Europäische Kommission und Europäische Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea): Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Jörn Axel Kämmerer]]''
von ''[[Rainer Kulms]]''
== 1. Bedeutung ==
== 1. Gegenstand ==
Der offizielle Name des hier behandelten Organs lautet bislang „Kommission“. Verbreitet, aber vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtslage ungenau ist die Bezeichnung „EU-Kommission“, da sich die Kommission kraft des EG-Vertrags konstituiert und dementsprechend lediglich Organ der Gemeinschaft ist (Art. 7 EG). Zur Klarstellung, und weil ihr auch im Rahmen von GASP und PJZS Kompetenzen zugewiesen sind, bedient sie sich der Selbstbezeichnung „Europäische Kommission“. So lautet auch ihre offizielle Bezeichnung durch den Reformvertrag, der die Kommission als Organ der (neuen) EU konstituiert (Art. 13(2) EU (2007)), auch wenn in den Vertragsdokumenten vereinfachend weiterhin von „Kommission“ die Rede ist. Die Europäische Kommission, die wie andere Organe auch über Geschäftsordnungsautonomie verfügt (Art. 218 (2) EG/Art. 249 AEUV), ist seit dem Fusionsvertrag von 1965 zugleich Organ der Europäischen Atomgemeinschaft; diese funktionale Identität wird auch durch den Vertrag von Lissabon beibehalten (Art. 106a EAGV i.d.F. des Art. 3 Protokoll B, Nr. 2, zur Änderung des EAG-Vertrages). Im engeren Sinne meint „Kommission“ das aus den Kommissionsmitgliedern („Kommissaren“) bestehende Gremium, im weiteren Sinne die gesamte ihnen unterstehende Behörde.
Die Entwicklung des Europäischen Gesellschaftsrechts ist nicht einheitlich verlaufen. Privatgesellschaften, d.h. Gesellschaften, deren Anteile weder öffentlich angeboten noch am Kapitalmarkt gehandelt werden, haben erst spät das Interesse des Europäischen Gesetzgebers geweckt. Noch der Aktionsplan der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]] für das Gesellschaftsrecht konzentriert sich auf Regelungen für börsennotierte Gesellschaften, während er sich bei Privatgesellschaften für einen großen privatautonomen Gestaltungsspielraum ausspricht. Die hochrangige Expertengruppe für Gesellschaftsrecht hatte sich der Forderung kleiner und mittelständischer Unternehmen nach einer europarechtlichen Organisationsform mit beschränkter Haftung neben der ''Societas Europaea'' ([[Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea)|Europäische Aktiengesellschaft]]) unter Hinweis auf die Vertragsfreiheit nicht verschließen wollen. Doch warnt der Bericht der Expertengruppe vor den praktischen Schwierigkeiten, die sich aus einem Nebeneinander zwischen gemeinschaftsrechtlichen Normen für Privatgesellschaften und zwingendem nationalem Recht ergeben können. Im [[Europäisches Parlament|Europäischen Parlament]] ist der Wunsch nach einem einheitlichen Statut für eine Europäische Privatgesellschaft auf große Sympathie gestoßen. Er stützt sich auf Studien, an denen mehrheitlich kontinentaleuropäische Wissenschaftler beteiligt waren. Dabei wird von einem Bedürfnis für gemeinschaftsrechtliche Normen ausgegangen, das sich ohne die Rechtsprechung des [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] zur [[Niederlassungsfreiheit]] und die Besonderheiten mitgliedstaatlicher Gesetze zu Privatgesellschaften nicht erklären lässt. Die Kommission hat im Juni 2008 angekündigt, Maßnahmen zugunsten kleinerer und mittlerer Unternehmen zu ergreifen. Hierzu gehört auch der Verordnungsentwurf für ein Statut der Europäischen Privatgesellschaft.


== 2. Funktionen und Zusammensetzung  ==
== 2. Europäischer Regulierungswettbewerb – Mitgliedstaatliche Reaktionen ==
=== a) Funktionen ===
Die Rechtsprechung des EuGH zielt darauf ab, die negativen Externalitäten nationaler Gesellschaftsrechtssysteme zu beseitigen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten ohne weiteres anzuerkennen. Gleichwohl haben die Pfadabhängigkeit der nationalen Gesellschaftsrechtssysteme und das Steuerrecht bisher verhindert, dass allgemeiner Regulierungswettbewerb herrscht. Regulierungswettbewerb zwischen den einzelnen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten tritt ein, wenn – wie im Recht der Privatgesellschaften und der Personengesellschaften – die Regelungsdichte im Vergleich zu den börsennotierten Kapitalgesellschaften relativ gering ist und Vertragsfreiheit besteht. Die Kosten für die Gründung einer [[Gesellschaft mit beschränkter Haftung]] oder einer vergleichbaren Privatgesellschaft weichen in den einzelnen Mitgliedstaaten stark voneinander ab. Ebenso schwanken die Anforderungen an ein gesetzliches Mindeststammkapital. Während das englische Recht bei der ''[[Private Limited Company (in England und Wales)|Private Limited Company]]'' vollständig darauf verzichtet und einige Mitgliedstaaten sich auf einen symbolischen Betrag von EUR 1,- beschränken, hat das deutsche Recht lange Zeit ein Mindestkapital von EUR 25.000,- gefordert.
Unter allen Organen der EG bzw. EU verfolgt die Kommission am konsequentesten spezifische Gemeinschafts- bzw. Unionsinteressen. Sie fördert, wie nunmehr klargestellt ist, „die allgemeinen Interessen der Union“ (Art. 17(1)1 EU (2007)). Insofern bildet sie zum [[Rat und Europäischer Rat|Rat]], der vornehmlich als Sprachrohr der Mitgliedstaaten fungiert, und in geringerem Maße auch zum [[Europäisches Parlament|Europäischen Parlament]] ein Gegengewicht. Ihre Funktion als „Hüterin des Gemeinschaftsinteresses“ kommt auch in Art. 212 EG/249(2) AEUV zum Ausdruck, wonach die Kommission über die Tätigkeit der Gemeinschaften (also EG und EAG) jährlich einen Gesamtbericht zu erstatten hat. Sie schlägt sich ferner in der Unabhängigkeit des Organs nieder. Die Einwirkung der nationalen Regierungen beschränkt sich auf die Beteiligung an der Bestellung der Kommissionsmitglieder (in Gestalt eines eigenen Vorschlagsrechts für die Kommissare und der indirekten Mitbestimmung des Präsidenten über den Rat bzw. Europäischen Rat; dazu unten b). Einmal im Amt, genießen die Kommissionsmitglieder („Kommissare“) jedoch volle Unabhängigkeit und dürfen weder von den Regierungen der sie entsendenden Mitgliedstaaten noch von anderen Stellen Weisungen entgegennehmen, wie auch die Mitgliedstaaten sich umgekehrt aktiver Einflussnahme zu enthalten haben (Art. 213(2)EG/ 17(3) EU (2007), 245 AEUV). Obwohl die Kommission sich die politischen Leitaufgaben mit dem Rat teilt und institutionelle Grundsatzfragen vom Europäischen Rat beantwortet werden, weist sie doch gewisse Züge einer „europäischen Regierung“ auf. Dies gilt nicht nur für ihren Aufgabenkanon, sondern auch den Bestellungs- und Abberufungsmodus, bei dem das Europäische Parlament eine Schlüsselstellung innehat (dazu unten b).  


