbesondere insoweit relevant, als dieser Bereich nicht Gegenstand der Brüssel&nbsp;II-VO war. Nach dem Urteil des EuGH vom 27.11.2007 (EuGH Rs.&nbsp;C-435/‌06 ''– C'', Slg.&nbsp;2007, I-10141) ist Art.&nbsp;1(1) Brüssel IIa-VO dahingehend auszulegen, dass eine Entscheidung, die die sofortige Inobhutnahme und die Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie anordnet, unter den Begriff der Zivilsachen im Sinne des Art.&nbsp;1 fällt, selbst wenn die Entscheidung im Rahmen des dem öffentlichen Recht unterliegenden Kinderschutzes ergangen ist. Zahlreiche Vorschriften der Brüssel&nbsp;IIa-VO sind dem KSÜ entlehnt, das zeitgleich zum Brüssel&nbsp;II-Übereinkommen von 1998 (das seinerseits später durch die Brüssel&nbsp;II-VO ersetzt wurde) entwickelt wurde. Beide Instrumente enthalten Regeln zur Vereinfachung ihrer gegenseitigen Anwendung (Art.&nbsp;52 KSÜ und Art.&nbsp;61 Brüssel&nbsp;IIa-VO). Grundsätzlich ist der Richter desjenigen Staates für die Anordnung von Schutzmaßnahmen zuständig, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art.&nbsp;8(1) Brüssel&nbsp;IIa-VO). Liegt der Aufenthalt des Kindes innerhalb der EU, findet die Brüssel IIa-VO Anwendung; im gegenteiligen Falle ist das KSÜ anzuwenden.


Abzugrenzen ist der Lizenzvertrag primär von Übertragungsverträgen. Kennzeichen des Lizenzvertrags ist dabei, dass der Lizenzgeber die Herrschaft über den Vertragsgegenstand grundsätzlich behält und die genannten Pflichten (dauer&#8209;)schuldrechtlicher Natur sind; sie enden durch Ablauf der Vertragszeit oder durch Kündigung ''ex nunc''. Bei der Übertragung findet demgegenüber eine Verfügung über den Vertragsgegenstand statt, welche in ein Austauschverhältnis mündet (i.d.R. [[Kauf]]v). Angesichts des Wesens immaterieller Vertragsgegenstände kann der Übertragungsvertrag indessen unterschiedliche, vom Lizenzvertrag nicht stets einfach zu unterscheidende Formen annehmen, so im Falle teilweiser bzw. beschränkter Übertragung.
Hingegen wurden keine Versuche unternommen, die Regelung des Kinderschutzes in materiellrechtlicher Hinsicht zu vereinheitlichen. Die CEFL hat einen wichtigen Anstoß zur Untersuchung des vergleichenden Rechts im Bereich der Vorarbeiten zur Entwicklung von ''[[Principles of European Family Law]]'' im Hinblick auf die elterliche Verantwortung gegeben. Ausgehend davon, dass der Kinderschutz dem Rechtsinstitut der [[Elterliche Verantwortung|elterlichen Verantwortung]] zuzuordnen ist, sind diese Prinzipien maßgebend für: (i)&nbsp;die Regelungen der Ausübung von Kinderschutzaufgaben durch Verwandte des Kindes, Pflegepersonen und private oder öffentliche Einrichtungen; (ii)&nbsp;den Inhalt der Rechte und Pflichten, die diesen Personen übertragen werden; (iii)&nbsp;den Entzug und die Wiederherstellung der elterlichen Verantwortung; (iv)&nbsp;grundlegende prozessuale Fragen für die Anordnung von Schutzmaßnahmen.


Weiterhin abzugrenzen ist der Lizenzvertrag von [[Dienst(leistungs)vertrag|Dienstleistungsverträgen]], bei denen nicht die Nutzung eines „fertigen“ Immaterialguts, sondern z.B. seine Herstellung im Vordergrund steht. Besondere Formen von Lizenzverträgen stellen sodann etwa Franchiseverträge (''[[Franchising]]'') dar, bei welchen der Franchisenehmer Produkte oder Dienstleistungen des Franchisegebers unter der Verpflichtung vertreibt, Vorgaben betreffend Ausstattung, Namen, Kennzeichen etc. einzuhalten. Bei gesellschaftsähnlichen Lizenzverträgen verfolgen die Parteien ein gemeinsames Ziel, woraus sich gesteigerte Treuepflichten ergeben können.
In Ermangelung einer Einheitsgesetzgebung ist insbesondere die Harmonisierung und die Festlegung gemeinsamer Standards in den nationalen Rechtsordnungen durch die Rechtsprechung des EGMR von Bedeutung. In Anbetracht der sensiblen Eigenart der Materie und der erheblichen Beweisschwierigkeiten in diesen Verfahren räumt der Gerichtshof grundsätzlich den nationalen Behörden zur Ermittlung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und zur Festlegung eines angemessenen Handlungsvorgehens einen weiten Handlungsspielraum ein. Ebenso ist seitens des Gerichtshofs anerkannt, dass die Definition der Eingriffsschwelle der zuständigen Behörden für den Schutz von Minderjährigen unbestimmte Rechtsbegriffe enthält. Es kann nicht verlangt werden, dass das Gesetz alle vorstellbaren Eventualitäten, die das Ergreifen von Maßnahmen rechtfertigen könnte, explizit erfasst (EGMR Nr.&nbsp;10465/‌83 – ''Olsson/‌Schweden (Nr.&nbsp;1)''). Der Gerichtshof hat zudem den Ausnahmecharakter der Maßnahmen einer Trennung des Minderjährigen von seinem familiären Umfeld betont. Derartige Maßnahmen müssen durch ein überwiegendes Interesse des Minderjährigen gerechtfertigt sein. Wenn kein solcher Ausnahmefall vorliegt, sind die Pflegemaßnahmen temporär und im Einklang mit dem Ziel der Wiederzusammenführung der [[Familie]] festzulegen und durchzuführen (EGMR Nr.&nbsp;10465/‌83 – ''Olsson/‌Schweden (Nr.&nbsp;1)''). Dies verlangt, dass die Maßnahmen verhältnismäßig zu der konkreten Situation sind, die eine Intervention erforderlich macht. Die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist insbesondere in den Fällen evident, in denen die Kinder nicht Opfer von Missbrauch oder Misshandlung der Eltern sind, sondern aufgrund geistiger Defizite der Eltern (EGMR Nr.&nbsp;46544/‌99 – ''Kutzner/‌Deutschland'') oder durch materielle Mängel, wie etwa im Falle des Fehlens einer adäquaten Unterkunft, vernachlässigt werden (EGMR Nr.&nbsp;23848/‌04 – ''Wallová und Walla/‌Tschechische Republik''). Da die Einschränkungen des Umgangsrechts zu einer endgültigen Entfremdung des Kindes von seiner Familie führen können, wenn diese auf Dauer anhält und das Kind sich bereits in seine Pflegefamilie integriert hat, sind solche Einschränkungen eingehender und strenger zu prüfen als die Beschränkung der Personensorge (EGMR Nr.&nbsp;61/‌1990/‌252/‌323 – ''Andersson/‌ Schweden''<nowiki>; EGMR Nr.&nbsp;31127/‌96 – </nowiki>''E.P./‌Italien''<nowiki>; EGMR Nr.&nbsp;74969/‌01 – </nowiki>''Görgülü/‌Deutschland''). Ebenso müssen die zuständigen Behörden gewährleisten, dass sowohl die Auswirkungen eines Herausnehmens als auch mögliche Alternativen eingehend untersucht werden, bevor eine Trennung von der Familie erwogen wird (EGMR Nr.&nbsp;25702/‌94 – ''K. und T./‌Finnland''<nowiki>; EGMR Nr.&nbsp;11057/‌02 – </nowiki>''Haase/‌Deutschland'').


