Rechtsakte der EG (sonstige Rechtsakte) und Rechtsdurchsetzung im Gesellschaftsrecht: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Überblick ==
Neben [[Verordnung]] und [[Richtlinie]] begegnen im [[EG-Vertrag]] und in der Gemeinschaftsrechtspraxis weitere Rechtsakte. Art. 249 EG/‌288 AEUV nennt als weitere Handlungsformen Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen. Darüber hinaus gibt es im EG-Vertrag nicht explizit benannte („atypische“) Rechtsakte. Die Einordnung eines Rechtsakts, die nach ihrem materiellen Gehalt erfolgt, nicht nach der Bezeichnung, ist im Hinblick auf Kompetenz, Wirkungen und Rechtsschutz von Bedeutung.


== 2. Entscheidungen ==
Das Gesellschaftsrecht als das Recht der privaten Zweckverbände ist hinsichtlich der Problematik der Rechtsdurchsetzung von einem Dualismus der Durchsetzung durch die Verbandsorgane und durch dessen Mitglieder geprägt (siehe 1.). Dazu treten noch die Interessen der Öffentlichkeit an einer Rechtsdurchsetzung, die durch umfangreiche (zusätzliche) staatliche Durchsetzungsmechanismen verwirklicht werden (siehe 2.).
=== a) Begriff ===
Die Entscheidung (nach dem Vertrag von Lissabon: „Beschluss“; zu den sachlichen Änderungen näher unten 5.) ist ein an individuell bestimmte oder bestimmbare Adressaten gerichteter, verbindlicher Rechtsakt zur Regelung eines Einzelfalls (Art. 249(4) EG/‌288(4) AEUV). Mit der Verordnung teilt die Entscheidung die Verbindlichkeit „in allen ihren Teilen“, die beide Handlungsformen von der nur zielverbindlichen Richtlinie, von den unverbindlichen Empfehlungen und Stellungnahmen sowie von Mitteilungen und anderen informatorischen Äußerungen (näher unten 4.d) unterscheidet. Anders als die Verordnung wendet sich die Entscheidung aber an individuell mindestens bestimmbare Adressaten. Ein an mehrere gerichteter, in allen Teilen verbindlicher Rechtsakt ist Entscheidung, wenn der Adressatenkreis bei Erlass feststeht und nicht mehr erweitert werden kann (Sammelentscheidung).  


''Adressaten'' können Privatpersonen sein (individualgerichtete Entscheidung), z.B. wenn die [[Europäische Kommission]] ein marktbeherrschendes Unternehmen verpflichtet, ein missbräuchliches Verhalten abzustellen; dann ist die Entscheidung einem Verwaltungsakt vergleichbar. Adressaten können aber auch Mitgliedstaaten (als solche, wohl aber nicht einzelne mitgliedstaatliche Organe oder Einrichtungen) sein (staatengerichtete Entscheidung), wie z.B., wenn die Kommission einen Mitgliedstaat verpflichtet, eine Beihilfe zurückzufordern, oder wenn die Kommission nach Art.95(6) EG/‌114(6) AEUV beschließt, von einer Harmonisierungsmaßnahme abweichende einzelstaatliche Bestimmungen zu billigen oder abzulehnen. Nach wohl überwiegender Meinung kann eine Entscheidung schließlich auch an Einrichtungen der Gemeinschaft (z.B. den Generalsekretär des Rates) gerichtet sein.  
== 1. Private Rechtsdurchsetzung ==
Das Gesellschaftsrecht wird von mehrseitigen Rechtsbeziehungen geprägt. Dabei geht es neben der Durchsetzung durch die Verbandsorgane (siehe a) vor allem auch um eine Rechtsdurchsetzung durch die Verbandsmitglieder (siehe b).


Die Entscheidung ist ''in allen ihren Teilen verbindlich ''(Art. 249(4) EG/‌288(4) AEUV). Das setzt voraus, dass sie dazu bestimmt und geeignet ist, Rechtswirkungen hervorzurufen, d.h. Rechte und/‌oder Pflichten zu begründen. Daran fehlt es bei den oben genannten unverbindlichen Rechtsakten sowie bei Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung lediglich vorbereiten sollen.
=== a) Rechtsdurchsetzung durch Verbandsorgane ===
Die Rechtsdurchsetzung durch die Verbandsorgane findet sich in Form von Intraorganstreitigkeiten und Organstreitigkeiten. Während es bei Intraorganstreitigkeiten um die Durchsetzung rechtmäßigen Verhaltens gegenüber Mitgliedern desselben Organs geht, steht bei Organstreitigkeiten die Durchsetzung rechtmäßigen Verhaltens gegenüber einem anderen Organ im Vordergrund. Einen Sonderfall der Rechtsdurchsetzung durch Verbandsorgane bilden die Ausschlussklagen des Verbands gegen einzelne Verbandsmitglieder, für die im Allgemeinen ein wichtiger Grund notwendig ist.


Die Entscheidung hat ''individuelle Geltung'', d.h. sie ist nur für diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet“ (Art. 249(4) EGV/‌288(4) AEUV; im Gegensatz zur Verordnung, die „allgemeine Geltung“ hat). Das ist besonders für die Klagebefugnis nach Art. 230(4) EG/‌263(4) AEUV von Bedeutung (unten c)).
=== b) Rechtsdurchsetzung durch die Mitglieder des Verbands ===
Weitaus größere Bedeutung hat allerdings die Rechtsdurchsetzung durch die Mitglieder des Verbands. Diese Rechtsdurchsetzung steht dabei in einem Spannungsverhältnis zur Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der jeweiligen Gesellschafterorgane, die im Rahmen dieser Befugnis auf die Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns und des Handelns des Verbands verpflichtet sind. Die Möglichkeit der Durchsetzung eines allgemeinen rechtmäßigen Handelns durch die Verbandsmitglieder ist dabei rechtsformabhängig und entsprechend unterschiedlich ausgestaltet. Während etwa die Gesellschafter einer Personengesellschaft oder einer GmbH rechtmäßiges Handeln auch klageweise durchsetzen können, besteht eine solche Möglichkeit für die Aktionäre einer Aktiengesellschaft nicht. Eine bedeutsame Ausnahme stellt in diesem Zusammenhang die Gesellschafterklage wegen Ansprüchen der Gesellschaft (''actio pro socio ''bzw.'' pro societate'') dar. In diesen Fällen kann das einzelne Verbandsmitglied trotz Bestehens einer Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis anderer Gesellschaftsorgane die Gesellschaft selbst bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche vertreten. Die Gesellschafterklage wegen Ansprüchen der Gesellschaft ist dabei streng von Gesellschafterklagen aus eigenem Recht zu trennen, bei denen gerade nicht in die Organisationsstruktur des Verbands in Form der Zuordnung von Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnissen an bestimmte Verbandsorgane eingegriffen wird, sondern bei denen der Gesellschafter einen ihm selbst entstandenen Anspruch geltend macht, der sich nicht in einem bloßen Reflexschaden erschöpfen darf.


Nicht ausdrücklich geregelt ist, dass die Entscheidung einen sachlich, räumlich und zeitlich ''konkret bestimmten Einzelfall regelt'', im Gegensatz zur abstrakten Regelung einer Verordnung oder Richtlinie. Allerdings kann eine staatengerichtete Entscheidung, die im Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaat eine Einzelfallregelung darstellt, im mitgliedstaatlichen Recht durchaus normative (richtlinienähnliche) Wirkung haben, z.B. im Falle der Billigungsentscheidung nach Art. 95(6) EG/‌114(6) AEUV. Allgemein soll es für die Abgrenzung darauf ankommen, ob die Maßnahme darauf gerichtet ist, Rechtsvorschriften anzugleichen (Richtlinie) oder das tatsächliche Verwaltungshandeln in den Mitgliedstaaten zu beeinflussen (Entscheidung).
Einer der zentralen Rechtsdurchsetzungsmechanismen für Verbandsmitglieder stellt zudem das Beschlussmängelrecht dar. Die Willensbildung der Gesellschafterversammlung wird durch das Beschlussmängelrecht dahingehend geschützt, dass jede Verletzung des Gesetzes oder der Satzung einer gerichtlichen Kontrolle unterworfen ist. Während schwere Mängel dabei zur Nichtigkeit des Beschlusses führen, ist für die übrigen Mängel die Unwirksamkeit von einer vorherigen gerichtlichen Geltendmachung abhängig. Im Rahmen des Beschlussmängelrechts nimmt dabei das Informationsrecht der Gesellschafter eine besondere Rolle ein, da das Beschlussmängelrecht der zentrale Sanktionsmechanismus für eine unvollständige oder unrichtige Information der Gesellschafter ist.


