Einheitsrecht: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 28. September 2021, 14:48 Uhr

von Franco Ferrari

1. Begriff und Gegenstand des Einheitsrechts

Der Begriff des internationalen Einheitsrechts bezeichnet die Gesamtheit von in mindestens zwei Staaten gleichlautend und allgemeinverbindlich geltenden Rechtssätzen, die in diesen Staaten in ein und derselben Art und Weise ausgelegt und angewendet werden sollen. Internationales Einheitsrecht ist das Resultat gezielter Bestrebungen, Rechtsgleichheit auf internationaler Ebene zu schaffen. Ohne diesen animus unificandi, der sich nicht notwendigerweise aus einer rechtlichen Verpflichtung ableiten lassen muss, kann zwar Rechtsgleichheit bzw. ‑übereinstimmung, nicht aber Einheitsrecht bestehen. Aus diesem Grund ist etwa auszuschließen, dass die unbeabsichtigte, spontane Herbeiführung von in verschiedenen Staaten gleichlautenden Rechtssätzen, etwa als unabhängige Antwort auf ähnliche tatsächliche Probleme, zu internationalem Einheitsrecht führen kann. Gleiches gilt auch hinsichtlich der einseitigen Rezeption von fremden Rechtssätzen, die zwar Rechtsübereinstimmung zu schaffen vermag, aber kein Einheitsrecht, werden die neu eingeführten Rechtssätze doch im Nachhinein eigenständig, also unabhängig vom rezepierten fremden Recht, weiterentwickelt.

Auch bloß „angeglichenes“, also von vorneherein nicht mit dem Ziel der gänzlichen Aufhebung, sondern lediglich mit dem der bloßen Verringerung von Rechtsverschiedenheiten geschaffenes Recht, zu dem etwa bestimmtes Richtlinienrecht der Europäischen Gemeinschaft gehört, nämlich das, dem keine unmittelbare Wirkung zuerkannt wird, stellt kein Einheitsrecht dar. Dies bedeutet nicht, dass nur tatsächlich völlig übereinstimmendes Recht als Einheitsrecht angesehen werden kann. Andernfalls könnte man nie von Einheitsrecht sprechen, da wirklich völlige Inhaltsgleichheit allein durch Schaffung identischer Rechtstexte kaum zu verwirklichen ist. Es bestehen immer verschiedene Störquellen, zu denen etwa die Mehrsprachigkeit der erarbeiteten Rechtstexte und deren unterschiedliche Auslegung und Anwendung in der Praxis gehören. Ausgangspunkt muss vielmehr der mit der Ausarbeitung angestrebte Grad der Annährung von Rechtszuständen sein. Bei angestrebter Rechtsgleichheit kann demnach trotz der Einwirkung von Störquellen von Einheitsrecht gesprochen werden. Wird hingegen von vorneherein bloß auf die Schaffung von ähnlichem, angeglichenem Recht abgezielt, liegt kein Einheitsrecht im eigentlichen Sinne vor.

