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== 1. Gegenstand und Zweck; Terminologie ==
== 1. Gegenstand und Zweck ==
Unter den Begriff Arbeitsschutz ist grundsätzlich die Summe aller Vorkehrungen und Aktivitäten zu verstehen, die den Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Integrität der Menschen in ihrer Arbeitsumwelt zum Ziel haben. Aufgrund dieses weiten Begriffsfeldes kann das gesamte Arbeitsrecht als Arbeitsschutzrecht verstanden werden, da Arbeitsrecht an sich primär den Schutz des Arbeitnehmers zum Inhalt hat. Ebenso fallen faktische Schutzmaßnahmen wie Schutzbekleidung unter den Begriff Arbeitsschutz. In rechtlicher Hinsicht versteht man unter Arbeitsschutz bzw. Arbeitsschutzrecht ein Teilgebiet des Arbeitsrechts. Das Arbeitsschutzrecht beinhaltet sowohl eine privatrechtliche als auch eine öffentlich-rechtliche Komponente. Die öffentlich-rechtlichen Normen zeichnen sich dadurch aus, dass sie überwiegend Pflichten der Arbeitgeber zum Schutz der Arbeitnehmer statuieren und als zwingendes Recht ausgestaltet sind. In privatrechtlicher Hinsicht ist insbesondere die Verantwortung des Arbeitgebers bei der Gefahrenvorbeugung und Gefahrenevaluierung als Ausdruck seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer zu nennen.
Einen wesentlichen Bestandteil der inhaltlichen Gestaltung von Arbeitsverhältnissen stellt die Festlegung der Arbeitszeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dar, insbesondere deren Lage und Ausmaß. Die privatrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitszeit machen jedoch nur einen quantitativ geringen Teil des dichten normativen Gefüges des Arbeitszeitrechts aus. Die Regelungsmaterie Arbeitszeit wird klassischerweise dem Arbeitsschutzrecht ([[Arbeitsschutz]]) zugeordnet und ist dementsprechend stark öffentlich-rechtlich geregelt.  


Das Gemeinschaftsrecht selbst verwendet den Überbegriff „Arbeitsschutz“ nicht, sondern folgt einer anderen Terminologie. Die für den deutschsprachigen Raum typische Begriffsbestimmung von Arbeitsschutz bzw. Arbeitnehmerschutz ist daher nicht deckungsgleich mit den Kompetenzen und Bestimmungen der Gemeinschaft in diesem Bereich, der auf Gemeinschaftsebene der Sozialpolitik zugeordnet wird (Art. 137 EG/153 AEUV).
Der Reglementierung der Arbeitszeit liegen sowohl gesundheitspolitische, wirtschaftspolitische als auch gesellschaftspolitisch-ethische Aspekte zugrunde, die in einer Wechselwirkung zueinander stehen. Der primäre Zweck des Arbeitszeitrechts liegt im Arbeitnehmerschutz – mit der zeitlichen Begrenzung der Arbeit soll ein gesundheitsschädliches Ausbeuten der Arbeitskraft verhindert werden. In diesem Zusammenhang steht auch die gesellschaftspolitische Intention, dem Arbeitnehmer Freiraum bzw. Freizeit zu gewähren, in der er die Möglichkeit hat, am kulturellen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und seinen Interessen nachzugehen. Die Gestaltung der Arbeitszeit spielt in der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ebenfalls eine große Rolle.


Das (innerstaatliche) Arbeitsschutzrecht lässt sich klassischerweise in zwei Teilbereiche gliedern, nämlich den technischen Arbeitnehmerschutz und den sozialen Arbeitnehmerschutz. Der technische Arbeitnehmerschutz umfasst eine ganze Brandbreite an unterschiedlichen Regelungsmaterien mit abgestufter Regelungsintensität. Technischer Arbeitsschutz i.e.S. umfasst jene Vorschriften, die auf das betriebliche Geschehen Einfluss nehmen. Hierzu zählen Schutzmaßnahmen und ‑vorkehrungen, die von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Arbeit einzuhalten sind (bei Einsatz von Geräten, Maschinen, Gefahrenstoffe, etc.); die Gestaltung der Arbeitsstätten und ‑plätze (z.B. Bildschirmarbeit); medizinische und technische Vorbeugungs- und Überwachungsmaßnahmen (z.B. Arbeitsmediziner); schließlich Einschulungs- und Informationsrechte bzw. ‑pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Einen mittelbaren technischen Arbeitsschutz stellen überdies jene Vorschriften dar, welche die Abläufe, die Herstellung und die Vermarktung von Produkten und Gefahrenstoffen normieren (z.B. Kennzeichnung und Verpackung). Dagegen wird dem sozialen Arbeitsschutz das Arbeitszeitrecht ([[Arbeitszeit]]) sowie Schutzbestimmungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen, die von Gesetzes wegen als besonders schutzbedürftig gelten, zugeordnet. Beispiele für besonders schutzbedürftige Arbeitnehmergruppen sind Schwangere, Mütter, Kinder und Jugendliche und behinderte Personen. Dieser Teil des Arbeitsschutzes wird in der österreichischen Rechtssprache auch Verwendungsschutz genannt.
Die Präventivwirkung des Arbeitzeitrechts ist nicht nur auf individueller Ebene von Bedeutung, sondern verhindert auch gesamtgesellschaftliche und volkswirtschaftliche Schäden, die durch übermäßige Inanspruchnahme der Arbeitnehmer ausgelöst werden. Derartige Schäden verursachen auch für die Volkswirtschaft enorme Kosten, da es zu Arbeitsausfällen und zur Überwälzung des finanziellen Risikos auf Sozialversicherungssysteme kommt (z.B. Arbeitsunfälle; Frühpensionierungen wegen Arbeitsunfähigkeit, etc.).  


Der Arbeitsschutz bezweckt primär die Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers und dritter Personen, wofür die Gefahrenevaluierung von großer Bedeutung ist. Aufgrund dieser Präventivwirkung hat der Arbeitsschutz auch mittelbar Einfluss auf die Folgen von Arbeitsunfällen. Neben dieser persönlichen Betroffenheit der Arbeitnehmer sind aber auch die ökonomischen Belastungen nicht nur des Arbeitnehmers, sondern auch des Sozialsystems zu nennen. Schließlich sollen auch der Schutz kulturellen Traditionen sowie der religiösen Überzeugung der Arbeitnehmer und die menschengerechte Gestaltung der Arbeitsumwelt gesichert werden. Eine Harmonisierung des Arbeitsschutzes in der Gemeinschaft soll des Weiteren einen schädlichen Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten verhindern, denn Unterschiede in den nationalen Rechtsordnungen können zu einer Konkurrenz führen, die zu Lasten des Arbeitsschutzes geht.  
Das Arbeitszeitrecht dient gleichzeitig als wirtschaftspolitisches Instrument zur Steuerung und Förderung des Beschäftigungsniveaus. In diesem Zusammenhang ist v.a. die Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit zu nennen. Im internationalen Kontext spielt die Ausgestaltung des Arbeitszeitrechts für die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftsstandorten ein bedeutende Rolle und fließt dementsprechend in die Diskussion über Arbeitzeitflexibilisierung mit ein. Auf nationaler Ebene ist zu beachten, dass zwingend ausgestaltete Arbeitzeitnormen gleiche Rahmenbedingungen für Unternehmen im Wettbewerb gewährleisten sollen.  


== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
== 2. Terminologie  ==
Arbeitsschutz bzw. das Arbeitsschutzrecht stellt den ältesten Teil des heutigen Arbeitsrechts dar. Die Entwicklung des modernen Arbeitsschutzes hat im 19. Jahrhundert seinen Ausgang genommen und war durch die zunehmende Industrialisierung und die damit einhergehenden Risiken für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer bedingt.  
Unter dem Begriff „Arbeitszeit“ ist grundsätzlich jene Zeitspanne zu verstehen, in der der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber für die Erbringung seiner Arbeitsleistung zur Verfügung steht. Darin kommt das Wesensmerkmal des Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck, nämlich die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers. Das Gegenstück zur Arbeitszeit stellen die so genannten Ruhezeiten dar, in der der Arbeitnehmer wieder frei über seine („Frei“‑)Zeit verfügen kann. Die weite Definition der Arbeitszeit schafft Abgrenzungsprobleme bei Zwischenformen von Arbeits- und Ruhezeiten. Dazu zählen insbesondere der Bereitschaftsdienst (Arbeitsbereitschaft oder Rufbereitschaft). In der Praxis spielt die Qualifizierung als Arbeitszeit aber nicht nur im Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerschutz eine entscheidende Rolle, sondern ist ebenfalls für die Frage des Entgelts von großer Bedeutung (z.B. Zuschlag für Überstunden).  