== 2. Arten von Lizenzverträgen  ==
Die Rechtsprechung des EGMR fordert zudem weitgehende prozessuale Garantien. So hat sich der Gerichtshof dafür ausgesprochen, dass den durch die jeweiligen Maßnahmen betroffenen Eltern eine ausreichende Einflussnahme auf das Verfahren gewährt werden muss, die ihnen eine angemessene Verteidigung ihrer Interessen erlaubt (EGMR Nr.&nbsp;9749/‌82 – ''W./‌Großbritannien''). Dies beinhaltet das Recht auf Zugang zu relevanten Dokumenten (z.B. Sozial- oder Sachverständigengutachten) (EGMR Nr. 16424/‌90 – ''McMichael/‌Großbritannien'') und auf Rechtsbeistand während des Verfahrens (EGMR Nr.&nbsp;56547/‌00 – ''P.C. und S./‌Großbritannien''). In den Verfahren des Kinderschutzes hat das Kind Recht auf alle sachdienlichen Auskünfte und auf Anhörung, wenn es hierfür nach innerstaatlichem Recht als hinreichend verständig angesehen wird (Art.&nbsp;3 EuKinderrechteÜ (1996)).
Die Möglichkeiten der Ausgestaltung eines Lizenzvertrages sind mannigfaltig; dies führte in der Praxis des Lizenzrechts zu gewissen, nicht abschließenden Kategorienbildungen. Übergeordnet ist dabei die Differenzierung danach, ob die Parteien auf konsensualer Basis zu einem Vertragsschluss gelangen oder ob die Nutzungserlaubnis unter gegebenen Bedingungen auf gesetzlicher Anordnung in den Schutzrechtserlassen beruht (konditionale Lizenzen, etwa die Zwangslizenz nach Art.&nbsp;12 Biotechnologie-RL (RL&nbsp;98/‌44).
 
Konditionale Lizenzen sind stets negativer Natur, d.h. sie bedeuten einzig einen (gesetzlich erzwungenen) Verzicht auf die Geltendmachung der Rechtsposition ohne weitergehende Pflichten des Lizenzgebers. Auch konsensuale Lizenzen können rein negativ vereinbart sein; damit entfällt z.B. eine Haftung des Lizenzgebers für Mängel des Lizenzgegenstands. Üblicherweise ist aber von der positiven Natur der Lizenzerteilung auszugehen, d.h. Vertragsinhalt ist nicht nur der bloße Verzicht, sondern die Verschaffung einer positiven Benutzungsbefugnis mit bestimmten Merkmalen, verbunden mit einer Haftung bei Mängeln, etwa bei vertragswidrigem Bestehen von Rechten Dritter am Lizenzgegenstand.
 
Zentral für die Kategorisierung von (konsensualen) Lizenzvereinbarungen sind Fragen der Reichweite bzw. der Form der Nutzungsgestattung, dies unter verschiedenen Gesichtspunkten. Zunächst lassen sich nicht-ausschließliche von ausschließlichen Lizenzen unterscheiden; Merkmal der ersteren (einfachen) Lizenzen ist, dass der Lizenzgeber weitere Lizenzen am Vertragsgegenstand erteilen darf. Bei der ausschließlichen Lizenz sind weitere Lizenzerteilungen demgegenüber ausgeschlossen, wobei zuweilen weiter danach unterschieden wird, ob sich der Lizenzgeber seinerseits die Nutzung vorbehält (''sole licence''). Praktisch denkbar sind aber auch Zwischenformen, indem z.B. nur gewisse weitere Lizenzen erteilt werden dürfen (qualifizierte Lizenzen).
 
An die Unterscheidung in ausschließliche und nicht ausschließliche Lizenzen knüpft eine dogmatische Diskussion über die Rechtsnatur des Lizenzvertrages an, welche in Europa nicht einheitlich gesehen wird. Während die Mehrzahl der Länder alle Formen des Lizenzvertrags als rein obligatorisches Rechtsgeschäft sieht, fasst die überwiegende Lehre in Deutschland und Österreich nur die einfache Lizenz so auf, während sie die ausschließliche Lizenz als „quasidinglich“ (besser: absolut), d.h. mit Wirkung ''erga omnes'' versteht. Die praktische Auswirkung dieser Differenz liegt darin, dass der (ausschließliche) Lizenznehmer ohne diesen Ansatz – theoretisch – weder über ein eigenes Klagerecht gegen Dritte (z.B. bei Rechtsverletzung) noch im Falle einer Veräußerung des Lizenzgegenstandes durch den Lizenzgeber über einen Sukzessionsschutz verfügt. Folge dieser unterschiedlichen Sichtweisen ist, dass auf europäischer Ebene eine Harmonisierung bisher nicht erreicht wurde; so haben die Mitgliedstaaten nach Art.&nbsp;4(b) der Durchsetzungs-Rl (RL&nbsp;48/‌2004) „insbesondere“ Lizenznehmern ein Recht, die in der Richtlinie vorgesehenen Rechtsbehelfe bei Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums zu beantragen, nur einzuräumen, „soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen in Einklang steht“ ([[Geistiges Eigentum (Durchsetzung)]]). Aus praktischer Sicht ist der Nutzen der absolutrechtlichen Konstruktion der ausschließlichen Lizenz heute zweifelhaft; weder entspricht sie notwendigerweise dem Willen der Vertragsparteien, noch spiegelt sie mit ihrer scharfen Zweiteilung die Vertragsrealität. Erreicht werden kann der erwünschte Schutz des Lizenznehmers stattdessen mittels entsprechender gesetzlicher Anordnung, wie dies sowohl auf nationaler (einschließlich Deutschlands) als auch auf europäischer Ebene inzwischen zunehmend geschieht (s.u. 3.). Darüber hinaus können die Parteien selbst entsprechende Wirkungen durch beschränkte Übertragung erreichen; letztlich reduzieren sich die Differenzen damit auf die terminologische Ebene.
 