=== b) Wirkungen ===
=== c) Einfluss des europäischen Privatrechts ===
Entscheidungen haben mit ihrem Inkrafttreten (i.d.R. mit Veröffentlichung im Amtsblatt oder Bekanntgabe, siehe Art. 254(1), (3) EG/‌297(2)(II), (III) AEUV) ''unmittelbare Geltung'', eines Umsetzungsakts bedarf es nicht. Im Einzelnen ist hinsichtlich der Wirkungen zu unterscheiden.
(i) Harmonisierung des nationalen Gesellschaftsrechts. Trotz der umfangreichen Maßnahmen zur Harmonisierung des Gesellschaftsrechts im Binnenmarkt war der Problemkreis der Rechtsdurchsetzung davon bisher kaum betroffen.  


Individualgerichtete Entscheidungen der Kommission z.B. im Wettbewerbsrecht wirken nur ''inter partes.''
Die umfangreichste Regelung findet sich insofern in der Publizitäts-RL (RL 68/‌151), die aber stärker die staatliche Rechtsdurchsetzung in Form der registerrechtlichen Kontrolle betrifft (s.u. 2.b)(i)). Weitere Regelungen betreffend die Durchsetzung mitgliedschaftlicher Rechte enthielt zudem der Vorschlag für eine Fünfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie (Struktur-RL), die vom europäischen Gesetzgeber zwischenzeitlich allerdings aufgegeben wurde. Schließlich hat die Aktionärsrechte-RL (RL 2007/‌‌36) erheblichen Einfluss auf die Durchsetzung mitgliedschaftlicher Rechte bei börsennotierten Gesellschaften. Dabei sind vor allem die Modalitäten der Unterrichtung von Aktionären im Vorfeld der Hauptversammlung etwa in Form der Verpflichtung der Gesellschaft zur Bereitstellung von Unterlagen zur Vorbereitung der Hauptversammlung im Internet betroffen (Art. 4 ff.). Darüber hinaus werden auch die Fragerechte der Aktionäre auf der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts auf der Hauptversammlung insbesondere auch auf elektronischem Wege harmonisiert (Art. 8 ff.). Keine ausdrückliche Regelung enthält die Aktionärsrechte-RL allerdings hinsichtlich der Sanktionen bei einer Verletzung dieser Regelungen durch die Gesellschaft bzw. ihre Vertreter. Insofern werden weitergehende Klagerechte oder andere Formen der Rechtsdurchsetzung für die Verbandsorgane oder deren Mitglieder durch die Aktionärsrechte-RL auch nicht geschaffen.


Staatengerichtete Entscheidungen binden alle staatliche Gewalt des adressierten Mitgliedstaats. Darüber hinaus hat der EuGH auch eine ''unmittelbare Anwendbarkeit'' von staatengerichteten Entscheidungen zugunsten (privater) Dritter anerkannt. Zur Begründung hat er sich – ebenso wie bei der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien auf den ''effet utile'' sowie den Missbrauchseinwand (''estoppel''<nowiki>) gestützt. Ebenso wie bei Richtlinien setzt die unmittelbare Wirkung von Entscheidungen voraus, dass die „Bestimmung&nbsp;[…] nach Rechtsnatur, Systematik und Wortlaut geeignet ist, unmittelbare Wirkungen in den Rechtsbeziehungen zwischen dem Adressaten der Handlung und Dritten zu begründen“ (und eine etwa eingeräumte „Befolgungsfrist“ abgelaufen ist; EuGH Rs.&nbsp;9/‌70 – </nowiki>''Grad'', Slg. 1970, 825, Rn.&nbsp;6 und 10).
Die Harmonisierungsbemühungen des europäischen Gesetzgebers konzentrieren sich in einer Reihe von Richtlinien zunehmend auf die Verantwortlichkeit von Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorganen von börsennotierten Gesellschaften. So normieren etwa Art.&nbsp;50c Jahresabschluss-RL (RL&nbsp;78/‌660) und Art.&nbsp;7 Transparenz-RL (RL&nbsp;2004/‌109) eine Verantwortlichkeit für die Aufstellung bzw. Veröffentlichung von Unternehmensabschlüssen.


=== c) Rechtsschutz ===
Die vor allem auf dem Gebiet des Kartellrechts (Weißbuch der Kommission „Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“, KOM (2008) 165 endg.) und des Verbraucherschutzrechts zunehmende Debatte über die Schaffung einer kollektiven Durchsetzungsmöglichkeit für Geschädigte sind bisher auf dem Gebiet des Europäischen Gesellschaftsrechts nicht weiter fortgeschritten.  
Über die Aufhebung von Entscheidungen ist mit Rücksicht auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit, den begünstigenden oder belastenden Charakter und, damit zusammenhängend, die Schutzwürdigkeit eines Vertrauens auf den Bestand zu entscheiden. Eine rechtmäßige begünstigende Entscheidung kann danach grundsätzlich nicht ''ex tunc'' oder ''ex nunc'' widerrufen werden. Die Rücknahme von rechtswidrigen Entscheidungen ist hingegen innerhalb einer angemessenen Frist grundsätzlich möglich; für die Zukunft kann eine rechtswidrige begünstigende Entscheidung stets zurückgenommen werden.


Der Adressat (Mitgliedstaat oder Einzelner), im Einzelfall auch ein Dritter (z.B. Mitgliedstaat oder Konkurrent), kann eine Entscheidung mit der Nichtigkeitsklage nach Art.&nbsp;230(2) bzw. (4) EG/‌263(2) bzw. (4) AEUV anfechten.
(ii)&nbsp;Supranationale Gesellschaften. Die bisherigen supranationalen Gesellschaftsformen ([[Gesellschaftsrecht]]) der [[Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung|Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV)]], der [[Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea)|Europäischen Aktiengesellschaft (SE – ''Societas Europaea'']]) und der [[Europäische Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea)|Europäischen Genossenschaft (SCE – ''Societas Cooperativa Europaea'')]] enthalten zur Rechtsdurchsetzung durch die jeweilige Organe oder Gesellschafter kaum (eigene) Vorschriften, so dass entsprechend das nationale Recht des Sitzstaates für Fragen des Beschlussmängelrechts, der Intraorganstreitigkeiten bzw. Organstreitigkeiten<nowiki> und der Klagen der Gesellschafter zur Anwendung kommt (Art.&nbsp;2 Abs.&nbsp;1 EWIV-VO [VO&nbsp;2137/‌85], Art.&nbsp;9 SE-VO [VO&nbsp;2157/‌2001], Art.&nbsp;8 SCE-VO [VO&nbsp;1435/‌2003]). Auch das an sich auf eine Anwendung nationalen Rechts verzichtende Statut der </nowiki>geplanten [[Europäische Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea)|Europäischen Privatgesellschaft]] (SPE –''Societas Privata Europaea'') enthält keine direkten Durchsetzungsmechanismen für die Organe oder die Gesellschafter. Insofern bleibt es für die Durchsetzung – die Begründung eines klagbaren Anspruchs durch das SPE-Statut vorausgesetzt – bei der Anwendung nationalen Rechts.


