Eigentumsübertragung (beweglicher Sachen)
von Franco Ferrari
1. Traditions- und Abstraktionsprinzip
Das Verhältnis von Kaufvertrag und Erwerb des Eigentums kann auf unterschiedlichen Grundsätzen beruhen. Dieses Verhältnis soll nachstehend untersucht werden, wobei aber angemerkt werden muss, dass sich die folgenden Bemerkungen nur auf das Verhältnis zwischen dem Kauf und der Eigentumsübertragung beweglicher Sachen nach allgemeinem Zivilrecht bezieht. Ausgeschlossen sind demnach nicht nur die Beziehungen zwischen Handelskauf und Eigentumsübertragung, sondern auch andere Verhältnisse, wie zum Beispiel das auf einen Schenkungsvertrag gründende Verhältnis.
Ausgangspunkt der folgenden Bemerkungen ist die unterschiedliche Antwort auf die Frage, ob schon der bloße Kaufvertrag die Eigentumsübertragung herbeiführt, oder ob nicht vielmehr auch die Übergabe des Kaufgegenstandes erforderlich ist. Diesbezüglich kann zwischen zwei Hauptsystemen unterschieden werden: dem Konsensualprinzip und dem Traditionsprinzip.
Was Letzteres angeht, ist zu erwähnen, dass sowohl das römische Recht als auch das Gemeine Recht (ius commune) von einer für die Eigentumsübertragung notwendigen Übergabe des beweglichen Kaufgegenstandes ausgingen, zumindest hinsichtlich der traditio (waren die mancipatio und die in iure cessio doch abstrakt). Die Übergabe (modus) war an das Verpflichtungsgeschäft (titulus) geknüpft; es galt demnach das in der wohl am häufigsten zitierten römischen Textstelle festgelegte Prinzip, wonach traditionibus et usucapionibus dominia rerum, non nudis pactis transferuntur (C. 2,3,20). Demzufolge hatten Verträge lediglich verpflichtende Wirkung. Diesem Prinzip ist zum Beispiel der Codex Theresianus gefolgt und nach ihm als Zivilgesetzbuch der ersten Generation das österreichische ABGB, was sich zum Beispiel aus § 1053 ABGB ergibt, wonach „die Erwerbung ... erst durch die Übergabe des Kaufgegenstandes“ erfolgt und demnach „bis zur Übergabe ... der Verkäufer das Eigentumsrecht“ behält.
Neben der österreichischen zeichnen sich auch die Rechtsordnungen Estlands, Griechenlands, der Niederlande, Russlands, Spaniens, der Türkei und – nach 1929 – auch der Schweiz durch das kausale Übergabeprinzip aus.
Diesen Rechtsordnungen steht die deutsche Rechtsordnung gegenüber, die eine Sonderstellung einnimmt, obwohl auch sie vorsieht, dass der Kaufvertrag nur verpflichtende Wirkung haben kann. Diese Sonderstellung ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass es auf dem Trennungsprinzip aufbaut, wonach Plan und Durchführung, obligatorische Verpflichtung und dingliche, erfüllende Verfügung zwei verschiedene, wenn auch nicht immer zeitlich getrennte Rechtsgeschäfte darstellen. Dies tun einige der anderen erwähnten Rechtsordnungen auch, wenngleich sie der Verfügung keine rechtliche Unabhängigkeit von der Verpflichtung zuerkennen. Die Sonderstellung hängt vielmehr mit dem von Friedrich Carl von Savigny vor allem in seinem „System des heutigen römischen Rechts“ konzipierten Abstraktionsprinzip zusammen, wonach die Übereignung in ihrem rechtlichen Bestand als vom Grundgeschäft losgelöst betrachtet werden muss, weshalb auch von einem abstrakten Verfügungsgeschäft die Rede ist. Während also die auf dem Traditionsprinzip aufbauenden Rechtsordnungen neben einem Verfügungsgeschäft auch ein gültiges Verpflichtungsgeschäft fordern, bedarf es in der deutschen Rechtsordnung keines gültigen Grundgeschäfts.
