Nichterfüllung

Aus HWB-EuP 2009
Version vom 12. September 2016, 13:18 Uhr von hwb>Admin
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

von Florian Faust

1. Gegenstand und Zweck

a) Grundsätze

Prinzipiell können Rechtsordnungen im Rahmen des Leistungsstörungsrechts drei verschiedene Ansätze verfolgen: Sie können Rechtsbehelfe erstens an den Tatbestand der Nichterfüllung oder zweitens an den Tatbestand der Pflichtverletzung anknüpfen oder drittens auf einen allgemeinen Tatbestand (und damit auch Begriff) gänzlich verzichten und stattdessen einzelne Typen von Leistungsstörungen (wie Verzug und Unmöglichkeit) umschreiben und an sie jeweils spezifische Rechtsbehelfe knüpfen.

Derjenige Ansatz, der an die Nichterfüllung (non-performance) anknüpft, betrachtet Leistungsstörungen unter dem Blickwinkel des vertraglich geschuldeten Ergebnisses, gleichsam aus der Perspektive des Gläubigers: Eine Leistungsstörung liegt vor, wenn dieses Ergebnis nicht eintritt. In welcher Form das Ergebnis verfehlt wird, ist dabei unerheblich; erfasst wird nicht nur der Fall, dass der Schuldner gar nicht leistet, sondern auch der Fall, dass er zu spät oder schlecht leistet. Keine Rolle spielt – jedenfalls zunächst – auch der Grund dafür, dass das geschuldete Ergebnis verfehlt wird. Entscheidend ist also, dass der Gläubiger nicht das erhält, was er erhalten soll, unabhängig davon, ob das an der Leistungsunwilligkeit oder der Leistungsunfähigkeit des Schuldners liegt, und unabhängig davon, ob sich der Schuldner korrekt verhalten hat oder nicht.

Der Ansatz, der an die Pflichtverletzung anknüpft, betrachtet Leistungsstörungen dagegen unter dem Blickwinkel des vom Schuldner verlangten Verhaltens: Eine Leistungsstörung liegt vor, wenn sich der Schuldner anders verhält, als er es nach dem Vertrag sollte. Maßgeblich ist also die Schuldnerperspektive. Es geht nicht darum, ob das geschuldete Ergebnis eintritt, sondern darum, wie sich der Schuldner verhalten hat.

Der erste Ansatz ist dabei keineswegs auf erfolgsbezogene Verbindlichkeiten (obligations de résultat) beschränkt. Das vertraglich geschuldete Ergebnis, dessen Nicht-Eintreten eine Nichterfüllung darstellt, kann nicht nur in einem Erfolg (z.B. dem Erwerb von Eigentum oder Besitz), sondern auch in der ordnungsgemäßen Vornahme einer Handlung (z.B. der Durchführung einer medizinischen Behandlung) bestehen. Man kann deshalb auch bei handlungsbezogenen Verbindlichkeiten (obligations de moyen) und sogar bei Nebenpflichten auf die Nichterfüllung abstellen.

Umgekehrt lässt sich der Ansatz, der auf eine Pflichtverletzung des Schuldners abstellt, prinzipiell durchaus auch für erfolgsbezogene Pflichten heranziehen: Die Pflichtverletzung liegt darin, dass der Schuldner den geschuldeten Erfolg nicht herbeigeführt hat. An seine Grenzen stößt dieser Ansatz allerdings im Fall der Unmöglichkeit. Denn wenn wegen Unmöglichkeit die Herbeiführung des Erfolgs nicht geschuldet wird, mutet es etwas wunderlich an, in der Tatsache, dass der Schuldner den nicht geschuldeten Erfolg nicht herbeiführt, eine Pflichtverletzung zu sehen. Bei nachträglicher Unmöglichkeit kann man das Problem noch dadurch in den Griff bekommen, dass man die Pflichtverletzung statt in der Nicht-Herbeiführung des Erfolgs in der Herbeiführung der Unmöglichkeit sieht; freilich kann das Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast haben. Jedenfalls bei anfänglicher Unmöglichkeit versagt dieser Weg jedoch, da die die Unmöglichkeit begründenden Umstände zu einem Zeitpunkt eintreten, zu dem noch gar keine vertraglichen Pflichten bestehen.