=== b) Bestellung und Zusammensetzung ===
Im Wettbewerb der nationalen Gesetzgeber um die für kleinere und mittlere Unternehmen am wenigsten belastende Handlungsform für Privatgesellschaften sind von der englischen ''Private Limited Company'' entscheidende Impulse ausgegangen. Unter den in den vergangenen Jahren in England angemeldeten „ausländischen“ Privatgesellschaften (d.h. ''Private Limited Companies'' mit einer nicht-englischen Geschäftsführung) nehmen von Deutschen und Niederländern veranlasste Neugründungen die Spitzenpositionen ein. Sie erklären, weshalb vor allem das deutsche GmbH-Recht und das Recht der niederländischen ''Besloten Venootschap'' (B.V.) novelliert worden sind. Die dabei aufgeworfenen Streitfragen prägen auch die Diskussion über die Europäische Privatgesellschaft, weil mit dem Verzicht auf ein gesetzliches Mindeststammkapital das Verhältnis zwischen Privatautonomie im Gesellschaftsrecht, Kapitalerhaltung ([[Kapitalaufbringung und ‑erhaltung|Kapitalaufbringung und ‑erhaltung]]) und Gläubigerschutz bei Insolvenznähe neu zu bestimmen ist.
Die Amtszeit der Kommission beträgt fünf Jahre (Art. 214 EG/17(3)(I) EU (2007)) und ist damit an die Legislaturperiode des Europäischen Parlaments angepasst; anders als der Rat amtiert sie diskontinuierlich. Bis zum Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages gehört der Kommission ein Staatsangehöriger jedes Mitgliedstaates an (Art. 213(1)(II) EG/17(4) EU (2007)). Bis zur Osterweiterung in 2004 durften größere Mitgliedstaaten sogar jeweils zwei Personen in die Kommission entsenden, doch konnte hieran aus Effizienzgründen nicht festgehalten werden (Art. 1 Protokoll zum Amsterdamer Vertrag über die Organe im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union). Angesichts der steigenden Zahl von Mitgliedstaaten sehen sowohl das geltende Recht als auch der Lissabonner Vertrag künftig die Begrenzung der Zahl der Kommissare vor. Gemäß Art. 4(2) des Protokolls über die Erweiterung der Europäischen Union, die dem Vertrag von Nizza beigegeben war, soll die Zahl der Kommissare vom Beitritt des 27. Mitgliedstaates unter derjenigen der Mitgliedstaaten liegen und von diesem Zeitpunkt an ein rotierendes System zur Anwendung kommen. Die Zahl der Kommissare ist vom Rat zu bestimmen. Der Vertrag von Lissabon ordnet die Verkleinerung der Kommission erst für das Jahr 2014 an, begrenzt die Zahl Kommissare dann jedoch auf zwei Drittel der Gesamtzahl der Mitgliedstaaten. Die Besetzung erfolgt nach diesem Zeitpunkt nach einem vom Europäischen Rat noch im Einzelnen festzulegenden „System der strikt gleichberechtigten Rotation“ unter Berücksichtigung des demographischen und geographischen Spektrums (Art. 17(5) EU (2007)/244 AEUV). Praktisch dürften unabhängig davon, welches Recht im Jahre 2014 gilt, dann nur noch die größten Mitgliedstaaten stets mit einem Kommissionsmitglied vertreten sein werden.  


An der ''Bestellung ''der Kommission wirken die Mitgliedstaaten, der (ebenfalls mit Regierungsvertretern der Mitgliedstaaten besetzte) Rat der EG, künftig an seiner Stelle der Europäische Rat, und das [[Europäisches Parlament|Europäische Parlament]] mit. Nicht nur folgt die Bestellung des Präsidenten anderen Regeln als die der übrigen Kommissionsmitglieder, der Modus verändert sich auch mit dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages. Die Bestimmung des Präsidenten geht der Konstituierung der Kommission voraus. Das Benennungsrecht steht insoweit bisher dem Rat zu, wobei es einer qualifizierten Mehrheit bedarf. Die Benennung bedarf der Zustimmung des Europäischen Parlaments (Art. 214(2) EG). Die Befugnisse des Rates gehen nach neuem Recht teilweise auf den Europäischen Rat über, der auf ein Vorschlagsrecht beschränkt ist, für das ebenfalls eine qualifizierte Mehrheit vonnöten ist. Aufgabe des Europäischen Parlaments ist sodann, den vom Europäischen Rat vorgeschlagenen Kandidaten mit der Mehrheit der Mitglieder zu wählen. Da dem Parlament auch künftig das Recht der Kandidatenauswahl vorenthalten bleibt, ändert sich kaum etwas gegenüber dem bisherigen Bestellungsmodus. Die übrigen Mitglieder der Kommission („Kommissare“) werden jeweils von denjenigen Mitgliedstaaten vorgeschlagen, die eigene Staatsangehörige in die Kommission entsenden dürfen (Art. 214(2)(II) EG/17(7)(II) EU (2007)). Damit der Rat (künftig: der Europäische Rat) die Mitglieder der Kommission ernennen darf, muss sich die Kommission als Kollegium (einschließlich ihres Präsidenten und in Zukunft des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik) erfolgreich dem Zustimmungsvotum des Europäischen Parlaments gestellt haben (Art. 214(2)(III) EG/17(7)(III) EU (2007)). Diese Zustimmung ist in der Vergangenheit in manchen Fällen erst nach personellen Revirements erteilt worden.
=== a) Private Limited Company – ''Corporate Governance'' und Insolvenzschutz ===
Das englische Gesellschaftsrecht in der Fassung des ''Companies Act 2006'' gestattet einer ''Private Limited Company'', deren Kapital durch die finanziellen Beiträge der Aktionäre aufgebracht wird, ihre Geschäftstätigkeit aufzunehmen, sobald Teileinzahlungen geleistet sind und die Höhe der von dem einzelnen zu leistenden Beiträge feststeht. Werden im Hinblick auf das Startkapital der ''Private Limited Company'' keine Aktien gezeichnet, sondern Zahlungsgarantien durch die Aktionäre abgegeben, kann die Gesellschaft ohne sofortige Beiträge ihrer Gesellschafter ihre Tätigkeit aufnehmen. Im Vergleich zu dem Vorstand einer börsennotierten Kapitalgesellschaft sind dem ''director'' einer ''Private Limited Company'' schwächere Handlungsbeschränkungen auferlegt. Die herkömmlichen Sorgfaltsstandards sind anwendbar, doch kann die Verfassung der Gesellschaft (''constitution'') den ''director ''hiervon befreien. Indem das englische Gesellschaftsrecht bei ''Private Limited Companies'' auf starre Kapitalerhaltungsregeln verzichtet, wird bei den Handlungspflichten für die ''directors ''bei Insolvenznähe ein vom bisherigen Recht der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung abweichender Regelungsansatz gewählt. Über den ''Insolvency Act 1986'' greift eine ''ex post''-Analyse ein, bei der eine Schadensersatzsanktion für ''wrongful trading'' ([[Insolvenz der Kapitalgesellschaft]]) das Verhalten der ''directors'' steuern soll. In diesem Zusammenhang sind die ''directors'' verpflichtet, das Unternehmen zu retten und erst dann ein Insolvenzverfahren einzuleiten, wenn keine vernünftige Aussicht mehr auf dessen Rettung besteht.


Ähnlich wie gegen eine Regierung kann gegen die Kommission im Europäischen Parlament ein Misstrauensantrag zur ''Abberufung ''eingebracht werden. Wird er mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, die zugleich die Mehrheit der Parlamentsmitglieder umfasst, angenommen, sind die Kommissionsmitglieder zur Niederlegung ihres Amtes verpflichtet (Art. 201 EG/17(8) EU (2007), 234 AEUV). Da dem Parlament kein Personalvorschlagsrecht zusteht, ist dieses Misstrauensvotum per definitionem kein konstitutives (vgl. dazu Art. 67 GG).
Angesichts der vielfältigen Verwendung der englischen ''Private Limited Company'' lässt sich nicht pauschal feststellen, dass die gesetzliche Konstruktion automatisch zu schwerwiegenden ''Corporate Governance''-Problemen oder einer Gefährdung der Gläubiger führt. Soweit die ''Private Limited Company'' als Investitionsvehikel im ''Venture Capital''-Bereich eingesetzt wird, sorgt regelmäßig ein engmaschiges Vertragsgeflecht für eine Eingrenzung etwaiger Kontrollverluste. Stellen Kreditinstitute ''Private Limited Companies'' Liquidität zur Verfügung, werden die Gesellschafter regelmäßig veranlasst, zusätzlich zu den Garantien „ihrer“ Gesellschaft persönliche Bürgschaften abzugeben. Aus der Sicht des Geschäftsverkehrs treten die größten Risiken außerhalb des kapitalmarktrechtlichen Bereichs auf. Hier hilft im Ergebnis nur eine vertragliche Absicherung der Gläubiger. In welchem Umfang bei Privatgesellschaften im Hinblick auf die Insolvenzverschleppungshaftung zwischen freiwilligen und sog. unfreiwilligen (deliktischen) Gläubigern zu differenzieren ist, ist nicht abschließend geklärt.


