Reisevertrag (Pauschalreisen) und Renvoi: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Ansgar Staudinger]]''
von ''[[Kurt Siehr]]''
== 1. Gegenstand, Zweck und Terminologie ==
== 1. Begriff und Geschichte ==
Im Sinne der §§ 651a ff. BGB regelt der Gesetzgeber unter dem Begriff „Reisevertrag“ den Pauschalreisevertrag. Erfasst sind allein die Rechtsbeziehungen zwischen Veranstalter und Kunden. In Abgrenzung zum Individualreisevertrag bündelt jener (im Voraus) die einzelnen Leistungen zu einem Paket und bietet es dem Kunden zu einem einheitlichen Preis an. Die §§ 651a ff. BGB finden dabei auf die reine Ferienhausmiete sowie [[Chartervertrag|Charterverträge]] über Yachten durch Veranstalter analoge Anwendung. Bei einer Pauschalreise tritt der Kunde allein mit ihm in vertragliche Beziehungen. Hiervon zu unterscheiden sind diejenigen zwischen dem Veranstalter und seinen jeweiligen Leistungsträgern (etwa Beförderer, Hotelier).
Der Begriff ''renvoi'' (eigentlich nur „Verweisung“) hat sich im [[Internationales Privatrecht|IPR]] für eine ganz bestimmte Art von Verweisung international eingebürgert, nämlich für eine Rück- oder Weiterverweisung (''renvoi''<nowiki>; </nowiki>''renvoi au premier degré et renvoi au second degré''<nowiki>; </nowiki>''rinvio indietro e rinvio oltre''<nowiki>; </nowiki>''terugverwijzing en verderverwijzing''<nowiki>; </nowiki>''reenvío de primer grado o reenvío de retorno y reenvío de segundo grado o reenvío ulterior'') der vom IPR der ''lex fori'' berufenen fremden Rechtsordnung. Eine solche Verweisung auf fremdes IPR nennt man eine IPR- oder Gesamtverweisung. Sie wird entweder vom Gesetz vorgesehen (z.B. Art.&nbsp;4 Abs.&nbsp;1 EGBGB; Art.&nbsp;13 ital. IPR-Gesetz; §&nbsp;5 Abs.&nbsp;1 und 2 österreich. IPR-Gesetz und Art.&nbsp;14 schweiz. IPRG), ganz ausgeschlossen (Art.&nbsp;32 griech. ZGB) oder sie wird dem Sinn der eigenen Verweisung auf fremdes Recht entnommen.


In wirtschaftlicher Hinsicht zählt der Pauschaltourismus in der Rückschau zu den Wachstumsbranchen. Innerhalb des Binnenmarktes ist mittlerweile eine erhebliche Konzentration bei den Unternehmen zu beobachten. Führende Anbieter sind vor allem in Großbritannien und Deutschland angesiedelt. Dessen ungeachtet ist der Preiswettbewerb nach wie vor intensiv. Überdies eröffnen moderne Kommunikations-mittel, insbesondere das Internet neue Wege im [[Vertrieb]]. So erlauben es „virtuelle“ Reisebüros dem Kunden, das Produkt elektronisch selbst zusammenzustellen (''dynamic packaging''). Abgesehen von den dadurch aufgeworfenen Rechtsfragen ist Folge eine Konkurrenz zwischen Veranstaltern, deren Produkte per Katalog über stationäre Reisebüros vertrieben werden, und Anbietern bzw. Reisevermittlern im Internet.
Als Geburtsstunde des ''renvoi'' gilt die Affaire Forgo, Recueil Sirey 1882, I, 393 und bei Bertrand Ancel, Yves Lequette (Hg.), Grands arrêts de la jurisprudence française de droit international privé, 3.&nbsp;Aufl. 1998, Nr.&nbsp;8, in welcher die französische ''Cour de cassation'' am 22.2.1882 die Rückverweisung des bayerischen Heimatrechts des in Frankreich verstorbenen bayerischen Staatsbürgers Xavier Forgo auf dessen letztes französisches Wohnsitzrecht annahm und deshalb französisches Recht auf die Erbfolge nach ihm anwandte. Schon vorher hatten englische und deutsche Gerichte eine Rückverweisung des primär berufenen ausländischen Rechts auf die ''lex fori'' als letztes Heimatrecht eines Erblassers akzeptiert: Collier v. Rivaz, (1841) 163 ER 608; Oberappellationsgericht Lübeck 21.3.1861 (Krebs v. Rosalino), Seuff. Arch.&nbsp;14 (1861) 164. Die Diskussion des renvoi-Problems setzte jedoch erst mit der Affäre Forgo ein (vgl. hierzu Maximilien Philonenko).


In den 1970er Jahren entwickelte sich das Pauschalreiserecht fast zeitgleich in vielen Mitgliedstaaten. Die in der Vergangenheit vom europäischen Gesetzgeber verfolgte Rechtsangleichung dient einerseits dem Zweck, den [[Verbraucher und Verbraucherschutz|Verbraucher]] zu schützen. Es soll überdies für ihn ein Anreiz geschaffen werden, aktiv touristische Leistungen (grenzüberschreitend) nachzufragen. Andererseits ermöglicht eine Harmonisierung des Rechts es den Veranstaltern, ihre Leistungen binnenmarktweit in gewissem Maße standardisiert anzubieten.
== 2. Funktion ==
Mit der Berücksichtigung des fremden IPR will man vor allem zweierlei erreichen. Zum einen will man die internationale Entscheidungsharmonie fördern, will also zu Hause so entscheiden, wie es der Richter der primär berufenen Rechtsordnung täte. Zum andern nimmt man dabei dankbar in Kauf, dass bei einer Rückverweisung inländisches Recht anwendbar ist, das vom inländischen Richter schnell und gut angewandt werden kann. Vergessen wird dabei manchmal die Tatsache, dass die internationale Entscheidungsharmonie nur dann erreichbar ist, wenn die beteiligten Rechtsordnungen die ''renvoi''-Frage unterschiedlich beurteilen. Lässt nämlich jede Rechtsordnung der von ihr primär berufenen fremden Rechtsordnung den Vorrang, so kommt es zu einem Hin und Her ohne definitive Bestimmung des anwendbaren Rechts. Nur ein Staat darf den Vortritt lassen, nicht beide. Deshalb ist der ''renvoi'' keine Figur des IPR, die in derselben Form internationalisierungsfähig ist.


== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
== 3. Arten der nationalen ''renvoi''-Regelungen ==
Die Kommission unterbreitete im März 1988 einen ersten, auf Art.&nbsp;100a a.F. EG (heute Art.&nbsp;95 EG/‌114 AEUV) gestützten Richtlinienvorschlag über Pauschalreisen. Dieser war zum einen dem binnenmarktpolitischen Zweck der [[Dienstleistungsfreiheit]], zum anderen demjenigen des [[Verbraucher und Verbraucherschutz|Verbraucherschutz]]es verpflichtet. Im Nachgang zu Änderungsvorschlägen des Parlaments legte die [[Europäische Kommission]] im Folgejahr einen zu Gunsten der Verbraucher modifizierten Vorschlag vor; dieser erhöhte Schutzstandard wurde jedoch anschließend im Ministerrat ([[Rat und Europäischer Rat]]) wieder abgeschwächt, so etwa durch Verzicht auf eine verschuldensunabhängige Haftung der Veranstalter. Eine politische Einigung über die Pauschalreise-RL konnte schließlich am 13.6.1990 erzielt werden.
Zum Problem des ''renvoi'' lässt sich in sehr unterschiedlicher Form Stellung nehmen. Hierbei ist zu vier Fragen Stellung zu beziehen: Will man einen ''renvoi'' überhaupt? In welchem Umfang will man ihn berücksichtigen? Wie reagiert man auf eine fremde IPR-Verweisung? Gibt es einen „versteckten“ ''renvoi''?