== 3. Empfehlung und Stellungnahme ==
(iii)&nbsp;Europäisches Zivilprozess- und Insolvenzrecht. Das [[Europäisches Zivilprozessrecht|europäische Zivilprozessrecht]] regelt die Fragen der Rechtsdurchsetzung im Gesellschaftsrecht nur äußerst sporadisch und meist unzureichend. So enthält die Brüssel&nbsp;I-VO (VO&nbsp;44/‌2001) ([[Zuständigkeit, internationale]]; [[Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen]]) zu den gesellschaftsrechtlichen Klagearten kaum Regelungen. Lediglich Art.&nbsp;22 Nr.&nbsp;2 Brüssel&nbsp;I-VO statuiert einen ausschließlichen Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft oder juristischen Person für Klagen betreffend die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe. Dabei wird allerdings die Frage nach der Bestimmung des Sitzes der Gesellschaft oder juristischen Person bereits dem internationalen Privatrecht des jeweiligen Mitgliedstaates überantwortet. Abgesehen von dieser unvollständigen Zuständigkeitsregelung enthält das europäische Prozessrecht keine weiteren gesellschaftsrechtlichen Regelungen. Insofern bleibt es bei der Anwendung der allgemeinen Vorschriften, die aber aufgrund des meist bestehenden Beklagtengerichtsstandes oftmals keine Verfahrenskonzentration am Sitz der Gesellschaft bewirken und insofern eine entsprechende Rechtsdurchsetzung erschweren.
=== a) Begriffe ===
Empfehlungen und Stellungnahmen ''sind nicht verbindlich'' (Art.&nbsp;249(5) EG/‌288(5) AEUV). Während die Empfehlung grundsätzlich auf eigener Initiative des Organs beruht, erfolgt eine Stellungnahme regelmäßig aufgrund fremder Initiative. Inhaltlich unterscheiden sich die Maßnahmen nach Regelungsintention und &#8209;gehalt. Die Empfehlung legt dem Adressaten ein bestimmtes Verhalten nahe (Verhaltenssteuerung), die Stellungnahme ist eine politische oder sachverständige Meinungsäußerung.  


Die ''Empfehlung ''<nowiki>ist in einigen Bereichen des Gemeinschaftsrechts als ausschließliche Handlungsform vorgesehen (z.B. Art.&nbsp;33(2) EG/‌60(2) AEUV, 77(3) EG/‌97(3) AEUV). Im Übrigen verwenden Rat und Kommission die Empfehlung öfter, wenn Zweifel an der Kompetenz bestehen oder eine verbindliche Rechtsangleichung ausgeschlossen ist (Art.&nbsp;149(4) EG/‌165(4) AEUV, Art.&nbsp;150(4) EG/‌166(4) AEUV [der nunmehr die Empfehlung ausdrücklich aufnimmt], Art.&nbsp;151(5) EG/‌167(5) AEUV, Art.&nbsp;152(4)2 EG/‌168(6) AEUV), aber auch um eine (vielleicht zunächst politisch noch nicht durchsetzbare) verbindliche Regelung vorzubereiten (vgl. auch Art.&nbsp;96&nbsp;f. EG/‌116&nbsp;f. AEUV). Eine </nowiki>''Stellungnahme''<nowiki> ist in verschiedenen Fällen Prozessvoraussetzung (mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission, Art. 226(1) EG/‌/‌258(1) AEUV, Art.&nbsp;227(3) EG/‌259(3) AEUV und Art.&nbsp;228(2)(II) EG/‌in Art.&nbsp;260(2) AEUV ist diese Voraussetzung entfallen) oder vorbereitende Mitwirkung eines Organs im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens (z.B. Stellungnahme des Parlaments nach Art.&nbsp;251(2) EG/‌‌294(3) AEUV [dort: „Standpunkt“]; der Kommission nach Art.&nbsp;195(4) EG/‌228(4) AEUV, Art. 251(2)(II)(c) EG/‌294(7)(c) AEUV; des Wirtschafts- und Sozialausschusses nach Art.&nbsp;262 EG/‌304 AEUV; des Ausschusses der Regionen nach Art.&nbsp;265 EG/‌307 AEUV; der EZB nach Art.&nbsp;110(1) 3.&nbsp;Spiegelstrich EG/‌132(1) 3.&nbsp;Spiegelstrich AEUV).</nowiki>
Ähnlich verhält es sich auch im Rahmen des europäischen Insolvenzrechts ([[Insolvenz, grenzüberschreitende]]). Die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO, VO&nbsp;1346/‌2000) enthält für die Insolvenz von Gesellschaften oder juristischen Personen keinerlei gesonderte Regelungen, so dass insofern die auch auf natürliche Personen geltenden Vorschriften zur Anwendung kommen. Lediglich bei der Zuständigkeit enthält Art.&nbsp;3(1)2 EuInsVO eine Sonderregelung in Form einer widerlegbaren Vermutung des Bestehens des Mittelpunkts seiner hauptsächlichen Interessen (''Center of Main Interest ''<nowiki>[COMI]</nowiki>'')'' am Satzungssitz der Gesellschaft bzw. der juristischen Person. Der EuGH hat den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen in der ''Eurofood''-Entscheidung (EuGH Rs.&nbsp;C-341/‌04, Slg. 2006, I-3813) dahingehend konkretisiert, dass dafür objektive und für Dritte feststellbare Kriterien vorliegen müssen, so dass insbesondere bei Konzerntochtergesellschaften der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen nicht ohne weiteres am Sitz der Konzernmuttergesellschaft besteht.


=== b) Kompetenzgrundlage ===
(iv) Einfluss der Grundfreiheiten. Die Grundfreiheiten sind für die Rechtsdurchsetzung von Gesellschaftsrecht durch Verbandsorgane oder Verbandsmitglieder bisher nicht von Bedeutung. Ein Bezugspunkt besteht lediglich hinsichtlich der [[Niederlassungsfreiheit]] dahingehend, dass sowohl für Verbände als auch für deren Mitglieder eine umfassende Mobilität im Binnenmarkt besteht und entsprechende Beschränkungen der Mitgliedstaaten europarechtswidrig und daher nicht anzuwenden sind. Diese Mobilität führt aufgrund der unzureichenden Regelung von gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeiten im Europäischen Zivilprozessrecht oftmals zu einer fehlenden Konzentration der Streitigkeiten am Sitz der Gesellschaft (s.o. 1.c)(iii)).
<nowiki>Auch Empfehlungen und Stellungnahmen sind Maßnahmen der Gemeinschaft, für die das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung des Art.&nbsp;5(1) EG/‌5(1)1 EU (2007) gilt. Dabei wird die Ermächtigung zur Empfehlung oder Stellungnahme teils explizit ausgesprochen (z.B. Art. 53(2) EG/‌60(2) AEUV, Art.&nbsp;77(3) EG/‌97(3) AEUV, 99 EG/‌121(4) AEUV, 133(3)(I) EG/‌207(3)(I) AEUV, 149(4) 2.&nbsp;Spiegelstrich/‌165(4) 2.&nbsp;Spiegelstrich AEUV; zur Stellungnahme bereits soeben, a), öfter ist sie von der Ermächtigung zu „Maßnahmen“ oder „Vorschriften“ mit umfasst (z.B. Art.&nbsp;95 EG/‌114 AEUV, Art.&nbsp;150(4) EG/‌166(4) AEUV [jetzt ausdrücklich Empfehlung erwähnt], Art.&nbsp;308 EG/‌352 AEUV). Der Grundsatz der Einzelermächtigung ist allerdings in Art.&nbsp;211 2.&nbsp;Spiegelstrich EG (im AEUV nicht mehr enthalten) durchbrochen, wonach die Kommission Empfehlungen und Stellungnahmen über die im Vertrag genannten Fälle hinaus abgeben kann, „soweit sie es für notwendig erachtet.“ In der Praxis nutzt die Kommission eher den Weg über ebenfalls unverbindliche Mitteilungen.</nowiki>