Im Wesentlichen handelte es sich um öffentlich-rechtliche Bestimmungen über Begrenzungen der Arbeitszeit, Verbot von Kinderarbeit, Regelungen über Frauenarbeit und dgl., die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die ersten Ansätze von Sozialversicherungssystemen ergänzt wurden.  
Im Gemeinschaftsrecht wird Arbeitszeit als jener Zeitraum definiert, in dem der Arbeitnehmer arbeitet, seinem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Der EuGH legt dieser Definition ein sehr weites Begriffsverständnis zugrunde und hat daher Bereitschaftsdienst, also jene Zeit, in der der Arbeitnehmer sich zur jederzeitigen Arbeitsaufnahme bereit hält, ohne dabei tatsächlich Arbeit zu verrichten, zur Arbeitszeit gerechnet (EuGH Rs. C-303/98 – ''SIMAP'', Slg. 2000, I-7963).


Demgegenüber hat der Arbeitsschutz bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eine untergeordnete Rolle gespielt. Arbeitsschutz wird zwar als Aufgabe der Gemeinschaft genannt, die Mitgliedstaaten konnten sich aber nicht auf eine Rechtsetzungsbefugnis in diesem Bereich einigen. Der Gesundheitsschutz bei der Arbeit sowie die Verhütung von Berufsunfällen und ‑krankheiten wurden zwar in Art. 118 EG a.F. angeführt, aber die Kommission konnte in diesem Bereich allein mittels Untersuchungen, Stellungnahmen und bei der Vorbereitung von Beratungen tätig werden. Das Problem der mangelnden Richtlinienkompetenz ([[Gesetzgebungskompetenz der EG/‌EU]]) wurde mittels Art. 100 EG a.F. (Art. 94 EG/115 AEUV) überspielt, der eine Ermächtigung zur Rechtsangleichung für die Errichtung bzw. das Funktionieren des gemeinsamen Marktes enthielt und als Grundlage für viele Richtlinien herangezogen wurde. Im Wesentlichen wurden Richtlinien auf dem Gebiet der Gefahrenstoffe erlassen, die Harmonisierung im technischen Bereich sowie der betriebliche Arbeitsschutz fielen anfangs gering aus. Mit dem durch die Einheitliche Europäische Akte eingefügten Art. 100a EG a.F. (Art. 95 EG/114 AEUV) hat aber auch die technische Harmonisierung einen Aufschwung genommen.  
== 3. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
In der Entwicklung und Ausbildung des nationalen Arbeitsrechts im Laufe des 19. Jahrhunderts hat gerade die Einführung von gesetzlichen Beschränkungen der Arbeitszeit eine bedeutende Rolle gespielt. Ausschlaggebend für die Einführung von staatlichen Arbeitszeitbestimmungen war zu dieser Zeit aber weniger der sozialpolitisch motivierte Arbeitnehmerschutz, sondern vielmehr das politische Interesse des Staates am Erhalt der Wehrfähigkeit der jungen Männer.  


Mit der Einheitlichen Europäischen Akte wurde ebenfalls Art. 118a a.F. (Art. 137 EG/153 AEUV) in den EG eingeführt, der nun als normative Grundlage für Regelungen im Bereich des Arbeitsschutzes diente. Ziel war die Förderung und Verbesserung der Arbeitsumwelt, um die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen. Vorbild für diese Bestimmung war das skandinavische Konzept der Arbeitsumweltgesetze, das sich auch im ILO-Übereinkommen 155 über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt wieder findet. Damit wurde auch der Grundstein für die Entwicklung einer Sozialunion gelegt. Art. 118a EG a.F. (Art. 137 EG/153 AEUV) war die Basis für eine Vielzahl von Richtlinien, die im Anschluss in rascher Folge erlassen wurden. Die erste umfassende Regelung des Arbeitsschutzes stellt die RL 89/391 vom 12.6.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit dar (sogenannte Arbeitnehmerschutz-Rahmen-RL). Diese Richtlinie stellte wiederum die rechtliche Grundlage für eine Reihe von Einzelrichtlinien dar.  
In den meisten Mitgliedstaaten hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts ein festes Gefüge von normativen Bestimmungen über die Arbeitszeit entwickelt, das sich je nach staatlicher Verfassung und Tradition in unterschiedlicher Weise auf die gesetzlichen und tarifvertraglichen Ebenen erstreckte.  


Im Jahr 1991 wurde das Abkommen über die Sozialpolitik von den Mitgliedstaaten, ausgenommen dem Vereinigten Königreich, unterzeichnet, das sozialpolitische Ziele im Einklang mit der Charta der sozialen Grundrechte aus dem Jahr 1989 festlegte. Das Abkommen war dem Protokoll über Sozialpolitik beigefügt, das nach der Ratifizierung durch das Vereinigte Königreich durch den Vertrag von Amsterdam 1997 in den EG-Vertrag integriert wurde. Rechtsgrundlage des Handelns der Kommission bilden nun die Art. 136 ff. EG/151 ff. AEUV, wonach zur Verbesserung der Arbeitsumwelt zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer Richtlinienvorschläge erstatten werden können. Schließlich ist die GRCh aus dem Jahr 2000 zu erwähnen, die eine Reihe von Arbeitnehmergrundrechten enthält, der jedoch nach herrschender Ansicht keine rechtsverbindliche Wirkung zukommt ([[Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK]]).
Die normative Gestaltung des Arbeitszeitrechts auf europäischer Ebene hat dagegen vergleichsweise spät eingesetzt. Ursprünglich bestand die Zielsetzung im Gemeinschaftsrecht v.a. in der Schaffung des freien Wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten; die Harmonisierung des nationalen Arbeits- und Sozialrechts war dagegen von untergeordneter Bedeutung, sogar unerwünscht. Daher wurden in den Gründungsverträgen keine entsprechenden generellen Kompetenztatbestände für diese Rechtsbereiche aufgenommen. Dies führte dazu, dass eine Reihe von Rechtsakten sich in Ermangelung einer geeigneten Ermächtigungsgrundlage auf die Art. 48 ff. EG a.F. (Art. 39 ff. EG/45 ff. AEUV) über die Herstellung der [[Arbeitnehmerfreizügigkeit]] sowie die Generalklausel des Art. 100 EG a.F. (Art. 94 EG/115 AEUV) stützen.


Eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Arbeitsschutzes hat die sukzessive Etablierung von behördlichen Strukturen gespielt. Bereits im Jahr 1957 wurde ein Ständiger Ausschuss für Sicherheit in Bergwerken gegründet, dessen Aufgabenbereich schließlich auf die gesamte Arbeitssicherheit erstreckt wurde. Ein weiterer Schritt war die Einrichtung eines Beratenden Ausschusses für Sicherheit, Hygiene und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, der insbesondere im Zusammenhang mit dem Erlass von Richtlinien von Bedeutung war. Parallel dazu erfolgten durch die sozialpolitischen Aktionsprogramme der Kommission ebenfalls entscheidende Weichenstellungen. Die Kommission wird in ihrer Tätigkeit vom Beratenden Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz unterstützt. Daneben wurde ein Wissenschaftlicher Ausschuss für Grenzwerte berufsbedingter Exposition gegenüber chemischer Arbeitsstoffe eingerichtet sowie ein Ausschuss hoher Arbeitsaufsichtsbeamter.  
Das Problem der mangelnden Rechtsgrundlage ([[Gesetzgebungskompetenz der EG/‌EU]]) rückte immer mehr in den Vordergrund der politischen Diskussion. In den 1980er Jahren ist der Arbeitnehmerschutz zusehend in den Mittelpunkt geraten, was schließlich zur Einfügung der Art. 118a(1) und (2) EG a.F. (in Art. 137 EG/153 AEUV) durch die Einheitliche Europäische Akte 1986 führte. Damit wurde die unmittelbare Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane für die Förderung der Arbeitsumwelt begründet, um die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu fördern ([[Arbeitsschutz]]). Ein weiterer entscheidender Schritt war das Abkommen über die Sozialpolitik, das die Rechtsetzungsbefugnis der Gemeinschaft im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts weiter ausbaute und das schließlich von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Dadurch konnte das Abkommen über die Sozialpolitik im Jahr 1997 in den Vertrag von Amsterdam integriert werden (Art. 136 ff. EG/151 ff. AEUV). In diesem Zusammenhang sind auch die Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer aus dem Jahr 1989 sowie die GRCh von 2001 zu nennen, die jedoch nicht rechtsverbindlich sind ([[Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK]]).  