Aus der Sicht der Parteien von herausragender Bedeutung sind schließlich Begrenzungen der Berechtigung des Lizenznehmers; möglich sind solche sowohl in sachlicher (Herstellungs-, Vertriebs-, Gebrauchslizenz etc.), räumlicher (Gebietslizenz), mengenmäßiger (Quotenlizenz) oder zeitlicher Hinsicht.
 
Leistungsstörungen resultieren namentlich aus der Missachtung derartiger vertraglicher Begrenzungen der Lizenzberechtigung, wobei gegebenenfalls nicht nur Vertragspflichten, sondern – mangels eines eingeräumten Nutzungsrechts auch involvierte Schutzrechte verletzt sein können. Schon im Vorfeld des Vertragsschlusses ist der Lizenzvertrag durch weitreichende Informationspflichten und entsprechende vorvertragliche Haftungskonstellationen gekennzeichnet. Weiterhin typisch sind einerseits Probleme mit Bezug auf den Lizenzgegenstand, der sich nachträglich – aber mit Wirkung ''ex tunc'' – als rechtlich inexistent herausstellen kann (z.B. ein erteiltes Patent für eine Entwicklung, die bereits zum Stand der Technik gehört) oder der entgegen der Zusicherung des Lizenzgebers mangels Erteilung nie entsteht. Oftmals stellen sich solche Rechtsmängel erst nach Jahre der Nutzung heraus, was in jenen Rechtsordnungen eine besondere dogmatische Herausforderung bedeutet, welche derartige Konstellationen als ursprüngliche Unmöglichkeit qualifizieren und daran die Folge der Vertragsnichtigkeit knüpfen. Vielschichtige Problemkonstellationen ergeben sich im Übrigen, wenn Drittpersonen involviert sind, so namentlich dann, wenn ältere Rechte mit dem Lizenzgegenstand konfligieren oder wenn der Lizenzgegenstand ohne Überbindung der Lizenzgebereigenschaft veräußert wird. Letztere Problematik wird heute oft – und insb. auch im Gemeinschaftsrecht – registerrechtlich aufgefangen (s.u. 3.); beim Urheberrecht steht dieser Ausweg mangels entsprechender Register jedoch nicht zur Verfügung.
 
== 3. Der Lizenzvertrag im inter&shy;nationalen und europäischen Recht ==
Wie in den meisten nationalen Rechtsordnungen hat der Lizenzvertrag weder auf internationaler noch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene eine eingehende Regelung erfahren. Seine Zulässigkeit wird vielmehr vorausgesetzt, was sich in sektoralen Regelungen sowohl im Recht des geistigen Eigentums (wo zuweilen zwischen einer punktuellen Übertragung der Rechte und einer dauernden Nutzungsgestattung durch Lizenzierung unterschieden wird; s.a. Art.&nbsp;9(4) Vermiet- und Verleih-RL (RL&nbsp;2006/‌115) als auch des Wettbewerbsrechts zeigt.
 
Bezogen auf das Recht des ''geistigen Eigentums'' wird der Begriff des Lizenzvertrages bzw. der Lizenz in mehreren Rechtsakten der Gemeinschaft verwendet; Regelungen der gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien fehlen jedoch, da die Harmonisierung jeweils nur die Schutzrechte als solche – „als Gegenstand des Vermögens“ (Art.&nbsp;16–24 VO&nbsp;40/‌94 = Art. 16–24 VO&nbsp;207/‌2009 [konsolidierte Fassung]); Art.&nbsp;27–34 VO&nbsp;6/‌2002; Art.&nbsp;22–28 VO&nbsp;2100/‌94) – erfasst, nicht hingegen die entsprechenden vertragsrechtlichen Fragen. Für jene verweisen die europäischen Rechtsakte regelmäßig auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, wobei mangels abweichender spezifischer Anordnung auch die Gemeinschaftsrechte ([[Gemeinschaftsmarke]], [[Gemeinschaftsgeschmacksmuster]], [[Sortenschutz]]) – wie auch das vom Gemeinschaftsrecht unabhängig bestehende europäische (Bündel&#8209;) Patent ([[Patentrecht]]; [[Europäisches Patent – Gemeinschaftspatent]]) – jenen mitgliedstaatlichen Regelungen unterliegen, die für ein entsprechendes nationales Schutzrecht gelten würden<nowiki> (Art.&nbsp;16 VO&nbsp;40/‌94 = Art. 16 VO&nbsp;207/‌2009 [konsolidierte Fassung]); Art.&nbsp;27 VO&nbsp;6/‌2002; Art. 22 VO&nbsp;2100/‌94; Art.&nbsp;74 EPÜ).</nowiki>
 
<nowiki>Weiterhin finden sich im Gemeinschaftsrecht mehrere Ansatzpunkte, welche dem Typus des Lizenzvertrags gewisse Konturen verleihen. So ergibt sich die Zulässigkeit der sachlich und räumlich beschränkten Lizenzierung nicht nur aus den kartellrechtlichen Anweisungen zur Überprüfung entsprechender Verträge; auch bezogen auf das jeweilige Schutzrecht selbst wird in unterschiedlicher Form klargestellt, dass dieses ganz oder teilweise, ausschließlich oder nicht ausschließlich sowie für das gesamte Gebiet oder einen Teil der Gemeinschaft Gegenstand von Lizenzen sein kann; siehe etwa Art.&nbsp;8 Markenrechts-RL (RL&nbsp;104/‌89, konsolidiert durch RL&nbsp;2008/‌95); Art.&nbsp;22(1) VO&nbsp;40/‌94 = Art.&nbsp;22(1) VO&nbsp;207/‌2009 [konsolidierte Fassung]); Art. 32(1) VO 6/‌2002; Art.&nbsp;73 EPÜ; etwas abweichend Art.&nbsp;27(1) VO&nbsp;2100/‌94). Ebenso stellt das Gemeinschaftsrecht klar, dass der Verstoß gegen eine zeitliche, sachliche und räumliche Beschränkung der Lizenz durch den Lizenznehmer nicht nur vertragsrechtliche Rechte, sondern auch das zugrunde liegende Schutzrecht verletzt; siehe Art.&nbsp;8 Markenrechts-RL (RL&nbsp;89/‌104); Art.&nbsp;22(2) VO 40/‌94 = Art.&nbsp;22(2) VO&nbsp;207/‌2009 [konsolidierte Fassung]); Art. 32(2) VO&nbsp;6/‌2002; Art.&nbsp;27(2) VO&nbsp;2100/‌94.</nowiki>
 