b) Bedeutung der Befreiungstatbestände

Da eine Nichterfüllung unabhängig davon vorliegt, warum nicht erfüllt wird, kommt der Figur der „entschuldigten Nichterfüllung“ (jedenfalls bei erfolgsbezogenen Verbindlichkeiten) große Bedeutung zu, um die Gründe für die Nichterfüllung in die Betrachtung einbeziehen zu können. Die Befreiung bezieht sich dabei typischerweise nur auf den Erfüllungsanspruch und auf Schadensersatzansprüche, nicht dagegen auf Rechtsbehelfe, die zum Wegfall oder zur Herabsetzung der Gegenleistung führen. Stellt man dagegen auf das Vorliegen einer Pflichtverletzung ab, wird schon bei der Bestimmung der möglicherweise verletzten Pflicht berücksichtigt, wie sich der Schuldner verhalten muss. Je weniger man dabei typisiert und je mehr man auf den konkreten Schuldner abstellt, um so weniger kommt eine Entschuldigung in Betracht. Die Bedeutung der Befreiungstatbestände ist daher in Bezug auf Schadensersatzansprüche nicht sehr groß. In Bezug auf Erfüllungsansprüche sind die Befreiungstatbestände dagegen von großer Wichtigkeit, wenn man den Erfüllungsanspruch (wie in Deutschland) nicht als Rechtsbehelf für eine Pflichtverletzung, sondern als unmittelbaren Ausfluss des Vertrags ansieht, der von einer Pflichtverletzung unabhängig ist.

c) Differenzierung nach dem Gewicht der Leistungsstörung

Für Rechtsbehelfe, die dazu führen, dass der Vertrag nicht durchgeführt und gegebenenfalls rückabgewickelt wird (insb. den Rücktritt [Rückabwicklung von Verträgen], in Deutschland aber auch den Schadensersatz statt der ganzen Leistung), werden vielfach höhere Voraussetzungen aufgestellt als für Rechtsbehelfe, bei denen der Vertrag aufrecht erhalten bleibt (insb. Nacherfüllung, Herabsetzung des Kaufpreises und „kleinen“ Schadensersatz). Denn infolge der Nichtdurchführung können die – unter Umständen erheblichen – Aufwendungen, die der Schuldner schon zur Durchführung des Vertrags gemacht hat, frustriert werden, und die Rückabwicklung verursacht selbst Kosten. Differenziert wird insofern nach dem Gewicht der Leistungsstörung. Dies ist sowohl nach dem Ansatz, der auf die Nichterfüllung abstellt, als auch nach dem Ansatz, der auf die Pflichtverletzung abstellt, möglich. Konsequent wäre, beim ersten Ansatz nur danach zu fragen, inwieweit das erzielte Ergebnis vom geschuldeten abweicht, und das Verhalten des Schuldners völlig auszublenden. Beim zweiten Ansatz müsste man umgekehrt nur darauf abstellen, in welchem Ausmaß das tatsächliche Verhalten des Schuldners sich vom geschuldeten unterscheidet, ohne dass es darauf ankommt, inwieweit der Gläubiger bekommt, worauf er einen Anspruch hat. Die meisten Rechtsordnungen vermischen allerdings in Bezug auf die Wesentlichkeit Elemente, die an das Ergebnis, und Elemente, die an das Verhalten anknüpfen.