Die Kommission beschließt mit der Mehrheit ihrer Mitglieder (Art. 219 EG/250 AEUV) und ist, wie Art. 17(8)1 EU (2007) bestimmt, kollektiv dem Parlament verantwortlich. Ihrem Präsidenten steht – anders als in manchen Mitgliedstaaten dem Regierungschef – weder die Richtlinienkompetenz noch ein Letztentscheidungsrecht zu, doch ist ihm die politische Führung über das Organ übertragen. Über seine Mitgliedschaft im Europäischen Rat (Art. 4(2) EU(1992)/15(2)(I) EU (2007)) Rat hat er zudem an Leitentscheidungen der Union teil. Ihm obliegt die Verteilung der Ressorts auf die einzelnen Kommissare, die er im Laufe der Amtszeit ändern kann, ebenso wie die Ernennung des Vizepräsidenten (Art. 217(2), (3) EG, künftig allerdings mit Ausnahme des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik, Art. 17(6)(I)(b), (c) EU (2007)). Der Lissabonner Vertrag stärkt die Position des Präsidenten noch, indem ihm auch die Festlegung der Leitlinien für die Kommissionspolitik zugewiesen wird (Art. 17 (6)(I)(a) EU (2007)). Auch zur Amtsenthebung eines Kommissionsmitglieds bedarf es künftig nur noch der Aufforderung des Präsidenten zur Amtsniederlegung (Art. 17(6)(II)1 EU (2007)). Bislang muss die Aufforderung des Präsidenten, den Rücktritt zu erklären, durch das Kollegium gebilligt werden (Art. 217(4) EG).
=== b) Die Reform des Rechts der niederländischen B.V. ===
Das niederländische Gesetz zur Reform der B.V. beseitigt für die mit Gesellschaften mit beschränkter Haftung vergleichbaren Privatgesellschaften das Mindeststammkapitalerfordernis. Gleichzeitig gibt der niederländische Gesetzgeber aber die für das bisherige kontinentaleuropäische Gesellschaftsrecht typische Verbindung zwischen Kapitalerhaltung und Gläubigerschutz nicht vollständig auf. Mit Hilfe eines kombinierten Bilanz- und Solvenztests soll geklärt werden, ob Gewinne an die Aktionäre ausgeschüttet werden dürfen. Werden trotz Insolvenznähe Gewinne ausgeschüttet, ist der Vorstand verpflichtet, der Masse bei einer späteren Insolvenz die gezahlten Beträge zu erstatten. Diese persönliche Haftung greift ein, wenn dem einzelnen Vorstandsmitglied bekannt war, dass die Gesellschaft nach der Dividendenausschüttung ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr würde nachkommen können. Allerdings ist einem Vorstandsmitglied der Entlastungsbeweis gestattet, dass es für die Vorbereitung der Dividendenentscheidung persönlich nicht verantwortlich war. Überdies sind die Aktionäre zur Rückzahlung ihrer Dividenden verpflichtet, wenn die Insolvenz in weniger als zwölf Monaten nach der Ausschüttung eintritt.


Als Behörde ist die Kommission in Generaldirektionen, die jeweils für einen Politikbereich zuständig sind, und ihre Arbeit unterstützende „Dienste“ gegliedert. Die Leiter der Generaldirektionen (Generaldirektoren) unterstehen den für den jeweiligen Politikbereich zuständigen Kommissionsmitgliedern. Die Arbeit der Kommission wird durch ein (im Vertrag nicht erwähntes) dem Präsidenten unterstehendes Generalsekretariat koordiniert.
=== c) Die Reform des Rechts der deutschen GmbH ===
Die Novelle zum deutschen GmbH-Gesetz behält grundsätzlich das bisherige gesetzliche Mindeststammkapital in Höhe von EUR 25.000,- bei, führt aber gleichzeitig eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft mit einem Stammkapital von mindestens EUR 1,- ein, die – abzüglich eines etwaigen Verlustvortrages aus dem Vorjahr – ein Viertel ihres Jahresüberschusses in eine gesetzliche Rücklage einzustellen hat und auf diesem Weg allmählich ein Mindeststammkapital anspart. Vor diesem Hintergrund liegt die eigentliche Herausforderung für das Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (und der Privatgesellschaften) in der Evolution von der ''ex ante''- zu der ''ex post''-Betrachtung bei Insolvenznähe. Hängt die Einleitung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr von der Unterschreitung des Mindestkapitals ab, müssen für den Vorstand und das einzelne Vorstandsmitglied (neue) Verhaltenspflichten bei Insolvenznähe der Gesellschaft entwickelt werden, deren Einhaltung ''ex post'' die Androhung von Schadensersatzzahlungen und gegebenenfalls strafrechtliche Sanktionen sicherstellen. Im Anklang an einen Solvenztest verpflichtet das novellierte GmbH-Gesetz Geschäftsführer nunmehr zum Ersatz, wenn Zahlungen der Gesellschaft an die Gesellschafter zur Zahlungsunfähigkeit führen mussten. Haftungsbefreiung tritt ein, wenn die Zahlungsunfähigkeit auch bei der Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht erkennbar war. Rechtsformübergreifend wird die Insolvenzantragspflicht in der deutschen Insolvenzordnung geregelt. Die Geschäftsführung und bei Führungslosigkeit auch Gesellschafter müssen spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Erstmalig für das kodifizierte deutsche Recht akzeptiert die Gesetzesnovelle vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] die Entkopplung von Satzungs- und Verwaltungssitz.