=== c) Wirkung ===
== 2. Staatliche Rechtsdurchsetzung  ==
Definitionsgemäß nicht verbindlich, entfalten Empfehlung und Stellungnahme gleichwohl auch rechtlich relevante Wirkungen.
Die staatliche Rechtsdurchsetzung im Gesellschaftsrecht erfolgt im Wesentlichen durch die registerrechtliche Kontrolle. Darüber hinaus erfolgt eine zunehmende Durchsetzung gesellschaftsrechtlicher Fragestellungen durch kapitalmarktrechtliche Aufsichtsbehörden ([[Kapitalmarktrecht]]). Auch der [[Abschlussprüfer]] und die staatliche Überwachung seiner Tätigkeit sowie diejenige der von ihm erstellen Abschlüsse gehören hierher


Der ''Empfehlung'' wird zuerst eine „psychologisch-politische Wirkung“ beigelegt. Als nicht verbindliche Handlungsform kann sie für die Einzelnen keine vor den innerstaatlichen Gerichten durchsetzbaren Rechte begründen. Allerdings ist sie nach der Rechtsprechung des EuGH auch „nicht als rechtlich völlig wirkungslos“ anzusehen. Die innerstaatlichen Gerichte sind verpflichtet, bei der Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten die Empfehlungen zu ''berücksichtigen'', und zwar insbesondere, wenn sie (a)&nbsp;Aufschluss über die Auslegung innerstaatlicher Rechtsvorschriften geben, die zu ihrer Durchführung erlassen wurden, oder (b)&nbsp;wenn sie verbindliche gemeinschaftliche Vorschriften ergänzen sollen (EuGH Rs.&nbsp;C-322/‌88 – ''Grimaldi'', Slg. 1989, 4407, Rn.&nbsp;18). ''Berücksichtigen'' bedeutet, dass die Empfehlung in die Erwägung einzubeziehen ist, nicht aber, dass sie befolgt werden müsste. Zudem kann die Empfehlung einen Vertrauenstatbestand begründen, der das erlassende Gemeinschaftsorgan bindet, sich zu ihr nicht in Widerspruch zu setzen.
=== a) Registerrechtliche Kontrolle ===
Bei der registerrechtlichen Kontrolle muss zwischen deklaratorischen und konstitutiven Handelsregistereintragungen unterschieden werden. Das Registergericht prüft aber unabhängig von der Frage des konstitutiven oder deklaratorischen Charakters einer Eintragung zunächst aber immer die förmlichen und materiellen Voraussetzungen einer Eintragung (§&nbsp;12 FGG).  


Entsprechende Wirkungen werden auch der ''Stellungnahme'' beigelegt.
Bei den deklaratorischen Handelsregistereintragungen besteht zwar keine unmittelbare staatliche Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit in Form der Kontrolle durch das Registergericht, allerdings wird eine mittelbare Durchsetzungsmöglichkeit durch die Wirkungen der Registerpublizität erreicht, da sich die Eintragungsverpflichteten gegenüber dem allgemeinen Rechtsverkehr auf eine Änderung der Rechtslage erst berufen können, wenn diese auch im Handelsregister eingetragen wurde. Die zentrale staatliche Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit stellt aber die konstitutive Handelsregistereintragung dar, da der Eintritt der Änderung der Rechtslage von einer Eintragung im Handelsregister und damit von einer vorherigen Prüfung durch das Registergericht abhängt. Vor allem im Recht der Kapitalgesellschaften spielt die Registerkontrolle bei den meisten Gründungsvorgängen und Strukturmaßnahmen eine zentrale Rolle.


=== d) Rechtsschutz ===
=== b) Einfluss des europäischen Privatrechts ===
Empfehlungen und Stellungnahmen sind nach der ausdrücklichen Ausnahme in Art.&nbsp;230(1) EG/‌263(1)1 AEUV kein tauglicher Gegenstand einer Nichtigkeitsklage.
(i)&nbsp;Harmonisierung des nationalen Gesellschaftsrechts. Das Handelsregister wird vor allem durch die Publizitäts-RL adressiert. Dabei beschränkt sich die Publizitäts-RL allerdings auf die Publi-zitätswirkungen von Handelsregistereintragungen, ohne aber selbst zu regeln, in welchem Umfang die Registergerichte die einzutragenden Umstände bzw. einzureichenden Unterlagen auf ihre Richtigkeit überprüfen sollen. Auch die weiteren gesellschaftsrechtlichen Richtlinien enthalten zwar meist einen Verweis auf die Publizitäts-RL hinsichtlich des Offenlegungsverfahrens, der Maßstab der Kontrolle durch das Registergericht ist aber aufgrund einer fehlender Regelung dem nationalen Recht überlassen. So verweist etwa Art.&nbsp;25 Kapitalschutz-RL (RL&nbsp;77/‌‌91) für die Bekanntmachung einer Kapitalerhöhung lediglich auf das Verfahren nach Art.&nbsp;3 Publizitäts-RL.


== 4. Atypische Rechtsakte ==
(ii)&nbsp;Supranationale Gesellschaften. Bei den supranationalen Gesellschaften ist eine Kontrolle durch die Registergerichte bei der Gründung der Gesellschaft – insbesondere hinsichtlich der Anwendung der Mitbestimmungsregeln bei der Europäischen Aktiengesellschaft und der Europäischen Genossenschaft – und bei ihrer (sofern zugelassen) Sitzverlegung vorgesehen (vgl. für die Europäische Aktiengesellschaft (SE – ''Societas Europaea'') Art.&nbsp;8(8) und 9, 15&nbsp;ff. SE-VO; für die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) Art.&nbsp;14(2) EWIV-VO; für die Europäische Genossenschaft (SCE – ''Societas Cooperativa Europaea'') Art.&nbsp;7 Abs.&nbsp;8, 11(2), 17&nbsp;ff. SCE-VO). Das gleiche gilt auch für das Statut der geplanten Europäischen Privatgesellschaft (SPE – ''Societas Privata Europaea'') nach deren Art.&nbsp;10(4)(a). Für die übrigen Verfahren wird für die supranationalen Gesellschaftsformen auf das in der Publizitäts-RL geregelte Verfahren verwiesen.
=== a) Beschlüsse ===
Im EG-Vertrag/‌AEUV wird öfter die Handlungsform des Beschlusses genannt. Praktische Bedeutung haben Beschlüsse v.a. für Organisationsakte (Schaffung oder Ausgestaltung von Einrichtungen der Gemeinschaft, s. z.B. Art.&nbsp;225a EG; Art.&nbsp;255(2), 236 AEUV; Ernennungen, siehe wiederum Art.&nbsp;255(2)2 AEUV), für die Annahme von Gemeinschaftsabkommen (Art.&nbsp;300, 310 EG/‌217, 218 AEUV) und für die Abwicklung spezieller gemeinschaftlicher Förder- oder Aktionsprogramme. Auch die Kompetenz für „Regelungen“, „Maßnahmen“, „Bestimmungen“ oder „Vorschriften“ (z.B. Art.&nbsp;12(2) EG/‌18(2) AEUV, Art.&nbsp;18(2) EG/‌21(2) AEUV, Art.&nbsp;93 EG/‌113 AEUV, Art.&nbsp;95(1)2 EG/‌114(1)2 AEUV, Art.&nbsp;150(4) EG/‌166(4) AEUV und Art.&nbsp;308 EG/‌352(1)1 AEUV) kann ein Vorgehen im Wege des Beschlusses ermöglichen.  