Aus dem Gesagten ergibt sich unschwer, dass die (angestrebte) Rechtsgleichheit den Begriff des internationalen Einheitsrechts charakterisiert; für die Begriffsbestimmung völlig irrelevant ist hingegen der (einheitlich) zu regelnde Rechtsbereich. Der Begriff des Einheitsrechts bezeichnet nämlich vielmehr den status als den Gegenstand von in mindestens zwei Staaten gleichlautend und allgemeinverbindlich geltenden Rechtssätzen, mit der Folge, dass internationales Einheitsrecht die verschiedensten Rechtsbereiche zum Gegenstand haben kann. So kann Gegenstand des internationalen Einheitsrechts sowohl das Kollisionsrecht als auch das Sachrecht ein. Was letzteres angeht, ist zwischen beschränktem und unbeschränktem Einheitssachrecht zu differenzieren: bei ersterem handelt es sich um Rechtssätze, die auch rein nationale Sachverhalte regeln, weshalb diese Art von Einheitsrecht sehr selten ist (als Beispiel können aber immerhin die Genfer Abkommen über das Einheitliche Wechselgesetz und über das Einheitliche Scheckgesetz genannt werden). Das beschränkte Einheitssachrecht regelt dagegen lediglich grenzüberschreitende Sachverhalte, also solche mit Bezug zu mindestens zwei Staaten. Im Gegensatz zum unbeschränkten Einheitsrecht lässt das beschränkte Einheitsrecht autonomes nationales Recht also unberührt, was insoweit von Vorteil ist, als es Staaten ermöglicht, Einheitsrecht selbst dann in Kraft treten zu lassen, wenn es sich durch Wertungswidersprüche zum autonomen nationalen Recht auszeichnet. Die Über- bzw. Annahme von beschränktem Einheitssachrecht erfordert demnach nicht notwendigerweise einen hohen Grad an Vereinbarkeit mit dem nationalen Zivilrechtssystem; gleiches gilt auch hinsichtlich des Einheitskollisionsrechts, da dieses seine Wirkungen ja lediglich auf verweisungsrechtlicher Ebene entfaltet. Eine hoher Grad an Vereinbarkeit ist hingegen unerlässliche Voraussetzung für erfolgreiche Bemühungen zur Schaffung von unbeschränktem Einheitssachrecht, weshalb es Materien gibt, in denen unbeschränktes Einheitsrecht wohl kaum erarbeitet werden wird. Zu diesen zählen vor allem das Personen- und Familienrecht sowie das Erbrecht, also Materien, die sich durch nationale, auf sozialen, ideologisch-religösen und kulturellen Verhältnissen beruhende Eigenheiten auszeichnen, welche die nationalen Parlamente kaum aufgeben werden.

Obwohl beschränktes Einheitsrecht auf den soeben erwähnten Gebieten nationale Eigenheiten insoweit nicht berühren würde, als diese zumindest für rein nationale Sachverhalte unangetastet blieben, ist auch beschränktes Einheitsrecht auf diesen Gebieten sehr selten, sind diese Gebiete doch zu sehr von den oben genannten Verhältnissen geprägt, als dass eine auch bloß für internationale Sachverhalte geltende akzeptable Regelung erarbeitet werden könnte.

Auf den genannten Gebieten existiert jedoch Einheitskollisionsrecht; dies hängt damit zusammen, dass das Kollisionsrecht – genauso wie dessen Anknüpfungskriterien – in geringerem Maße von den erwähnten Verhältnissen geprägt ist als das Sachrecht, es also leichter ist, auf nationale Kollisionsregeln – und Anknüpfungskriterien – zu verzichten als auf nationale sachrechtliche Regelungen, da erstere nur selten Ausfluss einer tief verwurzelten Rechtskultur sind.

2. Regelungszwecke und ‑ziele

An dieser Stelle muss man sich fragen, welchen Zweck die Rechtsvereinheitlichung verfolgt und ob sich die obige Unterscheidung zwischen Einheitskollisions- und Einheitssachrecht nicht nur auf die Vereinheitlichungsfähigkeit bestimmter Materien, sondern auch auf den Regelungszweck auswirkt. Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung, dass Rechtsvereinheitlichung genauso wenig ein Selbstzweck ist wie Rechtseinheit ein selbstgenügsames Ziel, das um jeden Preis zu verfolgen ist, also unabhängig von jeglichem (tragfähigem) Legitimationsgrund. Rechtsvereinheitlichung muss also mehr bezwecken als „bloße“ Rechtseinheit. Als Legitimationsgrund können nur außerhalb ihrer selbst gelegene Zwecke bzw. Ziele dienen. Um welche anderen Regelungszwecke bzw. ‑ziele es sich dabei handeln kann, hängt auch vom jeweils zu vereinheitlichenden Teilbereich der Privatrechtsordnung (im Sinne von Kollisions- oder Sachrecht) ab, verfolgen die Vereinheitlichungsbestrebungen der verschiedenen Teilbereiche doch mitunter unterschiedliche Zwecke.