Punktuell aufgefangen werden im Gemeinschaftsrecht sodann die dogmatischen Differenzen hinsichtlich der Rechtsnatur der (ausschließlichen) Lizenz (s.o. 2.). Zum einen wird unter gewissen Voraussetzungen die Aktivlegitimation des Lizenznehmers für den Fall statuiert, dass Dritte das lizenzierte Recht verletzen. Grundsätzlich erforderlich ist zwar die Zustimmung des Rechtsinhabers, doch kann der ausschließliche Lizenznehmer selbständig agieren, wenn der Lizenzgeber nach Aufforderung innerhalb einer angemessenen Frist die Verletzungsklage nicht selbst erhoben hat. Ferner kann jeder Lizenznehmer einer vom Rechtsinhaber erhobenen Verletzungsklage beitreten, um den Ersatz seines eigenen Schadens geltend zu machen (Art.&nbsp;22(3),(4) VO&nbsp;40/‌94 = Art. 22(3),(4) VO&nbsp;207/‌2009 [konsolidierte Fassung]); Art.&nbsp;32(3), (4) VO&nbsp;6/‌2002). Zum andern hält das Gemeinschaftsrecht die konstitutive Wirkung der Registereintragung von Rechtsübertragungen und Lizenzen im Verhältnis zu Dritten fest. Vor der Registereintragung kann es also zum gutgläubigen Erwerb ([[Erwerb vom Nichtberechtigten]]) kommen<nowiki> (Art.&nbsp;23 VO&nbsp;40/‌94 = Art. 23 VO&nbsp;207/‌2009 [konsolidierte Fassung]); Art.&nbsp;33 VO&nbsp;6/‌2002; für die Übertragung Art.&nbsp;23(4) VO&nbsp;2100/‌94).</nowiki>
 
Bezogen auf das Wettbewerbsrecht ([[Geistiges Eigentum und Wettbewerbsbeschränkung]]) hat der Lizenzvertrag im Rahmen des sog. Lizenzkartellrechts eine punktuelle gesetzliche Regelung erfahren; dabei geht es um die Frage, inwieweit Vertragsklauseln wettbewerbsbehindernde Vereinbarungen i.S.v. Art.&nbsp;81&nbsp;EG/‌101 AEUV darstellen. Diese Problematik wird auch auf der Ebene des internationalen Rechts angesprochen (Art.&nbsp;40 TRIPS), da Lizenzpraktiken, die den Wettbewerb beschränken, auch nachteilige Auswirkungen auf den Handel haben und die Weitergabe und Verbreitung von Technologie behindern können.
 
Auf europäischer Ebene werden die maßgeblichen Vorgaben in [[Gruppenfreistellungsverordnungen]] gemäß Art.&nbsp;81(3) EG/‌101(3) AEUV konkretisiert; für den Lizenzvertrag vorab relevant ist die Technologietransfer-VO (VO&nbsp;772/‌ 2004). Im Gegensatz zur Vorgänger-VO&nbsp;240/‌96, welche im Erwägungsgrund&nbsp;5 noch den Lizenzvertrag definiert hatte, verwendet die VO&nbsp;772/‌ 2004 den weiteren Begriff „Technologietransfer-Vereinbarung“; darunter fallen Patentlizenzvereinbarungen, Know-how-Vereinbarungen, Softwarelizenz-Vereinbarungen oder gemischte Patentlizenz-, Know-how- oder Softwarelizenz-Vereinbarungen ebenso wie Vereinbarungen, die sich auf den Erwerb oder Verkauf von Produkten oder auf die Lizenzierung oder die Übertragung von Rechten an geistigem Eigentum beziehen, sofern diese Bestimmungen nicht den eigentlichen Gegenstand der Vereinbarung bilden und unmittelbar mit der Produktion der Vertragsprodukte verbunden sind. Als Technologietransfer-Vereinbarung gilt zudem „die Übertragung von Patent-, Know-how- oder Software-Rechten sowie einer Kombination dieser Rechte, wenn das mit der Verwertung der Technologie verbundene Risiko zum Teil beim Veräußerer verbleibt, insbesondere wenn der als Gegenleistung für die Übertragung zu zahlende Betrag vom Umsatz abhängt, den der Erwerber mit Produkten erzielt, die mithilfe der übertragenen Technologie produziert worden sind, oder von der Menge dieser Produkte oder der Anzahl der unter Einsatz der Technologie durchgeführten Arbeitsvorgänge“ (Art.&nbsp;1(1)(b) VO&nbsp;772/‌2004). Im Kern lehnt sich die europäische Regelung stark an die US-amerikanischen ''Antitrust Guidelines for the Licensing of Intellectual Property'' des ''U.S. Department of Justice und der Federal Trade Commission'' vom 6.4.1995 an; primäres Kriterium für eine Nichtanwendung des [[Kartellrecht]]s sind dabei Marktanteilsschwellen (Art.&nbsp;3 VO&nbsp;772/‌2004), während bestimmte Vereinbarungen als Kernbeschränkungen definiert werden (Art.&nbsp;4).
 
== 4. Der Lizenzvertrag im Einheitsrecht ==
Der Lizenzvertrag als eigenständiger Vertragstyp ist in den akademischen Entwürfen für das europäische Vertragsrecht bisher nicht gesondert berücksichtigt worden. Folglich ist im Hinblick auf Fragen der gegenseitigen Rechte und Pflichten, von Leistungsstörungen und dergleichen auf die allgemeinen Regelungen wie etwa die ''[[Principles of European Contract Law]] ''(PECL) zurückzugreifen. Auch der ''Draft [[Common Frame of Reference]]'' (DCFR) enthält im Buch&nbsp;IV über besondere Verträge keine Regelung des Lizenzvertrags. Gleichwohl finden sich in diesem jüngsten Text für ein einheitliches europäisches Vertragsrecht gewisse Bezugnahmen auf Verträge über Rechte des geistigen Eigentums. Indirekt kommen einige Grundzüge im DCFR damit auch für den Lizenzvertrag zum Tragen.
 
Gemäß Art.&nbsp;IV.A.-1:101(2)(c) DCFR sind die Regelungen zum Kauf beweglicher körperlicher Gegenstände auf den Kauf von immateriellen Gütern (Know-how) und Rechten des geistigen Eigentums entsprechend anzuwenden (entsprechend etwa dem deutschen §&nbsp;453 BGB). Indirekt ergibt sich daraus insoweit eine Abgrenzung dieses Austauschvertrags gegenüber dem Lizenzvertrag (als Dauerschuldverhältnis), als für die Miete als dem Vertrag zur Nutzungsgestattung an körperlichen Gegenständen ebenfalls gesonderte Regelungen bestehen (Art.&nbsp;IV.B.-1:101&nbsp;ff.). Diese Bestimmungen werden – anders als das Kaufrecht – für Gestattungsverträge an Rechten des geistigen Eigentums und an Know-how aber nicht für entsprechend anwendbar erklärt.
 