Im Jahr 1994 wurde die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz mit Sitz in Bilbao errichtet. Die Agentur ist für die Erfassung, Analyse und Verbreitung von Informationen zuständig und verfolgt das Ziel, aufgrund ihrer Informationstätigkeit die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu fördern und mitzuhelfen, Arbeitsplätze sicher und produktiv zu gestalten. Überdies wurde eine Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen mit Sitz in Dublin (Irland) ins Leben gerufen. Deren Aufgabe besteht darin, zur Konzipierung und Schaffung besserer Lebens- und Arbeitsbedingungen durch eine Aktion zur Förderung und Verbreitung von Kenntnissen beizutragen.
Als erste umfassende [[Richtlinie]] über die Arbeitszeit wurde die RL 93/104 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (sog. Arbeitszeit-RL) erlassen, die Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung vorsah. In der Folgezeit wurde die Richtlinie wiederholt novelliert und ergänzt, bis schließlich aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit sämtliche Bestimmungen in der RL 2003/88 neu erlassen wurden.  


Arbeitsschutz gehört zu einem der bedeutendsten und am weitesten entwickelten Politikbereichen der Gemeinschaft im Bereich Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, der aufgrund seiner Regelungsdichte und ‑tiefe das nationale Arbeitsrecht der Mitgliedstaaten nachhaltig geprägt hat. Die Richtlinienpolitik der Gemeinschaft ist von einem strategischen Vorgehen geprägt und seit dem Jahr 1987 kontinuierlich ausgebaut worden. Das Programm zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass die Grundsätze des (technischen) Arbeitsschutzes in der Rahmenrichtlinie festgelegt werden und für die konkreten Gefahrenbereiche spezielle Mindestvorschriften in Einzelrichtlinien normiert werden. Diese Einzelrichtlinien werden durch Richtlinien aus dem Bereich des sozialen Arbeitsschutzes ergänzt.  
Die Entwicklung des Arbeitzeitrechts auf europäischer Ebene ist damit bestimmt durch die sukzessive (politische) Etablierung von Ermächtigungsgrundlagen sowie die Ausweitung an Kompetenztatbeständen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes ([[Gesetzgebungskompetenz der EG/‌EU|Gesetzgebungskompetenz der EG]]). Dies zeigt sich auch anhand der Reformen der Arbeitszeit-RL, deren Ermächtigungsgrundlage sich geändert hat und nun auch eine verstärkte Einbindung des Europäischen Parlaments im Gesetzgebungsprozess vorsieht.  


Als Herausforderung für den Gesetzgeber stellt sich der soziale, demographische aber auch technische Wandel. Der sich daraus ergebende Anpassungs- und Weiterentwicklungsbedarf macht den Arbeitsschutz zu einem sehr dynamischen Rechtsgebiet, was sich auch in der Rechtsprechung des [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] widerspiegelt. Die Bedeutung des EuGH in diesem Bereich liegt zwar v.a. in der Kontrolle der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Umsetzung von Richtlinien. Im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren setzt der EuGH aber auch wichtige Impulse für die Rechtsfortbildung, was sich insbesondere im Arbeitszeitrecht zeigt ([[Arbeitszeit]]).
Der europäische Gesetzgeber hat auch Regelungen für „atypische“ Arbeitsverhältnisse geschaffen. In den letzten 25 Jahren haben sich zusehend Arbeitsformen entwickelt, auf die das klassische Arbeitzeitmodell nicht mehr zutrifft. Um den Arbeitnehmer auch in derartigen Situationen ein Mindestmaß an Schutz zu gewährleisten, sind Richtlinien wie die Teilzeit- und Befristungs-RL (RL 97/81 und RL 1999/70) erlassen worden. Daneben finden sich aber auch in anderen Gemeinschafts-Rechtsakten vereinzelt Bestimmungen, die die Arbeitszeit betreffen.  


== 3. Regelungsstrukturen im Einheitsrecht ==
Auf nationaler Ebene lassen sich unterschiedliche Regelungsstrategien in der Arbeitszeit ausmachen. Der Trend geht aber durchwegs dahin, dass die Regelungskompetenz vom Gesetzgeber an die Tarifvertragsparteien, Sozialpartner und sogar auf betriebliche Ebene delegiert wird. Dies soll eine Flexibilisierung der Arbeitszeit ermöglichen und zudem die Stärkung der Tarifautonomie bewirken.
Im Gemeinschaftsrecht lässt sich neben der programmatischen auch eine inhaltliche Strategie im Bereich des Arbeitsschutzes ausmachen. In inhaltlicher Hinsicht läuft das Arbeitsschutzrecht über zwei Regelungsschienen: Zum einen wird der technische Arbeitnehmerschutz Regelungen unterworfen, zum anderen werden Regelungen über den Schutz des Arbeitnehmers in seiner Arbeitsumwelt normiert. Diese Unterscheidung ist relevant in Hinblick auf die Ermächtigungsgrundlage im [[EG-Vertrag]], woraus sich auch unterschiedliche Typen von Richtlinien ergeben.


Das Gros der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen findet sich im Sekundärrecht, wo [[Richtlinie]]n eine beherrschende Stellung einnehmen. Daneben finden sich weitere verbindliche oder unverbindliche Rechtsakte der Gemeinschaft, die Bezug zum Arbeitsschutz aufweisen (z.B. Verordnungen, Mitteilungen der Kommission etc.).  
Arbeitszeitrecht erweist sich daher als ein sehr dynamisches Rechtsgebiet, das sich im Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaft und Arbeitnehmerschutz laufend weiterentwickelt (Stichwort ''Flexicurity''). Eine wesentliche Rolle in der Rechtsfortbildung kommt dabei dem EuGH zu, der sich wiederholt mit dem Begriff der Arbeitszeit auseinandergesetzt hat (EuGH Rs. C-303/98 – ''SIMAP'', Slg. 2000, I-7963; EuGH Rs. C-151/02 – ''Jäger'', Slg. 2003, I-8389). Diese Rechtsprechung des EuGH wurde zum Anlass genommen, die Arbeitszeit-RL zu novellieren. Kernpunkte der Novellierung waren die Schaffung eines neuen differenzierten Arbeitszeitbegriffes sowie die Beibehaltung der ''opt out''-Möglichkeit.


Von grundlegender Bedeutung im Bereich des Arbeitsschutzes ist die bereits erwähnte Arbeitnehmerschutz-Rahmen-RL (RL 89/391), die als Basis für 19 (bislang ergangene) Einzelrichtlinien dient.  
== 4. Einheitsrecht ==
Die wichtigsten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen finden sich in verschiedenen Richtlinien, die sich nach dem Typ des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses sowie dem sachlichen bzw. sektorspezifischen Geltungsbereich unterscheiden. Da die europäischen Vorgaben an den Rahmen der Ermächtigungsgrundlagen des EG-Vertrags/AEUV gebunden sind, stehen aber wesentliche, mit der Arbeitszeit eng zusammenhängende Bereiche (z.B. Entgelt) einer Gemeinschaftsregelung nicht zur Verfügung (Art. 137(5) EG/153(5) AEUV).


Die Rahmen-RL gliedert sich in 4 Teile, in denen allgemeine Grundsätze für die Verhütung berufsbedingter Gefahren, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz, die Ausschaltung von Risiko- und Unfallfaktoren, die Information, die Anhörung, die ausgewogene Beteiligung nach den nationalen Rechtsvorschriften bzw. Praktiken, die Unterweisung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter sowie allgemeine Regeln für die Durchführung dieser Grundsätze niedergelegt sind (Art. 1(2)).
=== a) Arbeitszeit-RL ===
Die derzeit wichtigste gemeinschaftsrechtliche Regelung der Arbeitszeit stellt die Arbeitszeit-RL dar. Die Richtlinie verfolgt den Zweck, das Arbeitszeitrecht in wesentlichen Bereichen zu harmonisieren, um so der Verwirklichung des Binnenmarktes gerecht zu werden und zugleich eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer zu erreichen. Daher werden Mindestbestimmungen normiert, die die Mitgliedstaaten ins nationale Recht umzusetzen haben. Die Arbeitszeit-RL räumt den Mitgliedstaaten (sowie den Tarifvertragsparteien bzw. den Sozialpartnern) aber auch die Möglichkeit ein, unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen von gewissen Bestimmungen abzuweichen und Ausnahmen zu statuieren (Art. 17-22).  