Vor Erlass der Harmonisierungsmaßnahme hatten neben der Bundesrepublik Deutschland auch Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal und Spanien bereits Sondervorschriften auf diesem Gebiet erlassen. Hingegen bestanden u.a. in Dänemark und Großbritannien keine speziellen Regelungen über Pauschalreisen. Die Umsetzung der Richtlinie erfolgte zumeist in Form von Sondergesetzen, teils aber auch durch Inkorporation in die jeweiligen Zivil- oder Verbraucherschutzgesetzbücher; so wurden die Richtlinienvorgaben etwa in den Niederlanden im ''[[Burgerlijk Wetboek]]'', in Italien dagegen im ''Codice del consumo'' verankert. Die Transformation in Deutschland, welche innerhalb des [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] erfolgte, zwang lediglich zu wenigen Ergänzungen und Modifikationen der bereits bestehenden §§&nbsp;651a&nbsp;ff. BGB.
a)&nbsp;Nationale Rechtsordnungen können entweder einen ''renvoi'' völlig ''ausschließen'' (z.B. Art.&nbsp;32 griech. ZGB), ihn im Prinzip stets berücksichtigen (Art.&nbsp;4 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;1 EGBGB; §&nbsp;5 Abs.&nbsp;1 und 2 österreich. IPR-Gesetz) oder ihn nur in Einzelfällen honorieren (z.B. Art.&nbsp;13 ital. IPR-Gesetz; Art.&nbsp;14 schweiz. IPRG). Welche Lösung richtig ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Selbst in denjenigen Staaten, in denen ein ''renvoi'' stets zu beachten ist, ist er heute nach Einführung des Europäischen IPR nicht mehr flächendeckend anwendbar. M.E. ist eine restriktive Lösung zu bevorzugen, die in geeigneten Fällen einen ''renvoi'' beachtet und in anderen nicht.


Der Erlass der Richtlinie führte indes nicht zu Rechtseinheit im Binnenmarkt. Ursache hierfür sind zum einen Umsetzungsfehler in den verschiedenen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. Zum anderen schreibt der Sekundärrechtsakt allein ein Mindestschutzniveau vor: Laut Art.&nbsp;8 der Richtlinie steht es jedem Mitgliedstaat und damit gleichermaßen der Legislative wie Judikative frei, über das Minimum hinauszugehen. Überwiegend haben die jeweiligen nationalen Gesetzgeber von dieser Option Gebrauch gemacht und die Richtlinie strenger umgesetzt. Dies betrifft insbesondere weitergehende [[Informationspflichten (Verbrauchervertrag)|Informations-]] und [[Prospekthaftung|Prospektpflichten]] sowie [[Formerfordernisse]]. In der Gesamtschau bewirkte der Sekundärrechtsakt infolge der Minimalharmonisierung allein eine Annäherung der nationalen Rechtsordnungen, nicht aber eine Vereinheitlichung des Pauschalreiserechts. Dies belegt eindrucksvoll das Verbraucherrechtskompendium als rechtsvergleichende Studie zu den Umsetzungen der Richtlinie in den Mitgliedstaaten.
b)&nbsp;Der ''renvoi'' bezeichnet in aller Regel sowohl eine ''Rück- als auch eine Weiterverweisung''. Soweit ein Gesetz nichts anderes sagt und eine IPR-Verweisung (Verweisung auf fremdes Recht umfasst auch dessen IPR) ausspricht, wird auch eine Weiterverweisung auf das Recht eines dritten Staates honoriert. Der Ausschluss einer Weiterverweisung (z.B. Art.&nbsp;14 Abs.&nbsp;2 schweiz. IPRG für Statussachen) ist – ausser durch eine angebliche Erleichterung der Rechtsfindung – nicht zu rechtfertigen.


Nach Art.&nbsp;1 der Richtlinie werden alle Pauschalreisen erfasst, die in der [[Europäische Gemeinschaft|EG]] verkauft oder zum Kauf angeboten werden; der persönliche Anwendungsbereich der Harmonisierungsmaßnahme erstreckt sich ganz allgemein auf Verbraucher, unabhängig davon, ob sie „professionell“ tätig sind oder nicht. Bedeutsam wird dies beispielsweise bei sog. ''incentive''-Reisen, welche Unternehmen als Belohnung oder Anreiz zur Leistungssteigerung ihrer Mitarbeiter buchen. Der Vertragspartner des Veranstalters agiert insoweit gerade nicht als Verbraucher im engeren Sinne und damit zu einem privaten Zweck. Durch den erweiterten Kreis der Adressaten weicht der Sekundärrechtsakt von anderen verbraucherschützenden Richtlinien ab ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]).
Eine ganz andere Frage ist, ob man eine ''teilweise ''Rück- oder Weiterverweisung akzeptieren will oder nicht. Diese Frage stellt sich insbesondere dann, wenn das ausländische IPR nur für einen Teil des Vermögens, das die ''lex fori'' einheitlich behandelt (z.B. Erbstatut einheitlich für Mobilien und Immobilien), teilweise, z.B. auf die ''lex rei sitae'' nur von Grundstücken, zurück- oder weiterverweist. Die meisten Staaten akzeptieren einen solchen partiellen ''renvoi'' und schließen ihn nicht – wie etwa der spanische Oberste Gerichtshof (Trib. Sup. Sala 1.<sup>a</sup>, 15.11.1996, Rep. Aranzadi Jurispr. 1996, Sp.&nbsp;8212) – als unvereinbar mit dem lokalen Prinzip der Vermögenseinheit aus.


Gerade der Begriff des Verbrauchers mag als ''pars pro toto'' dafür dienen, dass die Harmonisierungsmaßnahme zu einer Vielfalt von Umsetzungsmodellen in den jeweiligen Rechtsordnungen geführt hat. So weicht die Begrifflichkeit in zwei Drittel der Mitgliedstaaten von der Terminologie des Sekundärrechtsakts ab (während etwa in Deutschland anstelle des Verbrauchers Schutzadressat der „Reisende“ ist, stellt das französische Recht auf den „Käufer“, das dänische hingegen auf den „Kunden“ ab).
Schließlich ist zu fragen, ob ein ''renvoi'' auch dann zu beachten ist, wenn er deshalb ''sinnwidrig ''erscheint, weil seine Beachtung eine alternative Anknüpfung zur Begünstigung bestimmter Ergebnisse hinfällig machen würde (wenn z.B. Art.&nbsp;19 Abs.&nbsp;1 EGBGB die Abstammung alternativ anknüpft, um das Entstehen von Statusbeziehungen zu begünstigen, würde ein ''renvoi'' des Heimatrechts eines Elternteils auf das im konkreten Fall unterschiedliche Aufenthaltsrecht des Kindes die Maßgeblichkeit mehrerer Rechte verkürzen). Deshalb schließt Art.&nbsp;4 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;1 EGBGB einen ''renvoi''<nowiki> dann aus, wenn er „dem Sinn der Verweisung [des deutschen IPR auf fremdes Recht] widerspricht“.</nowiki>


Weitere Divergenzen ergeben sich mit Blick auf die gegnerische Vertragsseite. Der Gemeinschaftsgesetzgeber eröffnet den Mitgliedstaaten dahin einen Gestaltungsspielraum, ob bestimmte Pflichten Veranstalter und/‌oder Vermittler treffen. Dabei sieht der Sekundärrechtsgeber in Art.&nbsp;2(2) und (3) der Richtlinie jeweils Legaldefinitionen für beide Personengruppen vor. Nur ein Drittel der mitgliedstaatlichen Umsetzungsakte entsprechen der Definition des Veranstalters. Im deutschen Recht wird hinsichtlich dieses Begriffes vielmehr auf diejenige (natürliche oder juristische) Person abgestellt, welche aus dem Blickwinkel des Kunden die Verantwortung gerade in organisatorischer Hinsicht für die vertraglich vorgesehenen Leistungen trägt. Die Vermittler wurden im Zuge der deutschen wie auch französischen, finnischen, luxemburgischen und portugiesischen Transformation hingegen nicht in den Pflichtenkreis einbezogen.
c)&nbsp;Am schwierigsten ist die Frage zu beantworten, wie man auf eine ''ausländische IPR-Rückverweisung'' auf die ''lex fori'' reagieren soll. Deutschland und Österreich sehen ausdrücklich in Art.&nbsp;4 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;2 EGBGB und in §&nbsp;5 Abs.&nbsp;2 Hs.&nbsp;1 österreich. IPR-Gesetz vor, dass eine ausländische IPR-Verweisung abgebrochen und inländisches Sachrecht angewandt wird. Dieser eigennützige ''renvoi'' ist – abgesehen vom willkommenen Heimwärtsstreben – nicht zu befürworten. Wer sein eigenes Recht nicht primär für anwendbar hält, sollte es dem primär anwendbaren ausländischen Recht überlassen, wie bei einer fremden IPR-Verweisung zu verfahren ist. Diese Haltung nehmen englische Gerichte mit ihrem ''total'' oder ''double renvoi'' (auch ''foreign court theory'' genannt) ein, indem sie es dem primär berufenen ausländischen Recht überlassen, einen ''renvoi'' zu akzeptieren, abzubrechen oder sonst wie zu verfahren: ''In re Annesley ''<nowiki>[1926] Ch&nbsp;692 (Ch), </nowiki>''In re'' ''O’Keefe''<nowiki>, [1940] 1 Ch&nbsp;124 (Ch). Der Deutsche Rat für IPR hatte folgende Formulierung für eine nicht Gesetz gewordene deutsche Regelung vorgeschlagen: „Ist das Recht eines ausländischen Staates anzuwenden, dann ist so zu entscheiden, wie der ausländische Richter entscheiden würde.“ (Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Personen-, Familien- und Erbrechts, 1981, 15). Dieser Vorschlag ist allerdings nicht Gesetz geworden.</nowiki>