Mehrere Aspekte des Lizenzvertragsrechts kommen sodann in den Sonderregelungen zum Handelsvertreter- ([[Handelsvertreter]]), Franchise- (''[[Franchising]]'') und Vertriebsvertrag ([[Vertrieb]]) indirekt zum Tragen. Dass diese Vertragstypen wiederum vom Lizenzvertrag zu unterscheiden sind, ergibt sich freilich zunächst aus Art.&nbsp;IV.E.-1:101 DCFR, wonach dieser Teil des Entwurfs für einen DCFR Verträge erfasst, bei denen eine selbständig unternehmerisch tätige Partei die Waren und Dienstleistungen der anderen Partei auf den Markt bringt. Der Lizenzvertrag hingegen soll den Lizenznehmer typischerweise (von reinen Vertriebslizenzen abgesehen) erst in die Lage versetzen, Waren oder Dienstleistungen selbst herzustellen oder herstellen zu lassen und sich hierbei der Rechte des geistigen Eigentums bzw. des Know-hows des Lizenzgebers zu bedienen. Dennoch finden sich für den Lizenzvertrag relevante Gesichtspunkte insbesondere im Abschnitt zum ''Franchising'' hinsichtlich der Befugnis und zugleich Verpflichtung des Franchisenehmers zur Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums und Know-hows (Art.&nbsp;IV.E.-4:101 DCFR). Wie der Lizenzgeber ist auch der Franchisegeber zur Genussverschaffung und &#8209;erhaltung verpflichtet (Art.&nbsp;IV.E.-4:201(1), (2), 4:202 DCFR), während die Hauptpflicht des Franchise- wie üblicherweise des Lizenznehmers in der Zahlung der vereinbarten Gebühren liegt (Art.&nbsp;IV.E.-4:301 DCFR).
 
Angesichts der ausführlichen Regelungen des Handelsvertreter-, Franchise- und Vertriebsvertrages stellt sich freilich die Frage, warum der Lizenzvertrag als oft zugrunde liegender, wirtschaftlich höchst relevanter Vertragstyp nicht seinerseits explizit berücksichtigt wurde. Für die Entwicklung eines gemeineuropäischen Ansatzes spricht insbesondere die regelmäßig grenzüberschreitende Relevanz solcher Rechtsbeziehungen; aber auch die aufgrund stiefmütterlicher Behandlung des Lizenzvertrags durch die nationalen Gesetzgeber bestehende Rechtsunsicherheit ruft im Interesse einer Kostenreduktion für die Wirtschaftsteilnehmer nach Klärungen auf europäischer Ebene.


==Literatur==
==Literatur==
''Wolfgang Lüdecke'','' Ernst Fischer'', Lizenzverträge, 1957; ''Martin Hauser'', Der Patentlizenzvertrag im französischen Recht im Vergleich zum deutschen Recht, 1983; ''David Marchese'','' Iain C. Baillie'', Business Licensing Agreements, 1994; ''Reto M. Hilty'', Lizenzvertragsrecht, 2001; ''Günter Henn'', Patent- und Know-how-Lizenzvertrag, 5. Aufl. 2003; ''Louis Pahlow'', Lizenz und Lizenzvertrag im Recht des Geistigen Eigentums, 2005; ''Frank L. Fine'', The EC Competition Law on Technology Licensing, 2006; ''Kurt Bartenbach'', Patentlizenz- und Know-how-Vertrag, 6. Aufl. 2007; ''Jochen Pagenberg'','' Dietrich Beier'', Lizenzverträge/‌License Agreements, 6. Aufl. 2008;'' Michael Groß'', Der Lizenzvertrag, 9. Aufl. 2008.
''Ludwig Salgo'', Der Anwalt des Kindes, 1993; ''Paul Lagarde'', Explanatory Report on the 1996 Hague Child Protection Convention, in: Hague Conference on Private International Law, Proceedings of the Eighteenth Session (1996), Bd.&nbsp;II, Protection of children, 1996, 534&nbsp;ff.; ''Jacqueline Pousson-Petit'', L’enfant et les familles nourricières en droit comparé, 1997; ''Ursula Kilkelly'', The Child and the European Convention on Human Rights, 1999; ''Katja Schweppe'', Child Protection in Europe: Different Systems – Common Challenges, German Law Journal 3 (2002) No.&nbsp;10; ''Katharina Boele-Woelki'','' Bente Braat'','' Ian Curry-Sumner'' (Hg.), European Family Law in Action, Bd.&nbsp;III: Parental Responsibilities, 2005; ''Nancy Freymond'','' Gary Cameron'' (Hg.), Towards Positive Systems of Child and Family Welfare: International Comparisons of Child Protection, Family Service, and Community Caring Systems, 2006; ''Service des études juridiques France'', Les structures de protection de l'enfance, Les documents de travail du Sénat, Études de législation comparée, no. LC 170, 2007<nowiki>; </nowiki>''Géraldine van Bueren'', Child Rights in Europe, 2008.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Child_Protection]]

Aktuelle Version vom 8. September 2021, 12:15 Uhr

von Josep Ferrer i Riba

1. Zielsetzung und Entwicklung des Kinderschutzes

Die Gewährleistung eines effektiven Kinderschutzes und einer effektiven Kinderfürsorge ist ein fundamentales Gebot der Sozialpolitik, über das ein breiter internationaler Konsens besteht. Die Garantie dieses Schutzes ist eine Pflicht der Staaten (Art. 3(2) UN-Kinderrechtskonvention; Art. 17 EU-Sozialcharta revidiert). Nach dem EU-Recht haben Kinder gemäß Art. 24(1) GRCh einen Anspruch auf diesen Schutz und auf Fürsorge (Kindschaftsrecht, internationales). Die Schutzpflicht obliegt der Natur der Sache nach in erster Linie nicht dem Staat, sondern den Eltern, als Aufgabe ihrer vornehmlichen Verantwortung für die Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder (Art. 18(1) UN-Kinderrechtskonvention). In der Ausübung ihrer Verantwortung (Elterliche Verantwortung) haben die Eltern ein Recht auf angemessene Unterstützung. Allerdings können sie in den Fällen, in denen sie ihre Aufgaben nicht erfüllen und das überwiegende Interesse des Kindes eine staatliche Intervention erfordert, auch behördlichen Eingriffen und Einschränkungen der elterlichen Selbstbestimmung unterliegen.

