Transportvertrag: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 8. September 2021, 11:10 Uhr

von Jürgen Basedow

1. Begriff, Abgrenzung und Zweck

Durch den Transportvertrag wird der Beförderer verpflichtet, gegen Entrichtung der vereinbarten Vergütung Personen oder Güter in eigener Verantwortung zu befördern. Diese weite Definition weist zwei charakteristische Merkmale auf: Das Versprechen der Ortsveränderung und der dafür erforderlichen Handlungen in eigener Regie und Verantwortung. Die letztere Voraussetzung grenzt den Transportvertrag ab von den verschiedenen Formen der [[Spedition; die Tätigkeit des Spediteurs ist ebenfalls auf Ortsveränderung ausgerichtet, doch verspricht er lediglich, andere mit der Ortsveränderung zu betrauen. Die Ortsveränderung muss vertragliche Hauptpflicht sein. Wer als Verkäufer eine Bringschuld eingeht und damit die Anlieferung beim Kunden verspricht, wird dadurch nicht zum Beförderer. Durch das Begriffsmerkmal der Ortsveränderung bezieht sich der Transportvertrag stets auf den Gegenstand des Transports, also Ladungsgüter oder Passagiere. Dies ist auch bei der Reisecharter und allenfalls noch bei der Zeitcharter gegeben. Rein verkehrsmittelbezogene Verträge wie die Miete oder Bareboatcharter stehen jedoch außerhalb des Transportvertrages.

Die vorangehende Umschreibung eignet sich für Güter- und Personentransportverträge. Weitere Begriffselemente, die sich in manchen nationalen Gesetzen finden, beziehen sich dagegen nur auf Gütertransporte. Das gilt für die Obhut an den Gütern, vgl. in Frankreich Art. 15 Loi No. 66-420, aber auch für die Ablieferungspflicht, vgl. für Deutschland § 407 Abs. 1 HGB. Zum Teil wird auch die Angabe eines bestimmten Transportmittels oder Verkehrsweges mit in die Definition des Transportvertrages aufgenommen, doch führt dies zu Schwierigkeiten bei der Beurteilung von unbenannten Transportverträgen, die dem Beförderer die Wahl des Verkehrsmittels überlassen. Eine unangemessene Einengung liegt auch in dem zusätzlichen Begriffsmerkmal der Entgeltlichkeit. Denn auch die unentgeltliche Beförderung von Passagieren oder Gütern für andere ist keineswegs immer nur Gefälligkeit, die Anwendung des Vertragsrechts kann angebracht sein.

Der hier skizzierte vertragliche Ansatz hat sich im Laufe der Zeit auch gegenüber einer statusbezogenen Definition durchgesetzt. Im common law hatte die scharfe Haftung des common carrier gegenüber dem Transportkunden nicht an den Abschluss eines Vertrages angeknüpft, sondern daran, dass er sich allgemein gegenüber der Öffentlichkeit bereit erklärt hat, alle oder bestimmte Transporte zu übernehmen. In der englischen Praxis schließen die Transportunternehmen diesen Status freilich – anders als in den USA – regelmäßig durch Erklärung aus, so dass die Leistungsbeziehungen zwischen den Transportunternehmen und ihren Kunden letztlich auch in England vertraglich determiniert sind. Auch Regelungsansätze, die am Status des Beförderers als professioneller Transportunternehmer oder als Kaufmann ansetzen, sind überholt. Zwar genügen sie den Bedürfnissen der Verkehrsunternehmen, können aber Transportverträge anderer Beförderer nicht erfassen, so dass darauf letztlich relativ abstrakte und oft unpassende Vorschriften des Werkvertragsrechts (Werkvertrag) oder des allgemeinen Vertragsrechts anzuwenden sind.