In vielen Systemen hat der Gläubiger die Möglichkeit, auch bei unwesentlicher Nichterfüllung/‌Pflichtverletzung vom Vertrag Abstand zu nehmen, wenn der Schuldner auch innerhalb einer Nachfrist nicht geleistet hat. Das lässt sich sowohl mit einem ergebnis- als auch mit einem verhaltensbezogenen Ansatz vereinbaren: Die zeitliche Verlängerung des nicht vertragsgemäßen Zustands führt sowohl dazu, dass die Abweichung vom vertraglich geschuldeten Ergebnis wächst, als auch dazu, dass das Ausmaß der Pflichtwidrigkeit steigt.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

a) Deutsche Schuldrechtsreform von 2002

Das BGB von 1900 folgte dem oben genannten dritten Ansatz: Es enthielt keinen übergreifenden Begriff zur Erfassung von Leistungsstörungen. Vielmehr wurde klar zwischen Unmöglichkeit, Verzug und Gewährleistung getrennt, für die jeweils eigene Regeln galten; hinzu trat die von Staub „entdeckte“ und von der Rechtsprechung umfassend ausgebaute Figur der positiven Vertragsverletzung oder – exakter – positiven Forderungsverletzung.

Zentrales Anliegen der Schuldrechtsreform im Jahre 2002 war es, diese – scheinbar – undurchsichtige Vielfalt auf einen einheitlichen Begriff zurückzuführen. Der Vorschlag Ulrich Hubers, die Nichterfüllung als Oberbegriff (auch für Schutzpflichtverletzungen) einzuführen, wurde schon im Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts zurückgewiesen, weil unter Nichterfüllung herkömmlich nur das endgültige vollständige oder teilweise Ausbleiben der Leistung verstanden werde. Selbst der traditionelle Begriff „Schadensersatz wegen Nichterfüllung“ wurde durch „Schadensersatz statt der Leistung“ ersetzt; denn der Schadensersatz solle die primär geschuldete Leistung ersetzen und auch seine Leistung bedeute Erfüllung (nämlich der Schadensersatzpflicht). Zurückgewiesen wurde auch der Vorschlag von Claus-Wilhelm Canaris, in Bezug auf die durch den Vertrag begründeten Verbindlichkeiten auf die Nichterfüllung und in Bezug auf Schutzpflichten auf die Pflichtverletzung abzustellen. Stattdessen wurde die Pflichtverletzung als Oberbegriff eingeführt, was als „Weiterentwicklung und Verallgemeinerung der Grundsätze über die Haftung wegen positiver Forderungsverletzung“ verstanden wurde (BT-Drucks. 14/‌6040, 92).

Weil sich – wie oben erläutert – die anfängliche Unmöglichkeit nicht mit der Figur der Pflichtverletzung erfassen lässt, wurde entgegen der ursprünglichen Planung für sie eine Sondervorschrift geschaffen, die nicht an § 280 Abs. 1 BGB anknüpft und deshalb keine Pflichtverletzung voraussetzt (§ 311a Abs. 2 BGB). Für den Fall der nachträglichen Unmöglichkeit hielt man dagegen an der Figur der Pflichtverletzung fest (§§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB). Nach dem ausdrücklichen Willen des Reformgesetzgebers soll die Pflichtverletzung dabei nicht im Herbeiführen der Unmöglichkeit, sondern im Unterbleiben der Leistung liegen, obwohl die Leistungspflicht nach § 275 BGB erloschen ist (BT-Drucks. 14/‌6040, 92, 135 f., 142). Wenig konsequent ist auch, dass in der Lieferung einer mangelhaften Sache unabhängig davon eine Pflichtverletzung liegen soll, ob der Verkäufer den Mangel hätte erkennen und beseitigen müssen; dies ist letztlich eine ergebnis- und keine verhaltensorientierte Betrachtung.

