Bedingung und Befristung

Aus HWB-EuP 2009
Version vom 31. August 2021, 18:07 Uhr von Admin (Diskussion | Beiträge) (1 Version importiert)

von Thomas Finkenauer

1. Gegenstand, Zweck und Terminologie

Eine Bedingung (condicio) ist eine vertragliche (Neben‑)Bestimmung, welche die Rechtswirkungen eines Geschäfts vom Eintritt eines zukünftigen und ungewissen Ereignisses abhängig macht. Im Unterschied dazu macht eine Befristung (Zeitbestimmung oder dies) die Rechtswirkungen von einem zukünftigen gewissen Ereignis abhängig. Nach traditioneller Einteilung ist daher von einer Bedingung auszugehen, wenn ungewiss ist, ob das gemeinte Ereignis eintritt und der Zeitpunkt seines Eintritts sicher oder unsicher ist: dies incertus an certus quando (das Erleben eines bestimmten Geburtstags) oder dies incertus an et quando (das Bestehen eines Examens). Dagegen spricht man von einer Befristung, wenn das Ereignis gewiss eintreten wird und der Zeitpunkt seines Eintritts sicher oder unsicher ist: dies certus an et quando (der 15.1. eines künftigen Jahres) oder dies certus an incertus quando (der Todestag einer Person). Über die Abgrenzung entscheidet die Auslegung: Der Tod einer Person ist ein gewisses Ereignis und damit eine Befristung; er ist indessen Bedingung, wenn stillschweigend auf das Überleben einer anderen Person, etwa des Bedachten, abgestellt wird. Die Unterscheidung ist jedoch theoretischer Natur, da Bedingung und Befristung im Wesentlichen demselben Regime folgen. Eine Bedingung oder Befristung kann aufschiebend oder auflösend sein: Im ersten Fall wird die Verbindlichkeit mit dem Eintritt des Ereignisses wirksam, im zweiten verliert sie mit Eintritt des Ereignisses ihre Wirkung.

Während die condicio tacita eine durch schlüssiges Verhalten gesetzte Bedingung meint, ist weder die Rechtsbedingung (condicio iuris) noch die Scheinbedingung (condicio in praesens vel in praeteritum collata) eine Bedingung im Rechtssinne: erstere, weil sie das Rechtsgeschäft lediglich vom Eintreten gesetzlicher Voraussetzungen abhängig macht, letztere, weil nicht der Eintritt oder Nichteintritt des von den Parteien vorausgesetzten Ereignisses ungewiss, sondern diesen lediglich noch nicht bekannt ist.

Schließlich lassen sich – bei schwankender Terminologie – die (zulässige) Potestativbedingung von der (zumeist als unzulässig angesehenen) Willkür- (oder Wollens‑)bedingung unterscheiden. Bei ersterer werden die Wirkungen eines Rechtsgeschäfts von einer bestimmten Handlung seitens einer der Parteien abhängig gemacht, die vom Rechtsgeschäft selbst unabhängig ist. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Zahlung der letzten Rate beim Eigentumsvorbehalt (Mobiliarsicherheiten). Demgegenüber stellt die Willkürbedingung schlicht auf eine spätere Erklärung einer der Parteien ab, sie wolle nunmehr den ausgehandelten Vertrag; hier fehlt es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am Rechtsbindungswillen.

Bedingung wie Befristung dienen der Anpassung der Rechtswirkungen eines Rechtsgeschäfts an die erkannten Risiken künftiger Entwicklungen und damit der Durchbrechung der Gleichzeitigkeit von Rechtsgeschäft und Rechtswirkung. Die Parteien erreichen so größere Flexibilität bei der Ausgestaltung ihrer vertraglichen Beziehungen. Die Bedingung ist damit ein wesentliches Instrument der Privatautonomie; Einschränkungen sind nur auf Grund vorrangiger Interessen der öffentlichen Ordnung oder des Rechtsverkehrs möglich.