Der Zweck der hier vertretenen weiten Definition des Transportvertrages geht dahin, die spezifischen Probleme der Beförderung für andere mit möglichst sachnahen Vorschriften zu lösen, statt auf abstraktere und zum Teil unangemessene Regelungen zurückzugreifen. Der Beförderungsvertrag enthält Elemente verschiedener Vertragstypen, insbesondere des Auftrags, der Verwahrung, der Dienstleistung (Dienstleistungsvertrag) und manchmal auch der Miete (Miete und Pacht). Die schillernde Eigenart des Vertrages hat die Qualifikation und rechtliche Behandlung in historischer und vergleichender Perspektive schwanken lassen. Ausgehend von der locatio conductio des römischen Rechts wurde der Vertragstyp zum Teil mehr dem Dienstvertrag und zum Teil mehr dem Werkvertrag zugeordnet. So oder so wird seinen Besonderheiten aber nicht ausreichend Rechnung getragen. Der rechtsvergleichende Blick auf die transportrechtlichen Regelungen weist vor allem auf drei Besonderheiten hin: Es sind dies die hohen Haftungsrisiken im Güter- und Personentransport; die Besonderheiten des Drei-Personen-Verhältnisses im Gütertransport, insbesondere die Koordination der vertraglichen Rechte von Absender und Empfänger in ihrem Verhältnis zum Beförderer, und die Ausstellung von Transportdokumenten und ihr Verhältnis zu den eigentlichen Rechten aus dem Vertrag.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Schon das römische Recht hat mit der scharfen Erfolgshaftung für Seeverfrachter nach dem receptum nautarum, cauponum et stabulariorum Sonderregeln für Frachtverträge entwickelt und rechnete den Beförderungsvertrag im Übrigen zusammen mit Miete, Pacht, Dienst- und Werkverdingung dem weitesten seiner Vertragstypen, der locatio conductio, zu. Die praktische Bedeutung eines eigenen Transportvertragsrechts war im Altertum, im Mittelalter und bis in die Neuzeit hinein jedoch gering. Gewerbliche Transporte für Dritte waren eher die Ausnahme, im Allgemeinen beförderte der Kaufmann seine Güter selbst, lagen also Warenhandel und Transport in einer Hand. Erst in merkantilistischer Zeit bildete sich in dem Fuhrmanns-, Kutschen- und Postwesen ein eigenständiges Verkehrsgewerbe heraus, im Seehandel dauerte dies sogar bis ins 19. Jahrhundert. Damit wurde das Transportvertragsrecht zur zivilrechtlichen Grundlage einer eigenen Dienstleistungsbranche. Die großen Gesetzbücher der Naturrechtszeit widmen ihm schon spezielle Abschnitte, so das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (2. Teil, 8. Titel, 11. und 15. Abschnitt) und der französische Code de Commerce (Art. 103 ff.). Darauf baute auch das |ADHGB von 1861 auf, das in den Art. 390 ff. und 557 ff. den Landfrachtvertrag und den Eisenbahnfrachtvertrag sowie in Art. 665 ff. den Seefrachtvertrag umfassend regelte.

a) Zwingendes Haftungsrecht und Haftungsbeschränkung

Mit dem Bau von Eisenbahnen und von Stahlschiffen veränderte sich das Verhältnis von Verkehrsangebot und ‑nachfrage. Regelmäßige Linienverkehre wurden eingerichtet, durchweg von Anbietern, die für die bedienten Verkehrsrelationen ein Monopol innehatten oder mit ihren Wettbewerbern kartelliert waren. Die Reedereien und Eisenbahngesellschaften standardisierten die Vertragsbeziehungen mit ihren Kunden durch Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen, die einseitig ausgestaltet waren und unter den Bedingungen ungleicher Marktmacht auch nur selten zur Disposition standen. So wuchs im 19. Jahrhundert das Bedürfnis der Transportkunden für zwingende Mindeststandards; im Seeverkehr, wo die schwimmende Ware mittels Konnossementen weitergehandelt wurde, trat ein entsprechendes Bedürfnis weiter Kreise des Handels hinzu. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts steht die Entwicklung des Transportrechts ganz im Zeichen der Auseinandersetzung zwischen solchen Forderungen der verladenden Wirtschaft und den entgegengesetzten Interessen der Eisenbahngesellschaften. Zwingende Bestimmungen für den Eisenbahnverkehr finden sich so schon im ADHGB von 1861. Über die erste Eisenbahnkonvention von 1891 werden sie zum europäischen Standard und setzen sich auch in anderen europäischen Ländern durch, so etwa innerfranzösisch in Art. 3 Abs. 3 Code de commerce von 1905.