== 3. Aufgaben im Einzelnen ==
== 3. Privatgesellschaften – Regulierungsbedarf ==
=== a) Originäre und delegierte Rechtsetzung ===
Die in Mitgliedstaaten der Gemeinschaft vorgenommenen Novellierungen des Rechts der (personalistischen) Kapitalgesellschaften deuten darauf hin, dass der Regulierungswettbewerb zwischen den Gesellschaftsrechtssystemen das für Investoren attraktivste Recht der Privatgesellschaften hervorbringt. Andererseits bestätigen sie die These, dass sich langfristig zwischen den nationalen Gesellschaftsrechtsordnungen wieder ein nicht-kooperatives Gleichgewicht einstellt, das temporäre Wettbewerbsvorteile einzelner Mitgliedstaaten aufhebt. Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch die faktische Angleichung nationaler Gesellschaftsrechte durch Gleichgewichtsstrategien der Mitgliedstaaten keine einheitlichen Startbedingungen für die Investoren schafft. Die Schwierigkeiten, die die Einordnung der englischen ''Private Limited Company'' in das deutsche Insolvenzverfahrensrecht bereitet, sind symptomatisch. Sie illustrieren, dass im Interesse der Niederlassungsfreiheit für Privatgesellschaften das materielle Gesellschaftsrecht insolvenzrechtlich weitergedacht werden muss, wenn die Mobilität zwischen den Mitgliedstaaten gewährleistet werden soll. Die Regulierungsunterschiede zwischen den einzelnen Gesellschafts- und Insolvenzrechten der Mitgliedstaaten führen zu erhöhten Kosten bei der Gründung von ausländischen Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer Privatgesellschaft, die die Investoren zu internalisieren haben. Sie trifft kleinere und mittelständische Unternehmen ebenso wie Konzerne, die aus einem Geflecht in- und ausländischer Tochtergesellschaften bestehen. Das Europäische Parlament und die Europäische Kommission haben hieraus die Schlussfolgerung gezogen, dass vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen unverhältnismäßig große Wettbewerbsnachteile erleiden, die durch eine Intervention des Gemeinschaftsgesetzgebers aufzuheben sind.
Der Aufgabenkreis der Kommission ist in Art. 211 EG, präziser noch in Art. 17(1) EU (2007) umrissen. Die mitunter als „Hüterin des Gemeinschaftsinteresses“ apostrophierte Kommission ist das eigentliche Exekutivorgan der EG bzw. EU, sie hat jedoch auch an der Normsetzung in weiterem Umfang teil als die meisten nationalen Regierungen nach Maßgabe der jeweiligen mitgliedstaatlichen Verfassungen. Der EG-Vertrag weist ihr eine originäre und exklusive Befugnis zum Erlass von [[Richtlinie]]n zwar nur in Art. 86 (3) EG/106(3) AEUV zu, doch haben zahlreiche Rechtsakte des Rates bzw. des Europäischen Parlaments die Befugnis zum Erlass von [[Verordnung]]en auf die Kommission delegiert – u.a. im Wettbewerbsrecht, wo die Kommission zahlreiche [[Gruppenfreistellungsverordnungen]] erlassen hat, aber beispielsweise auch bei der Übernahme von IFRS in das Gemeinschaftsrecht (VO 1606/ 2002). Für diese Fälle ist durch den sog. Komitologiebeschluss des Rates eine Rückanbindung an den Rat und die zu diesem entsandten Vertreter der Mitgliedstaaten, in geringerem Umfang auch an das Europäische Parlament, sichergestellt (s.u. 4.).  


=== b) Initiativrecht und Verhandlung völkerrechtlicher Verträge ===
== 4. Einheitliche Regeln durch das Statut der Europäischen Privatgesellschaft ==
Im Übrigen steht der Kommission ein Initiativrecht beim Erlass von Richtlinien und Verordnungen durch Rat und Parlament zu. Der Lissabonner Vertrag bestimmt, dass Rechtsakte grundsätzlich nur auf der Basis eines Kommissionsvorschlags erlassen werden dürfen (Art. 17(2) EU (2007)). Hiervon sieht der Vertrag nur wenige Ausnahmen vor (z.B. Art. 76, 294(15) AEUV). Für völkerrechtliche Verträge der Gemeinschaft (Union) gibt die Kommission dem Rat inhaltliche Empfehlungen; dieser ermächtigt die Kommission daraufhin, die Verhandlungen zu führen (Art. 133(3), 300(2)(I) EG/207(3)(II), 218(3) AEUV). Gemäß Art. 17(1)6 EU (2007) nimmt die Kommission offiziell die Vertretung der Union nach außen wahr, ausgenommen den wichtigen Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, der aufgrund seines intergouvernementalen Charakters dem Rat zugewiesen ist.  
Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft zielt auf eine supranationale Handlungsform für kleinere und mittlere Unternehmen ab, die parallel zu den nationalen Gesellschaftsformen existieren soll. Der Verordnungsentwurf macht die Gründung einer Europäischen Privatgesellschaft nicht von einer zwischenstaatlichen Tätigkeit abhängig. In der Sache bemüht sich die Kommissionsentwurf um einen Kompromiss zwischen der englischen ''Private Limited Company'' und den auch nach der gesellschaftsrechtlichen Novelle von 2008 relativ komplexen Regeln des deutschen GmbH-Rechts. Die Europäische Privatgesellschaft ist in ihrer Ausgangskonzeption nicht personalistisch angelegt. Sie kann von einem oder mehreren Gründern, natürlichen Personen oder Unternehmen gegründet werden und ist in ihrer Haftung beschränkt. Das gesetzliche Mindeststammkapital beträgt EUR 1,-. Die Regeln über Ausschüttungen an Anteilseigner setzen gedanklich einen Bilanztest voraus: Ausschüttungen sind nur zulässig, soweit nach einer Ausschüttung die noch vorhandenen Vermögenswerte die Schulden der Gesellschaft in vollem Umfang abdecken. Überdies kann die Satzung vorsehen, dass der Geschäftsführer der Europäischen Privatgesellschaft ergänzend in einer sog. Solvenzbescheinigung bestätigt, dass die Gesellschaft in dem auf die Ausschüttung folgenden Jahr ihre Schulden im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit bei Fälligkeit begleichen kann. Die Geschäftsführung der Gesellschaft liegt bei dem Leitungsorgan der Gesellschaft. Die Organstruktur der Gesellschaft kann monistisch oder dualistisch ausgestaltet werden. Die Abteilseigner haben das alleinige Entscheidungsrecht in Statusfragen, bei Dividendenausschüttungen, Veränderungen des Gesellschaftskapitals, Entlastung und Abberufung von Mitgliedern der Unternehmensleitung und dem Ausschluss oder Ausscheiden eines Anteilseigners. Die Satzung kann den Anteilseignern weitergehende Befugnisse im Hinblick auf die Leitung der Gesellschaft übertragen. Der Verordnungsentwurf kodifiziert in allgemeiner Form die Pflichten der Unternehmensleitung (einschließlich der Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten). Das einzelne Mitglied ist gegenüber der Unternehmensleitung verantwortlich, wenn sein Verstoß gegen die Verordnung, Satzung oder einen Beschluss der Anteilseigner die Privatgesellschaft schädigt. Haben mehrere Mitglieder einen derartigen Verstoß begangen, haften sie gesamtschuldnerisch. Allerdings unterstellt der Verordnungsentwurf Fragen der Haftung der Mitglieder der Unternehmensleitung dem anwendbaren nationalen Recht. Im Hinblick auf die Mitbestimmung der Arbeitnehmer verweist der Kommissionsvorschlag in entsprechender Anwendung auf die Regeln, die im Gemeinschaftsrecht für die ''Societas Europaea'' und die grenzüberschreitende Verschmelzung nationaler Unternehmen gelten.