Die Richtlinie soll eine Harmonisierung und eine umfassende Geltung von Mindestarbeitsschutzbedingungen in den Mitgliedstaaten erreichen und sichern. Im Sinne eines modernen Arbeitsschutzes sind aber nicht nur arbeitsunfall- und berufskrankheitsorientierte Maßnahmen vorgesehen, sondern der Arbeitsschutz soll auch einer sozialen Gestaltung der Arbeitsumwelt dienen. Daher ist auch der sachliche Geltungsbereich der Richtlinie sehr weit gehalten und erstreckt sich auf alle privaten und öffentlichen Tätigkeitsbereiche. Ausgenommen sind allein spezifische Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes (z.B. Streitkräfte oder Polizei), soweit die Besonderheiten dieser Bereiche der Anwendung der Richtlinie zwingend entgegenstehen. Erfasst werden sämtliche Gefahren, unbeschadet bereits bestehender oder künftiger strengerer gemeinschaftlicher Regelungen.
Der Geltungsbereich der Arbeitszeit-RL orientiert sich an jenem der Arbeitsschutz-Rahmen-RL (RL 89/391) ([[Arbeitsschutz]]): er erstreckt sich daher auf alle private und öffentliche Tätigkeitsbereiche mit Ausnahme bestimmter Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes (z.B. Streitkräfte). Auf Seeleute, die unter den Geltungsbereich der RL 1999/63 fallen, findet die Arbeitszeit-RL weiterhin keine Anwendung. Die Arbeitszeit-RL selbst enthält für bestimmte Tätigkeitsbereiche Sonderregelungen (z.B. Fahrpersonal).  


Der Richtlinie liegt ein eigener Arbeitnehmerbegriff zugrunde, der entsprechend der Rechtsprechung des EuGH autonom auszulegen ist. Unter Arbeitnehmer wird jede Person verstanden, die von einem Arbeitgeber beschäftigt wird, einschließlich Praktikanten und Lehrlingen, jedoch mit Ausnahme von Hausangestellten. Demgegenüber ist Arbeitgeber jede natürliche oder juristische Person, die als Vertragspartei des Beschäftigungsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer die Verantwortung für das Unternehmen bzw. den Betrieb trägt.
Diese Richtlinie gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer, worunter jede Person zu verstehen ist, die von einem Arbeitgeber beschäftigt wird, einschließlich Praktikanten und Lehrlingen, ausgenommen Hausangestellten. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist derjenige Arbeitnehmer, der für einen anderen während einer bestimmten Zeit Leistungen gegen Entgelt erbringt und dabei weisungsgebunden ist. Jugendliche und Kinder fallen nicht unter die Arbeitszeit-RL, sondern unterliegen den Bestimmungen der Jugendarbeitsschutz-RL (RL 94/33).  


Der Schwerpunkt liegt in der Gefahrenvorbeugung und Gefahrenevaluierung auf betrieblicher Ebene. Adressat der in der Richtlinie niedergelegten Verpflichtungen ist daher primär der Arbeitgeber (Art. 5). Die Verantwortung des Arbeitgebers findet v.a. in der Organisationspflicht seinen Ausdruck und wird durch die Bestimmungen über die betriebliche Sicherheitsorganisation ergänzt. Aufgrund der Betriebsorientierung werden auch die Arbeitnehmer selbst sowie deren betriebliche Vertreter in den Arbeitschutz miteinbezogen. Diese sind über bestehende Gefahren und mögliche Maßnahmen entsprechend zu informieren.  
Gegenstand der Arbeitszeit-RL sind die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit. Überdies werden bestimmte Aspekte der Nacht- und Schichtarbeit geregelt (Höchstgrenzen für die Dauer; Unterrichtungs- und Untersuchungsverpflichtungen).  


Die in Art. 6 festgelegte Anpassungspflicht stellt sicher, dass der Arbeitsschutz nicht bei einem ''status quo'' verbleibt, sondern sich den technischen und sozialen Entwicklungen weiter anpasst. Damit geht eine Evaluierungspflicht einher, wonach der Arbeitgeber eine Beurteilung von Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vorzusehen hat, was auch entsprechend zu dokumentieren ist.
Unter Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie wird jene Zeitspanne verstanden, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Demgegenüber ist die Ruhezeit jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit. Die Richtlinie definiert überdies „Nachtarbeit“, „Schichtarbeit“, „mobile Arbeitnehmer“, „Tätigkeiten auf ''Offshore''-Anlagen“, sowie „ausreichende Ruhezeiten“.  


Die zur Rahmenrichtlinie ergangenen Einzelrichtlinien dienen zu deren Ergänzung und Konkretisierung. Neben der Festlegung von Mindestbestimmungen ist für die Einzelrichtlinie kennzeichnend, dass ein bereits bestehendes, höheres Schutzniveau in den Mitgliedstaaten anlässlich einer neuen Richtlinie nicht vermindert werden darf. Die Einzelrichtlinien lassen sich nach folgenden Kriterien gliedern: Arbeitsstätten und Tätigkeitsbereiche (z.B. Baustelle, Landwirtschaft); Arbeitsmittel (Benutzung, Kennzeichnung und Lasten) und Arbeitsstoffe, (chemische, physikalische und biologische Arbeitsstoffe); spezifische Risiken (z.B. Bildschirmarbeit) und schließlich Arbeitnehmergruppen (z.B. Schwangere und Mütter).  
Arbeitnehmern stehen gemäß der Richtlinie eine tägliche Mindestruhezeit von 11 zusammenhängenden Stunden (Art. 3) und eine kontinuierliche wöchentliche Ruhezeit von 35 Stunden zu (Art. 5). Bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden ist Arbeitnehmern eine Ruhepause zu gewähren (Art. 4), deren Dauer bzw. Voraussetzung auf nationaler Ebene festgelegt werden sollen.  


Im Bereich des sozialen Arbeitsschutzes sind verschiedene Regelungstendenzen feststellbar: Zum einen wurden Richtlinien erlassen, die für gewisse Personengruppen einen besonderen Schutz vorsehen. In diese Gruppe fällt zum einen die RL 92/85 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz, die nicht bloß Arbeitsschutzbestimmungen, sondern überdies auch individualarbeitsvertragliche Bestimmungen (besonderer Kündigungsschutz) normiert; zum anderen die RL 94/33 über den Jugendarbeitsschutz, die für alle Personen unter 18 Jahren gilt, welche einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis i.S.d. nationalen Rechts stehen.
Die wöchentliche Höchstarbeitszeit darf im Durchschnitt einschließlich der Überstunden 48 Stunden nicht überschreiten. Der Durchrechnungszeitraum für die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit ist mit 4 Monaten bzw. 17 Wochen begrenzt (Art. 16(b)). Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Durchrechungszeitraum aber auf 6 bzw. 12 Monate erhöht werden.  


Die RL 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ([[Arbeitszeit]]) hingegen gilt nicht für eine bestimmte Personengruppe, sondern grundsätzlich für alle Arbeitnehmer, und normiert zwingende Mindestbestimmungen über die Arbeitszeit und den Jahresurlaub.
Neben den Arbeitszeitbestimmungen i.e.S. regelt die Richtlinie auch den bezahlten Jahresurlaub, der zumindest 4 Wochen zu betragen hat (Art. 7). Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wird als besonders wichtiger Grundsatz des Sozialrechts qualifiziert, weshalb die Richtlinie auch keine Abweichungsmöglichkeiten vorsieht.  


Zum sozialen Arbeitsschutz werden schließlich auch die RL 91/383 zur Ergänzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristeten Arbeitsverhältnissen oder Leiharbeitsverhältnissen sowie die RL 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr gerechnet.
=== b) Teilzeit-RL und Befristungs-RL ===
Die Teilzeit-RL und die Befristungs-RL weisen inhaltliche und strukturelle Parallelen auf. Beide beruhen auf Rahmenvereinbarungen der europäischen Sozialpartner EGB, UNICE (nun BUSINESS EUROPE) und CEEP, die als Anhang der Richtlinie die materiell-rechtlichen Vorschriften enthalten.