Im Seeverkehr halten die europäischen Länder mit ihren starken Flotteninteressen lange an der Vertragsfreiheit für Seefrachtverträge fest. Dagegen drängen überseeische Länder, deren Handelsinteressen auf die europäischen Handelsflotten und die sie entrechtenden Vertragsbedingungen angewiesen sind, auf die Einführung zwingender Mindeststandards. Dazu kommt es zuerst in den USA im Harter Act von 1893. In der Folge divergiert die Beurteilung von Konnossements-Klauseln vor europäischen und amerikanischen Gerichten ganz erheblich, Bemühungen um Rechtsvereinheitlichung setzen ein. Nach dem Ersten Weltkrieg verabschiedet die International Law Association, eine private Organisation, zunächst in Den Haag Musterkonnossementsbedingungen, die so genannten Haager Regeln, die zur weltweiten Verwendung empfohlen werden. Als es dazu nicht kommt, werden die Haager Regeln auf einer diplomatischen Konferenz in Brüssel 1924 als völkerrechtliche Konvention vereinbart, die im Verhältnis zwischen dem Verfrachter und dem Drittinhaber eines Konnossements zwingende Haftungsregeln schafft. Seither hat sich zwingendes Haftungsrecht in allen Verkehrszweigen für den Güter- und Personentransport durchgesetzt, wenngleich Umfang und Einzelheiten sich vielfältig unterscheiden. Als quid pro quo haben die Beförderer durchgehend Haftungsbeschränkungen erlangt, die jedoch im Allgemeinen bei Vorsatz und qualifiziertem Verschulden einer unbeschränkten Haftung weichen.

b) Internationale Rechtsvereinheitlichung

Das Transportvertragsrecht ist – zusammen mit dem geistigen Eigentum – eine Domäne des international vereinheitlichten Privatrechts. Grenzüberschreitende Gütertransporte sind die physische Seite des Außenhandels; ebenso wie dort hat sich deshalb auch im Transportrecht schon früh das Bedürfnis für einheitliche rechtliche Standards ergeben. Die Technik des internationalen Privatrechts, die den grenzüberschreitenden Sachverhalt einer nationalen Rechtsordnung zuweist und ihn damit gleichsam nationalisiert, eignet sich für den Gütertransport auch noch weniger als für den Kaufvertrag. Für sämtliche Verkehrsträger sind deshalb, beginnend mit der Eisenbahnkonvention von 1891, internationale Übereinkommen abgeschlossen worden, und zwar im Laufe der Zeit sowohl für den Gütertransport wie für den Personentransport, s.u. 3. Sie weisen durchweg einen hohen Ratifikationsstand auf und haben regelmäßig eine außerordentlich hohe praktische Bedeutung. Beispielsweise hat man in den 1970er Jahren geschätzt, dass die Haager Regeln für rund 80 % der Seetransporte gelten. Während die Übereinkommen des See- und Lufttransports einen universellen Zuschnitt haben, beschränken sich die Landtransportkonventionen auf Europa und angrenzende Gebiete von Afrika und Asien. Allen ist gemeinsam, dass sie nur internationale Transporte regeln. Gleichwohl geht ihre faktische Bedeutung darüber weit hinaus: Das innerstaatliche Transportrecht wurde im Laufe der Jahrzehnte in vielen Ländern dem Standard der internationalen Konventionen angepasst.