Im engen Rechtssinne umfasst der Kinderschutz die Gesamtheit aller Mittel, die den Behörden für die Wahrnehmung eines integralen Schutzes des Minderjährigen zur Verfügung stehen. Obwohl solche Maßnahmen mit einer Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Eltern einhergehen und sogar das vorübergehende Ruhen oder den teilweisen bzw. vollständigen Entzug der elterlichen Verantwortung zur Folge haben können, beinhaltet der Kinderschutz auch – und zwar vorrangig – Maßnahmen der Unterstützung und der Zusammenarbeit mit den Familien. Die Rechtsinstrumente des internationalen und europäischen Rechts nehmen die Zuordnung und Ausübung von Rechten und Pflichten betreffend den persönlichen oder vermögensrechtlichen Kinderschutz in den Begriff der elterlichen Verantwortung auf. Dies gilt auch dann, wenn die Verantwortung Dritten außerhalb des Familienbereiches oder einer juristischen Person übertragen wird (Art. 1(2) Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) und Art. 1(2) und Art. 2 Nr. 7 Brüssel IIa-VO [VO 2201/‌2003]).

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

In der Praxis hat der Kinderschutz in den letzten Jahrzehnten in Europa umfassende Veränderungen erfahren. Bis zum Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts griffen die Sozialeinrichtungen vornehmlich aus Gründen der Wohltätigkeit ein. Sie kümmerten sich vor allem um verwaiste oder aufgrund ihrer außerehelichen Abstammung ausgesetzte Kinder. In den heutigen Gesellschaften ist der Kinderschutz als gesetzliche Pflicht ausgestaltet: Die fahrlässige Nichtergreifung schützender Maßnahmen bei Vermutung schwerwiegender und andauernder Vernachlässigung oder sexuelles Missbrauchs, kann eine Haftung aufgrund der Verletzung des Rechtes auf Nichterleidung unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung zur Folge haben (EGMR Nr. 29392/‌95 − Z. u.a./‌Großbritannien; EGMR Nr. 33218/‌96 − E. u.a./‌Großbritannien). Zudem ist der Hauptfokus des Kinderschutzes heute vor allem auf diejenigen Kinder gerichtet, für die ein Risiko der Vernachlässigung, der Misshandlung, des sexuellen Missbrauchs, der Ausbeutung und anderer Fälle der Missachtung besteht. Aufgrund der häufigen Notwendigkeit zwingender Interventionen in das familiäre Umfeld solcher Kinder, sind rechtlich komplexe Handlungsrahmen entwickelt worden. Ein wichtiges Ziel dieser Vorschriften ist, die die staatliche Intervention rechtfertigende Schwelle konkret zu bestimmen. Obwohl die genaue Formulierung der Eingriffsschwelle je nach Land variiert, weisen die Tatbestände ähnliche Kriterien auf. Tendenziell werden die Umstände, die eine Intervention der staatlichen Gewalt rechtfertigen, in den jeweiligen Rechtsordnungen derart objektiviert, dass nicht notwendigerweise bewiesen werden muss, dass die Gefährdung des Kindes auf ein vorwerfbares Verhalten der Eltern zurückzuführen ist (analog der Reform des § 1666 Abs. 1 BGB im Jahre 2008). Der einen staatlichen Eingriff legitimierende Tatbestand wird in der Regel unter dem Vorbehalt definiert, dass der Eingriff nur dann erfolgen darf, wenn es für das Wohlergehen des Kindes erforderlich ist. Dieser necessity test (der im Rahmen von Art. 8(2) EMRK entwickelt und von Art. 9(1) UN-Kinderrechtskonvention sowie von Art. 24(1) GRCh übernommen wurde) findet nicht nur Anwendung auf das „Ob“ eines staatlichen Eingriffs, sondern auch auf das „Wie“ – also auch auf die Bestimmung der Art der jeweiligen Maßnahme, die ergriffen werden soll.

Das in Europa vorherrschende System des Kinderschutzes ist im Hinblick auf die Zuständigkeitsregelung dual, d.h. nach national spezifischen Kriterien auf Verwaltungsbehörden und Gerichte verteilt. Die Gerichte, denen in den meisten Ländern der Status einer Sondergerichtsbarkeit zukommt, sind stets für die Überprüfung der Verwaltungsakte und die Ergreifung einschneidender Maßnahmen zuständig, wie etwa der Entziehung der elterlichen Verantwortung. Die Verwaltungsbehörden, die in der Regel in Zusammenarbeit mit Sozialberatern tätig werden, sind für die Anordnung von Informations-, Unterstützungs- sowie Beaufsichtigungsmaßnahmen und die Durchführung sämtlicher Maßnahmen zuständig. In vielen Fällen wird die Implementierung solcher Maßnahmen Pflegepersonen, Pflegefamilien oder anderen privaten Einrichtungen übertragen. Als Ausnahme dieses Dualsystems ist der Fall Dänemark zu nennen, wo die Maßnahmen durch städtische, gemischte Ausschüsse angeordnet werden, denen Vertreter der lokalen Verwaltung und der Gerichtsbarkeit angehören. Auch die Überprüfung der Maßnahmen findet im dänischen Recht wiederum durch unabhängige Ausschüsse statt; den Gerichten obliegt hier allenfalls die Entziehung der elterlichen Verantwortung.

Für die Bestimmung der im einzelnen zu ergreifenden Schutzmaßnahmen gelten in Europa uniforme Handlungsprinzipien, was hauptsächlich auf die harmonisierende Funktion der Rechtsprechung des EGMR (s.unten 3.) zurückzuführen ist. Die Schutzmaßnahmen müssen dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit (bzw. dem Prinzip des geringsten Eingriffes) entsprechen. Aus diesem Grund haben unterstützende Maßnahmen Vorrang gegenüber Maßnahmen der Zwangsintervention. Sind im Einzelfall Zwangsmaßnahmen anzuordnen, müssen die Behörden solche vorziehen, die im eigenen Heim des Kindes durchgeführt werden können. Ist letztlich erforderlich, das Kind von seinem familiären Umfeld zu trennen, muss die Reversibilität der Trennung abgewogen werden. In letzterem Fall darf die einzelne Maßnahme einer möglichen zukünftigen Rückführung des Kindes in seine Familie nicht entgegenstehen. Ist eine Pflegeunterbringung erforderlich, geht die Pflegschaft in einem familiären Umfeld einer Pflegschaft in einer Einrichtung vor. Bei Anordnung eines Zwangsmittels sind die berechtigten Interessen der Eltern zu beachten. Bei der Festlegung der Maßnahmen ist das Kind entsprechend seines Alters und seiner Reife anzuhören. Trotz dieser Homogenität der insbesondere verfahrensrechtlichen Handlungsprinzipien in Europa bestehen Unterschiede in Bezug auf die Art der Maßnahmen, die ergriffen werden können, und deren rechtliche Ausgestaltung: Die Art der Maßnahmen hängt von den Prioritäten der Sozialpolitik und den finanziellen Mittel ab, die jedem einzelnen Staat zur Verfügung stehen; die einzelne gesetzliche Ausgestaltung richtet sich nach den jeweiligen nationalen Rechtstraditionen.