Konzipiert wurde das Abstraktionsprinzip für eine Gesetzgebung, die auf dem Prinzip nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet beruht. Die kausale Verknüpfung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft führt in einer auf diesem Prinzip aufbauenden Rechtsordnung bei einem Fehler in der iusta causa traditionis (im Sinne von wirksamen Rechtsgrund der Übergabe) dazu, dass der Erwerber nicht Eigentümer werden und der Veräußerer gegenüber jedermann vindizieren kann. Unter anderem um einer solchen Situation vorzubeugen, also um den vertrauenden Erwerber zu schützen, wurde das Abstraktionsprinzip eingeführt. Hand in Hand damit ging aber auch ein anderes, wirtschaftspolitisches Ziel: die Steigerung des Güterumsatzes, die das Abstraktionsprinzip durch die Erhöhung der Verkehrssicherheit unweigerlich bewirkte. Denn Eigentum konnte trotz des genannten Grundsatzes nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet selbst bei fehlerhafter causa erworben werden, wenn nur der dingliche Vertrag nicht fehlerhaft war. Der Käufer brauchte sich also nicht um die dingliche Berechtigung des Veräußerers zu kümmern, er konnte Erwerbsgeschäfte sorgloser und deshalb auch häufiger eingehen, was gesamtwirtschaftlich betrachtet den Güterumschlag stimulieren musste.
Das Abstraktionsprinzip ist jedoch oft kritisiert worden. Der wohl häufigste Vorwurf lässt sich wie folgt zusammenfassen: Es hat bekanntlich das rechtsgeschäftliche Element verdoppelt, indem es zwischen obligatorischen Vertrag und äußerer Vollziehung noch eine besondere Einigung eingeschaltet hat. Diese systematische Trennung ist insoweit lebensfremd, als sie nicht dem psychologischen Befund der Parteien des Kaufvertrags entspricht, die im Kauf ein einheitliches Ganzes sehen, zumindest im Falle des Hand- beziehungsweise Barkaufs.
Diese Kritik, die sich nicht so sehr auf das Abstraktionsprinzip als auf das Trennungsprinzip bezieht, ist jedoch nicht die einzige. Es wird immer wieder angeführt, dass die Unabhängigkeit des Verfügungs- vom Verpflichtungsgeschäft deshalb zu lebensfremden Lösungen führe, weil „niemand Eigentum um seiner selbst willen überträgt, sondern um eines bestimmten Zweckes willen, um zu verkaufen, zu vertauschen, zu verschenken“ (Robert Haab, August Simonius). Bedenkt man, dass der Veräußerer die sine causa weggegebene Sache nur dann vom Erwerber (durch einen Bereicherungsanspruch) zurückverlangen kann, wenn dieser solvent ist, und sich die Sache noch in dessen Besitz befindet, dass er also die Sache nicht von einem Dritten herausverlangen kann, wie er es könnte, wenn er Eigentümer geblieben wäre, so erweist sich das Abstraktionsprinzip für den Veräußerer als nachteilig, vor allem dann, wenn dieser an der individuell bestimmten Sache interessiert ist.
2. Das Konsensualprinzip
Dem Übergabeprinzip in seinen beiden Ausformungen (kausales beziehungsweise abstraktes Übergabesystem) steht das Konsensual- oder Vertragsprinzip gegenüber, wonach es zur Eigentumsübertragung des Kaufgegenstandes nicht der Übergabe desselben bedarf. Gemäß dem Konsensualprinzip ist für die Eigentumsübertragung lediglich der Abschluss eines gültigen Kaufvertrages notwendig. Dies führt dazu, dass in den auf diesem Grundsatz aufbauenden Rechtsordnungen die Trennung von Sachen- und Schuldrecht nicht deutlich durchgeführt wird. Es herrscht demnach das Einheitsprinzip, wonach die für den Eigentumsübergang erforderliche Willenübereinstimmung als bereits im Kaufvertrag selbst enthalten angesehen wird. Diese Einheit kommt besonders deutlich in der italienischen Rechtsordnung dadurch zum Ausdruck, dass sich die das Konsensualprinzip statuierende Vorschrift des Codice civile, Art. 1376, nicht im III. Buch über das Sachenrecht, sondern im IV. Buch findet, das das Schuldrecht regelt.