=== c) Gubernativ- und Exekutivbefugnisse ===
Der Verordnungsentwurf zur Europäischen Privatgesellschaft will den Gesellschaftern größtmögliche Vertragsfreiheit gewähren. Er beschränkt sich daher darauf, für die Satzung gesetzliche Mindeststandards aufzustellen. Die EU-Kommission sieht ihren Entwurf im Einklang mit dem Subsidiaritätsgrundsatz. Dennoch führt die Regelungstechnik des Statuts zu einer Gemengelage zwischen Gemeinschaftsrecht und dem mitgliedstaatlichen Recht für Privatgesellschaften. Indem sich der Verordnungsentwurf auf Mindeststandards beschränkt, wird dem EuGH die Aufgabe zugewiesen, das Recht der Europäischen Privatgesellschaft weiterzuentwickeln. Andererseits bleiben mitgliedstaatliche Regelungskompetenzen etwa im Bereich der Haftung des Vorstandes, der Ausgestaltung der Insolvenzverschleppung, des Bilanzrechts und des Steuerrechts unangetastet. Ebensowenig überlagert das neue Recht der Privatgesellschaft die Kollisionsregeln der EuInsVO (VO 1346/2000; [[Insolvenz, grenzüberschreitende]]). Damit bleibt die Verzahnung zwischen dem Gemeinschaftsrecht und den nationalen Privatrechten erhalten. Im Gegensatz zu entsprechenden Vorschlägen für das Recht der USA nimmt der Verordnungsentwurf für Privatgesellschaften nicht den Charakter einer föderalen Regelung an, die die Gesellschafter wählen können und damit aus dem Regelungsbereich einzel- bzw. mitgliedstaatlicher Gesetze ausscheiden. Für das europäische Recht der Privatgesellschaften bleibt weiterhin klärungsbedürftig, in welchem Umfang die Gesellschafter durch die Wahl des anwendbaren Rechts (einschließlich der Insolvenzverschleppungsregeln) die für sie optimale Handlungsform schaffen dürfen.
Als „Gubernative“ ist die Kommission für die Ausführung des Haushaltsplanes verantwortlich (Art. 274 EG/317 AEUV). An der Haushaltsplanung selbst wirkt die Kommission durch Erstellung des Vorentwurfs mit (Art. 272(2) EG/314(2) AEUV); dieser wird dem Rat vorgelegt, der sodann nach Beteiligung des Europäischen Parlaments den Entwurf beschließt (Art. 272(3), (4) EG/314(3) ff. AEUV). Erhebliche Teile des Beamtenapparats der Gemeinschaft (Union) arbeiten der Kommission zu. Beachtlich sind die Aufsichtsbefugnisse der Kommission über Mitgliedstaaten und Privatrechtssubjekte, was die Beachtung des primären und teils auch des sekundären Europarechts betrifft. Insbesondere steht der Kommission die Wettbewerbsaufsicht zu – die Beihilfenkontrolle ([[Beihilfenrecht|Beihilfeverbot]]) (Art. 88 EG/108 AEUV), die europäische Kartell- und Missbrauchsaufsicht (unter Mitwirkung der zuständigen nationalen Behörden im Netzwerk der Wettbewerbsbehörden – ''European Competition Network'') sowie die europäische Fusionskontrolle (vgl. Art. 85 EG/105 AEUV). In allen diesen Bereichen (Einzelheiten unter [[Kartellverfahrensrecht]] und [[Fusionskontrolle]]) erlässt die Kommission Einzelentscheidungen (Art. 249(4) EG/288(4) AEUV) gegenüber Unternehmen oder Mitgliedstaaten. Als Sanktionsinstanz ist sie zur Verhängung von Geldbußen ermächtigt, die sich bei materiellen Wettbewerbsrechtsverstößen auf bis zu 10 % des Jahresumsatzes beteiligter Unternehmen belaufen können und Beträge von mehr als EUR 1 Mrd. erreichen (wobei Geldbußen in solcher Höhe gelegentlich auch Einzelunternehmen, wie zuletzt Intel, auferlegt worden sind). Auch die Beachtung anderer Gemeinschaftsrechtssätze, vor allem der Grundfreiheiten, wird von der Kommission kontrolliert. Zu ihrer Durchsetzung steht der Kommission insoweit jedoch grundsätzlich nur die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen den betreffenden Mitgliedstaat vor dem [[Europäischer Gerichtshof|Europäischen Gerichtshof]] gemäß Art. 226 EG/258 AEUV zu Gebote. Die Kommission verwaltet die Gemeinschaftsfonds (Struktur-, Agrar-, Regionalfonds), sie überprüft den Fortschritt neuer Mitgliedstaaten bei der Implementierung des ''acquis communautaire'' und sanktioniert „Compliance“-Mängel indirekt, indem sie Auszahlung von Mitteln verweigert oder verzögert.
 
== 4. Komitologieverfahren bei delegierter Rechtsetzung ==
Gemäß Art. 218(1) EG ziehen Kommission und Rat einander zu Rate und regeln einvernehmlich die Art und Weise ihrer Zusammenarbeit. Art. 13(2)2 EU (2007) verpflichtet gar alle Organe zur loyalen Zusammenarbeit Dies gilt insbesondere für die vom Rat auf die Kommission delegierte Rechtsetzung, für die der Rat nach Art. 202 3. Spiegelstrich S. 2 EG (vgl. nun Art. 290 AEUV) Modalitäten festlegen kann. Zu diesem Zweck erließ der Rat erstmals 1987 einen im Sprachgebrauch der EU als Komitologiebeschluss bekannt gewordenen Rechtsakt. Er wurde 1999 durch einen anderen, 2006 novellierten Komitologiebeschluss abgelöst.
 
Die drei Komitologieverfahren sind komplex und können hier nur in ihren Grundzügen dargestellt werden. Wie der Terminus erkennen lässt, zielen sie auf ein konzertiertes Zusammenwirken bei der Delegationsrechtsetzung ab, wobei vor allem eine Rückbindung an den Willen des Rates bzw. der Mitgliedstaaten und in gewissem Umfang auch an das Europäische Parlament intendiert ist. Der Beschluss sieht drei unterschiedliche Verfahrenstypen der Komitologie vor: das Verwaltungsverfahren, das Regelungsverfahren und – als Auffangtypus – das Beratungsverfahren. Welches Verfahren zur Anwendung kommt, ist nicht exakt determiniert, sondern bestimmt sich nach unverbindlichen Kriterien (vgl. Erwägungsgrund 5 sowie Art. 2 Komitologiebeschluss). Auf die Kommission delegierte Rechtsetzung geht nicht zwingend mit einem Komitologieverfahren einher; daran fehlt es beispielsweise im Wettbewerbsrecht. Basisrechtsakte können auch spezielle bzw. komplexe Komitologieverfahren anordnen, wie sie beispielsweise bei der Umsetzung des „Aktionsplanes für Finanzdienstleistungen“ auf der Basis des sog. ''Lamfalussy''-Berichts für den Bereich der Finanzmärkte (Wertpapiere, Banken, Versicherungen, Finanzkonglomerate) eingeführt worden sind.
 
Sofern keine besonderen Vorschriften Platz greifen, gelten für das Komitologieverfahren folgende Grundsätze: Beim ''Verwaltungsverfahren'' (Art. 4) wird die Kommission durch einen von Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzten Verwaltungsausschuss unterstützt, der mit (gewichteter) Mehrheit über den Maßnahmenentwurf der Kommission Beschluss fasst. Über diese „Stellungnahme“ kann sich die Kommission hinwegsetzen, muss dies dann aber dem Rat mitteilen, der mit qualifizierter Mehrheit einen anderslautenden Beschluss fassen und die Kommission damit überstimmen kann. Das Verwaltungsverfahren soll allgemein bei „Verwaltungsmaßnahmen“ bei gemeinschaftseigener Verwaltung (Agrar- und Fischereipolitik, haushaltsrelevante Beschlüsse) zur Anwendung kommen (Art. 2(a)). Das ''Regelungsverfahren'' (Art. 5) wird angewendet, wo Maßnahmen von allgemeiner Tragweite zur Anwendung wesentlicher Bestimmungen von Basisrechtsmaßnahmen (vor allem Rechtsgüterschutz) getroffen werden oder der Basisrechtsakt die Anpassung nicht wesentlicher Bestimmungen im Wege der Durchführungsrechtsetzung gestattet (Art. 2(b). Hier unterstützt ein – ebenfalls aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzter – Regelungsausschuss die Kommission. Das Regelungsverfahren ist dem Verwaltungsverfahren sehr ähnlich. Allerdings muss die Kommission, wenn die von ihr beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht übereinstimmen, erstens dem Rat einen Vorschlag für die zu treffenden Maßnahmen unterbreiten und zweitens das Europäische Parlament unterrichten, das seinerseits, wenn der Basisrechtsakt im Wege der Mitentscheidung erlassen worden ist, den Rat über seinen Standpunkt unterrichtet. Der Rat befindet sodann über den Vorschlag der Kommission, ohne die Ansicht des Parlaments zwingend berücksichtigen zu müssen. Entscheidet er sich mit qualifizierter Mehrheit gegen den Vorschlag, muss die Kommission erneut Beschluss fassen. Das ''Beratungsverfahren'' (Art. 3) kommt zur Anwendung, wo es „als zweckmäßigstes Verfahren angesehen wird“, auch dann, wenn die Voraussetzungen der Art. 2(a) oder (b) vorliegen (Art. 2(c)). Die Unterstützung der Kommission erfolgt insoweit durch einen von den Mitgliedstaaten besetzten beratenden Ausschuss. Diesem ist freigestellt, ob er seiner Stellungnahme eine Abstimmung, für die im Übrigen keine Mehrheitsanforderungen normiert sind, vorausgehen lassen will. Die Kommission ist an die Stellungnahme nicht gebunden, sondern berücksichtigt sie „soweit wie möglich“. Für den Fall der Abweichung von der Stellungnahme ist ein Verfahrenseintritt des Rates nicht vorgesehen.
 
