Diskriminierungsverbot im allgemeinen Vertragsrecht: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 28. September 2021, 14:39 Uhr
1. Gegenstand und Zweck; Terminologie
Die Privatautonomie ist das Leitprinzip des Vertragsrechts. Sie beinhaltet gerade auch die Freiheit, weitestgehend willkürlich darüber zu entscheiden, mit welcher Person und zu welchen Bedingungen ein Vertrag zustande kommt. Somit bietet die in allen europäischen Rechtsordnungen anerkannte Vertragsfreiheit grundsätzlich sogar Raum für rassistisch oder sexistisch motivierte Ungleichbehandlungen im Rahmen von privatrechtlichen Rechtsbeziehungen. Solche Zurücksetzungen bestimmter Personenkreise sind aber nicht zuletzt durch die Wertungen der Grund- und Menschenrechte der EMRK sowie der GRCh europaweit als Diskriminierungen verpönt. Das europäische Primärrecht gewährt indes keinen umfassenden Diskriminierungsschutz im Vertragsrecht: Der EuGH hat bislang nur Art. 141 EG/157 AEUV und zumindest teilweise auch das binnenmarktbezogene Diskriminierungsverbot aus Art. 12 EG/18 AEUV unmittelbar auf Rechtsverhältnisse zwischen Privaten erstreckt (EuGH Rs. 43/75 – Defrenne II, Slg. 1976, 455; EuGH Rs. 36/74 – Walrave, Slg. 1974, 1405). Auch die überwiegende Mehrheit der EG-Mitgliedstaaten und EWR-Vertragsstaaten kannte bis zur Umsetzung der auf Art. 13 EG/19 AEUV gestützten RL 2000/43 und RL 2004/113 kein Diskriminierungsverbot im allgemeinen Vertragsrecht. In den meisten europäischen Rechtsordnungen gewährt die Ausstrahlungswirkung verfassungsrechtlicher Gleichheitsverbürgungen allenfalls in Ausnahmefällen Schutz vor diskriminierenden Ungleichbehandlungen.
Das Anti-Diskriminierungsrecht sekundärrechtlicher Provenienz trägt nun den Konflikt zwischen Freiheit und Gleichheit unmittelbar in das Privatrecht hinein: Bei der Begründung, Durchführung und Beendigung eines Vertrages sind grundsätzlich alle an bestimmte Merkmale von Personen und Gruppen anknüpfende Unterscheidungen als Diskriminierungen verboten. Wenngleich das Diskriminierungsverbot im allgemeinen Vertragsrecht stark an das seit längerem existierende Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht angelehnt ist, untersagen die europarechtlichen Vorgaben im Zivilrecht derzeit nur Ungleichbehandlungen aufgrund des Geschlechts sowie der Rasse und ethnischen Herkunft. Viele EG-Mitgliedstaaten, wie beispielsweise Deutschland und Großbritannien, schützen darüber hinaus aber auch die Merkmale Alter, Religion, Behinderung und sexuelle Identität (§ 19 AGG; Part 2 Equality Act 2006).
Unter den Begriff der Diskriminierung fallen sowohl offensichtlich weniger günstige Behandlungen von Merkmalsträgern im Vergleich zu anderen Personen (unmittelbare Diskriminierungen) als auch an scheinbar neutralen Kriterien ansetzende Differenzierungen, die aber die geschützte Gruppe in besonderem Maße treffen (mittelbare Diskriminierungen). Als Diskriminierung gilt dabei auch die Anweisung an Untergebene, eine andere Person aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft zu benachteiligen. Rassistische oder sexistische Belästigungen, welche die Würde der Opfer beeinträchtigen und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen geprägtes Umfeld schaffen, sind Diskriminierungen ebenfalls gleichgestellt.
Das Verbot der Diskriminierung gilt dabei grundsätzlich im gesamten Vertragsrecht. Insbesondere sind auch die in der Praxis wichtigen Bereiche des Miet- und Versicherungsvertragsrechts erfasst. Darüber hinaus fordern Art. 14(b) RL 2000/43 und Art. 13(b) RL 2004/113, dass die Einhaltung des Diskriminierungsverbots im Rahmen der „...Statuten von Vereinigungen mit oder ohne Erwerbszweck“ sichergestellt wird. Anti-Diskriminierungsvorschriften können damit insbesondere auch im Gesellschafts- und allgemein im Verbandsrecht zu beachten sein. So haben z.B. Deutschland und Großbritannien in diesem Bereich spezielle Regelungen geschaffen (§ 6 Abs. 3 und § 18 AGG; sec. 10 Race Relations Act 1976 und sec. 11 Sex Discrimination Act 1975).
Der sachliche Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Diskriminierungsverbots erstreckt sich zunächst allgemein auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit ohne Ansehen der Person zur Verfügung stehen. Wann diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind und insbesondere, nach welchen Kriterien die öffentliche Verfügbarkeit von Waren oder Dienstleistungen zu bemessen ist, präzisieren die europäischen Richtlinienvorgaben jedoch nicht. Auch die zur Umsetzung ergangenen mitgliedstaatlichen Vorschriften divergieren in dieser Frage. Erfasst sind jedenfalls Massengeschäfte, die in einer Vielzahl von Fällen zu vergleichbaren Bedingungen abgeschlossen werden und bei denen die Person des Vertragspartners für den Anbieter regelmäßig keine oder allenfalls eine untergeordnete Rolle spielt. Rassendiskriminierungen sind darüber hinaus ausdrücklich in allen privatrechtlichen Rechtsverhältnissen im Bereich des Sozialschutzes, der Gesundheitsdienste sowie der Bildung untersagt. Demgegenüber sind geschlechtsspezifische Ungleichbehandlungen im Zivilrecht gemäß Art. 3(1) RL 2004/113 jedoch nur insoweit vom Diskriminierungsverbot erfasst, als sie außerhalb des Privat- und Familienlebens stattfinden. Auch kann eine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Geschlechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sein. Im Bereich des Versicherungswesens ist eine Rechtfertigung insbesondere dann möglich, sofern genaue versicherungsmathematische und statistische Daten belegen, dass dieses Merkmal ein bestimmender Faktor bei der Risikobewertung ist (Art. 5 RL 2004/113). Das Diskriminierungsverbot hindert die Mitgliedstaaten der EG zudem nicht daran, sogenannte „positive Maßnahmen“ zu ergreifen, welche die Gleichstellung von Mann und Frau fördern bzw. Benachteiligungen aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft verhindern oder ausgleichen sollen.