Das Konsensualprinzip französischer Prägung wurde, trotz ablehnender Haltung einiger der „Väter“ des Code Napoléon (Code civil) in diesen aufgenommen. Dies ist heute herrschende Meinung, war aber in der Zeit unmittelbar nach Inkrafttreten des Code civil nicht unbestritten, da die den Kaufvertrag regelnden Vorschriften die dingliche Wirkung des Kaufvertrages nicht deutlich hervorhoben. So wird der Kaufvertrag in Art. 1582 Code civil bekanntlich definiert als eine „convention par la-quelle l’un s'oblige à livrer une chose, et l'autre à la payer“. Diese Vorschrift ließ sowohl Zweifel bezüglich der dinglichen Wirkung des Kaufvertrages überhaupt (und somit eines innovativen Moments im Verhältnis zum römischen Recht) als auch im Hinblick auf die dingliche Wirkung erga omnes der Eigentumsübertragung aufkommen. Diese Zweifel sind aber heute nicht mehr berechtigt; die traditio stellt in Frankreich sicher keinen modus adquirendi dar. Dies bedeutet aber nicht, dass die traditio völlig eliminiert worden wäre; vielmehr wurde sie zur traditio ficta: „au lieu de la [la tradition] déclarer désormais inutile, [le Code Napoléon] la proclame opérer de plein droit, et il ne fait au reste que consacrer et convertir en règle un usage“ (Antoine-Marie Demante, Edmond-Louis-Armand Colmet de Santerre).
Dem Konsensualprinzip folgen heute etwa die belgische, luxemburgische, polnische und portugiesische Rechtsordnung.
Was die italienische Rechtsordnung angeht, muss bezüglich der Regelung des alten und des neuen Zivilgesetzbuches unterschieden werden. Unter dem Einfluss des französischen Code civil übernahm das italienische Zivilgesetzbuch von 1865 den erwähnten Art. 1582 Code civil fast wörtlich, was dazu führte, dass auch in der damaligen italienischen Rechtsordnung sowohl das Vertragsprinzip als auch das erwähnte Einheitsprinzip galt, obwohl an einer traditio (ficta) festgehalten wurde. Der neue italienische Codice civile von 1942 hat sich hingegen vom französischen Vorbild gelöst und ist einen Schritt weiter gegangen: Indem es den Kaufvertrag neu definiert hat, ohne auf die Verpflichtung, die Sache zu übergeben, anzuspielen, hat es die Notwendigkeit einer traditio (ficta) überwunden. Daher kann zu Recht davon ausgegangen werden, dass der Kaufvertrag allein die Eigentumsübertragung bewirkt; die Fiktion, der Kaufvertrag bewirke eine Verpflichtung, das Eigentum zu übertragen (die französische obligation de donner), die automatisch erfüllt sei, ist nicht mehr notwendig.
Ebenso wie das Abstraktionsprinzip ist auch das Konsensualprinzip kritisiert worden. So ist etwa darauf hingewiesen worden, dass nach französischem Recht die Gefahr des zufälligen Untergangs der Kaufsache nicht erst mit der Übergabe, sondern bereits mit dem Abschluss des Kaufvertrages übergehe (vgl. Art. 1138 Abs. 2 Code civil). Da der Käufer schon mit Abschluss des Kaufvertrages Eigentümer wird, trägt er nach dem Grundsatz res perit domino die Gefahr des zufälligen Unterganges, womit im französischen Recht immer die Gegenleistungsgefahr gemeint ist, weshalb der Käufer den Preis zu zahlen hat, mag ihm die Sache übergeben worden sein oder nicht.
Das Konsensualprinzip ist aber auch deshalb kritisiert worden, weil es in Verbindung mit dem Prinzip possession vaut titre den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten unterstütze: kauft nämlich B von A eine bestimmte Sache, ohne dass die Übergabe stattfindet, so kann C (gutgläubig) durchaus kraft Vertrages mit A Eigentümer derselben werden, auch wenn A nicht Eigentümer ist, da C sich auf das Prinzip possession vaut titre berufen kann. Einer solchen Gefahr wird im Rahmen einer auf das Übergabeprinzip, gleich ob kausaler oder abstrakter Prägung, gründenden Rechtsordnung durch die Übergabe vorgebeugt, die in einem solchen Fall nicht nur den Zweck hat, die Eigentumsübertragung zu ermöglichen (zusammen mit der Einigung), sondern auch den Glauben des Dritten zu zerstören, A sei noch Eigentümer.
Das Konsensualprinzip zeichnet sich aber nicht nur durch die besagten Nachteile aus: es liegt ferner in dessen Natur, nicht konsequent durchgehalten werden zu können. Der Grundsatz gilt nämlich nur für Kaufgeschäfte, die bestimmte Sachen zum Gegenstand haben und keine Wahlkäufe sind.