In Art.&nbsp;2(1) definiert der Richtliniengeber die Pauschalreise als eine im Voraus festgelegte Verbindung von mindestens zwei der nachfolgend genannten Leistungen: Beförderung, Unterkunft oder andere touristische Dienste. Letztere dürfen dabei keine Nebenleistungen der ersten beiden Fallgruppen darstellen, sondern müssen vielmehr einen beträchtlichen Teil des Pakets ausmachen. Erforderlich ist weiterhin, dass der (angebotene) Verkauf dieser Leistung, welche entweder länger als 24&nbsp;Stunden dauert oder eine Übernachtung einschließt, zu einem Gesamtpreis erfolgt.
d)&nbsp;Schließlich stellt sich die Frage, ob ein ''versteckter'' ''renvoi'' dann anzunehmen ist, wenn das berufene ausländische Recht keine ausdrückliche Verweisung auf ausländisches Recht enthält, sondern nur die Geltung der ''lex fori'' für das zuständige inländische Gericht festlegt, aber zu erkennen gibt, dass es unter denselben Bedingungen einem ausländischen zuständigen Gericht die Anwendung seiner ''lex fori'' zubilligen würde. Streitig ist, ob man mit der deutschen Rechtsprechung hierin einen ''renvoi'' sehen sollte oder ob man in solchen Situationen eine subsidiäre Anknüpfung (etwa an den gewöhnlichen Aufenthalt einer Person statt an deren Staatsangehörigkeit) befürworten sollte.


Die Richtlinie regelt lediglich das Verhältnis von Kunde und Veranstalter/‌Vermittler und dort im Schwerpunkt deren Haftung (Art.&nbsp;5) sowie den Schutz des Kunden vor dem Risiko der Insolvenz des Veranstalters (Art.&nbsp;7). Ein besonderer Stellenwert kommt überdies den Informationspflichten zu, vor allem im Hinblick auf die Ausgestaltung von Prospekten.
== 4. ''Renvoi'' in Staatsverträgen ==
Die [[Haager Konferenz für IPR|Haager Konferenz für Internationales Privatrecht]] hatte versucht, das Problem des ''renvoi'' durch die sog. ''renvoi''-Konvention zu lösen. Das Übereinkommen vom 15.6.1955 zur Lösung der Konflikte zwischen dem Heimatrecht und dem Wohnsitzrecht (''Convention du 15 juin 1955 pour régler les conflits entre la loi nationale et la loi du domicile'') ist nie in Kraft getreten. Seitdem versucht man, in den einzelnen Staatsverträgen die dort auftretenden ''renvoi''-Probleme von Fall zu Fall zu lösen. Hierbei ergibt sich folgendes Bild:


Art.&nbsp;3(2)(g)2 der Richtlinie schreibt vor, dass dem Verbraucher eine Änderung wie etwa des Reisepreises vor Abschluss des Vertrages „klar mitgeteilt“ worden sein muss; der Veranstalter hat hierauf im Prospekt auch „ausdrücklich“ hinzuweisen. Jüngst erging auf Grundlage des Art.&nbsp;238 Abs.&nbsp;1 EGBGB eine Verordnung des Bundesjustizministeriums zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung: Nach §&nbsp;4 Abs.&nbsp;2 S.&nbsp;2 BGB-Info-VO steht dem Reiseveranstalter fortan die Möglichkeit eines Preisanpassungsvorbehalts bei nicht abschließend aufgezählten Gründen offen. Zweifelhaft erscheint, ob Art.&nbsp;238 Abs.&nbsp;1 EGBGB diese Novellierung deckt. Die Vorschrift ermächtigt zu verbraucherschützenden Änderungen; die Flexibilität von Katalogpreisen dürfte indes eine gegenteilige Wirkung besitzen. Ebenso ist fraglich, ob die Novelle im Einklang mit Art.&nbsp;3(2)(g)2 der Richtlinie steht.
a)&nbsp;In aller Regel schließen Staatsverträge über das anzuwendende Recht einen ''renvoi'' aus. Dies tun sie entweder durch ausdrückliche Verweisung auf das Sachrecht eines Staates (''loi interne'', ''internal law'') oder durch einen ausdrücklichen Ausschluss der IPR-Normen der bezeichneten fremden Rechtsordnung (vgl. z.B. Art.&nbsp;17 Haager ''Trust''-Übereinkommen von 1985; Art.&nbsp;17 Haager Erbrechts-Übereinkommen von 1989; Art.&nbsp;19 Haager Übereinkommen zum Erwachsenenschutz von 2000). Der Sinn ist klar. Wird das anzuwendende Recht einheitlich bestimmt, wird dadurch zwischen den Vertragsstaaten die Entscheidungsharmonie hergestellt, und nur im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten kann es zu Disharmonien kommen.


In der Vergangenheit hat der [[Europäischer Gerichtshof|Europäische Gerichtshof]] im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren wiederholt Stellung zur Pauschalreise-RL bezogen. Dies betraf Zweifelsfragen zum sachlichen Anwendungsbereich der Harmonisierungsmaßnahme (EuGH Rs.&nbsp;C-400/‌‌00 – ''Club-Tour'','' Viagens e Turismo'', Slg. 2002, I-4051; beachte jüngst die Vorlage des OGH vom 6.11.2008, 6Ob 102/‌08s), Umfang des Schadensersatzes (EuGH Rs.&nbsp;C-168/‌00 – ''Leitner'', Slg. 2002, I-2631) sowie zur Insolvenzabsicherung (EuGH verb. Rs.&nbsp;C-178/‌94, C-179/‌94, C-188/‌94, C-189/‌94 und C-190/‌94 – ''Dillenkofer'', Slg. 1996, I-4845; Rs.&nbsp;C-140/‌97 – ''Rechberger'', Slg. 1999, I-3499).
b)&nbsp;Nur ganz selten begegnet man einem ''renvoi'' in Staatsverträgen. Ein Beispiel enthalten die gleichlautenden Art.&nbsp;2(1)2 der Abkommen von 1930 bzw. 1931 über Bestimmungen auf dem Gebiet des Internationalen Wechsel- bzw. Scheckprivatrechts (''Convention for the Settlement of Certain Conflicts of Laws in Connection with Bills of Exchange and Promissory Notes and with Cheques''). Die Wechsel- bzw. Scheckfähigkeit einer Person wird im jeweiligen Art.&nbsp;2(1)1 ihrem Heimatrecht unterstellt und dann in S.&nbsp;2 hinzugefügt: „Erklärt dieses Recht das Recht eines anderen Landes für maßgebend, so ist das letztere Recht anzuwenden.“ („If this national law provides that the law of another country is competent in the matter, this latter law shall be applied“).


== 3. Internationales Zivilverfahrens- und Kollisionsrecht ==
== 5. ''Renvoi'' im europäischen IPR ==
Pauschalreisen führen den Kunden vielfach ins Ausland. Derartige grenzüberschreitende Sachverhalte werfen insbesondere dann Fragen der internationalen Zuständigkeit von Gerichten sowie des anwendbaren Rechts auf, wenn der Kunde mit einem Veranstalter kontrahiert, der nicht in seinem Land ansässig ist. Diese Aspekte des Internationalen Zivilverfahrens- und Privatrechts hat der Gemeinschaftsgesetzgeber in der Pauschalreise-RL nicht unmittelbar geregelt.
Bislang hat das Europäische IPR einen ''renvoi''<nowiki> ausdrücklich ausgeschlossen (Art.&nbsp;24 Rom&nbsp;II-VO [VO&nbsp;864/‌2007]; Art.&nbsp;20 Rom&nbsp;I-VO [VO&nbsp;593/‌2008]). In den weiteren Verordnungen zum Internationalen Unterhalts-, Familien- und Erbrecht wird sich diese Position nicht mehr halten lassen; denn bedacht werden muss, dass auch auf das Recht von Nichtmitgliedstaaten verwiesen wird und diese – weil in diesen Staaten das europäische IPR nicht gilt – die Verweisung nicht annehmen. Man könnte natürlich auch hier das ausländische IPR ignorieren und ausländisches Sachrecht ohne Rücksicht darauf anwenden, ob es selber angewandt sein möchte. Das dürfte allerdings reichlich unpraktisch sein. Wieso sollen wir auf die Erbfolge in ein europäisches Grundstück eines in den USA verstorbenen Amerikaners das Recht am letzten amerikanischen Wohnsitz des Erblassers anwenden, wenn das Recht dieses amerikanischen Gliedstaats auf die europäische </nowiki>''lex rei sitae'' verweist? In einer solchen Situation mit Drittstaaten sollte man die Berücksichtigung eins ''renvoi'' (Rück- und Weiterverweisung) ernsthaft in Erwägung ziehen.