2. Rechtsgeschichte

Mit Recht wird die Bedingung als eine der großen Erfindungen des römischen Rechts angesehen. Das römische Bedingungsrecht war eine kunstvoll entwickelte Rechtsmaterie; spätere Rechtsordnungen konnten dem nur wenig hinzufügen. Es unterstellte Bedingung und Befristung im Wesentlichen denselben Regeln. Man schuf namentlich den Kauf auf Probe (pactum displicentiae), den befristeten Vorbehalt eines besseren Gebots (in diem addictio) sowie die Auflösbarkeit eines Kaufs bei nicht rechtzeitiger Kaufpreiszahlung (lex commissoria). Die Schwebezeit, bis sich entscheidet, ob die Bedingung eintritt oder ausfällt, führt zu schwierigen Rechtsfragen, die man in aller Regel befriedigend löste. So fingierte man den Eintritt der Bedingung, wenn ihn diejenige Partei treuwidrig verhindert hatte, die an ihrem Nichteintritt interessiert war (Erfüllungsfiktion); im umgekehrten Fall wurde ihr Nichteintritt angenommen (Nichterfüllungsfiktion). Bereits nach den XII Tafeln von 450 v. Chr. hatte es überdies der in einem Testament bedingt freigelassene Sklave in der Hand, durch Zahlung einer bestimmten Geldsumme aus seinem Sondervermögen die Freiheit zu erlangen, und zwar selbst dann, wenn der Erbe ihn unterdessen an einen Dritten veräußert hatte. Mit solchen Entscheidungen erkannte man die Verdinglichung der (im Übrigen vererblichen) Rechtsposition des bedingt Berechtigten an.

Der mittelalterliche Kommentator Bartolus entwickelt im 14. Jahrhundert als erster eine allgemeine (und später herrschende) Rückwirkungslehre, wonach alle relevanten Wirkungen des Rechtsgeschäfts bei Bedingungseintritt (hinsichtlich Zwischenverfügungen, Nutzungen, der Gefahrtragung etc.) auf den Geschäftsabschluss zurückbezogen werden. Dagegen leugnet Gottfried Wilhelm Leibniz die (fiktive) Rückwirkung und lässt bedingte Forderung und bedingtes Recht sofort mit dem Geschäftsabschluss entstehen, freilich behaftet mit der Ungewissheit der Parteien über den Bedingungseintritt. Er wird so, insbesondere über seine Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert durch Hermann Fitting, zum Vorreiter einer neuzeitlichen Bedingungslehre. Von den Naturrechtskodifikationen (Naturrecht) entscheidet sich deutlich nur der französische Code civil zu Gunsten des Rückwirkungsgedankens (Art. 1179). In der Pandektenliteratur (Pandektensystem) nehmen die – eigentlich Auslegungsfragen betreffenden – Lehrsätze zur unmöglichen, sittenwidrigen, widersinnigen etc. Bedingung und insbesondere das Rückwirkungsproblem einen ungewöhnlich breiten Raum ein. Zwar bleibt die Lehre von der Rückwirkung zunächst herrschend, findet jedoch in Bernhard Windscheid, sodann Fitting, Rudolf von Jhering und schließlich Ernst Zitelmann prominente Gegner, die maßgeblich ein Abrücken eines großen Teils des Schrifttums vom Rückwirkungsdogma bewirken. In umgekehrter Perspektive betont man nun die Vorwirkungen bedingter Rechtsgeschäfte. So insbesondere der Gesetzgeber des BGB in §§ 160 f.: Zwischenverfügungen seien bei Bedingungseintritt deshalb unwirksam, weil die Sache bereits den Keim in sich trage, das Eigentum eines anderen zu werden; dieser andere habe ein eigenständiges und übertragbares Recht an der Sache, ein Anwartschaftsrecht.

Mit der bereits auf das klassische römische Recht zurückgehenden Lehre von der condicio tacita konnte seit dem Mittelalter eine konditionelle Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung erzielt werden, indem man eine entsprechende Bedingung in die vertragliche Abrede hineinlas. So konnte man jeden Vertrag als unter der stillschweigenden Bedingung geschlossen erachten, dass sich die Umstände nicht änderten (clausula rebus sic stantibus). Die clausula-Lehre wurde unter dem Vorzeichen der neuzeitlichen Willenstheorie zurückgedrängt, und auch ihrer Wiederbelebung durch Windscheids Lehre von der Voraussetzung war kein Erfolg beschieden. Diese wirkt aber in § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 und § 313 BGB („Wegfall der Geschäftsgrundlage“) noch heute wenigstens in Deutschland nach.

3. Regelungsstrukturen und Tendenzen der Rechtsentwicklung

In allen europäischen Rechtsordnungen finden sich in gemeinrechtlicher Tradition Regeln über die aufschiebende und auflösende Bedingung als ein künftiges ungewisses Ereignis (Art. 1168 frz. Code civil; § 158 BGB; Art. 201 f. griech. ZGB; § 696 ABGB; Art. 1353 Codice civile). Nach Art. 1181 Abs. 1 frz. Code civil sowie Art. 1113 span. Código civil kann eine Bedingung allerdings auch auf ein vergangenes, den Parteien noch unbekanntes Ereignis abstellen. In England und Irland spricht man häufiger von einer condition precedent statt von einer aufschiebenden und von einer condition subsequent statt von einer auflösenden Bedingung.