Das Arbeitsschutzrecht wird durch Vorschriften zur Rechtsdurchsetzung bzw. Rechtsfolgenanordnungen abgerundet. Auf Gemeinschaftsebene besteht eine Kontrolle im Rahmen der Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH bei unterlassener oder mangelhafter Umsetzung einer Richtlinie durch einen Mitgliedstaat. Auf nationaler Ebene steht den vorgeschriebenen arbeitsschutzrechtlichen Pflichten ein entsprechendes Sanktionssystem gegenüber, wobei zwischen der Verletzung von privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen Verpflichtungen unterschieden werden muss. Kommt es zur Verletzung arbeitsschutzrechtlicher Pflichten, hat der betroffene Arbeitnehmer im Rahmen der privatrechtlichen Haftung Ansprüche gegen den Arbeitgeber (u.U. auch gegen einen Arbeitskollegen) aus dem Arbeitsvertrag. Daneben greift auch ein behördliches Kontrollsystem, das durch staatliche Behörden vollzogen wird. In gewissen Rahmen kommen auch den Sozialversicherungsträgern (insbesondere dem Unfallversicherungsträger) aber auch den Berufsvereinigungen Kontrollbefugnisse zu.  
Die Ziele der Teilzeit-RL liegen zum einen im Ausbau des Schutzes der Teilzeitbeschäftigten, zum anderen in der Förderung der flexiblen Gestaltung von Arbeitszeit. Unter Teilzeitbeschäftigter werden jene AN verstanden, deren normale Wochenarbeitszeit (oder Durchschnittsarbeitszeit in einem Beschäftigungszeitraumes von bis zu einem Jahr) unter der eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten liegt.


== 4. Vereinheitlichungsprojekte ==
Die Richtlinie legt einen allgemeinen Rahmen für die Beseitigung von Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten ([[Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht]]) und normiert den ''Pro-rata-temporis''-Grundsatz. Weiters sind Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Teilzeitarbeit vorgesehen. So werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, mögliche rechtliche oder verwaltungstechnische Hindernisse von Teilzeitarbeitsmöglichkeiten zu beseitigen, womit eine Förderung der Teilzeitarbeit auf freiwilliger Basis erreicht werden soll.
Für die kommenden Jahren kann die Entwicklung des Arbeitsschutzrechtes mit folgenden Schlagworten charakterisiert werden: Ausdehnung, Modernisierung, Konsolidierung sowie Vereinfachung der gesetzlichen Vorschriften. In der Gemeinschaftsstrategie 2007-2012 wird die kontinuierliche, nachhaltige und homogene Verringerung von Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten weiterhin als vorderrangiges Ziel genannt. Langfristig soll die Arbeitsqualität verbessert und die Arbeitsproduktivität gesteigert werden. Auf Gemeinschaftsebene ist in diesem Zusammenhang das Vorhaben der Kommission zu nennen, die Richtlinien im Bereich Gesundheit und Sicherheit zu kodifizieren. Damit soll insbesondere überflüssiger Verwaltungsaufwand verringert und eine stärkere Kohärenz der Politik geschaffen werden. Auf nationaler Ebene soll dieses Ziel durch Steigerung der präventiven Wirksamkeit der Gesundheitsüberwachung sowie mittels Maßnahmen zur Förderung der Rehabilitation und Wiedereingliederung von Arbeitnehmern erreicht werden. Sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene sind dabei alle Akteure, insbesondere die Sozialpartner, miteinzubeziehen.  
 
Mit der Befristungs-RL wurde eine weitere europarechtliche Regelung für so genannte atypische Arbeitsverhältnisse geschaffen. Die Richtlinie gilt für alle befristet beschäftigten Arbeitnehmer, worunter jeder Arbeitnehmer mit einem direkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeschlossenen Arbeitsvertrag bzw. ‑verhältnis zu verstehen ist, dessen Ende durch objektive Bedingungen (z.B. ein bestimmtes Datum) im Vorhinein bestimmt bzw. bestimmbar ist. Der Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie richtet sich nicht nach dem Gemeinschaftsrecht, sondern nach den in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gebräuchlichen Definitionen.
 
Das Ziel dieser Richtlinie besteht darin, die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse zu verbessern und einen Rahmen zu schaffen, der den Missbrauch durch so genannte Kettenarbeitsverträge (d.h. aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge bzw. ‑verhältnisse) verhindert. Zur Erreichung dieser Ziele normiert die Richtlinie wie die Teilzeit-RL ein Diskriminierungsverbot ([[Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht]]) sowie den ''Pro-rata-temporis''-Grundsatz. Es werden weiters Maßnahmenoptionen festgelegt, die die Mitgliedstaaten zur Vermeidung des Missbrauchs von Kettenarbeitsverhältnissen umzusetzen haben, falls nicht bereits entsprechende gesetzliche Regelungen im nationalen Recht bestehen. Die Maßnahmen können in der Festlegung von sachlichen Rechtfertigungsgründen für eine Befristung, der Festlegung der insgesamt maximal zulässigen Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse oder der zulässigen Zahl der Verlängerungen solcher Verträge liegen. Diese Bestimmungen werden durch Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen in Form von Informations- und Konsultationsrechte über befristete Arbeitsverhältnisse im Unternehmen ergänzt.
 
== 5. Rechtsprechung und Novellierung ==
Die Rechtsprechung des EuGH zur Frage der Qualifizierung von Bereitschaftsdienst hat auf europäischer Ebene die politische Diskussion über die Arbeitzeit wieder in Gang gesetzt. Kernpunkte der Novellierung der Arbeitszeit-RL betrafen die Erweiterung der Begriffsbestimmung der Arbeitszeit-RL, die Neufassung der ''opt out''-Regelung sowie die Festlegung neuer Durchrechnungszeiträume. Der erste Kommissionsvorschlag war in Bezug auf diese Punkte sehr umstritten und hat in der ersten Lesung vor dem Europäischen Parlament keine Mehrheit gefunden. Grund dafür war u.a. die Befürchtung, dass diese Richtlinienfassung eine Senkung des Arbeitnehmerschutzniveaus bedeuten würde. Der geänderte Kommissionsvorschlag hat im Juni 2008 eine Mehrheit im Rat gefunden und wurde in der zweiten Lesung des Europäischen Parlaments mit Änderungen gebilligt, die jedoch im März 2009 vom Rat abgelehnt wurden. Das daraufhin eingeleitete Vermittlungsverfahren führte aufgrund des Widerstands einzelner Mitgliedstaaten ebenfalls zu keiner Einigung, weshalb die Novellierung der Arbeitszeit-RL gescheitert ist. Im Folgenden sollen dennoch die wesentlichen (Streit‑)Punkte der Novelle dargestellt werden.
 
=== a) Bereitschaftsdienst ===
Der [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] hat sich in mehreren Verfahren (EuGH Rs. C-303/98 – ''SIMAP'', Slg. 2000, I-7963; EuGH Rs. C-151/02 – ''Jäger'', Slg. 2003, I-8389) mit der Frage auseinandergesetzt, ob Bereitschaftsdienst, den Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz verbringen, während der aber keine Arbeitsleistung erbracht wird, Arbeitszeit i.S.d. Arbeitszeit-RL darstellt. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass sämtliche am Arbeitsplatz verbrachte Bereitschaftszeiten, unabhängig davon, ob eine Arbeitleistung erbracht wird oder nicht, als Arbeitszeit zu werten sind und daher bei der Berechnung der Höchstarbeitszeit Beachtung zu finden haben. Der Kommissionsentwurf sieht in Abweichung der Rechtsprechung des EuGH eine Unterscheidung zwischen aktiven und inaktiven Bereitschaftszeiten vor und zählt die inaktive Zeit nicht als Arbeitszeit, was auf Widerstand im [[Europäisches Parlament|Europäischen Parlament]] gestoßen ist.
 
=== b) ''Opt out'' ===
Die neue Richtlinie soll weiterhin die Möglichkeit eines ''opt out'' enthalten. Darunter versteht man die Möglichkeit bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen die Anwendung des Art. 6 und damit die Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden auszusetzen. Grundsätzlich ist die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit im Tarifvertrag oder in der Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern auf nationaler oder regionaler Ebene bzw. auf angemessenem Niveau vorzusehen; mangels Tarifvertrags oder entsprechend befähigter Personalvertretung kann eine derartige Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer direkt getroffen werden. Die ''opt out''-Möglichkeit soll insofern begrenzt werden, als die Zustimmung nur mehr schriftlich und höchstens für eine Jahr (mit Verlängerungsoption) erteilt werden kann und eine Zustimmung, die bei Abschluss des Arbeitsvertrages oder während der Probezeit gegeben wird, null und nichtig ist. Das Europäische Parlament sprach sich gegen die Beibehaltung dieser Regelung aus und schlug einen schrittweisen Ausstieg aus dem ''opt out'' vor.
 