Die internationale (und teils örtliche) Zuständigkeit folgt innerhalb des Binnenmarktes zuvörderst aus der Brüssel&nbsp;I-VO (VO&nbsp;44/‌2001, beachte auch das Übereinkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Dänemark). Von besonderer Relevanz ist im Hinblick auf vertragliche Ansprüche abgesehen von Art.&nbsp;2(1) sowie (5) Nr.&nbsp;5 Brüssel&nbsp;I-VO der Verbraucherschutzgerichtsstand in Art.&nbsp;15 und 16 Brüssel&nbsp;I-VO. Dieser greift tatbestandlich laut Art.&nbsp;15(3) Brüssel&nbsp;I-VO bei Pauschalreisen im Sinne der Richtlinie ein, sofern der Kunde zum Kreis der Verbraucher nach Maßgabe von Art. 15(1) Brüssel&nbsp;I-VO zählt. Der Anwendungsbereich ist folglich weder eröffnet, wenn ein Unternehmer eine ''incentive''-Reise bei einem Veranstalter bucht, da er zwar Schutzadressat der Richtlinie, nicht aber Verbraucher nach Maßgabe von Art.&nbsp;15(1) Brüssel&nbsp;I-VO ist. Ebenso wenig unterfallen reine Ferienhausmietverträge des Veranstalters dem Schutzgerichtsstand. Auf diese Rechtsgeschäfte finden zwar die §§&nbsp;651a&nbsp;ff. BGB analoge Anwendung. Jene stellen aber keine Pauschalreisen im Sinne der Richtlinie bzw. des Art.&nbsp;15(3) Brüssel&nbsp;I-VO dar.
== 6. Berücksichtigung eines fremden IPR im Übrigen ==
Ein ''renvoi'' ist nicht der einzige Fall, in dem ausländisches IPR im Inland beachtet wird. Insbesondere sind drei andere Situationen zu erwähnen, die mit einem ''renvoi'' nichts zu tun haben.


Unklar erscheint, in welchen Konstellationen der Veranstalter seine Tätigkeit gemäß Art.&nbsp;15 (1)(c) Brüssel&nbsp;I-VO etwa durch eine Homepage unter anderem auf den Staat des Verbrauchers ausrichtet und der Vertragsabschluss hierauf zurückzuführen ist (beachte jüngst die bereits erwähnte Vorlage des OGH vom 6.11.2008, 6Ob 102/‌08s). Liegen die Voraussetzungen von Art.&nbsp;15 Brüssel&nbsp;I-VO vor, kann der Verbraucher jedenfalls seinen Aktivprozess gegen den Veranstalter nach Art.&nbsp;16(1) Brüssel&nbsp;I-VO wahlweise auch an dem international und örtlich zuständigen Gericht des Ortes führen, an dem er seinen Wohnsitz hat. Gerichtspflichtig ist er spiegelbildlich nach Maßgabe von Art.&nbsp;16(2) Brüssel&nbsp;I-VO allein in diesem Staat. Der Schutzgerichtsstand kann dem Verbraucher nicht im Vorfeld, etwa durch eine Pro- bzw. Derogationsklausel entzogen werden. Dies folgt aus Art.&nbsp;23(5) und 17(1) Brüssel&nbsp;I-VO.
a)&nbsp;''Wohlerworbene Rechte'' (''vested rights''<nowiki>; </nowiki>''droits acquis'') werden anerkannt, selbst wenn sich nach dem Erwerb das Erwerbsstatut geändert hat. Ob allerdings ein Recht wohlerworben wurde, lässt sich nur unter Berücksichtigung des IPR des Erwerbsstatuts beurteilen. Wer also behauptet, er habe eine gestohlene Sache im Freilager der Stadt Genf/‌Schweiz kurz vor ihrem Transport nach Indianapolis/‌USA von einem deutschen Verkäufer gutgläubig erworben, muss nachweisen, dass die schweizerische ''lex rei sitae'' als angebliches Erwerbsstatut selbst überhaupt Anwendung verlangt und ein Recht als wohlerworben entstehen lässt. Das ist aber nicht der Fall; denn die schweizerische ''lex rei sitae'' gilt nicht für Transitware. Für sie gilt das Recht des US-amerikanischen Bestimmungsortes (Art.&nbsp;101 schweiz. IPRG), das einen gutgläubigen Erwerb nicht kennt: vgl. ''Autocephalous Greek Orthodox'' ''Church of Cyprus v. Goldberg'', 717 F.Supp. 1374, 1394&nbsp;f. (S.D. Ind. 1989).


Im Lichte des deutschen [[internationales Privatrecht|internationalen Privatrechts]] bestimmt sich das auf Pauschalreiseverträge anwendbare Recht derzeit noch anhand der Art.&nbsp;27&nbsp;ff. EGBGB. Hierdurch hat der deutsche Gesetzgeber das Römische Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ) in das EGBGB inkorporiert. Bei Pauschalreisen besteht vom Grundsatz her zwar die Freiheit der [[Rechtswahl]]. Allerdings wird diese unter bestimmten Voraussetzungen durch eine Sonderanknüpfung für Verbraucherverträge i.S.d. Art.&nbsp;29 Abs.&nbsp;1, Abs. 4 S.&nbsp;2 EGBGB beschränkt. Der Richter ist von Amts wegen gezwungen, dem vereinbarten ausländischen Recht im Wege eines konkreten Günstigkeitsvergleichs die betreffenden Regeln im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers gegenüberzustellen. Dieses Umweltrecht stellt demzufolge einen Mindestschutzstandard dar. Fehlt eine Rechtswahl bzw. schlägt sie fehl, ist das anwendbare Recht für den Pauschalreisevertrag kraft objektiver Anknüpfung vorrangig nach Art.&nbsp;29 Abs.&nbsp;2, Abs.&nbsp;4 S.&nbsp;2 EGBGB zu ermitteln (andernfalls verbleibt es bei Art.&nbsp;28 EGBGB). Die vorangehenden Ausführungen zu den ''incentive''-Reisen bzw. reinen Ferienhausmietverträgen gelten entsprechend. Die praktische Relevanz von Art.&nbsp;29 EGBGB fällt dadurch gering aus, dass sich sein räumlich-situativer Anwendungsbereich in drei abschließend geregelten Fallkonstellationen erschöpft.
b)&nbsp;Wird eine ''Vorfrage'' (''preliminary question'') nach ausländischem Recht, d.h. unselbständig beantwortet, so muss auch das ausländische IPR herangezogen werden. Wenn die Anerkennung eines außerhalb einer Ehe geborenen Kindes nach fremdem Recht beurteilt wird um festzustellen, dass es auch Erbe des Anerkennenden ist, muss auch das IPR des fremden Anerkennungsstatuts befragt werden, ob die Anerkennung wirksam ist.