<nowiki>Beschlüsse sind Rechtsakte mit normativem Charakter und allgemeiner Tragweite, die (in Abgrenzung zur Richtlinie und Entscheidung [oben 2.</nowiki>]) nicht an einen bestimmten Adressaten gerichtet sind und (in Abgrenzung zur Verordnung) keine unmittelbare Geltung für die oder in den Mitgliedstaaten haben, sondern nur für die Gemeinschaft und ihre Einrichtungen Bindungswirkung entfalten, hier allerdings keiner weiteren Umsetzung bedürfen. Ob ein für die Gemeinschaft und ihre Einrichtungen verbindlicher Beschluss vorliegt oder nur eine unverbindliche Entschließung (zu ihr sogleich&nbsp;b)), ist im Einzelfall nach dem Rechtsbindungswillen des erlassenden Organs zu bestimmen.
(iii)&nbsp;Europäisches Prozessrecht. Das Eintragungsverfahren bei den Handelsregistern unterfällt als öffentlich-rechtliches Verfahren nicht der Brüssel&nbsp;I-VO. Insofern bleibt es auch hinsichtlich des Zuständigkeitsrechts bei der Anwendung nationalen Rechts.


Über die gemeinschaftsinterne Wirkung hinaus können Beschlüsse im Rahmen der Gemeinschaftstreue nach Art.&nbsp;10 EG/‌4(3) EU (2007) auch Mitgliedstaaten binden, die Verwirklichung des Beschlusses zu fördern. Soweit sie Rechte Einzelner begründen, können diese (nur) vor den Gemeinschaftsgerichten geltend gemacht werden.
Eine Besonderheit besteht zudem im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art.&nbsp;234 EG/‌267 AEUV. Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht für Registergerichte kein Vorlagerecht im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art.&nbsp;234(2) EG/‌267(2) AEUV, da es sich bei Registergerichten nicht um Gerichte i.S.v. Art.&nbsp;234 EG, sondern vielmehr um bloße Verwaltungsbehörden handeln soll (EuGH Rs.&nbsp;C-86/‌00 ''HSB-Wohnbau GmbH'', Slg. 2001, I-5353, 5360; EuGH Rs.&nbsp;C-447/‌00 – ''Holto Ltd''., Slg. 2002, I-735, 744). Diese Beschränkung des Vorlagerechts verhindert eine effektive Durchsetzung des Europäischen Gesellschaftsrechts, da eine Reihe von Auslegungs- und Anwendungsfragen des harmonisierten Rechts sich typischerweise im Zusammenhang mit einer registerrechtlichen Kontrolle stellen.
 
=== b) Entschließungen ===
Öfter bedienen sich die Gemeinschaftsorgane der im Vertrag nicht benannten Form der Entschließung. Sie wird meist verwendet, um umstrittene Politikfelder zu erschließen oder in einem Frühstadium (noch vor der Empfehlung) eine Gemeinschaftstätigkeit oder Rechtsetzung vorzubereiten. Die Entschließung ist damit primär eine Form politischer Willensäußerung, kann aber durchaus auch normative Elemente aufweisen, wie sich daran zeigt, dass man sie (etwa für Beitrittsfälle) dem ''acquis communautaire'' zurechnet.
 
Im Grundsatz ist die Entschließung nicht verbindlich. Selbstverständlich kann sie bindendes Primär- oder Sekundärrecht nicht derogieren. Sie erzeugt aber grundsätzlich auch keine Selbstbindung des aussprechenden Organs, sich entschließungsgemäß zu verhalten. Ungeachtet dessen kann die Entschließung als „Handlung“ eines Gemeinschaftsorgans die Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinschaftstreue (Art.&nbsp;10 EG/‌4(3) EU (2007)) binden. Rechte und Pflichten Einzelner begründet sie nicht, mangels Selbstbindung grundsätzlich auch nicht i.V.m. dem Grundsatz des Vertrauensschutzes.
 
=== c) Gemeinschaftsinterne Rechtsakte ===
Als gemeinschaftsinterne Rechtsakte kann man interinstitutionelle Vereinbarungen sowie Organisationsakte bezeichnen.
 
''Interinstitutionelle Vereinbarungen''<nowiki> haben sich in der Gemeinschaftspraxis entwickelt. Sie werden im EG-Vertrag punktuell vorausgesetzt (Art.&nbsp;193(3) EG/‌226(3) AEUV, Art.&nbsp;195(4) EG [abweichend in Art.&nbsp;228(4) AEUV: „durch Verordnungen“], Art.&nbsp;218(1) EG/‌295 S.&nbsp;1 AEUV [um das „Europäische Parlament“ erweitert], 248(3)(III)1 EG/‌287(3)(III)1 AEUV, Art.&nbsp;272(9)(V) EG [nicht mehr im AEUV]) </nowiki>und in Art.&nbsp;295 S.&nbsp;2 AEUV ausdrücklich als Form der Zusammenarbeit der Organe Parlament ([[Europäisches Parlament]]), Rat ([[Rat und Europäischer Rat]]), Kommission ([[Europäische Kommission]]) – anerkannt. Interinstitutionelle Vereinbarungen dienen dazu, die Zusammenarbeit bei der Anwendung des EG-Vertrags zu erleichtern, und sind Ausdruck einer loyalen Zusammenarbeit (Art.&nbsp;10 EG/‌4(3) EU (2007)) der Organe. Sie erfordern grundsätzlich Zustimmung von Kommission, Rat und Parlament. Der EuGH zählt sie als rechtliche Instrumente zum Rechtsquellensystem der Gemeinschaft ([[Rechtsquellen (des europäischen Privatrechts)|Rechtsquellen]]). Im Rang stehen sie jedenfalls unter dem Primärrecht; sie können aber auch nicht vom Sekundärrecht abweichen, dessen Setzung kompetentiell und prozedural spezifisch geregelt ist. Art.&nbsp;295 S.&nbsp;2 AEUV stellt klar, dass interinstitutionelle Vereinbarungen „auch bindenden Charakter haben können“. Bislang geht man davon aus, dass die interinstitutionelle Vereinbarung nur für die Organe und – über den Grundsatz der Gemeinschaftstreue (Art.&nbsp;10 EG/‌4(3) EU (2007)) ggf. für die Mitgliedstaaten eine Bindungswirkung entfalten kann, den Einzelnen bindet eine interinstitutionelle Vereinbarung nicht.
 
''Organisationsakte'' begegnen in unterschiedlicher Form, namentlich als Geschäftsordnungen oder Beschlüsse (zu letzteren oben a)). Gemeinschaftsorgane und andere Gemeinschaftseinrichtungen dürfen sich ''Geschäftsordnungen'' geben: Europäisches Parlament (Art.&nbsp;199(1) EG/‌232(1) AEUV); Rat (Art.&nbsp;207(3) EG; nicht mehr in AEUV, aber in Art.&nbsp;240(1) und (3) AEUV vorausgesetzt); Kommission (Art.&nbsp;218(2) EG/‌‌249(1) AEUV); Rechnungshof (Art.&nbsp;248(4)(V) EG/‌‌287(4)(V) AEUV, jeweils mit Genehmigungserfordernis); Wirtschafts- und Sozialausschuss (Art.&nbsp;260(2) EG/‌303(2) AEUV); Ausschuss der Regionen (Art.&nbsp;264(2) EG/‌306(2) AEUV); darüber hinaus in Art.&nbsp;15(3)(III) AEUV für alle Organe, Einrichtungen und Stellen vorausgesetzt. Im Rang stehen die Geschäftsordnungen unter dem Primär- und Sekundärrecht. Rechtswirkungen nach außen hat der Gerichtshof auf unterschiedlichem Wege begründet. So können Formvorschriften als wesentlich i.S.v. Art.&nbsp;230(2) EG/‌‌263(2) AEUV qualifiziert werden. Der Einzelne kann die Verletzung indes nur rügen, wenn die Verfahrens- oder Formvorschrift ausdrücklich oder der Sache nach seinem Schutz zu dienen bestimmt ist.
 
=== d) Informatorische Instrumente ===
Insbesondere im Wettbewerbs- und Beihilferecht verwendet die Kommission verschiedene informatorische Instrumente (z.B. Mitteilungen, Bekanntmachungen, Leitlinien, Verhaltenskodizes). Darin fasst sie etwa ihre Entscheidungspraxis oder Auslegung der einschlägigen Vorschriften zusammen mit dem Ziel, über die Formulierung von Rechtsanwendungs- und Ermessensausübungsregeln die Verwaltungspraxis zu steuern, die Rechtsunterworfenen über die Verwaltungstätigkeit zu informieren und dadurch zur Rechtssicherheit beizutragen. Durch diese Funktionen unterscheidet sich das informatorische Handeln von Empfehlung und Stellungnahme.
 