In Bezug auf die Abstandnahme vom Vertrag nimmt das deutsche Recht bei Teilleistungen die – an sich besser zur Nichterfüllung passende – Gläubigerperspektive ein und fragt, ob der Gläubiger an der empfangenen teilweisen Leistung Interesse hat. Bei mangelhaften Leistungen kommt es dagegen darauf an, ob die Pflichtverletzung erheblich ist (§§ 281 Abs. 1 S. 2 und 3, 323 Abs. 5 BGB).

b) Andere nationale Rechte

Die meisten nationalen Rechte gehen – anders als das deutsche – nicht von der Pflichtverletzung, sondern von der Nichterfüllung aus.

So ist im französischen Code civil die Nichterfüllung (inexécution) der Zentralbegriff des Leistungsstörungsrechts (z.B. Art. 1142, 1144, 1147, 1151 Code civil). Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung einer erfolgsbezogenen Verbindlichkeit ist ausgeschlossen, wenn „l’inexécution provient d’une cause étrangère qui ne peut ... être imputée [au débiteur], encore qu’il n’y ait aucune mauvaise foi de sa part“ (Art. 1147 Code civil) bzw. wenn die Nichterfüllung auf force majeure oder un cas fortuit beruht (Art. 1148 Code civil). Der Begriff der wesentlichen Nichterfüllung wird nicht verwendet. Eine Einschränkung des Rücktritts ergibt sich daraus, dass die Vertragsauflösung nach Art. 1184 Code civil nicht mit Hilfe eines Gestaltungsrechts, sondern mit Hilfe einer Auflösungsklage erreicht wird und der Richter nach seinem Ermessen entscheidet, ob die Nichterfüllung so schwer wiegt, dass eine Vertragsaufhebung gerechtfertigt erscheint; die Parteien können allerdings anderweitige Regelungen treffen.

Das common law geht von einem einheitlichen Begriff des breach of contract aus, mit dem gemeint ist, dass der geschuldete Leistungserfolg nicht eintritt. Der Vertrag wird als Garantieversprechen aufgefasst (vgl. sec. 12, 14, 51, 53 Sale of Goods Act 1979). Wird der zugesagte Erfolg – gleich aus welchem Grund – nicht herbeigeführt, haftet der Schuldner auf Schadensersatz. Grenzen der Einstandspflicht ergeben sich nicht daraus, dass der Schuldner sein Bestes getan hat, sondern nur aus der Auslegung der Garantie. Wenn der Schuldner dagegen keinen Erfolg verspricht, muss er bei seiner Tätigkeit nur „reasonable care and skill“ walten lassen (vgl. sec. 13 Supply of Goods and Services Act 1982). Ob ein breach of contract den Gläubiger dazu berechtigt, den Vertrag als aufgehoben zu behandeln, hängt davon ab, ob die nicht eingehaltene Zusage nicht nur eine express oder implied warranty ist, sondern eine condition (vgl. sec. 11 Abs. 3 Sale of Goods Act 1979). Dies hängt davon ab, ob sie für die Durchführung des Vertrags wesentliche Bedeutung hat.

3. Internationales Einheitsrecht und internationale Modellregeln

a) CISG

Das CISG (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)) knüpft an die Vertragsverletzung an (Art. 25, 45, 61 CISG). Dies – und insbesondere die Formulierung „erfüllt der Verkäufer/‌Käufer eine seiner Pflichten nicht“ – darf jedoch nicht so verstanden werden, dass damit eine Pflichtverletzung im Sinne einer Verletzung von Verhaltensanforderungen gemeint ist. Vielmehr geht es, wie ein Blick in den englischen (breach of contract; if the seller/‌buyer fails to perform any of his obligations) und französischen Text (contravention au contrat; si le vendeur/‌l’acheteur n’a pas exécute l’une quelconque des obligations) zeigt, um die Nichterfüllung einer Verbindlichkeit, also um das Verfehlen des geschuldeten Ergebnisses. Zum ergebnisbezogenen Ansatz passt auch, dass Art. 79 CISG einen Befreiungsgrund im Hinblick auf Schadensersatzansprüche statuiert: Der Schuldner wird befreit, wenn die Nichterfüllung auf einem außerhalb seines Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und von ihm vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsschluss in Betracht zu ziehen oder ihn oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden.