So kann das Vertragsprinzip etwa dann nicht zur Anwendung kommen, wenn der Kauf ein Gattungskauf ist. In diesem Fall geht das Eigentum nicht schon mit dem Abschluss des Vertrages, sondern erst mit der Aussonderung über, weshalb der Kaufvertrag also lediglich obligatorische Wirkung hat. Während aber in etwa Italien im Rahmen des Gattungskaufs das Vertragsprinzip nicht zur Anwendung kommt, wird in Frankreich das Konsensualprinzip dadurch aufrecht erhalten, dass bei Waren, die nach Gewicht, Zahl oder Maß verkauft werden, der Kauf in dem Sinne, dass er das Eigentum überträgt, noch nicht als abgeschlossen angesehen wird. Ob dies jedoch wirklich zutrifft, wird von einem Teil der Lehre zu Recht bezweifelt.
Auch in anderen Fällen kann das Konsensualprinzip keine Anwendung finden. So etwa beim Kauf künftiger Sachen: In diesem Fall geht das Eigentum in der Regel erst zu dem Zeitpunkt über, in dem die Sachen entstehen oder – etwa bei Naturprodukten – mit der Trennung. Beim Wahlkauf greift das Konsensualprinzip ebenfalls nicht ein; in diesem Falle ist zum Zwecke der Eigentumsübertragung die Bestimmung der Leistung erforderlich.
Beim Kauf einer nicht dem Veräußerer gehörenden Sache wird der Käufer nicht schon mit Abschluss des Kaufvertrages Eigentümer, sondern, so etwa in Italien, erst in dem Augenblick, in dem der Verkäufer seine Pflicht, sich das Eigentum an der Sache zu verschaffen, erfüllt hat. Diese Regelung gilt aber anscheinend nicht in Frankreich, wo der Verkauf durch den Nichteigentümer nichtig ist. Da es sich bei dieser Nichtigkeit aber lediglich um eine relative Nichtigkeit handelt, die nur vom Käufer geltend gemacht werden kann, reduzieren sich die Unterschiede zwischen der italienischen und französischen Regelung.
3. Rechtsvereinheitlichung
Die genannten, das Verhältnis zwischen Kauf und Eigentumsübertragung regelnden Prinzipien, sind oft als unvereinbar abgetan worden, weshalb es auch nicht weiter überrascht, dass eine Rechtsvereinheitlichung, zumindest auf materiellrechtlicher Ebene, auf diesem Gebiet bislang ausgeblieben ist. Lediglich auf kollisionsrechtlicher Ebene ist Einheitsrecht geschaffen worden, nämlich durch die Haager Konferenz, die am 15.4.1958 das Übereinkommen über das in Bezug auf Eigentumsübertragung im internationalen Warenkauf anwendbare Recht verabschiedet hat, das jedoch bisher nicht in Kraft getreten ist.
An dieser Stelle muss man sich jedoch fragen, ob sich die verschiedenen Rechtsordnungen hinsichtlich der Regelungen des Verhältnisses von Kaufvertrag und Eigentumserwerb wirklich so sehr voneinander unterscheiden, dass sie unvereinbar sind. Eine nähere Betrachtung der Rechtswirklichkeit scheint dagegen zu sprechen. Dies hängt damit zusammen, dass sowohl das Abstraktionsprinzip als auch das Konsensualprinzip durchbrochen werden können, was zu einer Annäherung dieser auf den ersten Blick unvereinbar anmutenden Prinzipien führen kann.
Was Ersteres angeht, wird oft die sog. „Fehleridentität“ angeführt, die dann vorliegt, wenn Grund- und Erfüllungsgeschäft unter denselben Mängeln leiden. Es handelt sich aber in diesem Fall kaum um eine Durchbrechung des Abstraktionsprinzips, da dadurch keine kausale Verknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft bewirkt wird, sondern vielmehr eine rein tatsächliche Verknüpfung, die umso enger ist, desto weniger die beiden Rechtsgeschäfte zeitlich auseinander fallen.
Zur wirklichen Durchbrechung des Abstraktionsprinzips führt hingegen der Bedingungszusammenhang. Ausgehend von der Feststellung, dass auf das Verfügungsgeschäft die Vorschriften des „Allgemeinen Teils“ Anwendung finden, ist den Parteien die Möglichkeit gegeben, das Abstraktionsprinzip dadurch zu durchbrechen, dass sie, sofern sich das Verfügungsgeschäft nicht als bedingungsfeindlich erweist, die Wirksamkeit des Grundgeschäfts zur Bedingung des Erfüllungsgeschäfts erheben. Diese Möglichkeit findet einen Anhaltspunkt im BGB selbst, regelt das Gesetz doch einen Fall der bedingten Übereignung, nämlich den Eigentumsvorbehalt. Die besagte Möglichkeit besteht sicher für die ausdrücklich erklärte Bedingung. Auch eine mögliche stillschweigende kausale Verknüpfung von Grund- und Erfüllungsgeschäft kann durchaus zur Durchbrechung des Abstraktionsprinzips führen; Voraussetzung ist jedoch immer, dass ein auf diesen Zweck gerichteter Parteiwille eindeutig aus den Umständen hervorgeht.