Die Komitologieverfahren beeinträchtigen die Position der Kommission nicht, sondern schränken nur die Wahrnehmung ihr originär gar nicht zugewiesener Befugnisse im Sinne von ''checks and balances'' ein. Bedenklich ist, dass das Europäische Parlament, selbst dort, wo es als Mitgesetzgeber am Basisrechtsakt mitgewirkt hat, an Durchführungsrechtsakten weniger teilhat als der Rat. Art. 8 des Komitologiebeschlusses gesteht dem Parlament lediglich eine Art Einspruchsrecht für den Fall zu, dass der Durchführungsrechtsakt über den in einem nach Art. 251 EG/294 AEUV erlassenen Basisrechtsakt gezogenen Rahmen hinausgeht; der Entwurf muss in diesem Fall von der Kommission geprüft und ggf. revidiert werden.
 
Der Lissabonner Vertrag verankert die Komitologieverfahren in seinen Grundzügen auch primärrechtlich (Art. 290(2) AEUV). Sofern die Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage nicht den rechtlichen Status quo präzisieren, sind sie terminologischer Art. Rechtsakte, die von der Kommission aufgrund einer Ermächtigung erlassen sind, werden – weil das (ordentliche oder außerordentliche) Gesetzgebungsverfahren per definitionem die maßgebliche Beteiligung von Rat und Parlament vorsieht (Art. 289(1), (2) AEUV) – als Rechtsakte ohne Gesetzgebungscharakter bezeichnet. Art. 290(1) (II)2 AEUV stellt klar, dass eine Befugnisübertragung auf die Kommission für die „wesentlichen Aspekte eines Bereichs“ ausgeschlossen und – ähnlich wie auf mitgliedstaatlicher Ebene – dem Gesetzgebungsakt vorbehalten ist.  


==Literatur==
==Literatur==
''Mads Andenas'', ''Alexander Türk'' (Hg.), Delegated Legislation and the Role of Committees in the EC, 2000; ''Simone Knemeyer'', Das Europäische Parlament und die gemeinschaftliche Durchführungsrechtsetzung 2003; ''Christian von Buttlar,'' Das Initiativrecht der Euro¬päischen Kom¬mission, 2003; ''Waldemar Hummer,'' Die „Komitologie“ – das „unbekannte Wesen“, in: Festschrift für Peter Fischer, 2004, 121 ff.; ''David Spence'' (Hg.), The European Com¬mission, 2006; Simone Staeglich, Der Kom¬mis¬sionspräsident als Oberhaupt der Europäi¬schen Union, 2007.
''Lucian Arye Bebchuck'', Federalism and the Corporation, Harvard Law Review 105 (1992) 1435 ff.; ''Dietmar Helms'', Die Europäische Privatgesellschaft, 1998; ''Jeanne Boucourechliev'','' Peter Hommelhoff'', Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 1999; ''Jaap Winter'', ''José Maria Garrido Garcia'', ''Klaus J. Hopt'', ''Jonathan Rickford'', ''Guido Rossi'', ''Jan Schans Christensen'', ''Joelle Simon'' (The High Level Group of Company Law Experts) (Hg.), Report on A Modern Regulatory Framework for Company Law in Europe, 2002; ''Joseph A. McCahery'','' Theo Raaijmakers'','' Erik P.M. Vermeulen'', The Governance of Close Corporations: US and European Perspectives, 2004; ''Hylda Boschma'', ''Loes Leannarts'', ''Hanny Schutte-Veenstra'', The Reform of Dutch Private Company Law, European Business Organization Law Review 8 (2007) 567 ff., ''Peter Hommelhoff'', Die „Europäische Privatgesellschaft“ am Beginn ihrer Normierung, 2007; ''Harm-Jan de Kluiver'', Private Ordering and Buy-Out Remedies, European Business Organization Law Review 8 (2007) 104 ff.; ''Robert Drury'', The European Private Company, European Business Organization Law Review 9 (2008) 125 ff.


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Version vom 28. September 2021, 16:01 Uhr

von Rainer Kulms

1. Gegenstand

Die Entwicklung des Europäischen Gesellschaftsrechts ist nicht einheitlich verlaufen. Privatgesellschaften, d.h. Gesellschaften, deren Anteile weder öffentlich angeboten noch am Kapitalmarkt gehandelt werden, haben erst spät das Interesse des Europäischen Gesetzgebers geweckt. Noch der Aktionsplan der Europäischen Kommission für das Gesellschaftsrecht konzentriert sich auf Regelungen für börsennotierte Gesellschaften, während er sich bei Privatgesellschaften für einen großen privatautonomen Gestaltungsspielraum ausspricht. Die hochrangige Expertengruppe für Gesellschaftsrecht hatte sich der Forderung kleiner und mittelständischer Unternehmen nach einer europarechtlichen Organisationsform mit beschränkter Haftung neben der Societas Europaea (Europäische Aktiengesellschaft) unter Hinweis auf die Vertragsfreiheit nicht verschließen wollen. Doch warnt der Bericht der Expertengruppe vor den praktischen Schwierigkeiten, die sich aus einem Nebeneinander zwischen gemeinschaftsrechtlichen Normen für Privatgesellschaften und zwingendem nationalem Recht ergeben können. Im Europäischen Parlament ist der Wunsch nach einem einheitlichen Statut für eine Europäische Privatgesellschaft auf große Sympathie gestoßen. Er stützt sich auf Studien, an denen mehrheitlich kontinentaleuropäische Wissenschaftler beteiligt waren. Dabei wird von einem Bedürfnis für gemeinschaftsrechtliche Normen ausgegangen, das sich ohne die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit und die Besonderheiten mitgliedstaatlicher Gesetze zu Privatgesellschaften nicht erklären lässt. Die Kommission hat im Juni 2008 angekündigt, Maßnahmen zugunsten kleinerer und mittlerer Unternehmen zu ergreifen. Hierzu gehört auch der Verordnungsentwurf für ein Statut der Europäischen Privatgesellschaft.

2. Europäischer Regulierungswettbewerb – Mitgliedstaatliche Reaktionen

Die Rechtsprechung des EuGH zielt darauf ab, die negativen Externalitäten nationaler Gesellschaftsrechtssysteme zu beseitigen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten ohne weiteres anzuerkennen. Gleichwohl haben die Pfadabhängigkeit der nationalen Gesellschaftsrechtssysteme und das Steuerrecht bisher verhindert, dass allgemeiner Regulierungswettbewerb herrscht. Regulierungswettbewerb zwischen den einzelnen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten tritt ein, wenn – wie im Recht der Privatgesellschaften und der Personengesellschaften – die Regelungsdichte im Vergleich zu den börsennotierten Kapitalgesellschaften relativ gering ist und Vertragsfreiheit besteht. Die Kosten für die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer vergleichbaren Privatgesellschaft weichen in den einzelnen Mitgliedstaaten stark voneinander ab. Ebenso schwanken die Anforderungen an ein gesetzliches Mindeststammkapital. Während das englische Recht bei der Private Limited Company vollständig darauf verzichtet und einige Mitgliedstaaten sich auf einen symbolischen Betrag von EUR 1,- beschränken, hat das deutsche Recht lange Zeit ein Mindestkapital von EUR 25.000,- gefordert.