Die Übernahme von Schutzfunktionen durch andere Personen als die Eltern – sei es durch Angehörige im weiteren Familienkreis, Pflegepersonen, öffentliche oder private Einrichtungen – ist rechtlich unterschiedlich ausgestaltet. Einige Rechtsordnungen greifen auf die gleichen Rechtsinstitutionen zurück, die gewöhnlich Anwendung finden, um die Ausübung der elterlichen Verantwortung zu ersetzen, wenn diese nicht oder nur zum Teil erfolgt. Hierunter fallen etwa die Vormundschaft für Kinder (Vormundschaft (rechtliche Fürsorge) für Minderjährige), die Pflegschaft oder andere entsprechende Institutionen (so z.B. in Deutschland, Spanien und Italien). In den Fällen, in denen die Vormundschaft oder die Pflegschaft einer öffentlichen Einrichtung übertragen wird, unterliegt allerdings ihre Begründung und Ausübung Sonderregelungen aufgrund der Ausübung durch die öffentliche Gewalt. Andere Rechtsordnungen greifen auf die Technik der freiwilligen oder aufgezwungenen Delegation der elterlichen Verantwortung an Dritte zurück, wenn auch in schwerwiegenden Fällen die Entziehung dieser Verantwortung und die Begründung einer Vormundschaft möglich ist (Frankreich). Der Kinderschutz kann auch durch Übertragung der elterlichen Verantwortung auf öffentliche Einrichtungen im Wege der richterlichen Anordnung wahrgenommen werden (England). Im englischen Recht führt zwar die richterliche Anordnung eines care order zugunsten einer Kommunalbehörde zu einer Übertragung der parental responsibility auf diese. Diese Zuordnung führt jedoch weder zu einem Ruhen noch zur Entziehung der Verantwortung der Eltern. Die Eltern dürfen ihre Verantwortung aber in diesem Falle nur im Einklang mit den Entscheidungen ausüben, zu denen die Behörde legitimiert wurde. Hinsichtlich der Vielfalt dieser rechtlichen Ausgestaltungen, die in Europa angewendet werden, ist die Einordnung der Ausübung der Schutzfunktionen und der Kindessorge unter den einheitlichen Begriff der elterlichen Verantwortung im europäischen Recht eine problemlösende und fortschrittliche Entwicklung. Allerdings werden die Probleme der Koordination zwischen der miteinander konkurrierenden Ausübung der Verantwortung durch die Eltern einerseits und durch Dritte andererseits nicht gelöst.

3. Internationaler Kinderschutz und Konvergenzlinien in den Rechtsordnungen

Um einen möglichst effektiven grenzüberschreitenden Kinderschutz zu gewährleisten, wurden unterschiedliche Instrumente des internationalen Privatrechts und Prozessrechts entwickelt (Kindschaftsrecht, internationales). In kollisionsrechtlicher Hinsicht sind hier hauptsächlich das durch die Haager Konferenz für IPR entwickelte Haager Kinderschutzübereinkommen von 1996 (KSÜ) und die Brüssel IIa-VO zu nennen. Beide legen die behördliche und gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung sowie die Vollstreckung von Entscheidungen über die elterliche Verantwortung im weitesten Sinne fest. Zu diesen Entscheidungen zählen alle Schutzmaßnahmen außer denen, die zur Vorbereitung einer Adoption dienen (Art. 4(b) KSÜ; Art. 1(3) (b) Brüssel IIa-VO). Das KSÜ revidiert das Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (1961), das nur von wenigen Staaten ratifiziert wurde. Daneben regelt das Übereinkommen das jeweils anzuwendende Recht und geht von dem Prinzip aus, dass grundsätzlich die zuständigen Behörden ihr jeweiliges nationales Recht für die Ergreifung von Maßnahmen anwenden (Art. 15 (1)). Die Brüssel IIa-VO ersetzt ihrerseits die Brüssel II-VO (VO 1347/‌2000), die zwar den gleichen Zweck verfolgte, in ihrem Anwendungsbereich indes enger ausgestaltet war, da nur die Fragen der elterlichen Verantwortung im Rahmen von Eheverfahren Gegenstand der Regelungen waren. Die Erweiterung der Brüssel IIa-VO ist für den Kinderschutz insbesondere insoweit relevant, als dieser Bereich nicht Gegenstand der Brüssel II-VO war. Nach dem Urteil des EuGH vom 27.11.2007 (EuGH Rs. C-435/‌06 – C, Slg. 2007, I-10141) ist Art. 1(1) Brüssel IIa-VO dahingehend auszulegen, dass eine Entscheidung, die die sofortige Inobhutnahme und die Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie anordnet, unter den Begriff der Zivilsachen im Sinne des Art. 1 fällt, selbst wenn die Entscheidung im Rahmen des dem öffentlichen Recht unterliegenden Kinderschutzes ergangen ist. Zahlreiche Vorschriften der Brüssel IIa-VO sind dem KSÜ entlehnt, das zeitgleich zum Brüssel II-Übereinkommen von 1998 (das seinerseits später durch die Brüssel II-VO ersetzt wurde) entwickelt wurde. Beide Instrumente enthalten Regeln zur Vereinfachung ihrer gegenseitigen Anwendung (Art. 52 KSÜ und Art. 61 Brüssel IIa-VO). Grundsätzlich ist der Richter desjenigen Staates für die Anordnung von Schutzmaßnahmen zuständig, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 8(1) Brüssel IIa-VO). Liegt der Aufenthalt des Kindes innerhalb der EU, findet die Brüssel IIa-VO Anwendung; im gegenteiligen Falle ist das KSÜ anzuwenden.

Hingegen wurden keine Versuche unternommen, die Regelung des Kinderschutzes in materiellrechtlicher Hinsicht zu vereinheitlichen. Die CEFL hat einen wichtigen Anstoß zur Untersuchung des vergleichenden Rechts im Bereich der Vorarbeiten zur Entwicklung von Principles of European Family Law im Hinblick auf die elterliche Verantwortung gegeben. Ausgehend davon, dass der Kinderschutz dem Rechtsinstitut der elterlichen Verantwortung zuzuordnen ist, sind diese Prinzipien maßgebend für: (i) die Regelungen der Ausübung von Kinderschutzaufgaben durch Verwandte des Kindes, Pflegepersonen und private oder öffentliche Einrichtungen; (ii) den Inhalt der Rechte und Pflichten, die diesen Personen übertragen werden; (iii) den Entzug und die Wiederherstellung der elterlichen Verantwortung; (iv) grundlegende prozessuale Fragen für die Anordnung von Schutzmaßnahmen.