=== c) Durchrechnungszeiträume ===
Der Bezugszeitraum für den Durchschnitt der wöchentlichen Höchstarbeitszeit beträgt nach derzeitigem Stand grundsätzlich 4 Monate. Bislang war vorgesehen, dass dieser Zeitraum durch Tarifvertrag auf 12 Monate erhöht werden kann. Diese Möglichkeit soll nun generell den Mitgliedstaaten eingeräumt werden, also losgelöst von dem Erfordernis des Abschlusses eines Tarifvertrages.


==Literatur==
==Literatur==
''Rolf Wank'', ''Udo Börgmann'', Deutsches und europäisches Arbeitsschutzrecht, 1992; ''Brian Bercusson'','' ''European Labour Law, 1996; ''Peter Hanau'', ''Heinz-Dietrich Steinmeyer'', ''Rolf Wank'', Handbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrechts, 2002; ''Maximilian Fuchs'', ''Franz Marhold'', Europäisches Arbeitsrecht, 2006;'' Walter Nöstlinger ''(Hg.), Handbuch Arbeitnehmerschutz, 2006; ''Roger'' ''Blanpain'', European Labour Law, 11.&nbsp;Aufl. 2008; ''Udo Börgmann'', Einzelrichtlinien zur Arbeitnehmerschutzrichtlinie, Teil B 6200, in: Hartmut Oetker, Ulrich Preis (Hg.), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EAS) (Loseblatt); ''Rolf Wank'', Technischer Arbeitsschutz in der EU im Überblick, Teil B 6000, in: Hartmut Oetker, Ulrich Preis (Hg.), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EAS) (Loseblatt)<nowiki>; </nowiki>''Wolfgang'' ''Balze'', Überblick zum sozialen Arbeitsschutz in der EU, Teil B 5000, in: Hartmut Oetker, Ulrich Preis (Hg.), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EAS) (Loseblatt);'' Wolfhard Kohte'', Arbeitsschutzrahmenrichtlinie, Teil B 6100, in: Hartmut Oetker, Ulrich Preis (Hg.), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EAS) (Loseblatt).
''Brian Bercusson'','' ''European Labour Law, 1996; ''Peter Hanau'','' Heinz-Dietrich Steinmeyer'','' Rolf Wank'', Handbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrechts, 2002; ''Rudolf Anzinger'','' Wolfgang Koberski'','' ''Arbeitzeitgesetz, 2.&nbsp;Aufl. 2005; ''Maximilian Fuchs'','' Franz Marhold'', Europäisches Arbeitsrecht, 2006; ''Lukas Stärker'', Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006; ''Roger'' ''Blanpain'', European Labour Law, 11.&nbsp;Aufl. 2008; ''Josef Cerny'','' Gerda Heilegger'','' Christoph Klein'','' Bernhard Schwarz'', Arbeitszeitgesetz, 2008; ''Franz Schrank'','' ''Arbeitszeitgesetze, 2008; ''Wolfgang Balze'', Arbeitszeit, Urlaub und Teilzeitarbeit, Teil B 3100, in: Hartmut Oetker, Ulrich Preis (Hg.), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EAS) (Loseblatt).


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Version vom 28. September 2021, 14:49 Uhr

von Andrea Potz/Ulrich Runggaldier

1. Gegenstand und Zweck

Einen wesentlichen Bestandteil der inhaltlichen Gestaltung von Arbeitsverhältnissen stellt die Festlegung der Arbeitszeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dar, insbesondere deren Lage und Ausmaß. Die privatrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitszeit machen jedoch nur einen quantitativ geringen Teil des dichten normativen Gefüges des Arbeitszeitrechts aus. Die Regelungsmaterie Arbeitszeit wird klassischerweise dem Arbeitsschutzrecht (Arbeitsschutz) zugeordnet und ist dementsprechend stark öffentlich-rechtlich geregelt.

Der Reglementierung der Arbeitszeit liegen sowohl gesundheitspolitische, wirtschaftspolitische als auch gesellschaftspolitisch-ethische Aspekte zugrunde, die in einer Wechselwirkung zueinander stehen. Der primäre Zweck des Arbeitszeitrechts liegt im Arbeitnehmerschutz – mit der zeitlichen Begrenzung der Arbeit soll ein gesundheitsschädliches Ausbeuten der Arbeitskraft verhindert werden. In diesem Zusammenhang steht auch die gesellschaftspolitische Intention, dem Arbeitnehmer Freiraum bzw. Freizeit zu gewähren, in der er die Möglichkeit hat, am kulturellen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und seinen Interessen nachzugehen. Die Gestaltung der Arbeitszeit spielt in der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ebenfalls eine große Rolle.

Die Präventivwirkung des Arbeitzeitrechts ist nicht nur auf individueller Ebene von Bedeutung, sondern verhindert auch gesamtgesellschaftliche und volkswirtschaftliche Schäden, die durch übermäßige Inanspruchnahme der Arbeitnehmer ausgelöst werden. Derartige Schäden verursachen auch für die Volkswirtschaft enorme Kosten, da es zu Arbeitsausfällen und zur Überwälzung des finanziellen Risikos auf Sozialversicherungssysteme kommt (z.B. Arbeitsunfälle; Frühpensionierungen wegen Arbeitsunfähigkeit, etc.).

Das Arbeitszeitrecht dient gleichzeitig als wirtschaftspolitisches Instrument zur Steuerung und Förderung des Beschäftigungsniveaus. In diesem Zusammenhang ist v.a. die Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit zu nennen. Im internationalen Kontext spielt die Ausgestaltung des Arbeitszeitrechts für die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftsstandorten ein bedeutende Rolle und fließt dementsprechend in die Diskussion über Arbeitzeitflexibilisierung mit ein. Auf nationaler Ebene ist zu beachten, dass zwingend ausgestaltete Arbeitzeitnormen gleiche Rahmenbedingungen für Unternehmen im Wettbewerb gewährleisten sollen.

2. Terminologie

Unter dem Begriff „Arbeitszeit“ ist grundsätzlich jene Zeitspanne zu verstehen, in der der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber für die Erbringung seiner Arbeitsleistung zur Verfügung steht. Darin kommt das Wesensmerkmal des Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck, nämlich die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers. Das Gegenstück zur Arbeitszeit stellen die so genannten Ruhezeiten dar, in der der Arbeitnehmer wieder frei über seine („Frei“‑)Zeit verfügen kann. Die weite Definition der Arbeitszeit schafft Abgrenzungsprobleme bei Zwischenformen von Arbeits- und Ruhezeiten. Dazu zählen insbesondere der Bereitschaftsdienst (Arbeitsbereitschaft oder Rufbereitschaft). In der Praxis spielt die Qualifizierung als Arbeitszeit aber nicht nur im Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerschutz eine entscheidende Rolle, sondern ist ebenfalls für die Frage des Entgelts von großer Bedeutung (z.B. Zuschlag für Überstunden).

Im Gemeinschaftsrecht wird Arbeitszeit als jener Zeitraum definiert, in dem der Arbeitnehmer arbeitet, seinem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Der EuGH legt dieser Definition ein sehr weites Begriffsverständnis zugrunde und hat daher Bereitschaftsdienst, also jene Zeit, in der der Arbeitnehmer sich zur jederzeitigen Arbeitsaufnahme bereit hält, ohne dabei tatsächlich Arbeit zu verrichten, zur Arbeitszeit gerechnet (EuGH Rs. C-303/98 – SIMAP, Slg. 2000, I-7963).

3. Tendenzen der Rechtsentwicklung

In der Entwicklung und Ausbildung des nationalen Arbeitsrechts im Laufe des 19. Jahrhunderts hat gerade die Einführung von gesetzlichen Beschränkungen der Arbeitszeit eine bedeutende Rolle gespielt. Ausschlaggebend für die Einführung von staatlichen Arbeitszeitbestimmungen war zu dieser Zeit aber weniger der sozialpolitisch motivierte Arbeitnehmerschutz, sondern vielmehr das politische Interesse des Staates am Erhalt der Wehrfähigkeit der jungen Männer.

In den meisten Mitgliedstaaten hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts ein festes Gefüge von normativen Bestimmungen über die Arbeitszeit entwickelt, das sich je nach staatlicher Verfassung und Tradition in unterschiedlicher Weise auf die gesetzlichen und tarifvertraglichen Ebenen erstreckte.