Die hierdurch in der Vergangenheit bestehenden Schutzlücken vor allem im elektronischen Geschäftsverkehr werden weithin durch die Rom I-VO (VO&nbsp;593/‌2008) geschlossen. Dieser Sekundärrechtsakt löst mit Wirkung vom 17.12. 2009 das EVÜ ab (mit Ausnahme von Dänemark) und bedingt eine Streichung der Art.&nbsp;27&nbsp;ff. EGBGB (mit Ausnahme von Art.&nbsp;29a EGBGB). Das anwendbare Recht ist dann zukünftig vor allem mit Hilfe des Art.&nbsp;6 Rom&nbsp;I-VO zu ermitteln, sofern der Vertragsschluss nach dem zuvor genannten Stichtag liegt (eine weitere Rechtswahlschranke folgt dann aus der Binnenmarktschutzklausel in Art.&nbsp;3(4) Rom&nbsp;I-VO). Die Vergemeinschaftung des Römischen Schuldvertragsübereinkommens geht mit einer Verstärkung des kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes einher. In Anlehnung an Art.&nbsp;15(1)(c) Brüssel I-VO ist demnächst auch für Art.&nbsp;6(1)(b), (4) Rom&nbsp;I-VO entscheidend, ob der Unternehmer seine Tätigkeit unter anderem auf das Aufenthaltsland des Verbrauchers ausrichtet. Die obigen Ausführungen gelten mithin entsprechend. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat überdies in Art.&nbsp;6(4)(b) Rom&nbsp;I-VO klargestellt, dass der Begriff der Pauschalreise im Lichte der [[Richtlinie]] zu bestimmen ist.
c)&nbsp;Bei einer ''Blockverweisung ''auf eine zuständige Rechtsordnung insgesamt ist auch das ausländische IPR zu beachten. Wer zusätzlich zum Wohnsitzrecht der Adoptiveltern als Adoptionsstatut das Wohnsitzrecht des Adoptivkindes deshalb berücksichtigen will, um zu vermeiden, dass dort dem Kind durch die Adoption ein schwerwiegender Nachteil entsteht (vgl. Art.&nbsp;77 Abs.&nbsp;2 schweiz. IPRG), muss auch das IPR des Staats am Wohnsitz des Kindes prüfen.


Selbst wenn der Veranstalter bei einer im Inland gebuchten Pauschalreise sämtliche „Dienstleistungen“ in einem anderen als dem Aufenthaltsland des Verbrauchers erbringt, greift nicht Art.&nbsp;6(4)(a) Rom&nbsp;I-VO ein (für ein Alternativitätsverhältnis der beiden Ausnahmetatbestände indes'' Dennis Solomon''). Insofern kann offen bleiben, ob der Anwendbarkeit des restriktiv zu interpretierenden Art.&nbsp;6(4)(b) Rom&nbsp;I-VO nicht ohnehin ein Ausrichten der unternehmerischen Tätigkeit auch auf jenes Land bzw. die Informationserteilung dem [[Verbraucher und Verbraucherschutz|Verbraucher]] gegenüber entgegensteht. Denn jedenfalls ist kein Wille des europäischen Gesetzgebers dahin zu erkennen, den Schutz des Verbrauchers in Abkehr von der bisherigen Rechtslage nach dem EVÜ zu verkürzen.
d)&nbsp;Ist eine ''spezielle oder generelle Ausnahmeklausel ''anwendbar, so kann es sich als vorteilhaft erweisen, wenn man die primär berufenen Rechtsordnungen nach deren Anwendungswillen hin befragt und feststellt, dass sie gar nicht angewandt werden wollen. Wer also auf das Recht des gemeinsamen Heimatrechts der Eheleute verwiesen wird (z.B. Art.&nbsp;61 Abs.&nbsp;2 schweiz. IPRG) und Zweifel hat, ob dieses Recht noch den engsten Zusammenhang zu dem Sachverhalt hat, der blicke in das IPR dieser Rechtsordnung und finde heraus, ob dieses Recht überhaupt anwendbar ist. Wenn das verneint wird, fällt die Anwendung der Ausnahmeklausel desto einfacher.


== 4. Weitere Vereinheitlichungsprojekte ==
e)&nbsp;Nach ''Art.&nbsp;3a Abs.&nbsp;2 EGBGB'' wird fremdes IPR dann berücksichtigt, wenn solches Vermögen einer Person betroffen ist, das im Ausland liegt und dort besonderen Vorschriften unterliegt. In aller Regel sind dies Kollisionsnormen, die auf bestimmte Vermögensgegenstände die ''lex rei sitae'' anwenden. Man sagt: Einzelstatut bricht Gesamtstatut. So wenden deutsche Gerichte auf ausländisches unbewegliches Vermögen dann – abweichend von einem deutschen Gesamtstatut (z.B. Erbstatut) – das Einzelstatut von ausländischem unbeweglichem Vermögen an, wenn auf diese nach ausländischem IPR die ''lex rei sitae'' als Einzelstatut gilt. Eine solche Ausnahme zugunsten eines fremden IPR lässt sich nur schwer rechtfertigen.  
Mit dem Reisevertrag befasste sich seit 1967 auch das Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts ([[UNIDROIT]]); 1968 erarbeitete ein Ausschuss unter Vorsitz von ''Otto Riese'' einen Entwurf des Internationalen Übereinkommens über den Reisevertrag (CCV), welches am 23.4.1970 verabschiedet wurde. Diese Konvention wurde indes nur von wenigen Staaten ratifiziert, nicht von Deutschland.


Die Pauschalreise-RL gehört zu den älteren Sekundärrechtsakten auf dem Gebiet des Verbrauchervertragsrechts, auch wenn jene Harmonisierungsmaßnahme angesichts ihres weitergehenden Schutzbereichs strenggenommen nicht zu den klassischen verbraucherschützenden Richtlinien zählt. In einer übergreifenden Umschau zeigen sich mittlerweile erhebliche terminologische Abweichungen bei den einzelnen Sekundärrechtsakten. Angesichts dessen hat sich die Kommission dafür ausgesprochen, den gemeinschaftlichen Besitzstand an Regeln einer Überprüfung und möglicherweise Angleichung zu unterziehen. Dies betrifft unter anderem auch die Pauschalreise-RL''. ''Sie soll künftig wie die [[Teilzeitwohnrechteverträge (Teilzeitnutzungsrechte)|Teilzeitwohnrechte-RL]] (RL&nbsp;94/‌47, beachte nunmehr die Novellierung durch die RL&nbsp;2008/‌‌122) als vertikales Instrument für einen spezifischen Vertragstyp von einem weiteren, horizontalen Rechtsakt flankiert werden, welcher allgemeine Regeln vorsieht bzw. Querschnittsfragen behandelt. Einen entsprechenden Vorschlag einer solchen Richtlinie über Rechte der Verbraucher hat die Kommission am 8.10.2008 vorgelegt (KOM (2008)614 endg.). Von den verschiedenen Optionen einer Überarbeitung des ''acquis communautaire'', welche in dem am 8.2. 2007 angenommen Grünbuch zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz anklingen, hat sich die Kommission damit für einen kombinierten Ansatz entschieden.
== 7. Zukunft des ''Renvoi'' ==
 
Je mehr das IPR vereinheitlicht wird, desto geringer wird der Einfluss eines ''renvoi''. In Zukunft wird der ''renvoi'' allenfalls dann eine Rolle spielen, wenn auf das Recht eines Drittstaates verwiesen wird, der an der Vereinheitlichung nicht teilnimmt. In diesem Fall empfiehlt es sich, den Abbruch eines ''renvoi'' der fremden Rechtsordnung zu überlassen, also der „foreign court theory“ zu folgen.
Sie verfolgt zudem die neue Strategie der Vollharmonisierung. Dies belegt bereits der Nachfolgerechtsakt für Time-Share-Verträge (RL&nbsp;2008/‌122). Sofern die Pauschalreise-RL nach einer beabsichtigten Novellierung ebenfalls Höchststandards schafft, hat dies womöglich in einzelnen Mitgliedstaaten zur Folge, dass von bisherigen legislativen oder richterrechtlichen Schutzverstärkungen Abstand genommen werden muss. Dies mag im Einzelfall etwa auch die entsprechende Anwendung der §§&nbsp;651a&nbsp;ff. BGB auf Ferienhausmietverträge in Deutschland betreffen.
 
Im Zuge der Überarbeitung der Pauschalreise-RL – so bleibt zu hoffen – wird der europäische Gesetzgeber nicht nur terminologische Unschärfen in Bezug etwa auf Vertragsparteien „Veranstalter“ und „Verbraucher“ beseitigen und die Judikatur des Gerichtshofs wie die ''Club-Tour''-Entscheidung abbilden. Vielmehr bleibt er in der Pflicht, Lücken im [[Verbraucher und Verbraucherschutz|Verbraucherschutz]] zu schließen bzw. tatsächlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Erste Hinweise auf den Anpassungsbedarf folgen aus dem Bericht der Kommission von 1999 (SEK(1999) 1800 final). Dies gilt beispielsweise für Verschärfungen im Bereich des Insolvenzschutzes. Die Kommission hatte darüber hinaus in einem Arbeitspapier datierend vom 26.7.2007 zentrale Fragen an interessierte Kreise gerichtet und zu einem Dialog aufgerufen. Daraufhin gingen zahlreiche Stellungnahmen aus der Praxis und Wissenschaft ein. Überdies liegt mittlerweile eine Studie des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 2008 vor. Voraussichtlich wird die Kommission wohl allerdings erst 2010 einen Vorschlag für eine Revision der Pauschalreise-RL vorlegen.
 