Ein weiteres Mittel zur Durchbrechung des Abstraktionsprinzips stellt die Anwendung des § 139 BGB dar. Demgemäß würde das Abstraktionsprinzip dann durchbrochen, wenn Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft im Sinne des § 139 BGB als einheitliches Rechtsgeschäft angesehen würden, was dann zuträfe, wenn die für die Anwendbarkeit dieser Norm verlangten Voraussetzungen gegeben wären, vor allem der eindeutige Einheitlichkeitswille der Parteien, der mit dem Willen identisch ist, dass die getrennten Geschäfte miteinander stehen und fallen sollen. Ob jedoch die Vorschrift des § 139 BGB überhaupt auf die Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte Anwendung finden kann, ist zumindest in der Literatur umstritten.
Auch das Konsensualprinzip kann durchbrochen werden, und zwar durch Parteiwillen. In der Tat kann in den Rechtsordnungen, in denen das Konsensualprinzip gilt, generell von der Abdingbarkeit der dinglichen Wirkungen des Kaufvertrages ausgegangen werden, was aber nichts anderes heißt, als dass das dingliche Element in den auf dem Konsensualprinzip fußenden Rechtsordnungen nicht zum Wesen des Kaufvertrags gehört. Dies führt dazu, dass die Parteien einen späteren Zeitpunkt für den Eigentumsübergang vereinbaren können, als den des Vertragabschlusses. Dies bedeutet aber nicht nur eine Durchbrechung des Konsensualprinzips; die Abdingbarkeit der unmittelbaren dinglichen Wirkungen des Kaufvertrages kommt vielmehr der Möglichkeit der Annäherung von Konsensual- und Traditionsprinzip gleich, und zwar dann, wenn die Parteien das Eigentum erst zum Zeitpunkt der Übergabe übergehen lassen. Solche Fälle unterliegen dann einer Regelung, die dem eingangs erwähnten Traditionsprinzip sehr nahe kommt. Dem Traditionsprinzip kann sich aber auch das Abstraktionsprinzip annähern, nämlich dann, wenn Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft so miteinander verknüpft werden, dass diese gemeinsam stehen und fallen, wie im Falle des Bedingungszusammenhanges oder der Anwendbarkeit des § 139 BGB. Dies bedeutet jedoch, dass die hier untersuchten Prinzipien nicht wirklich unvereinbar sind und daher auf diesem Gebiet die Rechtsvereinheitlichung nicht ausgeschlossen ist.
Literatur
Franco Ferrari, Vom Abstraktionsprinzip und Konsensualprinzip zum Traditionsprinzip, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 1 (1993) 52 ff.; Eugen Bucher, Die Eigentums-Translativwirkung von Schuldverträgen: Das „Woher“ und „Wohin“ dieses Modells des Code Civil, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 6 (1998) 615 ff.; Andreas Wacke, Eigentumserwerb des Käufers durch schlichten Konsens oder erst mit Übergabe? Unterschiede im Rezeptionsprozeß und ihre mögliche Überwindung, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 8 (2000) 254 ff.; Ralf Michaels, Sachzuordnung durch Kaufvertrag: Traditionsprinzip, Konsensprinzip, ius ad rem in Geschichte, Theorie und geltendem Recht, 2002; Michael Kaspar, Abschied vom Abstraktions- und Traditionsprinzip?, 2003; Ulrich Drobnig, Transfer of Property, in: Arthur Hartkamp, Martijn Hesselink, Ewoud Hondius, Carla Joustra, Edgar du Perron, Muriel Veldman (Hg.), Towards a European Civil Code, 3. Aufl. 2004, 725 ff.; Michael Rainer, Johanna Filip-Fröschl (Hg.), Transfer of Title Concerning Movables Part I, 2006; Mary-Rose McGuire, Transfer of Title Concerning Movables Part II, 2006; Claes Martinson, Transfer of Title Concerning Movables Part III, 2006; Arthur Salomons, Transfer of Title Concerning Movables Part IV, 2006; Wolfgang Faber, Brigitta Lurger (Hg.), Rules for the Transfer of Movables, 2008.