Die normative Gestaltung des Arbeitszeitrechts auf europäischer Ebene hat dagegen vergleichsweise spät eingesetzt. Ursprünglich bestand die Zielsetzung im Gemeinschaftsrecht v.a. in der Schaffung des freien Wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten; die Harmonisierung des nationalen Arbeits- und Sozialrechts war dagegen von untergeordneter Bedeutung, sogar unerwünscht. Daher wurden in den Gründungsverträgen keine entsprechenden generellen Kompetenztatbestände für diese Rechtsbereiche aufgenommen. Dies führte dazu, dass eine Reihe von Rechtsakten sich in Ermangelung einer geeigneten Ermächtigungsgrundlage auf die Art. 48 ff. EG a.F. (Art. 39 ff. EG/45 ff. AEUV) über die Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie die Generalklausel des Art. 100 EG a.F. (Art. 94 EG/115 AEUV) stützen.

Das Problem der mangelnden Rechtsgrundlage (Gesetzgebungskompetenz der EG/‌EU) rückte immer mehr in den Vordergrund der politischen Diskussion. In den 1980er Jahren ist der Arbeitnehmerschutz zusehend in den Mittelpunkt geraten, was schließlich zur Einfügung der Art. 118a(1) und (2) EG a.F. (in Art. 137 EG/153 AEUV) durch die Einheitliche Europäische Akte 1986 führte. Damit wurde die unmittelbare Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane für die Förderung der Arbeitsumwelt begründet, um die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu fördern (Arbeitsschutz). Ein weiterer entscheidender Schritt war das Abkommen über die Sozialpolitik, das die Rechtsetzungsbefugnis der Gemeinschaft im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts weiter ausbaute und das schließlich von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Dadurch konnte das Abkommen über die Sozialpolitik im Jahr 1997 in den Vertrag von Amsterdam integriert werden (Art. 136 ff. EG/151 ff. AEUV). In diesem Zusammenhang sind auch die Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer aus dem Jahr 1989 sowie die GRCh von 2001 zu nennen, die jedoch nicht rechtsverbindlich sind (Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK).

Als erste umfassende Richtlinie über die Arbeitszeit wurde die RL 93/104 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (sog. Arbeitszeit-RL) erlassen, die Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung vorsah. In der Folgezeit wurde die Richtlinie wiederholt novelliert und ergänzt, bis schließlich aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit sämtliche Bestimmungen in der RL 2003/88 neu erlassen wurden.

Die Entwicklung des Arbeitzeitrechts auf europäischer Ebene ist damit bestimmt durch die sukzessive (politische) Etablierung von Ermächtigungsgrundlagen sowie die Ausweitung an Kompetenztatbeständen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes (Gesetzgebungskompetenz der EG). Dies zeigt sich auch anhand der Reformen der Arbeitszeit-RL, deren Ermächtigungsgrundlage sich geändert hat und nun auch eine verstärkte Einbindung des Europäischen Parlaments im Gesetzgebungsprozess vorsieht.

Der europäische Gesetzgeber hat auch Regelungen für „atypische“ Arbeitsverhältnisse geschaffen. In den letzten 25 Jahren haben sich zusehend Arbeitsformen entwickelt, auf die das klassische Arbeitzeitmodell nicht mehr zutrifft. Um den Arbeitnehmer auch in derartigen Situationen ein Mindestmaß an Schutz zu gewährleisten, sind Richtlinien wie die Teilzeit- und Befristungs-RL (RL 97/81 und RL 1999/70) erlassen worden. Daneben finden sich aber auch in anderen Gemeinschafts-Rechtsakten vereinzelt Bestimmungen, die die Arbeitszeit betreffen.

Auf nationaler Ebene lassen sich unterschiedliche Regelungsstrategien in der Arbeitszeit ausmachen. Der Trend geht aber durchwegs dahin, dass die Regelungskompetenz vom Gesetzgeber an die Tarifvertragsparteien, Sozialpartner und sogar auf betriebliche Ebene delegiert wird. Dies soll eine Flexibilisierung der Arbeitszeit ermöglichen und zudem die Stärkung der Tarifautonomie bewirken.

Arbeitszeitrecht erweist sich daher als ein sehr dynamisches Rechtsgebiet, das sich im Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaft und Arbeitnehmerschutz laufend weiterentwickelt (Stichwort Flexicurity). Eine wesentliche Rolle in der Rechtsfortbildung kommt dabei dem EuGH zu, der sich wiederholt mit dem Begriff der Arbeitszeit auseinandergesetzt hat (EuGH Rs. C-303/98 – SIMAP, Slg. 2000, I-7963; EuGH Rs. C-151/02 – Jäger, Slg. 2003, I-8389). Diese Rechtsprechung des EuGH wurde zum Anlass genommen, die Arbeitszeit-RL zu novellieren. Kernpunkte der Novellierung waren die Schaffung eines neuen differenzierten Arbeitszeitbegriffes sowie die Beibehaltung der opt out-Möglichkeit.

4. Einheitsrecht

Die wichtigsten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen finden sich in verschiedenen Richtlinien, die sich nach dem Typ des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses sowie dem sachlichen bzw. sektorspezifischen Geltungsbereich unterscheiden. Da die europäischen Vorgaben an den Rahmen der Ermächtigungsgrundlagen des EG-Vertrags/AEUV gebunden sind, stehen aber wesentliche, mit der Arbeitszeit eng zusammenhängende Bereiche (z.B. Entgelt) einer Gemeinschaftsregelung nicht zur Verfügung (Art. 137(5) EG/153(5) AEUV).

a) Arbeitszeit-RL

Die derzeit wichtigste gemeinschaftsrechtliche Regelung der Arbeitszeit stellt die Arbeitszeit-RL dar. Die Richtlinie verfolgt den Zweck, das Arbeitszeitrecht in wesentlichen Bereichen zu harmonisieren, um so der Verwirklichung des Binnenmarktes gerecht zu werden und zugleich eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer zu erreichen. Daher werden Mindestbestimmungen normiert, die die Mitgliedstaaten ins nationale Recht umzusetzen haben. Die Arbeitszeit-RL räumt den Mitgliedstaaten (sowie den Tarifvertragsparteien bzw. den Sozialpartnern) aber auch die Möglichkeit ein, unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen von gewissen Bestimmungen abzuweichen und Ausnahmen zu statuieren (Art. 17-22).

Der Geltungsbereich der Arbeitszeit-RL orientiert sich an jenem der Arbeitsschutz-Rahmen-RL (RL 89/391) (Arbeitsschutz): er erstreckt sich daher auf alle private und öffentliche Tätigkeitsbereiche mit Ausnahme bestimmter Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes (z.B. Streitkräfte). Auf Seeleute, die unter den Geltungsbereich der RL 1999/63 fallen, findet die Arbeitszeit-RL weiterhin keine Anwendung. Die Arbeitszeit-RL selbst enthält für bestimmte Tätigkeitsbereiche Sonderregelungen (z.B. Fahrpersonal).

Diese Richtlinie gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer, worunter jede Person zu verstehen ist, die von einem Arbeitgeber beschäftigt wird, einschließlich Praktikanten und Lehrlingen, ausgenommen Hausangestellten. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist derjenige Arbeitnehmer, der für einen anderen während einer bestimmten Zeit Leistungen gegen Entgelt erbringt und dabei weisungsgebunden ist. Jugendliche und Kinder fallen nicht unter die Arbeitszeit-RL, sondern unterliegen den Bestimmungen der Jugendarbeitsschutz-RL (RL 94/33).

Gegenstand der Arbeitszeit-RL sind die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit. Überdies werden bestimmte Aspekte der Nacht- und Schichtarbeit geregelt (Höchstgrenzen für die Dauer; Unterrichtungs- und Untersuchungsverpflichtungen).

Unter Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie wird jene Zeitspanne verstanden, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Demgegenüber ist die Ruhezeit jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit. Die Richtlinie definiert überdies „Nachtarbeit“, „Schichtarbeit“, „mobile Arbeitnehmer“, „Tätigkeiten auf Offshore-Anlagen“, sowie „ausreichende Ruhezeiten“.

Arbeitnehmern stehen gemäß der Richtlinie eine tägliche Mindestruhezeit von 11 zusammenhängenden Stunden (Art. 3) und eine kontinuierliche wöchentliche Ruhezeit von 35 Stunden zu (Art. 5). Bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden ist Arbeitnehmern eine Ruhepause zu gewähren (Art. 4), deren Dauer bzw. Voraussetzung auf nationaler Ebene festgelegt werden sollen.