Die Erfüllungs- bzw. Nichterfüllungsfiktion gehört ebenfalls zum gemeineuropäischen acquis. Danach wird eine Bedingung dann als eingetreten angesehen, wenn ihr Eintritt von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, treuwidrig verhindert wurde; umgekehrt gilt eine Bedingung dann als nicht eingetreten, wenn ihr Eintritt von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, treuwidrig herbeigeführt wurde. Zweck der Regelung ist es, den treuwidrigen Eingriff einer Vertragspartei in den Lauf der Dinge im Sinne eines corriger la fortune zu verhindern (Treu und Glauben). Während etwa § 162 BGB und Art. 207 griech. ZGB beide Fiktionen kennen, nennen Art. 1178 frz. Code civil, Art. 156 OR, Art. 1119 span. Código civil sowie Art. 1359 Codice civile nur die Erfüllungsfiktion; die Rechtsprechung erkennt aber offenbar auch die Nichterfüllungsfiktion an. Ohnehin auf der Rechtsprechung beruht die Anerkennung beider Fiktionen in Österreich und Schottland. Der französische Entwurf eines Obligationenrechts von 2005 (Avant-Projet de réforme du droit des obligations et du droit de la prescription) nennt nunmehr auch die Nichterfüllungsfiktion. In England und Irland wird das treuwidrige Verhalten als Verstoß gegen eine stillschweigende Vertragsbestimmung angesehen.

In Übereinstimmung mit der jüngeren gemeinrechtlichen Lehre verwerfen die meisten europäischen Rechtsordnungen das vor allem die romanischen Rechte beherrschende Rückwirkungsdogma, also die ex tunc-Wirkung des Bedingungseintritts. Zwar wurde die Rückwirkungslehre noch in Frankreich (Art. 1179 Code civil), Spanien (Art. 1120 Código civil) und Italien (Art. 1360 Codice civile) rezipiert, jedoch werden z.B. bei entgegenstehender Vereinbarung, für den Gefahrübergang (Art. 1182 Abs. 2 Code civil) oder langfristige Verträge (Art. 1360 Abs. 2 Codice civile) wichtige Ausnahmen gemacht. Dagegen haben sich Deutschland (§ 159 BGB), die Schweiz (Art. 151 Abs. 2, 154 Abs. 2 OR), Griechenland (Art. 203, 204, 206 ZGB), Art. 3:38 Abs. 2 BW und die österreichische Lehre gegen die Rückwirkung entschieden; allerdings können die Parteien eine entgegenstehende Vereinbarung treffen. In England, Irland und Dänemark wird die Frage als Problem der Vertragsauslegung behandelt. Die modernere, das Rückwirkungsdogma ablehnende Lehre schützt den bedingt Berechtigten mit einem Schadensersatzanspruch gegen den Vertragsgegner, wenn dieser das von der Bedingung abhängige Recht schuldhaft vereitelt oder beeinträchtigt hat (vgl. § 160 BGB, Art. 204 griech. ZGB) oder wenn er Zwischenverfügungen getätigt hat: Danach werden dingliche Verfügungen, die in der Zwischenzeit getroffen wurden, insofern hinfällig, als sie die Wirkung der Bedingung beeinträchtigen (vgl. § 161 BGB; Art. 152 III OR; Art. 206 griech. ZGB). Letztlich sind die Unterschiede zwischen den beiden Lehren in der Praxis nicht allzu groß, weil man das Rückwirkungsdogma nicht streng durchführt; immerhin erscheint aber, wie schon vom BGB-Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, die Rückwirkungslehre kritikwürdig, weil sie in überschießender Weise auch solche Zwischenverfügungen beseitigt, die den bedingt Berechtigten begünstigen. Bemerkenswerterweise hat sogar die (erfolglose) Commission de Réforme du Code Civil (1946-47) die Abschaffung des Rückwirkungsdogmas gefordert. Der genannte neue Entwurf eines Obligationenrechts von 2005 bekennt sich dagegen nach wie vor zur Rückwirkung (Art. 1182 Abs. 2, 1184 Abs. 1), nimmt aber die gezogenen Früchte von dieser Wirkung aus und möchte sogar, „je nach Fall“, neben der aufschiebenden (condition suspensive) und ex tunc wirkenden auflösenden Bedingung (condition résolutoire) eine dritte Kategorie, die condition extinctive mit ex nunc-Wirkung, einführen (Art. 1173 Abs. 2, 1184 Abs. 1).