Das Gesagte schließt aber nicht aus, dass die Bestrebungen zur Vereinheitlichung der verschiedenen Teilbereiche auch gleiche Zwecke verfolgen können. So wird zum Beispiel einer der Zwecke sowohl der Kollisions- als auch der Sachrechtsvereinheitlichung in der Vermeidung von Ungleichbehandlungen gesehen, zu denen die Anwendung von im Einzelfall unterschiedlichen Rechtssätzen führen kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei Identität der Regelungszwecke die Unterscheidung zwischen Einheitskollisions- und Einheitssachrecht unbedeutsam wird. Dies hängt damit zusammen, dass Kollisions- und Sachrecht ihre Wirkungen auf unterschiedlichen Ebenen entfalten. Hinsichtlich des erwähnten Zwecks der Vermeidung von Ungleichbehandlungen führt dies etwa dazu, dass Einheitskollisionsrecht sicherstellt, dass vor den Gerichten derjenigen Staaten, in denen es gilt, im konkreten Fall ein und dasselbe Sachrecht zur Anwendung kommt. Dadurch wird internationaler Entscheidungseinklang auf verweisungsrechtlicher Ebene garantiert. Dies hat insbesondere zur Folge, dass die Parteien (außer im Falle eines dépeçage) lediglich für die Anwendung eines einzelnen Rechts Vorsorge treffen müssen. Dadurch kann allerdings auch ein dem Rechtsanwender völlig unbekanntes (Sach‑)Recht zur Anwendung gommen, was in der Regel mit Rechtsunsicherheit und Kosten für die Ermittlung des Inhalts dieses unbekannten (Sach‑)Rechts einhergeht. Einheitskollisionsrecht vermag aber nicht alle Arten von Ungleichbehandlung zu vermeiden; so wird zum Beispiel die Partei, deren Recht zur Anwendung kommt, insoweit privilegiert, als ihr die Kenntnis des anwendbaren Rechts weder Schwierigkeiten noch Kosten bereitet. Einheitssachrecht hingegen garantiert den Parteien der Staaten, in denen es gilt, gleichermaßen Zugang zu den materiellrechtlichen Lösungen, bevorzugt also grundsätzlich keine der Parteien, es wird demnach ein „level playing field“ geschaffen. Auch der Umstand, dass Einheitssachrecht alle in seinen Anwendungsbereich fallenden internationalen Sachverhalte immer einheitlich regelt, während Einheitskollisionsrecht nur sicherstellt, dass jeder einzelne Fall überall dort, wo das Einheitskollisionsrecht gilt, nach demselben Recht beurteilt wird, vermag Ungleichbehandlungen zu vermeiden.

Der wohl am meisten zitierte (und zelebrierte) Regelungszweck des internationalen Einheitssachrechts liegt aber in der Vereinfachung der Rechtsanwendung durch Schaffung eines Rechts, das, so die herrschende Lehre, den Rückgriff auf das als äußerst kompliziert angesehene Kollisionsrecht – und demzufolge auch auf das über das Kollisionsrecht ermittelte autonome (nationale) Sachrecht – entbehrlich mache, wodurch die Rechtssicherheit gefördert, die wirtschaftliche Planbarkeit erhöht und die Risikoabschätzung erleichtert werde. Dies, so die herrschende Lehre, führe zu Kosteneinsparungen, die nicht nur für die im Einzelfall involvierten Parteien, sondern auch für die Volkswirtschaft insgesamt von Vorteil sind.