c) Intermodale Angleichung

Die modalen Transportrechte der einzelnen Verkehrszweige haben sich aus zum Teil sehr alten Traditionen und unter dem Eindruck spezifischer technischer und betriebswirtschaftlicher Gegebenheiten der Produktion der Verkehrsleistung entwickelt. Dies hat zu beträchtlichen Unterschieden geführt, sei es beim Vertragsabschluss, den Weisungsrechten des Absenders, den Haftungsgrundlagen, dem Haftungsumfang oder auch bei der Dokumentation der Transporte. Diese Divergenzen waren unschädlich, solange die Transportgüter bei jeder Umladung inspiziert und neu verpackt wurden. Sie wurden indessen in dem Maße zunehmend als störend empfunden, wie sich der Containertransport durchsetzte. Da der Container während der gesamten Reise mit mehreren Verkehrsmitteln nicht geöffnet wird, kann der Empfänger im Allgemeinen nicht erkennen, welchem Teilstück der Gesamtbeförderung ein Ladungsschaden zuzuordnen ist, welches Transportrechtsregime dafür also maßgeblich ist. Dies hat zu einem erheblichen faktischen Angleichungsdruck auf die nationalen und internationalen transportrechtlichen Regelungen geführt. Die alles überragende Bedeutung des Straßengütertransports hat dessen Regime, das CMR-Übereinkommen, damit in der Sache zum Orientierungsmaßstab gemacht. Spürbar ist diese Angleichung schon in den Hamburger Regeln zum Seefrachtrecht von 1978, aber auch in den neueren Instrumenten zum Eisenbahntransport. Auf nationaler Ebene ist vor allem die deutsche Transportrechtsreform von 1998 zu nennen, die ein weitgehend einheitliches Regime für Straße (Straßengüterverkehr), Schiene (Eisenbahnverkehr), Luftverkehr und Binnenschifffahrt geschaffen hat; über die Regelung des multimodalen Transports erfasst sie sogar die Seetransporte in weitem Umfang.

3. Internationale Konventionen

Das erste Übereinkommen zum einheitlichen Transportvertragsrecht wurde 1891 für den Eisenbahnverkehr geschlossen. Internationale Eisenbahntransporte, die über die Gleise verschiedener Länder führen, waren danach als durchgehende Beförderungen konzipiert, bei denen die einzelnen Eisenbahnunternehmen nacheinander in den von der Absendebahn geschlossenen Transportvertrag eintreten. Da die nachfolgenden Bahnen mit dem Absender nicht weiter verhandelten, sondern aufgrund ihrer Beförderungspflicht in den Transportvertrag eintraten, war ein einheitliches Regime für den Gesamttransport erforderlich. Die ursprüngliche Konvention für den Gütertransport (CIM) wurde später um eine Konvention über den Personentransport im Eisenbahnverkehr (CIV) ergänzt. Heute sind beide Konventionen in das Übereinkommen COTIF integriert, das nach mehreren Revisionen gegenwärtig in der stark liberalisierten Fassung von 1999 gilt.

Auch für den Seetransport (Seeverkehr (Gütertransportverträge); Seeverkehr (Personenbeförderungsverträge); Seeverkehr (globale Haftungsbegrenzung)) wurden mehrere Generationen von Texten vereinbart. Die schon erwähnten Haager Regeln schufen 1924 ein zwingendes Haftungsregime, dessen Anwendung allerdings nach überwiegender Auffassung von der Ausstellung eines Konnossements abhängig war; es galt auch nur zugunsten des Drittinhabers, nicht zugunsten des direkten Vertragspartners. Die Haager Regeln wurden mehrfach überarbeitet, vor allem durch das Visby-Protokoll von 1968. Einen völlig neuartigen Ansatz verfolgt dagegen die UN-Konvention über den Seetransport von Gütern, die so genannten „Hamburg Regeln“, mit einem zwingenden Vertragsrecht, das auch unabhängig von der Ausstellung eines Transportdokuments gilt. Die Hamburg Regeln sind zwar von über 30 Staaten ratifiziert worden, von denen aber nur wenige über eigene Flotten verfügen. Um die Haag-Visby-Regeln einerseits und die Hamburg Regeln andererseits in Einklang zu bringen, arbeitet UNCITRAL gegenwärtig an einer neuen Konvention, den Rotterdam Regeln, siehe UN-Dok. A/‌CN.9/‌XLI/‌CRP.9 vom 27.6.2008. Für den Transport von Passagieren und ihrem Gepäck zur See wurde 1974 das Athener Übereinkommen geschlossen, das ebenfalls durch mehrere Protokolle, zuletzt im Jahre 2002, ergänzt wurde.