Es handelt sich insgesamt beim Bedingungsrecht um ein eher starres Rechtsgebiet. Bemerkenswert ist jedoch das sog. Anwartschaftsrecht, das die h.M. seit der Zeit des Inkrafttretens des BGB, gestützt auf §§ 160 f. BGB, entwickelte: Der Käufer einer Sache, die unter Eigentumsvorbehalt und damit aufschiebend durch die Zahlung der letzten Kaufpreisrate bedingt veräußert wurde, erhält bereits mit der Übergabe der Sache ein veräußerliches, verpfändbares und pfändbares und damit wirtschaftlich verwertbares dingliches Anwartschaftsrecht, das deliktisch gegen unerlaubte Handlungen geschützt ist, gutgläubig erworben werden kann und mit der Zahlung der letzten Rate zum Eigentum „erstarkt“. Auch in Griechenland, Österreich und in der Schweiz wird der bedingt Berechtigte durch die Annahme eines Anwartschaftsrechts geschützt.

4. Vereinheitlichungsprojekte und Einheitsrecht

Art. 16:101-103 der PECL, Art. III-1:106 des Draft DCFR sowie Art. 49 ff. des Vorentwurfs zu einem Code Européen des Contrats (Avant‑projet) behandeln das Recht der Bedingung: die aufschiebende und auflösende Bedingung, die Erfüllungs- und Nichterfüllungsfiktion sowie schließlich die Ablehnung des Rückwirkungsdogmas, soweit nicht anderes vereinbart wurde. Eine Regelung zu den in der Schwebezeit getroffenen Zwischenverfügungen war nicht erforderlich, weil der Übergang dinglicher Berechtigungen nicht Gegenstand der PECL ist. Allerdings nennt Art. 51 des Avant-projet noch einen Schadensersatzanspruch des bedingt Berechtigten, wenn sein Recht in der Schwebezeit treuwidrig beeinträchtigt wurde.

Das einheitliche UN-Kaufrecht (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)) kennt ebenso wenig wie die UNIDROIT PICC eine Regelung des Bedingungsrechts. Das liegt daran, dass der sachenrechtliche Teil der Problematik außerhalb ihres sachlichen Anwendungsbereichs liegt, während das Bedingungsrecht im Übrigen als bloßes Auslegungsproblem begriffen wird.

Literatur

Andreas Bertalan Schwarz, Bedingung, in: Franz Schlegelberger (Hg.), Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes, Bd. II, 1929, 391 ff.; Domenico Maffei, Condizione (dir. interm.), Enciclopedia del diritto, Bd. VIII, 1961, 761 f.; Apostolos Georgiades, Die Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf: Zur Theorie der dinglichen Anwartschaften, 1963; Gottfried Schiemann, Pendenz und Rückwirkung der Bedingung: Eine dogmengeschichtliche Untersuchung, 1973; Wolfgang Marotzke, Das Anwartschaftsrecht, ein Beispiel sinnvoller Rechtsfortbildung?, 1977; Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations, 1996, Kap. 23; idem, „Heard melodies are sweet, those unheard are sweeter...“: Condicio tacita, implied condition und die Fortbildung des europäischen Vertragsrechts, Archiv für die civilistische Praxis 193 (1993) 121 ff.; Thomas Finkenauer, §§ 158-163, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. I, 2003.

Abgerufen von Bedingung und Befristung – HWB-EuP 2009 am 21. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

Die hier veröffentlichten Artikel unterliegen exklusiven Nutzungsrechten der Rechteinhaber des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht und des Verlages Mohr Siebeck; sie dürfen nur für nichtkommerzielle Zwecke genutzt werden. Nutzer dürfen auf die öffentlich frei zugänglich gemachten Artikel zugreifen, diese herunterladen, Ausdrucke anfertigen und Kopien der Dateien anfertigen. Weiterhin dürfen Nutzer die Artikel auszugsweise übersetzen und im Rahmen von wissenschaftlicher Arbeit zitieren, sofern folgende Anforderungen erfüllt werden:

  • Nutzung zu nichtkommerziellen Zwecken
  • Erhalt der Text-Integrität des Artikels und seiner Bestandteile
  • Zitieren der Fundstelle gemäß wissenschaftlichen Standards unter Angabe von Autoren, Stichworttitel, Werkname, Jahr der Veröffentlichung (siehe Zitiervorschlag).