In Ermangelung einer Einheitsgesetzgebung ist insbesondere die Harmonisierung und die Festlegung gemeinsamer Standards in den nationalen Rechtsordnungen durch die Rechtsprechung des EGMR von Bedeutung. In Anbetracht der sensiblen Eigenart der Materie und der erheblichen Beweisschwierigkeiten in diesen Verfahren räumt der Gerichtshof grundsätzlich den nationalen Behörden zur Ermittlung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und zur Festlegung eines angemessenen Handlungsvorgehens einen weiten Handlungsspielraum ein. Ebenso ist seitens des Gerichtshofs anerkannt, dass die Definition der Eingriffsschwelle der zuständigen Behörden für den Schutz von Minderjährigen unbestimmte Rechtsbegriffe enthält. Es kann nicht verlangt werden, dass das Gesetz alle vorstellbaren Eventualitäten, die das Ergreifen von Maßnahmen rechtfertigen könnte, explizit erfasst (EGMR Nr. 10465/‌83 – Olsson/‌Schweden (Nr. 1)). Der Gerichtshof hat zudem den Ausnahmecharakter der Maßnahmen einer Trennung des Minderjährigen von seinem familiären Umfeld betont. Derartige Maßnahmen müssen durch ein überwiegendes Interesse des Minderjährigen gerechtfertigt sein. Wenn kein solcher Ausnahmefall vorliegt, sind die Pflegemaßnahmen temporär und im Einklang mit dem Ziel der Wiederzusammenführung der Familie festzulegen und durchzuführen (EGMR Nr. 10465/‌83 – Olsson/‌Schweden (Nr. 1)). Dies verlangt, dass die Maßnahmen verhältnismäßig zu der konkreten Situation sind, die eine Intervention erforderlich macht. Die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist insbesondere in den Fällen evident, in denen die Kinder nicht Opfer von Missbrauch oder Misshandlung der Eltern sind, sondern aufgrund geistiger Defizite der Eltern (EGMR Nr. 46544/‌99 – Kutzner/‌Deutschland) oder durch materielle Mängel, wie etwa im Falle des Fehlens einer adäquaten Unterkunft, vernachlässigt werden (EGMR Nr. 23848/‌04 – Wallová und Walla/‌Tschechische Republik). Da die Einschränkungen des Umgangsrechts zu einer endgültigen Entfremdung des Kindes von seiner Familie führen können, wenn diese auf Dauer anhält und das Kind sich bereits in seine Pflegefamilie integriert hat, sind solche Einschränkungen eingehender und strenger zu prüfen als die Beschränkung der Personensorge (EGMR Nr. 61/‌1990/‌252/‌323 – Andersson/‌ Schweden; EGMR Nr. 31127/‌96 – E.P./‌Italien; EGMR Nr. 74969/‌01 – Görgülü/‌Deutschland). Ebenso müssen die zuständigen Behörden gewährleisten, dass sowohl die Auswirkungen eines Herausnehmens als auch mögliche Alternativen eingehend untersucht werden, bevor eine Trennung von der Familie erwogen wird (EGMR Nr. 25702/‌94 – K. und T./‌Finnland; EGMR Nr. 11057/‌02 – Haase/‌Deutschland).

Die Rechtsprechung des EGMR fordert zudem weitgehende prozessuale Garantien. So hat sich der Gerichtshof dafür ausgesprochen, dass den durch die jeweiligen Maßnahmen betroffenen Eltern eine ausreichende Einflussnahme auf das Verfahren gewährt werden muss, die ihnen eine angemessene Verteidigung ihrer Interessen erlaubt (EGMR Nr. 9749/‌82 – W./‌Großbritannien). Dies beinhaltet das Recht auf Zugang zu relevanten Dokumenten (z.B. Sozial- oder Sachverständigengutachten) (EGMR Nr. 16424/‌90 – McMichael/‌Großbritannien) und auf Rechtsbeistand während des Verfahrens (EGMR Nr. 56547/‌00 – P.C. und S./‌Großbritannien). In den Verfahren des Kinderschutzes hat das Kind Recht auf alle sachdienlichen Auskünfte und auf Anhörung, wenn es hierfür nach innerstaatlichem Recht als hinreichend verständig angesehen wird (Art. 3 EuKinderrechteÜ (1996)).

Literatur

Ludwig Salgo, Der Anwalt des Kindes, 1993; Paul Lagarde, Explanatory Report on the 1996 Hague Child Protection Convention, in: Hague Conference on Private International Law, Proceedings of the Eighteenth Session (1996), Bd. II, Protection of children, 1996, 534 ff.; Jacqueline Pousson-Petit, L’enfant et les familles nourricières en droit comparé, 1997; Ursula Kilkelly, The Child and the European Convention on Human Rights, 1999; Katja Schweppe, Child Protection in Europe: Different Systems – Common Challenges, German Law Journal 3 (2002) No. 10; Katharina Boele-Woelki, Bente Braat, Ian Curry-Sumner (Hg.), European Family Law in Action, Bd. III: Parental Responsibilities, 2005; Nancy Freymond, Gary Cameron (Hg.), Towards Positive Systems of Child and Family Welfare: International Comparisons of Child Protection, Family Service, and Community Caring Systems, 2006; Service des études juridiques France, Les structures de protection de l'enfance, Les documents de travail du Sénat, Études de législation comparée, no. LC 170, 2007; Géraldine van Bueren, Child Rights in Europe, 2008.

Abgerufen von Lizenzverträge – HWB-EuP 2009 am 26. April 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

Die hier veröffentlichten Artikel unterliegen exklusiven Nutzungsrechten der Rechteinhaber des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht und des Verlages Mohr Siebeck; sie dürfen nur für nichtkommerzielle Zwecke genutzt werden. Nutzer dürfen auf die öffentlich frei zugänglich gemachten Artikel zugreifen, diese herunterladen, Ausdrucke anfertigen und Kopien der Dateien anfertigen. Weiterhin dürfen Nutzer die Artikel auszugsweise übersetzen und im Rahmen von wissenschaftlicher Arbeit zitieren, sofern folgende Anforderungen erfüllt werden:

  • Nutzung zu nichtkommerziellen Zwecken
  • Erhalt der Text-Integrität des Artikels und seiner Bestandteile
  • Zitieren der Fundstelle gemäß wissenschaftlichen Standards unter Angabe von Autoren, Stichworttitel, Werkname, Jahr der Veröffentlichung (siehe Zitiervorschlag).