Der europäische Gesetzgeber muss sich zweifelsohne im Zuge der Überarbeitung dem veränderten Buchungsverhalten der Kunden und damit dem elektronischen Abschluss von Pauschalreiseverträgen widmen. Das Internet eröffnet Verbrauchern den Weg, touristische Leistungen grenzüberschreitend nachzufragen. Fraglich erscheint, ob und inwieweit es sachgerecht ist, dem Kunden im Unterschied zu anderen im Fernabsatz vertriebenen Produkten und (Finanz&#8209;) Dienstleistungen bei Pauschalreisen kein Widerrufs- und damit Lösungsrecht einzuräumen. Das veränderte Leitbild des aktiven Verbrauchers lässt sich ferner gerade durch das ''dynamic packaging ''mit Hilfe von Plattformen im Internet illustrieren, bei dem oftmals die Rollenspaltung von bloßem Vermittler und Veranstalter zu verschwimmen droht. Der Richtliniengeber hat insofern die Einschätzungsprärogative und muss den Mitgliedstaaten bei Online-Buchungen Abgrenzungskriterien an die Hand geben.
 
Das Internet kann darüber hinaus, wie bereits ausgeführt, zu Wettbewerbsverzerrungen führen. So droht eine Schieflage, sofern klassische Reiseveranstaltern weit im Vorfeld einer Saison Preise in Katalogen unveränderbar festlegen, die Internet-Anbieter hingegen weder Druckkosten tragen müssten, noch bei Preisangaben auf ihrer Homepage vergleichbaren Restriktionen unterliegen. Um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, ist diesbezüglich eine Klarstellung in der konsolidierten Fassung der Pauschalreise-RL angezeigt.
 
In der endgültigen Version der „Outline Edition“ des DCFR ([[Common Frame of Reference|Gemeinsamer Referenzrahmen]]) werden keine neuen reiserechtlichen Regeln enthalten sein.
 
Indes zeigen die aktualisierten ''[[Acquis Principles]]'', dass die Pauschalreise-Richtlinie durchaus Vorbildcharakter haben kann: In dem in Kürze erscheinenden zweiten Band sind einige neue ''specific provisions'' eingefügt, bei denen es sich im Wesentlichen um solche Inhalte der Richtlinie handelt, die nicht bereits Eingang ins allgemeine Vertragsrecht des ersten Bandes gefunden haben. Zum einen erfolgt dabei eine terminologische Anpassung der Richtlinienvorgaben an die ''Acquis Principles'', zum anderen werden jene inhaltlich mit deren grundlegenden Bestimmungen verknüpft.


==Literatur==
==Literatur==
''Jörn Eckert'', §§&nbsp;651a-651m, in: Julius v.&nbsp;Staudingers'' ''Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 14.&nbsp;Bearb. 2003; ''Klaus'' ''Tonner'', Reisevertrag, in: Martin Gebauer, Thomas Wiedmann (Hg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005; ''Klaus'' ''Tonner'', Zur Reformbedürftigkeit des Reiserechts auf europäischer Ebene, ReiseRecht aktuell 2005, 146&nbsp;ff.; ''Dennis'' ''Solomon'', Verbraucherverträge, in: Franco Ferrari, Stefan Leible (Hg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, 2007, 89&nbsp;ff.; ''Ansgar'' ''Staudinger'', Internet-Buchung von Reisen und Flügen, ReiseRecht aktuell 2007, 98&nbsp;ff.; ''Klaus'' ''Tonner'', Der Reisevertrag, Kommentar zu den §§&nbsp;651a-651m BGB, 5.&nbsp;Aufl. 2007; ''Christine'' ''Rössler'', Reisegewährleistungsrecht und allgemeines europäisches Leistungsstörungsrecht, 2008; ''Hans'' ''Schulte''-''Nölke'', ''Christian'' ''Twigg-Flesner'', ''Martin Ebers'' (Hg.), EC Consumer Law Compendium, 2008; ''Ansgar'' ''Staudinger'', Internet – Brave new world of travel law?, Zeitschrift für Verbraucher und Recht 2008, III&nbsp;f.; ''Klaus Tonner'', Ein Widerrufsrecht bei touristischen Leistungen?!, ReiseRecht aktuell 2008, 105; ''Ansgar Staudinger'', Art.&nbsp;27&nbsp;ff. EGBGB, in: Reiner Schulze, Heinrich Dörner, Ina Ebert, Jörn Eckert, Thomas Hoeren, Rainer Kemper, Ingo Saenger, Hans Schulte-Nölke, Ansgar Staudinger (Hg.), Handkommentar BGB, 6.&nbsp;Aufl. 2009; ''Klaus Tonner'', Kommentierung der Pauschalreiserichtlinie in: Eberhard Grabitz, Meinhard Hilf (Hg.), Das Recht der EU, Bd.&nbsp;IV (Loseblatt).
''Hans Lewald'','' ''La théorie du renvoi, Recueil des cours&nbsp;29 (1929-IV) 515, 620; ''Maximilien Philonenko'','' ''L’Affaire Forgo (1874–1882): Contribution à l’étude des sources du droit international privé français, Journal du droit international (Clunet) 59 (1932) 281&nbsp;ff.; ''Georgios S. Maridakis'','' ''Le renvoi en droit international privé, Annuaire de l’Institut de Droit International 47 II (1957) 1, 53; ''Paolo Picone'','' ''La méthode de la référence à l’ordre juridique compétent en droit international privé, Recueil des cours 197 (1986-II) 229&nbsp;ff.; ''Jean Georges Sauveplanne'', Renvoi, in: IECL III, Kap. 6, 1988; ''Toshiyuki Kono'','' ''Renvoi in Japan: Doctrine, Precedent and Some Critical Comments, Japanese Annual of International Law 35 (1992) 62, 77; ''Hans Kuhn'','' ''Der Renvoi im internationalen Erbrecht der Schweiz, 1998; ''Kurt Lipstein'','' ''The taking into consideration of foreign private international law, Annuaire de l’Institut de Droit International 68 I (1999) 13, 53; ''Gerte Reichelt'','' ''Gesamtstatut und Einzelstatut im IPR, 1985; ''Kurt Siehr'','' ''Renvoi: A Necessary Evil or is it Possible to Abolish it by Statute?, in: Ian Fletcher, Loukas Mistelis, Marise Cremona'' ''(Hg.), Foundations and Perspectives of International Trade law, 2001, 193&nbsp;ff.; ''Rainer Hausmann'', Art.&nbsp;4 EGBGB, in: Julius v. Staudingers'' ''Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13.&nbsp;Bearb. 2003; ''Weizuo Chen'','' ''Rück- und Weiterverweisung (Renvoi) in staatsvertraglichen Kollisionsnormen, 2004.


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Version vom 28. September 2021, 18:52 Uhr

von Kurt Siehr

1. Begriff und Geschichte

Der Begriff renvoi (eigentlich nur „Verweisung“) hat sich im IPR für eine ganz bestimmte Art von Verweisung international eingebürgert, nämlich für eine Rück- oder Weiterverweisung (renvoi; renvoi au premier degré et renvoi au second degré; rinvio indietro e rinvio oltre; terugverwijzing en verderverwijzing; reenvío de primer grado o reenvío de retorno y reenvío de segundo grado o reenvío ulterior) der vom IPR der lex fori berufenen fremden Rechtsordnung. Eine solche Verweisung auf fremdes IPR nennt man eine IPR- oder Gesamtverweisung. Sie wird entweder vom Gesetz vorgesehen (z.B. Art. 4 Abs. 1 EGBGB; Art. 13 ital. IPR-Gesetz; § 5 Abs. 1 und 2 österreich. IPR-Gesetz und Art. 14 schweiz. IPRG), ganz ausgeschlossen (Art. 32 griech. ZGB) oder sie wird dem Sinn der eigenen Verweisung auf fremdes Recht entnommen.