Diese informatorischen Instrumente sind grundsätzlich unverbindlich und können jederzeit aktualisiert oder geändert werden. Lediglich über den Grundsatz der Gleichbehandlung und den Grundsatz des Vertrauensschutzes kann (bei Beurteilungsspielraum oder Ermessen) eine Selbstbindung begründet werden. Gegenüber den Mitgliedstaaten können sie jedenfalls ohne deren Zustimmung nicht verbindlich werden.
 
=== e) Erklärungen ===
Gelegentlich geben Gemeinschaftsorgane oder auch Mitgliedstaaten (Protokoll&#8209;)Erklärungen ab, mit denen sie ihre Vorstellungen von der Auslegung eines bestimmten Gemeinschaftsrechtsaktes ausdrücken. Solche Erklärungen können im Einzelfall für die (historische) Auslegung von Bedeutung sein, soweit sie im Wortlaut des betroffenen Rechtsaktes Niederschlag gefunden haben.
 
=== f) Rechtsschutz ===
Nach st.&nbsp;Rspr. des EuGH hängt die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung im Verfahren des Art.&nbsp;230 EGV/‌263 AEUV nicht von ihrer Form, sondern allein von ihrem rechtswirksamen Inhalt ab. Entfaltet daher ein atypischer Rechtsakt Rechtswirkungen, kann er angefochten werden (von nicht privilegiert Klagebefugten nach Art. 230(4) EG/‌263 AEUV freilich nur unter der Voraussetzung, dass der Kläger durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffen ist).
 
== 4. Vertrag von Lissabon ==
Der Vertrag von Lissabon erweitert den Anwendungsbereich von Art.&nbsp;249 EG/‌288 AEUV durch die „Vergemeinschaftung“ von Bereichen des Unionsrechts (s. Art.&nbsp;74, 82(1), 87(2) AEUV), ändert aber an den Handlungsformen der (dort so bezeichneten) Union grundsätzlich nichts. Anders als noch im Entwurf des Verfassungsvertrags vorgesehen, werden auch die Bezeichnungen grundsätzlich beibehalten. „Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union nehmen die Organe Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen an“ (Art.&nbsp;288(1) AEUV). Eine Änderung ergibt sich lediglich im Hinblick auf „Beschlüsse“, die den früheren Rechtsakt der „Entscheidung“ ersetzen.
 
„Beschlüsse“ i.S.v. Art.&nbsp;288(4) AEUV „sind in allen ihren Teilen verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten gerichtet, so sind sie nur für diese verbindlich.“ Damit umfassen Beschlüsse einerseits als adressatengerichtete Beschlüsse die bisherigen Entscheidungen; inhaltliche Änderungen dürften damit nicht verbunden sein. Als adressatenlose Beschlüsse umfassen sie bestimmte Formen bisher atypischer Rechtsakte (insbesondere Beschlüsse i.S.d. bisherigen Diktion, oben 4.a)).
 
Darüber hinaus soll Art.&nbsp;295 AEUV die Befugnis klarstellen, interinstitutionelle Vereinbarungen zu schließen, auch mit bindender Wirkung (s.&nbsp;bereits oben 4.c)).
 
Im Übrigen bleibt auch unter dem Vertrag von Lissabon eine Vielzahl atypischer Rechtsakte unbenannt. Da allerdings dem Vertragsgeber die bisherige Gemeinschaftspraxis bekannt war und er sie auch nicht beanstandet hat, ist implizit ihre Zulässigkeit auch im Hinblick auf die übrigen atypischen Rechtsakte bestätigt.


==Literatur==
==Literatur==
''Rosa Greaves'', The nature and binding effect of decisions under Article&nbsp;189 EC, European Law Review 21 (1996) 3&nbsp;ff.; ''Andrea Bockey'', Die Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft, 1998; ''Heike Adam'', Die Mitteilungen der Kommission: Verwaltungsvorschriften des Europäischen Gemeinschaftsrechts?, 1999; ''Bernd Bievert'', Der Missbrauch von Handlungsformen im Gemeinschaftsrecht, 1999; ''Christian Bobbert'', Interinstitutionelle Vereinbarungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2001; ''Ute Mager'', Die staatengerichtete Entscheidung als supranationale Handlungsform, Europarecht 2001, 661&nbsp;ff.; ''Arnim v. Bogdandy'', ''Jürgen Bast'', ''Felix Arndt'', Handlungsformen im Unionsrecht, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 62 (2002) 77&nbsp;ff.; ''Werner Schroeder'', Art.&nbsp;249 EG Rn.&nbsp;26–34 und 132–144, in: Rudolf Streinz (Hg.), EUV/‌EGV, 2003; ''Matthias Vogt'', Die Entscheidung als Handlungsform des EG-Rechts, 2005.
''Karsten Schmidt'', „Insichprozesse“ durch Leistungsklagen in der Aktiengesellschaft, Zeitschrift für den Zivilprozess 92 (1979) 212&nbsp;ff.; ''Peter Hommelhoff'', Der aktienrechtliche Organstreit. Vorüberlegungen zu den Organkompetenzen und ihrer gerichtlichen Durchsetzbarkeit, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht 143 (1979) 288&nbsp;ff.; ''Ludwig Häsemeyer'', Der interne Rechtsschutz zwischen Organen, Organmitgliedern und Mitgliedern der Kapitalgesellschaft als Problem der Prozeßführungsbefugnis, Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht 144 (1980) 265&nbsp;ff; ''Barbara Grunewald'', Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und GmbH, 1990; ''Klaus Gerd Krieger'', Aktionärsklage zur Kontrolle des Vorstands- und Aufsichtsratshandelns, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht 163 (1999) 343&nbsp;ff.; ''Martin Schwab'', Das Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 2005; ''Klaus J. Hopt'' (Hg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005; ''Sebastian Mock'', Die actio pro socio im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 72 (2008) 264&nbsp;ff.


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Version vom 8. September 2021, 12:35 Uhr

von Heribert Hirte

Das Gesellschaftsrecht als das Recht der privaten Zweckverbände ist hinsichtlich der Problematik der Rechtsdurchsetzung von einem Dualismus der Durchsetzung durch die Verbandsorgane und durch dessen Mitglieder geprägt (siehe 1.). Dazu treten noch die Interessen der Öffentlichkeit an einer Rechtsdurchsetzung, die durch umfangreiche (zusätzliche) staatliche Durchsetzungsmechanismen verwirklicht werden (siehe 2.).

1. Private Rechtsdurchsetzung

Das Gesellschaftsrecht wird von mehrseitigen Rechtsbeziehungen geprägt. Dabei geht es neben der Durchsetzung durch die Verbandsorgane (siehe a) vor allem auch um eine Rechtsdurchsetzung durch die Verbandsmitglieder (siehe b).

a) Rechtsdurchsetzung durch Verbandsorgane

Die Rechtsdurchsetzung durch die Verbandsorgane findet sich in Form von Intraorganstreitigkeiten und Organstreitigkeiten. Während es bei Intraorganstreitigkeiten um die Durchsetzung rechtmäßigen Verhaltens gegenüber Mitgliedern desselben Organs geht, steht bei Organstreitigkeiten die Durchsetzung rechtmäßigen Verhaltens gegenüber einem anderen Organ im Vordergrund. Einen Sonderfall der Rechtsdurchsetzung durch Verbandsorgane bilden die Ausschlussklagen des Verbands gegen einzelne Verbandsmitglieder, für die im Allgemeinen ein wichtiger Grund notwendig ist.