Eine Vertragsaufhebung ist nach Art. 49(1)(a), 51(2), 64(1)(a) CISG nur im Fall einer wesentlichen Vertragsverletzung i.S.v. Art. 25 CISG möglich; derselben Einschränkung unterliegt der Anspruch auf Ersatzlieferung (Art. 46(2) CISG). Eine solche wesentliche Vertragsverletzung liegt vor, wenn dem Gläubiger infolge der Vertragsverletzung im wesentlichen entgeht, was er nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen, und der Schuldner diese Folge vorausgesehen hat oder hätte voraussehen müssen. Art. 25 CISG vermischt damit ergebnisbezogene Elemente (Nachteil des Gläubigers) mit verhaltensbezogenen (Vorhersehbarkeit). Die Möglichkeit, trotz Unwesentlichkeit der Vertragsverletzung nach Ablauf einer Nachfrist die Aufhebung des Vertrags zu erklären, sieht das CISG nur im Fall der Nichtlieferung der Ware (Art. 49(1)(b) CISG), der Nichtzahlung des Kaufpreises und der Nichtabnahme der Ware (Art. 64(1)(b) CISG) vor, nicht dagegen im Fall der Schlechtleistung.

b) PECL

Die PECL stellen auf die Nichterfüllung (non-performance) ab (Art. 8:101 ff. PECL). Nach Comment A zu Art. 8:101 PECL werden sämtliche vertraglichen Verbindlichkeiten erfasst, die Nichterfüllung kann also auch in einer verspäteten Erfüllung, Schlechtleistung oder Nebenpflichtverletzung (etwa der Verletzung einer Geheimhaltungspflicht) bestehen.

Wenn die Nichterfüllung gemäß Art. 8:108 PECL entschuldigt ist, kann der Gläubiger weder Erfüllung noch Schadensersatz verlangen, wohl aber Zurückbehaltungsrechte ausüben, zurücktreten und mindern; bei einem vollständigen und permanenten Hinderungsgrund treten nach Art. 9:303(4) PECL die Rücktrittswirkungen automatisch ein. Die Voraussetzungen, die an eine Entschuldigung gestellt werden, entsprechen dabei denen von Art. 79(1) CISG.

Der Rücktritt setzt nach Art. 9:301 PECL voraus, dass die Nichterfüllung wesentlich ist (fundamental non-performance). Art. 8:103 PECL zählt insofern drei Fälle auf: den in Art. 25 CISG geregelten, den Fall, dass strict compliance with the obligation is of the essence of the contract, und den Fall vorsätzlicher Nichterfüllung, derentwegen der Gläubiger mit Recht annimmt, dass er sich nicht auf die künftige Leistungserbringung verlassen kann. Gemäß Art. 9:301(2), 8:106(3) PECL kann der Gläubiger im Fall der Leistungsverzögerung auch bei nicht wesentlicher Nichterfüllung zurücktreten, wenn eine Nachfrist erfolglos abgelaufen ist. Nach Comment C zu Art. 8:106 PECL gilt dies aber – wie im CISG – nicht im Fall der Schlechtleistung.

c) UNIDROIT PICC

Auch die UNIDROIT PICC knüpfen an die Nichterfüllung an und definieren sie als Nichterfüllung irgendeiner Vertragspflicht, einschließlich einer mangelhaften und einer verspäteten Erfüllung (Art. 7.1.1 UNIDROIT PICC).

Hinsichtlich einer Entschuldigung gilt dasselbe wie in den PECL: Ausgeschlossen werden nur Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche, und der Entschuldigungsgrund, der in der Überschrift als „höhere Gewalt“ bezeichnet wird, entspricht demjenigen in Art. 79(1) CISG (Art. 7.1.7 UNIDROIT PICC).