Als Geburtsstunde des renvoi gilt die Affaire Forgo, Recueil Sirey 1882, I, 393 und bei Bertrand Ancel, Yves Lequette (Hg.), Grands arrêts de la jurisprudence française de droit international privé, 3. Aufl. 1998, Nr. 8, in welcher die französische Cour de cassation am 22.2.1882 die Rückverweisung des bayerischen Heimatrechts des in Frankreich verstorbenen bayerischen Staatsbürgers Xavier Forgo auf dessen letztes französisches Wohnsitzrecht annahm und deshalb französisches Recht auf die Erbfolge nach ihm anwandte. Schon vorher hatten englische und deutsche Gerichte eine Rückverweisung des primär berufenen ausländischen Rechts auf die lex fori als letztes Heimatrecht eines Erblassers akzeptiert: Collier v. Rivaz, (1841) 163 ER 608; Oberappellationsgericht Lübeck 21.3.1861 (Krebs v. Rosalino), Seuff. Arch. 14 (1861) 164. Die Diskussion des renvoi-Problems setzte jedoch erst mit der Affäre Forgo ein (vgl. hierzu Maximilien Philonenko).

2. Funktion

Mit der Berücksichtigung des fremden IPR will man vor allem zweierlei erreichen. Zum einen will man die internationale Entscheidungsharmonie fördern, will also zu Hause so entscheiden, wie es der Richter der primär berufenen Rechtsordnung täte. Zum andern nimmt man dabei dankbar in Kauf, dass bei einer Rückverweisung inländisches Recht anwendbar ist, das vom inländischen Richter schnell und gut angewandt werden kann. Vergessen wird dabei manchmal die Tatsache, dass die internationale Entscheidungsharmonie nur dann erreichbar ist, wenn die beteiligten Rechtsordnungen die renvoi-Frage unterschiedlich beurteilen. Lässt nämlich jede Rechtsordnung der von ihr primär berufenen fremden Rechtsordnung den Vorrang, so kommt es zu einem Hin und Her ohne definitive Bestimmung des anwendbaren Rechts. Nur ein Staat darf den Vortritt lassen, nicht beide. Deshalb ist der renvoi keine Figur des IPR, die in derselben Form internationalisierungsfähig ist.

3. Arten der nationalen renvoi-Regelungen

Zum Problem des renvoi lässt sich in sehr unterschiedlicher Form Stellung nehmen. Hierbei ist zu vier Fragen Stellung zu beziehen: Will man einen renvoi überhaupt? In welchem Umfang will man ihn berücksichtigen? Wie reagiert man auf eine fremde IPR-Verweisung? Gibt es einen „versteckten“ renvoi?

a) Nationale Rechtsordnungen können entweder einen renvoi völlig ausschließen (z.B. Art. 32 griech. ZGB), ihn im Prinzip stets berücksichtigen (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB; § 5 Abs. 1 und 2 österreich. IPR-Gesetz) oder ihn nur in Einzelfällen honorieren (z.B. Art. 13 ital. IPR-Gesetz; Art. 14 schweiz. IPRG). Welche Lösung richtig ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Selbst in denjenigen Staaten, in denen ein renvoi stets zu beachten ist, ist er heute nach Einführung des Europäischen IPR nicht mehr flächendeckend anwendbar. M.E. ist eine restriktive Lösung zu bevorzugen, die in geeigneten Fällen einen renvoi beachtet und in anderen nicht.

b) Der renvoi bezeichnet in aller Regel sowohl eine Rück- als auch eine Weiterverweisung. Soweit ein Gesetz nichts anderes sagt und eine IPR-Verweisung (Verweisung auf fremdes Recht umfasst auch dessen IPR) ausspricht, wird auch eine Weiterverweisung auf das Recht eines dritten Staates honoriert. Der Ausschluss einer Weiterverweisung (z.B. Art. 14 Abs. 2 schweiz. IPRG für Statussachen) ist – ausser durch eine angebliche Erleichterung der Rechtsfindung – nicht zu rechtfertigen.

Eine ganz andere Frage ist, ob man eine teilweise Rück- oder Weiterverweisung akzeptieren will oder nicht. Diese Frage stellt sich insbesondere dann, wenn das ausländische IPR nur für einen Teil des Vermögens, das die lex fori einheitlich behandelt (z.B. Erbstatut einheitlich für Mobilien und Immobilien), teilweise, z.B. auf die lex rei sitae nur von Grundstücken, zurück- oder weiterverweist. Die meisten Staaten akzeptieren einen solchen partiellen renvoi und schließen ihn nicht – wie etwa der spanische Oberste Gerichtshof (Trib. Sup. Sala 1.a, 15.11.1996, Rep. Aranzadi Jurispr. 1996, Sp. 8212) – als unvereinbar mit dem lokalen Prinzip der Vermögenseinheit aus.

Schließlich ist zu fragen, ob ein renvoi auch dann zu beachten ist, wenn er deshalb sinnwidrig erscheint, weil seine Beachtung eine alternative Anknüpfung zur Begünstigung bestimmter Ergebnisse hinfällig machen würde (wenn z.B. Art. 19 Abs. 1 EGBGB die Abstammung alternativ anknüpft, um das Entstehen von Statusbeziehungen zu begünstigen, würde ein renvoi des Heimatrechts eines Elternteils auf das im konkreten Fall unterschiedliche Aufenthaltsrecht des Kindes die Maßgeblichkeit mehrerer Rechte verkürzen). Deshalb schließt Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB einen renvoi dann aus, wenn er „dem Sinn der Verweisung [des deutschen IPR auf fremdes Recht] widerspricht“.

c) Am schwierigsten ist die Frage zu beantworten, wie man auf eine ausländische IPR-Rückverweisung auf die lex fori reagieren soll. Deutschland und Österreich sehen ausdrücklich in Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB und in § 5 Abs. 2 Hs. 1 österreich. IPR-Gesetz vor, dass eine ausländische IPR-Verweisung abgebrochen und inländisches Sachrecht angewandt wird. Dieser eigennützige renvoi ist – abgesehen vom willkommenen Heimwärtsstreben – nicht zu befürworten. Wer sein eigenes Recht nicht primär für anwendbar hält, sollte es dem primär anwendbaren ausländischen Recht überlassen, wie bei einer fremden IPR-Verweisung zu verfahren ist. Diese Haltung nehmen englische Gerichte mit ihrem total oder double renvoi (auch foreign court theory genannt) ein, indem sie es dem primär berufenen ausländischen Recht überlassen, einen renvoi zu akzeptieren, abzubrechen oder sonst wie zu verfahren: In re Annesley [1926] Ch 692 (Ch), In re O’Keefe, [1940] 1 Ch 124 (Ch). Der Deutsche Rat für IPR hatte folgende Formulierung für eine nicht Gesetz gewordene deutsche Regelung vorgeschlagen: „Ist das Recht eines ausländischen Staates anzuwenden, dann ist so zu entscheiden, wie der ausländische Richter entscheiden würde.“ (Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Personen-, Familien- und Erbrechts, 1981, 15). Dieser Vorschlag ist allerdings nicht Gesetz geworden.

d) Schließlich stellt sich die Frage, ob ein versteckter renvoi dann anzunehmen ist, wenn das berufene ausländische Recht keine ausdrückliche Verweisung auf ausländisches Recht enthält, sondern nur die Geltung der lex fori für das zuständige inländische Gericht festlegt, aber zu erkennen gibt, dass es unter denselben Bedingungen einem ausländischen zuständigen Gericht die Anwendung seiner lex fori zubilligen würde. Streitig ist, ob man mit der deutschen Rechtsprechung hierin einen renvoi sehen sollte oder ob man in solchen Situationen eine subsidiäre Anknüpfung (etwa an den gewöhnlichen Aufenthalt einer Person statt an deren Staatsangehörigkeit) befürworten sollte.

4. Renvoi in Staatsverträgen

Die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht hatte versucht, das Problem des renvoi durch die sog. renvoi-Konvention zu lösen. Das Übereinkommen vom 15.6.1955 zur Lösung der Konflikte zwischen dem Heimatrecht und dem Wohnsitzrecht (Convention du 15 juin 1955 pour régler les conflits entre la loi nationale et la loi du domicile) ist nie in Kraft getreten. Seitdem versucht man, in den einzelnen Staatsverträgen die dort auftretenden renvoi-Probleme von Fall zu Fall zu lösen. Hierbei ergibt sich folgendes Bild:

a) In aller Regel schließen Staatsverträge über das anzuwendende Recht einen renvoi aus. Dies tun sie entweder durch ausdrückliche Verweisung auf das Sachrecht eines Staates (loi interne, internal law) oder durch einen ausdrücklichen Ausschluss der IPR-Normen der bezeichneten fremden Rechtsordnung (vgl. z.B. Art. 17 Haager Trust-Übereinkommen von 1985; Art. 17 Haager Erbrechts-Übereinkommen von 1989; Art. 19 Haager Übereinkommen zum Erwachsenenschutz von 2000). Der Sinn ist klar. Wird das anzuwendende Recht einheitlich bestimmt, wird dadurch zwischen den Vertragsstaaten die Entscheidungsharmonie hergestellt, und nur im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten kann es zu Disharmonien kommen.

b) Nur ganz selten begegnet man einem renvoi in Staatsverträgen. Ein Beispiel enthalten die gleichlautenden Art. 2(1)2 der Abkommen von 1930 bzw. 1931 über Bestimmungen auf dem Gebiet des Internationalen Wechsel- bzw. Scheckprivatrechts (Convention for the Settlement of Certain Conflicts of Laws in Connection with Bills of Exchange and Promissory Notes and with Cheques). Die Wechsel- bzw. Scheckfähigkeit einer Person wird im jeweiligen Art. 2(1)1 ihrem Heimatrecht unterstellt und dann in S. 2 hinzugefügt: „Erklärt dieses Recht das Recht eines anderen Landes für maßgebend, so ist das letztere Recht anzuwenden.“ („If this national law provides that the law of another country is competent in the matter, this latter law shall be applied“).