b) Rechtsdurchsetzung durch die Mitglieder des Verbands

Weitaus größere Bedeutung hat allerdings die Rechtsdurchsetzung durch die Mitglieder des Verbands. Diese Rechtsdurchsetzung steht dabei in einem Spannungsverhältnis zur Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der jeweiligen Gesellschafterorgane, die im Rahmen dieser Befugnis auf die Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns und des Handelns des Verbands verpflichtet sind. Die Möglichkeit der Durchsetzung eines allgemeinen rechtmäßigen Handelns durch die Verbandsmitglieder ist dabei rechtsformabhängig und entsprechend unterschiedlich ausgestaltet. Während etwa die Gesellschafter einer Personengesellschaft oder einer GmbH rechtmäßiges Handeln auch klageweise durchsetzen können, besteht eine solche Möglichkeit für die Aktionäre einer Aktiengesellschaft nicht. Eine bedeutsame Ausnahme stellt in diesem Zusammenhang die Gesellschafterklage wegen Ansprüchen der Gesellschaft (actio pro socio bzw. pro societate) dar. In diesen Fällen kann das einzelne Verbandsmitglied trotz Bestehens einer Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis anderer Gesellschaftsorgane die Gesellschaft selbst bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche vertreten. Die Gesellschafterklage wegen Ansprüchen der Gesellschaft ist dabei streng von Gesellschafterklagen aus eigenem Recht zu trennen, bei denen gerade nicht in die Organisationsstruktur des Verbands in Form der Zuordnung von Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnissen an bestimmte Verbandsorgane eingegriffen wird, sondern bei denen der Gesellschafter einen ihm selbst entstandenen Anspruch geltend macht, der sich nicht in einem bloßen Reflexschaden erschöpfen darf.

Einer der zentralen Rechtsdurchsetzungsmechanismen für Verbandsmitglieder stellt zudem das Beschlussmängelrecht dar. Die Willensbildung der Gesellschafterversammlung wird durch das Beschlussmängelrecht dahingehend geschützt, dass jede Verletzung des Gesetzes oder der Satzung einer gerichtlichen Kontrolle unterworfen ist. Während schwere Mängel dabei zur Nichtigkeit des Beschlusses führen, ist für die übrigen Mängel die Unwirksamkeit von einer vorherigen gerichtlichen Geltendmachung abhängig. Im Rahmen des Beschlussmängelrechts nimmt dabei das Informationsrecht der Gesellschafter eine besondere Rolle ein, da das Beschlussmängelrecht der zentrale Sanktionsmechanismus für eine unvollständige oder unrichtige Information der Gesellschafter ist.

c) Einfluss des europäischen Privatrechts

(i) Harmonisierung des nationalen Gesellschaftsrechts. Trotz der umfangreichen Maßnahmen zur Harmonisierung des Gesellschaftsrechts im Binnenmarkt war der Problemkreis der Rechtsdurchsetzung davon bisher kaum betroffen.

Die umfangreichste Regelung findet sich insofern in der Publizitäts-RL (RL 68/‌151), die aber stärker die staatliche Rechtsdurchsetzung in Form der registerrechtlichen Kontrolle betrifft (s.u. 2.b)(i)). Weitere Regelungen betreffend die Durchsetzung mitgliedschaftlicher Rechte enthielt zudem der Vorschlag für eine Fünfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie (Struktur-RL), die vom europäischen Gesetzgeber zwischenzeitlich allerdings aufgegeben wurde. Schließlich hat die Aktionärsrechte-RL (RL 2007/‌‌36) erheblichen Einfluss auf die Durchsetzung mitgliedschaftlicher Rechte bei börsennotierten Gesellschaften. Dabei sind vor allem die Modalitäten der Unterrichtung von Aktionären im Vorfeld der Hauptversammlung etwa in Form der Verpflichtung der Gesellschaft zur Bereitstellung von Unterlagen zur Vorbereitung der Hauptversammlung im Internet betroffen (Art. 4 ff.). Darüber hinaus werden auch die Fragerechte der Aktionäre auf der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts auf der Hauptversammlung insbesondere auch auf elektronischem Wege harmonisiert (Art. 8 ff.). Keine ausdrückliche Regelung enthält die Aktionärsrechte-RL allerdings hinsichtlich der Sanktionen bei einer Verletzung dieser Regelungen durch die Gesellschaft bzw. ihre Vertreter. Insofern werden weitergehende Klagerechte oder andere Formen der Rechtsdurchsetzung für die Verbandsorgane oder deren Mitglieder durch die Aktionärsrechte-RL auch nicht geschaffen.

Die Harmonisierungsbemühungen des europäischen Gesetzgebers konzentrieren sich in einer Reihe von Richtlinien zunehmend auf die Verantwortlichkeit von Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorganen von börsennotierten Gesellschaften. So normieren etwa Art. 50c Jahresabschluss-RL (RL 78/‌660) und Art. 7 Transparenz-RL (RL 2004/‌109) eine Verantwortlichkeit für die Aufstellung bzw. Veröffentlichung von Unternehmensabschlüssen.

Die vor allem auf dem Gebiet des Kartellrechts (Weißbuch der Kommission „Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“, KOM (2008) 165 endg.) und des Verbraucherschutzrechts zunehmende Debatte über die Schaffung einer kollektiven Durchsetzungsmöglichkeit für Geschädigte sind bisher auf dem Gebiet des Europäischen Gesellschaftsrechts nicht weiter fortgeschritten.

(ii) Supranationale Gesellschaften. Die bisherigen supranationalen Gesellschaftsformen (Gesellschaftsrecht) der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), der Europäischen Aktiengesellschaft (SE – Societas Europaea) und der Europäischen Genossenschaft (SCE – Societas Cooperativa Europaea) enthalten zur Rechtsdurchsetzung durch die jeweilige Organe oder Gesellschafter kaum (eigene) Vorschriften, so dass entsprechend das nationale Recht des Sitzstaates für Fragen des Beschlussmängelrechts, der Intraorganstreitigkeiten bzw. Organstreitigkeiten und der Klagen der Gesellschafter zur Anwendung kommt (Art. 2 Abs. 1 EWIV-VO [VO 2137/‌85], Art. 9 SE-VO [VO 2157/‌2001], Art. 8 SCE-VO [VO 1435/‌2003]). Auch das an sich auf eine Anwendung nationalen Rechts verzichtende Statut der geplanten Europäischen Privatgesellschaft (SPE –Societas Privata Europaea) enthält keine direkten Durchsetzungsmechanismen für die Organe oder die Gesellschafter. Insofern bleibt es für die Durchsetzung – die Begründung eines klagbaren Anspruchs durch das SPE-Statut vorausgesetzt – bei der Anwendung nationalen Rechts.

(iii) Europäisches Zivilprozess- und Insolvenzrecht. Das europäische Zivilprozessrecht regelt die Fragen der Rechtsdurchsetzung im Gesellschaftsrecht nur äußerst sporadisch und meist unzureichend. So enthält die Brüssel I-VO (VO 44/‌2001) (Zuständigkeit, internationale; Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen) zu den gesellschaftsrechtlichen Klagearten kaum Regelungen. Lediglich Art. 22 Nr. 2 Brüssel I-VO statuiert einen ausschließlichen Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft oder juristischen Person für Klagen betreffend die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe. Dabei wird allerdings die Frage nach der Bestimmung des Sitzes der Gesellschaft oder juristischen Person bereits dem internationalen Privatrecht des jeweiligen Mitgliedstaates überantwortet. Abgesehen von dieser unvollständigen Zuständigkeitsregelung enthält das europäische Prozessrecht keine weiteren gesellschaftsrechtlichen Regelungen. Insofern bleibt es bei der Anwendung der allgemeinen Vorschriften, die aber aufgrund des meist bestehenden Beklagtengerichtsstandes oftmals keine Verfahrenskonzentration am Sitz der Gesellschaft bewirken und insofern eine entsprechende Rechtsdurchsetzung erschweren.