Der herrschenden Lehre ist insoweit zuzustimmen, als mit der Vermeidung des Rückgriffs auf Kollisionsrecht eine nicht unerhebliche Quelle von Rechtsunsicherheit beseitigt wird, wodurch unzweifelhaft Kosten eingespart werden. Bezüglich des Ausgangspunktes des erwähnten Regelungszwecks von Einheitssachrecht ist der herrschenden Lehre aber zu widersprechen, ist internationales Einheitssachrecht doch nicht wirklich in der Lage, den Rückgriff auf Kollisionsrecht entbehrlich zu machen.

Dies hängt zum einen damit zusammen, dass internationales Einheitssachrecht, gleichwie Einheitskollisionsrecht, bloß punktuellen und fragmentarischen Charakter hat, also kein Recht im Sinne einer systematischen, geschlossenen und abschließenden (Sachrechts‑)Kodifikation darstellt, ein Rückgriff auf autonomes (nationales) Recht also schon wegen des begrenzten Anwendungs- und Geltungsbereichs des internationalen Einheitssachrecht unausweichlich ist. Dies bedeutet aber, dass Kollisionsrecht unentbehrlich ist, muss das „suppletive“ autonome (nationale) Recht doch anhand des Kollisionsrechts ermittelt werden.

Zum anderen hängt dies damit zusammen, dass das internationale Einheitssachrecht bisweilen selbst den Rückgriff auf das Kollisionsrecht vorschreibt. So etwa, wenn das von UNCITRAL, dem Ausschuss der Vereinten Nationen für Internationales Handelsrecht, ausgearbeitete Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (nachstehend: CISG; Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)) seine Anwendung (alternativ) davon abhängen lässt, dass „die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats führen“ (Art. 1(1)(b)), oder wenn dass von UNIDROIT, dem Internationalen Institut für die Vereinheitlichung von Privatrecht, ausgearbeitete Übereinkommen zum internationalen Factoring seine Anwendbarkeit (alternativ) davon abhängig macht, dass „sowohl der Warenkaufvertrag als auch der Factoring-Vertrag dem Recht eines Vertragsstaates unterliegen“.

Bedenkt man außerdem, dass zumindest ein neueres Einheitssachrechtsübereinkommen, nämlich das UNCITRAL Übereinkommen über die Abtretung von Forderungen im internationalen Handel, auch selbst verschiedene Kollisionsnormen beinhaltet, ergibt sich noch eindeutiger, dass das internationale Einheitssachrecht und das Kollisionsrecht sich nicht antagonistisch gegenüberstehen, wovon aber ein Großteil der Lehre auszugehen scheint.

3. Quellen des internationalen Einheitsrechts

Aus der in Teil I vorgeschlagenen Definition des Begriffs des internationalen Einheitsrechts ergibt sich nicht nur, dass der Begriff nicht bloß vom Gegenstand der Rechtsvereinheitlichungsbestrebungen unabhängig ist, sondern auch davon, welche Form diese Bestrebungen annehmen, woraus folgt, dass der Begriff sehr heterogene Erscheinungsformen umfasst.

In Bezug auf die äußere Erscheinungsform, die die Vereinheitlichungsbestrebungen annehmen können, sind vor allem staatsvertragliche Übereinkommen, wie etwas das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf, zu nennen. Dieser Vorzug für völkerrechtliche Übereinkommen ergibt sich daraus, dass nur staatsvertragliche (multi- oder auch bloß bilaterale) Übereinkommen es erlauben, den mit der Erarbeitung von internatonalem Einheitsrecht angestrebten Grad an Rechtsannäherung – im Sinne von Rechtsgleichheit – zu erreichen. Denn die Staaten, die einem Einheitsrechtsübereinkommen beitreten wollen, können diesem grundsätzlich nur in seiner Gesamtheit beitreten. Ein Übereinkommen kann nur tel quel, also ohne Veränderungen eingeführt werden, und die Staaten sind verpflichtet, das so eingeführte Übereinkommen nachträglich weder durch Auslegung noch durch Gesetzgebung einseitig zu verändern. Letzteres ist vor allem deshalb erwähnenswert, weil der Vorrang völkerrechtlicher Übereinkommen vor nachträglich eingeführtem Recht in vielen Verfassungen nicht ausdrücklich festgelegt ist.