Der europäische Straßengüterverkehr wird vollständig von dem Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) von 1956 beherrscht, das nicht nur in sämtlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt, sondern darüber hinaus auch zum Teil in Nordafrika und Zentralasien. Da es für die Anwendung der Konvention genügt, dass entweder der Absendeort oder der Empfangsort in einem Vertragsstaat liegt, reicht die praktische Bedeutung noch weit darüber hinaus, zumal das Übereinkommen absolut zwingend ist und vertragliche Abweichungen nur ausnahmsweise zulässt. Verglichen damit ist das Übereinkommen CVR zum Vertrag über die internationale Beförderung von Passagieren und Gepäck über die Straße von 1973 vergleichsweise unbedeutend; es ist nur in einigen Staaten Ost- und Südosteuropas in Kraft getreten.

Für den internationalen Lufttransport (Luftverkehr (Deliktische Haftung); Luftverkehr (Vertragliche Haftung)) wurde noch in der Pionierphase der zivilen Luftfahrt 1929 das Warschauer Abkommen vereinbart, das über Jahrzehnte mit über 150 Ratifikationen weltweites Einheitsrecht für den Güter- und Personentransport schuf, auch wenn die niedrigen Haftungsgrenzen schon bald auf verbreitete Kritik stießen. Sie wurden in einem Haager Protokoll von 1955 angehoben, doch erwiesen sich die Entschädigungen auch danach als unzureichend. In den folgenden Jahrzehnten zersplitterte das Warschauer Haftungssystem aufgrund verschiedener einseitiger und regionaler Maßnahmen. Mit dem Übereinkommen von Montreal von 1999 hat die internationale Staatengemeinschaft nun einen neuen Versuch unternommen, ein weltweit einheitliches, einseitig zwingendes Lufttransportrecht zu schaffen, das inzwischen schon über 80 Ratifikationen erhalten hat.

Für die Binnenschifffahrt ist im Jahre 2001 das Budapester CMNI-Übereinkommen vereinbart worden. Es schafft erstmalig ein zwingendes Haftungsrecht für den Gütertransport und gilt mittlerweile für zahlreiche wichtige Anrainerstaaten von Rhein und Donau. Das CVN-Übereinkommen über den Passagiertransport in der Binnenschifffahrt von 1976 ist dagegen nie in Kraft getreten.

Schließlich ist das UN-Übereinkommen über den internationalen multimodalen Gütertransport von 1980 zu erwähnen (multimodaler Transport). Es ist anzuwenden auf internationale Beförderungen, die mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln aufgrund eines einzigen Vertrages durchgeführt werden. Zwar ist auch dieses Übereinkommen nicht in Kraft getreten, doch dient es nationalen Gesetzgebern, die den multimodalen Transport regeln wollen, gelegentlich als Quelle der Inspiration.

4. Europäisierung des Transportvertragsrechts

Der Europäischen Gemeinschaft war von Anfang an das Ziel einer gemeinsamen Verkehrspolitik gesetzt; gemäß Art. 71 EG/‌91 AEUV verfügt sie demgemäß über eine höchst umfassende Gesetzgebungskompetenz, die sich gemäß Art. 80 EG/‌100 AEUV auf alle fünf Verkehrsträger erstreckt.