Auch die Voraussetzungen der Vertragsaufhebung entsprechen denjenigen in PECL und CISG: Das Aufhebungsrecht setzt nach Art. 7.3.1 UNIDROIT PICC voraus, dass entweder die Nichterfüllung wesentlich ist oder – im Fall der Verzögerung – eine Nachfrist erfolglos abgelaufen ist (Art. 7.1.5(3) UNIDROIT PICC). Im Gegensatz zum CISG und zu den PECL berechtigt allerdings der erfolglose Ablauf der Nachfrist nicht stets zur Vertragsaufhebung, sondern nur dann, wenn die nicht erfüllte Pflicht nicht nur ein untergeordneter Teil der Vertragspflicht des Schuldners ist. Die wesentliche Vertragsverletzung wird im Gegensatz zum CISG und zu den PECL nicht durch Umschreibung eines oder mehrerer Fälle definiert, sondern Art. 7.3.1 UNIDROIT PICC zählt nur Faktoren auf, die bei der Entscheidung über die Wesentlichkeit „insbesondere“ zu berücksichtigen sind. Dazu gehören die aus den PECL und dem CISG bekannte Schwere der Folgen der Nichterfüllung, die unter dem Vorbehalt der Vorhersehbarkeit durch den Schuldner steht, und die aus den PECL vertraute Frage, ob die genaue Einhaltung der nicht erfüllten Vertragspflicht für den Vertrag entscheidend ist. Daneben kommt es darauf an, ob der Schuldner absichtlich oder leichtfertig gehandelt hat und ob die Nichterfüllung dem Gläubiger Grund zu der Annahme gibt, dass er sich auf die zukünftige Erfüllung durch den Schuldner nicht verlassen kann; beide Faktoren spielen auch nach den PECL (die allerdings die Leichtfertigkeit nicht neben der Absicht nennen) eine Rolle, stehen dort allerdings nicht selbständig nebeneinander, sondern sind zu einem Fall der wesentlichen Vertragsverletzung zusammengefasst. Anders als CISG und PECL haben die UNIDROIT PICC auch die Interessen des Schuldners im Blick, denn es ist zu berücksichtigen, inwieweit dieser aufgrund der Vorbereitung oder Erfüllung unverhältnismäßige Einbußen erleidet, wenn der Vertrag aufgehoben wird.

d) DCFR

Der Draft DCFR definiert in Art. III.-1:102(3) und im Anhang „Nichterfüllung“ (non-performance) leicht unterschiedlich, der Sache nach aber übereinstimmend. Nichterfüllung ist any failure to perform the obligation, whether or not excused. Erfasst sind Leistungsverzögerungen und (nach dem Anhang) Schlechtleistungen bzw. (nach Art. III.-1:102(3) DCFR) any other performance which is not in accordance with the terms regulating the obligation. Nicht einbezogen sind vorvertragliche Pflichtverletzungen, denn in Bezug auf diese spricht der DCFR nicht von obligation, sondern von duty, was nach der Definition im Anhang weiter ist; so bestehen duties auch in Jedermann-Beziehungen, und an ihre Verletzung ist nicht notwendig eine Sanktion geknüpft. Dementsprechend ist in Bezug auf vorvertragliche Pflichten (z.B. Informations- und Vertraulichkeitspflichten) auch nicht von non-performance die Rede, sondern von breach (Art. II.-3:109, II.-3:302, II.-3:501 DCFR).

Die Voraussetzungen dafür, dass die Nichtleistung entschuldigt ist, entsprechen denen in PECL und UNIDROIT PICC (Art. III.-3:104(1) und (2) DCFR). Wie in den anderen Regelwerken führt die Entschuldigung nur zum Ausschluss von Erfüllungs‑ und Schadensersatzansprüchen (Art. III.-3:101(2) DCFR). Ähnlich wie in den PECL bewirkt eine dauernde Entschuldigung das automatische Erlöschen der Gegenleistungspflicht (Art. III.-3:104(4) DCFR).