5. Renvoi im europäischen IPR

Bislang hat das Europäische IPR einen renvoi ausdrücklich ausgeschlossen (Art. 24 Rom II-VO [VO 864/‌2007]; Art. 20 Rom I-VO [VO 593/‌2008]). In den weiteren Verordnungen zum Internationalen Unterhalts-, Familien- und Erbrecht wird sich diese Position nicht mehr halten lassen; denn bedacht werden muss, dass auch auf das Recht von Nichtmitgliedstaaten verwiesen wird und diese – weil in diesen Staaten das europäische IPR nicht gilt – die Verweisung nicht annehmen. Man könnte natürlich auch hier das ausländische IPR ignorieren und ausländisches Sachrecht ohne Rücksicht darauf anwenden, ob es selber angewandt sein möchte. Das dürfte allerdings reichlich unpraktisch sein. Wieso sollen wir auf die Erbfolge in ein europäisches Grundstück eines in den USA verstorbenen Amerikaners das Recht am letzten amerikanischen Wohnsitz des Erblassers anwenden, wenn das Recht dieses amerikanischen Gliedstaats auf die europäische lex rei sitae verweist? In einer solchen Situation mit Drittstaaten sollte man die Berücksichtigung eins renvoi (Rück- und Weiterverweisung) ernsthaft in Erwägung ziehen.

6. Berücksichtigung eines fremden IPR im Übrigen

Ein renvoi ist nicht der einzige Fall, in dem ausländisches IPR im Inland beachtet wird. Insbesondere sind drei andere Situationen zu erwähnen, die mit einem renvoi nichts zu tun haben.

a) Wohlerworbene Rechte (vested rights; droits acquis) werden anerkannt, selbst wenn sich nach dem Erwerb das Erwerbsstatut geändert hat. Ob allerdings ein Recht wohlerworben wurde, lässt sich nur unter Berücksichtigung des IPR des Erwerbsstatuts beurteilen. Wer also behauptet, er habe eine gestohlene Sache im Freilager der Stadt Genf/‌Schweiz kurz vor ihrem Transport nach Indianapolis/‌USA von einem deutschen Verkäufer gutgläubig erworben, muss nachweisen, dass die schweizerische lex rei sitae als angebliches Erwerbsstatut selbst überhaupt Anwendung verlangt und ein Recht als wohlerworben entstehen lässt. Das ist aber nicht der Fall; denn die schweizerische lex rei sitae gilt nicht für Transitware. Für sie gilt das Recht des US-amerikanischen Bestimmungsortes (Art. 101 schweiz. IPRG), das einen gutgläubigen Erwerb nicht kennt: vgl. Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg, 717 F.Supp. 1374, 1394 f. (S.D. Ind. 1989).

b) Wird eine Vorfrage (preliminary question) nach ausländischem Recht, d.h. unselbständig beantwortet, so muss auch das ausländische IPR herangezogen werden. Wenn die Anerkennung eines außerhalb einer Ehe geborenen Kindes nach fremdem Recht beurteilt wird um festzustellen, dass es auch Erbe des Anerkennenden ist, muss auch das IPR des fremden Anerkennungsstatuts befragt werden, ob die Anerkennung wirksam ist.

c) Bei einer Blockverweisung auf eine zuständige Rechtsordnung insgesamt ist auch das ausländische IPR zu beachten. Wer zusätzlich zum Wohnsitzrecht der Adoptiveltern als Adoptionsstatut das Wohnsitzrecht des Adoptivkindes deshalb berücksichtigen will, um zu vermeiden, dass dort dem Kind durch die Adoption ein schwerwiegender Nachteil entsteht (vgl. Art. 77 Abs. 2 schweiz. IPRG), muss auch das IPR des Staats am Wohnsitz des Kindes prüfen.

d) Ist eine spezielle oder generelle Ausnahmeklausel anwendbar, so kann es sich als vorteilhaft erweisen, wenn man die primär berufenen Rechtsordnungen nach deren Anwendungswillen hin befragt und feststellt, dass sie gar nicht angewandt werden wollen. Wer also auf das Recht des gemeinsamen Heimatrechts der Eheleute verwiesen wird (z.B. Art. 61 Abs. 2 schweiz. IPRG) und Zweifel hat, ob dieses Recht noch den engsten Zusammenhang zu dem Sachverhalt hat, der blicke in das IPR dieser Rechtsordnung und finde heraus, ob dieses Recht überhaupt anwendbar ist. Wenn das verneint wird, fällt die Anwendung der Ausnahmeklausel desto einfacher.

e) Nach Art. 3a Abs. 2 EGBGB wird fremdes IPR dann berücksichtigt, wenn solches Vermögen einer Person betroffen ist, das im Ausland liegt und dort besonderen Vorschriften unterliegt. In aller Regel sind dies Kollisionsnormen, die auf bestimmte Vermögensgegenstände die lex rei sitae anwenden. Man sagt: Einzelstatut bricht Gesamtstatut. So wenden deutsche Gerichte auf ausländisches unbewegliches Vermögen dann – abweichend von einem deutschen Gesamtstatut (z.B. Erbstatut) – das Einzelstatut von ausländischem unbeweglichem Vermögen an, wenn auf diese nach ausländischem IPR die lex rei sitae als Einzelstatut gilt. Eine solche Ausnahme zugunsten eines fremden IPR lässt sich nur schwer rechtfertigen.

7. Zukunft des Renvoi

Je mehr das IPR vereinheitlicht wird, desto geringer wird der Einfluss eines renvoi. In Zukunft wird der renvoi allenfalls dann eine Rolle spielen, wenn auf das Recht eines Drittstaates verwiesen wird, der an der Vereinheitlichung nicht teilnimmt. In diesem Fall empfiehlt es sich, den Abbruch eines renvoi der fremden Rechtsordnung zu überlassen, also der „foreign court theory“ zu folgen.

Literatur

Hans Lewald, La théorie du renvoi, Recueil des cours 29 (1929-IV) 515, 620; Maximilien Philonenko, L’Affaire Forgo (1874–1882): Contribution à l’étude des sources du droit international privé français, Journal du droit international (Clunet) 59 (1932) 281 ff.; Georgios S. Maridakis, Le renvoi en droit international privé, Annuaire de l’Institut de Droit International 47 II (1957) 1, 53; Paolo Picone, La méthode de la référence à l’ordre juridique compétent en droit international privé, Recueil des cours 197 (1986-II) 229 ff.; Jean Georges Sauveplanne, Renvoi, in: IECL III, Kap. 6, 1988; Toshiyuki Kono, Renvoi in Japan: Doctrine, Precedent and Some Critical Comments, Japanese Annual of International Law 35 (1992) 62, 77; Hans Kuhn, Der Renvoi im internationalen Erbrecht der Schweiz, 1998; Kurt Lipstein, The taking into consideration of foreign private international law, Annuaire de l’Institut de Droit International 68 I (1999) 13, 53; Gerte Reichelt, Gesamtstatut und Einzelstatut im IPR, 1985; Kurt Siehr, Renvoi: A Necessary Evil or is it Possible to Abolish it by Statute?, in: Ian Fletcher, Loukas Mistelis, Marise Cremona (Hg.), Foundations and Perspectives of International Trade law, 2001, 193 ff.; Rainer Hausmann, Art. 4 EGBGB, in: Julius v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Bearb. 2003; Weizuo Chen, Rück- und Weiterverweisung (Renvoi) in staatsvertraglichen Kollisionsnormen, 2004.