Diese Rigidität von Übereinkommen, die immer dort von Vorteil ist, wenn die zu regelnde Materie am besten in verschiedenen Staaten völlig gleichlautend geltenden Rechtssätzen unterstellt werden soll, hat aber auch Kehrseiten. So kann sie etwa dazu führen, dass die an der Ausarbeitung grundsätzlich nicht beteiligten Parlamente dem (gesamten) Übereinkommen ihre Zustimmung auch nur deshalb verweigern, weil einzelne Bestimmungen nicht akzeptabel sind, es aber aufgrund des für Übereinkommen geltenden „Alles-oder-nichts“-Prinzips keine andere Möglichkeit gibt, diesen Bestimmungen die Wirkung zu versagen. Diesem Nachteil kann man auch nicht immer durch Einführung von Vorbehaltsmöglichkeiten entgegenwirken, die – in unterschiedlichem Maße – mittlerweile in den meisten Einheitsrechtsübereinkommen enthalten sind. Diese eröffnen zwar insoweit einen gewissen Spielraum, als sie bestimmte Rechtssätze zur Disposition der einzelnen Staaten stellen; in der Regel sind sie aber nicht in der Lage, allen Bedenken der verschiedenen Staaten entgegenzukommen.

Wesentlich flexibler bzw. elastischer präsentieren sich Modellgesetze, wie etwa das UNCITRAL Modellgesetz zur internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1985 (Schiedsrecht, staatliches), also mit dem Ziel der Verringerung von Rechtsverschiedenheiten geschaffene Texte, derer sich die Staaten für ihre Gesetzgebung bedienen können, ohne jedoch dazu völkerrechtlich verpflichtet zu sein. Die den Übereinkommen fehlende, den Modellgesetzen aber eigene Elastizität bzw. Flexibilität erlaubt den Staaten, ihre interne Gesetzgebung nationalen Verhältnissen bzw. Bedürfnissen anzupassen und somit eventuell die gegen eine Rechtsvereinheitlichung auf der Grundlage des erwähnten „Alles-oder nichts“-Prinzips angeführten Bedenken zu umgehen. Diese Anpassungsmöglichkeit, die den Staaten auch erlaubt, einseitige Änderungen nachträglich vorzunehmen, erhöht unweigerlich die Bereitwilligkeit der Staaten, an Bestrebungen zur Verringerung der Rechtsverschiedenheiten mitzuwirken; sie hat jedoch einen Preis, nämlich die Gefahr, dass sich eigentlich auf Einheitlichkeit abzielende Rechtssätze aufgrund der unterschiedlichen Anpassung durch die nationalen Gesetzgeber auseinander entwickeln.

Die Entscheidung, auf welches Instrument (Übereinkommen oder Modellgesetz) zurückzugreifen ist, ist eine Einzelfallentscheidung, die von verschiedenen Faktoren abhängt, zu denen vor allem, aber eben nicht nur, der Grad an gewünschter Rechtsannäherung zählt. Zu erwähnen ist jedoch, dass die Bedeutung dieser Entscheidung dadurch relativiert wird, dass Übereinkommen auch als Modellgesetze benutzt werden können (und als solche auch benutzt worden sind).