Auf das Gebiet des Transportprivatrechts ist die Gemeinschaft gleichwohl erst relativ spät und mit eher punktuellen Maßnahmen vorgedrungen. Am Anfang stand die VO 295/‌91, die den Passagieren von Linienflügen einen Anspruch auf Pauschalentschädigung im Falle der Überbuchung und einige andere Rechte einräumte; sie ist inzwischen durch die umfassendere VO 261/‌‌2004 ersetzt worden. Weitere Maßnahmen zum Luftverkehr betrafen mit der VO 2027/‌97 die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen und damit einen Gegenstand, der zugleich im Warschauer Abkommen und im neuen Übereinkommen von Montreal geregelt ist. Eine weitere Verordnung (VO 1107/‌2006) regelt die Rechte von Flugreisenden mit Behinderung und eingeschränkter Mobilität gegenüber Luftfahrtunternehmen (und Flughäfen). Schließlich hat die Gemeinschaft durch den Beschluss 2001/‌539 das Übereinkommen von Montreal ratifiziert und es damit zu einem Bestandteil des Gemeinschaftsrechts gemacht, das vom Europäischen Gerichtshof ausgelegt wird, EuGH Rs. C-344/‌04 – IATA, Slg. 2006, I-403, Rn. 34, 39.

Auch in anderen Verkehrszweigen knüpft die Gemeinschaft an bestehende internationale Übereinkommen an und inkorporiert sie, dies freilich zum Teil unter Abänderung und/‌oder Hinzufügung weiterer Regelungen. So wird für Personenbeförderungsverträge im Eisenbahnverkehr durch die VO 1371/‌2007 das Internationale Eisenbahnübereinkommen (CIV) für verbindlich erklärt und damit auch auf innerstaatliche Eisenbahntransportverträge erstreckt. Ähnliches plant die Kommission für die Beförderung von Reisenden auf See und im Binnenschiffsverkehr. Hier ist nicht nur die Ratifikation des Athener Übereinkommens durch die Gemeinschaft geplant, KOM(2003) 375 endg., sondern auch die weitgehende Erstreckung der Regelungen des Übereinkommens auf innerstaatliche Transporte und auf die Binnenschifffahrt, KOM(2005) 592 endg. Die Übernahme völkerrechtlicher Transportrechtskonventionen für innerstaatliche Beförderungen ist nicht völlig neu. Viele Staaten haben in der Vergangenheit das Warschauer Abkommen auf ihre innerstaatlichen Lufttransporte oder die CMR auf den nationalen Straßengüterverkehr angewendet. Neu ist jedoch der Octroi der Europäischen Union. Wo es zu Abweichungen des gemeinschaftsrechtlichen Texts von der internationalen Konvention kommt, können sich schwierige Konflikte zwischen dem Gemeinschaftsrecht und der völkerrechtlichen Bindung der Mitgliedstaaten ergeben. Art. 307 EG/‌351 AEUV löst diese Konflikte nur zum kleineren Teil.

Literatur

Lars Gorton, The Concept of the Common Carrier in Anglo-American Law, 1971; Jürgen Basedow, Der Transportvertrag, 1987; idem, Hundert Jahre Transportrecht: Vom Scheitern der Kodifikationsidee und ihrer Renaissance, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht 161 (1997) 186 ff.; Krijn Haak, Revision der CMR? Transportrecht 2006, 325 ff.; Hans-Georg Bollweg, Annette Schnellenbach, Die Neuordnung der Luftverkehrshaftung, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 15 (2007) 798 ff.; Ingo Koller, Transportrecht, 6. Aufl. 2007; Rainer Freise, Neue Entwicklungen im Eisenbahnrecht anlässlich des Inkrafttretens des Übereinkommens COTIF 1999, Transportrecht 2007, 45 ff.; Jens Karsten, Passengers, consumers and travellers: The rise of passenger rights in EC transport law and its repercussions for Community consumer law and policy, Journal of Consumer Policy 30 (2007) 117 ff.; Olaf Hartenstein, Grenzüberschreitende Transporte in der Binnenschifffahrt, Transportrecht 2007, 385 ff.; Nicolai Lagoni, Die Haftung des Beförderers von Reisenden auf See und im Binnenschiffsverkehr und das Gemeinschaftsrecht, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 15 (2007) 1079 ff. mit Erwiderung Erik Røsæg, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 16 (2008) 599 ff.; zu den Rotterdam Regeln siehe das Sonderheft (Heft 6) des Journal of International Maritime Law 14 (2008) 459 ff.

Abgerufen von Transportvertrag – HWB-EuP 2009 am 23. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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