Schließlich sind auch die Voraussetzungen für die Vertragsaufhebung dieselben wie in den anderen Regelwerken: Entweder muss die Nichterfüllung fundamental sein (Art. III.-3:502 DCFR), oder es muss eine Leistungsverzögerung vorliegen und der Gläubiger muss erfolglos eine Nachfrist gesetzt haben (Art. III.-3:503 DCFR). Wie im CISG und in den PECL (und im Gegensatz zu den UNIDROIT PICC) kann der Gläubiger nach Ablauf der Nachfrist auf jeden Fall vom Vertrag Abstand nehmen, und hinsichtlich der Wesentlichkeit werden nicht nur Kriterien angegeben, sondern abschließend Fälle aufgezählt. Dabei geht der DCFR einen Mittelweg zwischen CISG und PECL: Die in beiden Regelwerken genannte Schwere der Folgen der Nichterfüllung, die unter dem Vorbehalt der Vorhersehbarkeit durch den Schuldner steht, findet sich auch hier, daneben die nur in den PECL enthaltene intentional or reckless non-performance, die dem Gläubiger Grund gibt, an der künftigen Erfüllung zu zweifeln, nicht aber der Fall, dass die genaue Erfüllung des Vertrags für diesen entscheidend ist.

e) Zusammenfassung

Unter den Regelwerken des Einheitsrechts und den internationalen Modellregeln besteht ein sehr hoher Grad an Übereinstimmung: Abgestellt wird jeweils auf die Nichterfüllung. Diese wird unter identischen Voraussetzungen entschuldigt, was zum Ausschluss nur von Erfüllungs- und Schadensersatzansprüchen führt. Ein Abstandnehmen vom Vertrag ist möglich, wenn die Nichterfüllung wesentlich ist oder im Falle der Leistungsverzögerung eine Nachfrist erfolglos abgelaufen ist; bei der Definition der Wesentlichkeit finden sich allerdings durchaus erhebliche Unterschiede.

Literatur

Ulrich Huber, Leistungsstörungen, in: Bundesminister der Justiz (Hg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, 1981, 647, 699 ff.; Bundesminister der Justiz (Hg.), Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992, 29 f.; Konrad Zweigert, Hein Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl. 1996, §§ 36 und 37; Ulrich Huber, Das geplante Recht der Leistungsstörungen, in: Wolfgang Ernst, Reinhard Zimmermann (Hg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, 31, 93 ff.; Claus-Wilhelm Canaris, Die Reform des Rechts der Leistungsstörungen, Juristenzeitung 2001, 499, 512, 522 f.; Martin Josef Schermaier, vor § 275, Rn. 3 ff., §§ 280–285, Rn. 1 ff., in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. II/‌1, 2007; Florian Faust, Remedies for Breach of Contract in the DCFR, in: Gerhard Wagner (Hg.), The Common Frame of Reference: A View from Law & Economics, 2009, 19 ff.

Abgerufen von Nichterfüllung – HWB-EuP 2009 am 22. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

Die hier veröffentlichten Artikel unterliegen exklusiven Nutzungsrechten der Rechteinhaber des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht und des Verlages Mohr Siebeck; sie dürfen nur für nichtkommerzielle Zwecke genutzt werden. Nutzer dürfen auf die öffentlich frei zugänglich gemachten Artikel zugreifen, diese herunterladen, Ausdrucke anfertigen und Kopien der Dateien anfertigen. Weiterhin dürfen Nutzer die Artikel auszugsweise übersetzen und im Rahmen von wissenschaftlicher Arbeit zitieren, sofern folgende Anforderungen erfüllt werden:

  • Nutzung zu nichtkommerziellen Zwecken
  • Erhalt der Text-Integrität des Artikels und seiner Bestandteile
  • Zitieren der Fundstelle gemäß wissenschaftlichen Standards unter Angabe von Autoren, Stichworttitel, Werkname, Jahr der Veröffentlichung (siehe Zitiervorschlag).