Den bislang genannten Instrumenten – dies gilt aber auch in Bezug auf Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft, die auf den Gebieten, die hier interessieren, vor allem Einheitsrecht auf dem Gebiet des Kollisionsrechts geschaffen haben –, ist gemein, dass sie Ausfluss der so genannten legislatorischen Rechtsvereinheitlichung sind, also der Rechtsvereinheitlichung, die zu Einheitsrecht führt, das von nationalen oder internationalen Gesetzgebungskörperschaften mit hoheitlichem Geltungsanspruch versehen wird. Dieser Art der Rechtsvereinheitlichung wird die nicht- bzw. außer-legislatorische Rechtsvereinheitlichung gegenübergestellt, deren Erscheinungsformen genauso unterschiedlich sind wie die der legislatorischen. Zu diesen Erscheinungsformen werden grundsätzlich sowohl das Klauselrecht als auch das Richterrecht gezählt. Ob diese „Rechte“ aber wirklich als Quellen des internationalen Einheitsrechts im oben genannten Sinn angesehen werden können, ist zu bezweifeln, fehlt dem Klausel- und Richterrecht doch in der Regel bereits die Allgemeinverbindlichkeit, die das Einheits“recht“ auszeichnet. So muss etwa das Klauselrecht, außer in den seltenen Fällen, in denen es sich zu Gewohnheitsrecht verdichtet hat oder mit Gesetzeskraft versehen worden ist (wie etwa im Falle der Allgemeinen Bedingungen für die Warenlieferungen zwischen den Organisationen der Mitgliedstaaten des RGW), von den jeweiligen Vertragsparteien vereinbart werden, um überhaupt Geltung erlangen zu können, weshalb von Allgemeinverbindlichkeit keine Rede sein kann. Gleiches gilt auch für von der Rechtswissenschaft zum Zwecke der Förderung des internationalen Handels erarbeitete Regelwerke, wie etwa die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts (vgl. etwa Tribunale di Padova, 11.1.2005, Rivista di diritto internationale private e processuale 2005, 791).

Auch dem Richterrecht ist grundsätzlich die Allgemeinverbindlichkeit abzuschreiben. Bedenkt man außerdem, dass Gerichte in der Regel nationale Gesetzgebung anwenden, die keine rechtsvereinheitlichenden Ziele verfolgt, ist es noch weniger gerechtfertigt, Richterrecht als Quelle des Einheitsrechts anzusehen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Gerichte für die Rechtsvereinheitlichung eine herausragende Rolle spielen. Dies ergibt sich unschwer, wenn man bedenkt, dass es letztendlich bei den (nationalen) Gerichten liegt, durch Auslegung des internationalen Einheitsrechts aus formal gleichem Recht (im Sinne eines uniform law in the books) wirkliches Einheitsrecht (also ein uniform law in action) zu machen, zumindest in den sehr vielen Fällen, in denen die Auslegung nicht einer überstaatlichen Instanz (wie etwa dem EuGH) überlassen ist. Für die Schaffung von Einheitsrecht sind (nationale) Gerichte also unterbehrlich.

Literatur

Bernhard C.H. Aubin, Europäisches Einheitsrecht und intereuropäische Rechtsharmonie?, in: Konrad Zweigert (Hg.), Europäische Zusammenarbeit im Rechtswesen, 1955, 45 ff.; René David, The international unification of private law, in: IECL II, Kap. 5, 1969; Jan Kropholler, Internationales Einheitsrecht: Allgemeine Lehren, 1975; Thomas Weismer, Grundfragen grenzüberschreitender Rechtsetzung, 1995; Jürgen Basedow, Worldwide Harmonisation of Private Law and Regional Economic Integration: General Report, Uniform Law Review 2003, 31 ff.; Urs Peter Gruber, Methoden des internationalen Einheitsrechts, 2004; Gudrun Schmid, Einheitliche Anwendung von internationalem Einheitsrecht, 2004; Marco Torsello, Common Features of Uniform Commercial Law Conventions, 2004; Karin Linhart, Internationales Einheitsrecht und einheitliche Auslegung, 2005; Louis Marquis, International Uniform Commercial Law: Towards a Progressive Consciousness, 2005.

Abgerufen von Einheitsrecht – HWB-EuP 2009 am 24. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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