Im Wettbewerb der nationalen Gesetzgeber um die für kleinere und mittlere Unternehmen am wenigsten belastende Handlungsform für Privatgesellschaften sind von der englischen Private Limited Company entscheidende Impulse ausgegangen. Unter den in den vergangenen Jahren in England angemeldeten „ausländischen“ Privatgesellschaften (d.h. Private Limited Companies mit einer nicht-englischen Geschäftsführung) nehmen von Deutschen und Niederländern veranlasste Neugründungen die Spitzenpositionen ein. Sie erklären, weshalb vor allem das deutsche GmbH-Recht und das Recht der niederländischen Besloten Venootschap (B.V.) novelliert worden sind. Die dabei aufgeworfenen Streitfragen prägen auch die Diskussion über die Europäische Privatgesellschaft, weil mit dem Verzicht auf ein gesetzliches Mindeststammkapital das Verhältnis zwischen Privatautonomie im Gesellschaftsrecht, Kapitalerhaltung (Kapitalaufbringung und ‑erhaltung) und Gläubigerschutz bei Insolvenznähe neu zu bestimmen ist.

a) Private Limited Company – Corporate Governance und Insolvenzschutz

Das englische Gesellschaftsrecht in der Fassung des Companies Act 2006 gestattet einer Private Limited Company, deren Kapital durch die finanziellen Beiträge der Aktionäre aufgebracht wird, ihre Geschäftstätigkeit aufzunehmen, sobald Teileinzahlungen geleistet sind und die Höhe der von dem einzelnen zu leistenden Beiträge feststeht. Werden im Hinblick auf das Startkapital der Private Limited Company keine Aktien gezeichnet, sondern Zahlungsgarantien durch die Aktionäre abgegeben, kann die Gesellschaft ohne sofortige Beiträge ihrer Gesellschafter ihre Tätigkeit aufnehmen. Im Vergleich zu dem Vorstand einer börsennotierten Kapitalgesellschaft sind dem director einer Private Limited Company schwächere Handlungsbeschränkungen auferlegt. Die herkömmlichen Sorgfaltsstandards sind anwendbar, doch kann die Verfassung der Gesellschaft (constitution) den director hiervon befreien. Indem das englische Gesellschaftsrecht bei Private Limited Companies auf starre Kapitalerhaltungsregeln verzichtet, wird bei den Handlungspflichten für die directors bei Insolvenznähe ein vom bisherigen Recht der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung abweichender Regelungsansatz gewählt. Über den Insolvency Act 1986 greift eine ex post-Analyse ein, bei der eine Schadensersatzsanktion für wrongful trading (Insolvenz der Kapitalgesellschaft) das Verhalten der directors steuern soll. In diesem Zusammenhang sind die directors verpflichtet, das Unternehmen zu retten und erst dann ein Insolvenzverfahren einzuleiten, wenn keine vernünftige Aussicht mehr auf dessen Rettung besteht.

Angesichts der vielfältigen Verwendung der englischen Private Limited Company lässt sich nicht pauschal feststellen, dass die gesetzliche Konstruktion automatisch zu schwerwiegenden Corporate Governance-Problemen oder einer Gefährdung der Gläubiger führt. Soweit die Private Limited Company als Investitionsvehikel im Venture Capital-Bereich eingesetzt wird, sorgt regelmäßig ein engmaschiges Vertragsgeflecht für eine Eingrenzung etwaiger Kontrollverluste. Stellen Kreditinstitute Private Limited Companies Liquidität zur Verfügung, werden die Gesellschafter regelmäßig veranlasst, zusätzlich zu den Garantien „ihrer“ Gesellschaft persönliche Bürgschaften abzugeben. Aus der Sicht des Geschäftsverkehrs treten die größten Risiken außerhalb des kapitalmarktrechtlichen Bereichs auf. Hier hilft im Ergebnis nur eine vertragliche Absicherung der Gläubiger. In welchem Umfang bei Privatgesellschaften im Hinblick auf die Insolvenzverschleppungshaftung zwischen freiwilligen und sog. unfreiwilligen (deliktischen) Gläubigern zu differenzieren ist, ist nicht abschließend geklärt.

b) Die Reform des Rechts der niederländischen B.V.

Das niederländische Gesetz zur Reform der B.V. beseitigt für die mit Gesellschaften mit beschränkter Haftung vergleichbaren Privatgesellschaften das Mindeststammkapitalerfordernis. Gleichzeitig gibt der niederländische Gesetzgeber aber die für das bisherige kontinentaleuropäische Gesellschaftsrecht typische Verbindung zwischen Kapitalerhaltung und Gläubigerschutz nicht vollständig auf. Mit Hilfe eines kombinierten Bilanz- und Solvenztests soll geklärt werden, ob Gewinne an die Aktionäre ausgeschüttet werden dürfen. Werden trotz Insolvenznähe Gewinne ausgeschüttet, ist der Vorstand verpflichtet, der Masse bei einer späteren Insolvenz die gezahlten Beträge zu erstatten. Diese persönliche Haftung greift ein, wenn dem einzelnen Vorstandsmitglied bekannt war, dass die Gesellschaft nach der Dividendenausschüttung ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr würde nachkommen können. Allerdings ist einem Vorstandsmitglied der Entlastungsbeweis gestattet, dass es für die Vorbereitung der Dividendenentscheidung persönlich nicht verantwortlich war. Überdies sind die Aktionäre zur Rückzahlung ihrer Dividenden verpflichtet, wenn die Insolvenz in weniger als zwölf Monaten nach der Ausschüttung eintritt.

c) Die Reform des Rechts der deutschen GmbH

Die Novelle zum deutschen GmbH-Gesetz behält grundsätzlich das bisherige gesetzliche Mindeststammkapital in Höhe von EUR 25.000,- bei, führt aber gleichzeitig eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft mit einem Stammkapital von mindestens EUR 1,- ein, die – abzüglich eines etwaigen Verlustvortrages aus dem Vorjahr – ein Viertel ihres Jahresüberschusses in eine gesetzliche Rücklage einzustellen hat und auf diesem Weg allmählich ein Mindeststammkapital anspart. Vor diesem Hintergrund liegt die eigentliche Herausforderung für das Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (und der Privatgesellschaften) in der Evolution von der ex ante- zu der ex post-Betrachtung bei Insolvenznähe. Hängt die Einleitung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr von der Unterschreitung des Mindestkapitals ab, müssen für den Vorstand und das einzelne Vorstandsmitglied (neue) Verhaltenspflichten bei Insolvenznähe der Gesellschaft entwickelt werden, deren Einhaltung ex post die Androhung von Schadensersatzzahlungen und gegebenenfalls strafrechtliche Sanktionen sicherstellen. Im Anklang an einen Solvenztest verpflichtet das novellierte GmbH-Gesetz Geschäftsführer nunmehr zum Ersatz, wenn Zahlungen der Gesellschaft an die Gesellschafter zur Zahlungsunfähigkeit führen mussten. Haftungsbefreiung tritt ein, wenn die Zahlungsunfähigkeit auch bei der Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht erkennbar war. Rechtsformübergreifend wird die Insolvenzantragspflicht in der deutschen Insolvenzordnung geregelt. Die Geschäftsführung und bei Führungslosigkeit auch Gesellschafter müssen spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Erstmalig für das kodifizierte deutsche Recht akzeptiert die Gesetzesnovelle vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH die Entkopplung von Satzungs- und Verwaltungssitz.