Die wöchentliche Höchstarbeitszeit darf im Durchschnitt einschließlich der Überstunden 48 Stunden nicht überschreiten. Der Durchrechnungszeitraum für die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit ist mit 4 Monaten bzw. 17 Wochen begrenzt (Art. 16(b)). Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Durchrechungszeitraum aber auf 6 bzw. 12 Monate erhöht werden.

Neben den Arbeitszeitbestimmungen i.e.S. regelt die Richtlinie auch den bezahlten Jahresurlaub, der zumindest 4 Wochen zu betragen hat (Art. 7). Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wird als besonders wichtiger Grundsatz des Sozialrechts qualifiziert, weshalb die Richtlinie auch keine Abweichungsmöglichkeiten vorsieht.

b) Teilzeit-RL und Befristungs-RL

Die Teilzeit-RL und die Befristungs-RL weisen inhaltliche und strukturelle Parallelen auf. Beide beruhen auf Rahmenvereinbarungen der europäischen Sozialpartner EGB, UNICE (nun BUSINESS EUROPE) und CEEP, die als Anhang der Richtlinie die materiell-rechtlichen Vorschriften enthalten.

Die Ziele der Teilzeit-RL liegen zum einen im Ausbau des Schutzes der Teilzeitbeschäftigten, zum anderen in der Förderung der flexiblen Gestaltung von Arbeitszeit. Unter Teilzeitbeschäftigter werden jene AN verstanden, deren normale Wochenarbeitszeit (oder Durchschnittsarbeitszeit in einem Beschäftigungszeitraumes von bis zu einem Jahr) unter der eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten liegt.

Die Richtlinie legt einen allgemeinen Rahmen für die Beseitigung von Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten (Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht) und normiert den Pro-rata-temporis-Grundsatz. Weiters sind Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Teilzeitarbeit vorgesehen. So werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, mögliche rechtliche oder verwaltungstechnische Hindernisse von Teilzeitarbeitsmöglichkeiten zu beseitigen, womit eine Förderung der Teilzeitarbeit auf freiwilliger Basis erreicht werden soll.

Mit der Befristungs-RL wurde eine weitere europarechtliche Regelung für so genannte atypische Arbeitsverhältnisse geschaffen. Die Richtlinie gilt für alle befristet beschäftigten Arbeitnehmer, worunter jeder Arbeitnehmer mit einem direkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeschlossenen Arbeitsvertrag bzw. ‑verhältnis zu verstehen ist, dessen Ende durch objektive Bedingungen (z.B. ein bestimmtes Datum) im Vorhinein bestimmt bzw. bestimmbar ist. Der Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie richtet sich nicht nach dem Gemeinschaftsrecht, sondern nach den in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gebräuchlichen Definitionen.

Das Ziel dieser Richtlinie besteht darin, die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse zu verbessern und einen Rahmen zu schaffen, der den Missbrauch durch so genannte Kettenarbeitsverträge (d.h. aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge bzw. ‑verhältnisse) verhindert. Zur Erreichung dieser Ziele normiert die Richtlinie wie die Teilzeit-RL ein Diskriminierungsverbot (Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht) sowie den Pro-rata-temporis-Grundsatz. Es werden weiters Maßnahmenoptionen festgelegt, die die Mitgliedstaaten zur Vermeidung des Missbrauchs von Kettenarbeitsverhältnissen umzusetzen haben, falls nicht bereits entsprechende gesetzliche Regelungen im nationalen Recht bestehen. Die Maßnahmen können in der Festlegung von sachlichen Rechtfertigungsgründen für eine Befristung, der Festlegung der insgesamt maximal zulässigen Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse oder der zulässigen Zahl der Verlängerungen solcher Verträge liegen. Diese Bestimmungen werden durch Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen in Form von Informations- und Konsultationsrechte über befristete Arbeitsverhältnisse im Unternehmen ergänzt.

5. Rechtsprechung und Novellierung

Die Rechtsprechung des EuGH zur Frage der Qualifizierung von Bereitschaftsdienst hat auf europäischer Ebene die politische Diskussion über die Arbeitzeit wieder in Gang gesetzt. Kernpunkte der Novellierung der Arbeitszeit-RL betrafen die Erweiterung der Begriffsbestimmung der Arbeitszeit-RL, die Neufassung der opt out-Regelung sowie die Festlegung neuer Durchrechnungszeiträume. Der erste Kommissionsvorschlag war in Bezug auf diese Punkte sehr umstritten und hat in der ersten Lesung vor dem Europäischen Parlament keine Mehrheit gefunden. Grund dafür war u.a. die Befürchtung, dass diese Richtlinienfassung eine Senkung des Arbeitnehmerschutzniveaus bedeuten würde. Der geänderte Kommissionsvorschlag hat im Juni 2008 eine Mehrheit im Rat gefunden und wurde in der zweiten Lesung des Europäischen Parlaments mit Änderungen gebilligt, die jedoch im März 2009 vom Rat abgelehnt wurden. Das daraufhin eingeleitete Vermittlungsverfahren führte aufgrund des Widerstands einzelner Mitgliedstaaten ebenfalls zu keiner Einigung, weshalb die Novellierung der Arbeitszeit-RL gescheitert ist. Im Folgenden sollen dennoch die wesentlichen (Streit‑)Punkte der Novelle dargestellt werden.

a) Bereitschaftsdienst

Der EuGH hat sich in mehreren Verfahren (EuGH Rs. C-303/98 – SIMAP, Slg. 2000, I-7963; EuGH Rs. C-151/02 – Jäger, Slg. 2003, I-8389) mit der Frage auseinandergesetzt, ob Bereitschaftsdienst, den Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz verbringen, während der aber keine Arbeitsleistung erbracht wird, Arbeitszeit i.S.d. Arbeitszeit-RL darstellt. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass sämtliche am Arbeitsplatz verbrachte Bereitschaftszeiten, unabhängig davon, ob eine Arbeitleistung erbracht wird oder nicht, als Arbeitszeit zu werten sind und daher bei der Berechnung der Höchstarbeitszeit Beachtung zu finden haben. Der Kommissionsentwurf sieht in Abweichung der Rechtsprechung des EuGH eine Unterscheidung zwischen aktiven und inaktiven Bereitschaftszeiten vor und zählt die inaktive Zeit nicht als Arbeitszeit, was auf Widerstand im Europäischen Parlament gestoßen ist.

b) Opt out

Die neue Richtlinie soll weiterhin die Möglichkeit eines opt out enthalten. Darunter versteht man die Möglichkeit bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen die Anwendung des Art. 6 und damit die Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden auszusetzen. Grundsätzlich ist die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit im Tarifvertrag oder in der Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern auf nationaler oder regionaler Ebene bzw. auf angemessenem Niveau vorzusehen; mangels Tarifvertrags oder entsprechend befähigter Personalvertretung kann eine derartige Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer direkt getroffen werden. Die opt out-Möglichkeit soll insofern begrenzt werden, als die Zustimmung nur mehr schriftlich und höchstens für eine Jahr (mit Verlängerungsoption) erteilt werden kann und eine Zustimmung, die bei Abschluss des Arbeitsvertrages oder während der Probezeit gegeben wird, null und nichtig ist. Das Europäische Parlament sprach sich gegen die Beibehaltung dieser Regelung aus und schlug einen schrittweisen Ausstieg aus dem opt out vor.

c) Durchrechnungszeiträume

Der Bezugszeitraum für den Durchschnitt der wöchentlichen Höchstarbeitszeit beträgt nach derzeitigem Stand grundsätzlich 4 Monate. Bislang war vorgesehen, dass dieser Zeitraum durch Tarifvertrag auf 12 Monate erhöht werden kann. Diese Möglichkeit soll nun generell den Mitgliedstaaten eingeräumt werden, also losgelöst von dem Erfordernis des Abschlusses eines Tarifvertrages.

Literatur

Brian Bercusson, European Labour Law, 1996; Peter Hanau, Heinz-Dietrich Steinmeyer, Rolf Wank, Handbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrechts, 2002; Rudolf Anzinger, Wolfgang Koberski, Arbeitzeitgesetz, 2. Aufl. 2005; Maximilian Fuchs, Franz Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, 2006; Lukas Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006; Roger Blanpain, European Labour Law, 11. Aufl. 2008; Josef Cerny, Gerda Heilegger, Christoph Klein, Bernhard Schwarz, Arbeitszeitgesetz, 2008; Franz Schrank, Arbeitszeitgesetze, 2008; Wolfgang Balze, Arbeitszeit, Urlaub und Teilzeitarbeit, Teil B 3100, in: Hartmut Oetker, Ulrich Preis (Hg.), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EAS) (Loseblatt).