Ähnlich verhält es sich auch im Rahmen des europäischen Insolvenzrechts (Insolvenz, grenzüberschreitende). Die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO, VO 1346/‌2000) enthält für die Insolvenz von Gesellschaften oder juristischen Personen keinerlei gesonderte Regelungen, so dass insofern die auch auf natürliche Personen geltenden Vorschriften zur Anwendung kommen. Lediglich bei der Zuständigkeit enthält Art. 3(1)2 EuInsVO eine Sonderregelung in Form einer widerlegbaren Vermutung des Bestehens des Mittelpunkts seiner hauptsächlichen Interessen (Center of Main Interest [COMI]) am Satzungssitz der Gesellschaft bzw. der juristischen Person. Der EuGH hat den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen in der Eurofood-Entscheidung (EuGH Rs. C-341/‌04, Slg. 2006, I-3813) dahingehend konkretisiert, dass dafür objektive und für Dritte feststellbare Kriterien vorliegen müssen, so dass insbesondere bei Konzerntochtergesellschaften der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen nicht ohne weiteres am Sitz der Konzernmuttergesellschaft besteht.

(iv) Einfluss der Grundfreiheiten. Die Grundfreiheiten sind für die Rechtsdurchsetzung von Gesellschaftsrecht durch Verbandsorgane oder Verbandsmitglieder bisher nicht von Bedeutung. Ein Bezugspunkt besteht lediglich hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit dahingehend, dass sowohl für Verbände als auch für deren Mitglieder eine umfassende Mobilität im Binnenmarkt besteht und entsprechende Beschränkungen der Mitgliedstaaten europarechtswidrig und daher nicht anzuwenden sind. Diese Mobilität führt aufgrund der unzureichenden Regelung von gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeiten im Europäischen Zivilprozessrecht oftmals zu einer fehlenden Konzentration der Streitigkeiten am Sitz der Gesellschaft (s.o. 1.c)(iii)).

2. Staatliche Rechtsdurchsetzung

Die staatliche Rechtsdurchsetzung im Gesellschaftsrecht erfolgt im Wesentlichen durch die registerrechtliche Kontrolle. Darüber hinaus erfolgt eine zunehmende Durchsetzung gesellschaftsrechtlicher Fragestellungen durch kapitalmarktrechtliche Aufsichtsbehörden (Kapitalmarktrecht). Auch der Abschlussprüfer und die staatliche Überwachung seiner Tätigkeit sowie diejenige der von ihm erstellen Abschlüsse gehören hierher

a) Registerrechtliche Kontrolle

Bei der registerrechtlichen Kontrolle muss zwischen deklaratorischen und konstitutiven Handelsregistereintragungen unterschieden werden. Das Registergericht prüft aber unabhängig von der Frage des konstitutiven oder deklaratorischen Charakters einer Eintragung zunächst aber immer die förmlichen und materiellen Voraussetzungen einer Eintragung (§ 12 FGG).

Bei den deklaratorischen Handelsregistereintragungen besteht zwar keine unmittelbare staatliche Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit in Form der Kontrolle durch das Registergericht, allerdings wird eine mittelbare Durchsetzungsmöglichkeit durch die Wirkungen der Registerpublizität erreicht, da sich die Eintragungsverpflichteten gegenüber dem allgemeinen Rechtsverkehr auf eine Änderung der Rechtslage erst berufen können, wenn diese auch im Handelsregister eingetragen wurde. Die zentrale staatliche Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit stellt aber die konstitutive Handelsregistereintragung dar, da der Eintritt der Änderung der Rechtslage von einer Eintragung im Handelsregister und damit von einer vorherigen Prüfung durch das Registergericht abhängt. Vor allem im Recht der Kapitalgesellschaften spielt die Registerkontrolle bei den meisten Gründungsvorgängen und Strukturmaßnahmen eine zentrale Rolle.

b) Einfluss des europäischen Privatrechts

(i) Harmonisierung des nationalen Gesellschaftsrechts. Das Handelsregister wird vor allem durch die Publizitäts-RL adressiert. Dabei beschränkt sich die Publizitäts-RL allerdings auf die Publi-zitätswirkungen von Handelsregistereintragungen, ohne aber selbst zu regeln, in welchem Umfang die Registergerichte die einzutragenden Umstände bzw. einzureichenden Unterlagen auf ihre Richtigkeit überprüfen sollen. Auch die weiteren gesellschaftsrechtlichen Richtlinien enthalten zwar meist einen Verweis auf die Publizitäts-RL hinsichtlich des Offenlegungsverfahrens, der Maßstab der Kontrolle durch das Registergericht ist aber aufgrund einer fehlender Regelung dem nationalen Recht überlassen. So verweist etwa Art. 25 Kapitalschutz-RL (RL 77/‌‌91) für die Bekanntmachung einer Kapitalerhöhung lediglich auf das Verfahren nach Art. 3 Publizitäts-RL.

(ii) Supranationale Gesellschaften. Bei den supranationalen Gesellschaften ist eine Kontrolle durch die Registergerichte bei der Gründung der Gesellschaft – insbesondere hinsichtlich der Anwendung der Mitbestimmungsregeln bei der Europäischen Aktiengesellschaft und der Europäischen Genossenschaft – und bei ihrer (sofern zugelassen) Sitzverlegung vorgesehen (vgl. für die Europäische Aktiengesellschaft (SE – Societas Europaea) Art. 8(8) und 9, 15 ff. SE-VO; für die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) Art. 14(2) EWIV-VO; für die Europäische Genossenschaft (SCE – Societas Cooperativa Europaea) Art. 7 Abs. 8, 11(2), 17 ff. SCE-VO). Das gleiche gilt auch für das Statut der geplanten Europäischen Privatgesellschaft (SPE – Societas Privata Europaea) nach deren Art. 10(4)(a). Für die übrigen Verfahren wird für die supranationalen Gesellschaftsformen auf das in der Publizitäts-RL geregelte Verfahren verwiesen.

(iii) Europäisches Prozessrecht. Das Eintragungsverfahren bei den Handelsregistern unterfällt als öffentlich-rechtliches Verfahren nicht der Brüssel I-VO. Insofern bleibt es auch hinsichtlich des Zuständigkeitsrechts bei der Anwendung nationalen Rechts.

Eine Besonderheit besteht zudem im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EG/‌267 AEUV. Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht für Registergerichte kein Vorlagerecht im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234(2) EG/‌267(2) AEUV, da es sich bei Registergerichten nicht um Gerichte i.S.v. Art. 234 EG, sondern vielmehr um bloße Verwaltungsbehörden handeln soll (EuGH Rs. C-86/‌00 – HSB-Wohnbau GmbH, Slg. 2001, I-5353, 5360; EuGH Rs. C-447/‌00 – Holto Ltd., Slg. 2002, I-735, 744). Diese Beschränkung des Vorlagerechts verhindert eine effektive Durchsetzung des Europäischen Gesellschaftsrechts, da eine Reihe von Auslegungs- und Anwendungsfragen des harmonisierten Rechts sich typischerweise im Zusammenhang mit einer registerrechtlichen Kontrolle stellen.

Literatur

Karsten Schmidt, „Insichprozesse“ durch Leistungsklagen in der Aktiengesellschaft, Zeitschrift für den Zivilprozess 92 (1979) 212 ff.; Peter Hommelhoff, Der aktienrechtliche Organstreit. Vorüberlegungen zu den Organkompetenzen und ihrer gerichtlichen Durchsetzbarkeit, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht 143 (1979) 288 ff.; Ludwig Häsemeyer, Der interne Rechtsschutz zwischen Organen, Organmitgliedern und Mitgliedern der Kapitalgesellschaft als Problem der Prozeßführungsbefugnis, Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht 144 (1980) 265 ff; Barbara Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und GmbH, 1990; Klaus Gerd Krieger, Aktionärsklage zur Kontrolle des Vorstands- und Aufsichtsratshandelns, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht 163 (1999) 343 ff.; Martin Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 2005; Klaus J. Hopt (Hg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005; Sebastian Mock, Die actio pro socio im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 72 (2008) 264 ff.