3. Privatgesellschaften – Regulierungsbedarf

Die in Mitgliedstaaten der Gemeinschaft vorgenommenen Novellierungen des Rechts der (personalistischen) Kapitalgesellschaften deuten darauf hin, dass der Regulierungswettbewerb zwischen den Gesellschaftsrechtssystemen das für Investoren attraktivste Recht der Privatgesellschaften hervorbringt. Andererseits bestätigen sie die These, dass sich langfristig zwischen den nationalen Gesellschaftsrechtsordnungen wieder ein nicht-kooperatives Gleichgewicht einstellt, das temporäre Wettbewerbsvorteile einzelner Mitgliedstaaten aufhebt. Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch die faktische Angleichung nationaler Gesellschaftsrechte durch Gleichgewichtsstrategien der Mitgliedstaaten keine einheitlichen Startbedingungen für die Investoren schafft. Die Schwierigkeiten, die die Einordnung der englischen Private Limited Company in das deutsche Insolvenzverfahrensrecht bereitet, sind symptomatisch. Sie illustrieren, dass im Interesse der Niederlassungsfreiheit für Privatgesellschaften das materielle Gesellschaftsrecht insolvenzrechtlich weitergedacht werden muss, wenn die Mobilität zwischen den Mitgliedstaaten gewährleistet werden soll. Die Regulierungsunterschiede zwischen den einzelnen Gesellschafts- und Insolvenzrechten der Mitgliedstaaten führen zu erhöhten Kosten bei der Gründung von ausländischen Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer Privatgesellschaft, die die Investoren zu internalisieren haben. Sie trifft kleinere und mittelständische Unternehmen ebenso wie Konzerne, die aus einem Geflecht in- und ausländischer Tochtergesellschaften bestehen. Das Europäische Parlament und die Europäische Kommission haben hieraus die Schlussfolgerung gezogen, dass vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen unverhältnismäßig große Wettbewerbsnachteile erleiden, die durch eine Intervention des Gemeinschaftsgesetzgebers aufzuheben sind.

4. Einheitliche Regeln durch das Statut der Europäischen Privatgesellschaft

Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft zielt auf eine supranationale Handlungsform für kleinere und mittlere Unternehmen ab, die parallel zu den nationalen Gesellschaftsformen existieren soll. Der Verordnungsentwurf macht die Gründung einer Europäischen Privatgesellschaft nicht von einer zwischenstaatlichen Tätigkeit abhängig. In der Sache bemüht sich die Kommissionsentwurf um einen Kompromiss zwischen der englischen Private Limited Company und den auch nach der gesellschaftsrechtlichen Novelle von 2008 relativ komplexen Regeln des deutschen GmbH-Rechts. Die Europäische Privatgesellschaft ist in ihrer Ausgangskonzeption nicht personalistisch angelegt. Sie kann von einem oder mehreren Gründern, natürlichen Personen oder Unternehmen gegründet werden und ist in ihrer Haftung beschränkt. Das gesetzliche Mindeststammkapital beträgt EUR 1,-. Die Regeln über Ausschüttungen an Anteilseigner setzen gedanklich einen Bilanztest voraus: Ausschüttungen sind nur zulässig, soweit nach einer Ausschüttung die noch vorhandenen Vermögenswerte die Schulden der Gesellschaft in vollem Umfang abdecken. Überdies kann die Satzung vorsehen, dass der Geschäftsführer der Europäischen Privatgesellschaft ergänzend in einer sog. Solvenzbescheinigung bestätigt, dass die Gesellschaft in dem auf die Ausschüttung folgenden Jahr ihre Schulden im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit bei Fälligkeit begleichen kann. Die Geschäftsführung der Gesellschaft liegt bei dem Leitungsorgan der Gesellschaft. Die Organstruktur der Gesellschaft kann monistisch oder dualistisch ausgestaltet werden. Die Abteilseigner haben das alleinige Entscheidungsrecht in Statusfragen, bei Dividendenausschüttungen, Veränderungen des Gesellschaftskapitals, Entlastung und Abberufung von Mitgliedern der Unternehmensleitung und dem Ausschluss oder Ausscheiden eines Anteilseigners. Die Satzung kann den Anteilseignern weitergehende Befugnisse im Hinblick auf die Leitung der Gesellschaft übertragen. Der Verordnungsentwurf kodifiziert in allgemeiner Form die Pflichten der Unternehmensleitung (einschließlich der Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten). Das einzelne Mitglied ist gegenüber der Unternehmensleitung verantwortlich, wenn sein Verstoß gegen die Verordnung, Satzung oder einen Beschluss der Anteilseigner die Privatgesellschaft schädigt. Haben mehrere Mitglieder einen derartigen Verstoß begangen, haften sie gesamtschuldnerisch. Allerdings unterstellt der Verordnungsentwurf Fragen der Haftung der Mitglieder der Unternehmensleitung dem anwendbaren nationalen Recht. Im Hinblick auf die Mitbestimmung der Arbeitnehmer verweist der Kommissionsvorschlag in entsprechender Anwendung auf die Regeln, die im Gemeinschaftsrecht für die Societas Europaea und die grenzüberschreitende Verschmelzung nationaler Unternehmen gelten.

Der Verordnungsentwurf zur Europäischen Privatgesellschaft will den Gesellschaftern größtmögliche Vertragsfreiheit gewähren. Er beschränkt sich daher darauf, für die Satzung gesetzliche Mindeststandards aufzustellen. Die EU-Kommission sieht ihren Entwurf im Einklang mit dem Subsidiaritätsgrundsatz. Dennoch führt die Regelungstechnik des Statuts zu einer Gemengelage zwischen Gemeinschaftsrecht und dem mitgliedstaatlichen Recht für Privatgesellschaften. Indem sich der Verordnungsentwurf auf Mindeststandards beschränkt, wird dem EuGH die Aufgabe zugewiesen, das Recht der Europäischen Privatgesellschaft weiterzuentwickeln. Andererseits bleiben mitgliedstaatliche Regelungskompetenzen etwa im Bereich der Haftung des Vorstandes, der Ausgestaltung der Insolvenzverschleppung, des Bilanzrechts und des Steuerrechts unangetastet. Ebensowenig überlagert das neue Recht der Privatgesellschaft die Kollisionsregeln der EuInsVO (VO 1346/2000; Insolvenz, grenzüberschreitende). Damit bleibt die Verzahnung zwischen dem Gemeinschaftsrecht und den nationalen Privatrechten erhalten. Im Gegensatz zu entsprechenden Vorschlägen für das Recht der USA nimmt der Verordnungsentwurf für Privatgesellschaften nicht den Charakter einer föderalen Regelung an, die die Gesellschafter wählen können und damit aus dem Regelungsbereich einzel- bzw. mitgliedstaatlicher Gesetze ausscheiden. Für das europäische Recht der Privatgesellschaften bleibt weiterhin klärungsbedürftig, in welchem Umfang die Gesellschafter durch die Wahl des anwendbaren Rechts (einschließlich der Insolvenzverschleppungsregeln) die für sie optimale Handlungsform schaffen dürfen.

Literatur

Lucian Arye Bebchuck, Federalism and the Corporation, Harvard Law Review 105 (1992) 1435 ff.; Dietmar Helms, Die Europäische Privatgesellschaft, 1998; Jeanne Boucourechliev, Peter Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 1999; Jaap Winter, José Maria Garrido Garcia, Klaus J. Hopt, Jonathan Rickford, Guido Rossi, Jan Schans Christensen, Joelle Simon (The High Level Group of Company Law Experts) (Hg.), Report on A Modern Regulatory Framework for Company Law in Europe, 2002; Joseph A. McCahery, Theo Raaijmakers, Erik P.M. Vermeulen, The Governance of Close Corporations: US and European Perspectives, 2004; Hylda Boschma, Loes Leannarts, Hanny Schutte-Veenstra, The Reform of Dutch Private Company Law, European Business Organization Law Review 8 (2007) 567 ff., Peter Hommelhoff, Die „Europäische Privatgesellschaft“ am Beginn ihrer Normierung, 2007; Harm-Jan de Kluiver, Private Ordering and Buy-Out Remedies, European Business Organization Law Review 8 (2007) 104 ff.; Robert Drury, The European Private Company, European Business Organization Law Review 9 (2008) 125 ff.

Abgerufen von Europäische Kommission – HWB-EuP 2009 am 31. Juli 2025.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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