In personeller Hinsicht richtet sich das Anti-Diskriminierungsrecht an alle privaten und staatlichen Akteure, die am Zivilrechtsverkehr teilnehmen. Adressaten des Verbots und der flankierenden Maßnahmen sind die Anbieter von Gütern und Dienstleistungen; Nutznießer des Diskriminierungsschutzes sind hingegen regelmäßig die Nachfrager.
Steht die vergleichsweise ungünstige Ausgestaltung eines Vertrages oder die vollständige Verweigerung des Vertragsabschlusses in Zusammenhang mit einem oder mehreren geschützten Merkmalen, so wird dies mit der Unwirksamkeit der diskriminierenden Vertragsbestimmung und/oder durch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche sanktioniert. In vielen Rechtsordnungen zieht ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot darüber hinaus weitere Konsequenzen, z.B. auf Ebene des Straf- oder Verwaltungsrechts, nach sich. Das Anti-Diskriminierungsrecht soll durch solche Verbote und Sanktionen zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten der EG beitragen. Es verfolgt somit stets auch über den Schutz der individuell betroffenen Merkmalsträger hinausgehende, sozial-ordnungspolitische Ziele. Soweit das Diskriminierungsverbot aber eine vollständige, tatsächliche Gleichstellung zu erzwingen sucht, reicht der Einfluss dieses Rechtsinstruments kaum aus, um einen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen. Das Anti-Diskriminierungsrecht kann nur ein Baustein im Rahmen einer umfassenden Integrationspolitik sein, die insbesondere auch an den vielfältigen Ursachen der Ausgrenzung bestimmter Gruppen ansetzt.
2. Tendenzen der Rechtsentwicklung
Durch die Erwähnung der GRCh (Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK) im Reformvertrag von Lissabon sind Diskriminierungsverbote in Gestalt von Art. 21 und 23 GRCh künftig auch auf Ebene des europäischen Primärrechts verankert. Bereits zuvor hat der EuGH zumindest das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht als „allgemeinen Grundsatz des Europarechts“ bezeichnet (EuGH Rs. C-144/04 – Mangold, Slg. 2005, I-9981). Die GRCh geht über den derzeitigen, auf Richtlinienvorgaben beruhenden Diskriminierungsschutz im allgemeinen Vertragsrecht hinaus, indem dort keine Beschränkung auf bestimmte Lebensbereiche mehr enthalten ist und vor allem weitere geschützte Merkmale aufgezählt werden. Namentlich verbietet Art. 21 GRCh auch Diskriminierungen aufgrund der Hautfarbe, der sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit sowie aufgrund des Vermögens, des Alters und der sexuellen Ausrichtung. Entsprechend bestehen auf Gemeinschaftsebene im Anschluss an das Grünbuch zur Gleichstellung sowie Bekämpfung von Diskriminierungen (KOM(2004) 379 endg.) Bestrebungen, das Diskriminierungsverbot im allgemeinen Vertragsrecht beispielsweise auch auf genetische Merkmale und die soziale Herkunft zu erstrecken. Diese Kriterien hat etwa Frankreich bereits in seine nationalen Anti-Diskriminierungsvorschriften aufgenommen (Art. 225-1 Code pénal). Ferner untersagt der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission (KOM(2008) 426 endg.) nun auch im Zivilrechtsverkehr alle Diskriminierungen aufgrund von Behinderung, Religion, Alter oder sexueller Identität. In Deutschland und in Großbritannien werden diese Merkmale derzeit schon umfassend geschützt.
Ein Blick auf die über vierzigjährige Geschichte des Anti-Diskriminierungsrechts in den USA zeigt, dass dieses Rechtsgebiet durch eine kontinuierliche Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf immer neue Kriterien und Lebensbereiche geprägt ist. Entsprechend dürfte auch die in Europa auf nationaler und gemeinschaftlicher Ebene eingeleitete Erweiterung des Kreises der geschützten Merkmale nur den Anfang einer längerfristigen Fortentwicklung des Diskriminierungsverbots im allgemeinen Vertragsrecht markieren.
3. Ausgestaltung und Durchsetzung im allgemeinen Vertragsrecht: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Die Anti-Diskriminierungsrichtlinien fordern, dass den Benachteiligungsopfern effektiver Rechtsschutz auf dem Gerichts- und/oder dem Verwaltungsweg gewährt wird. Im Fall der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung hat – außer in Strafverfahren – eine Beweislastumkehr zu Gunsten der diskriminierten Partei zu erfolgen (Art. 8 RL 2000/43; Art. 9 RL 2004/113). Die sekundärrechtlichen Vorgaben erwähnen unter anderem auch die Möglichkeit der Rechtsverfolgung im Namen des Betroffenen durch an der Einhaltung des Diskriminierungsverbots interessierte Verbände und ähnliche Organisationen (Art. 7 RL 2000/43; Art. 8 RL 2004/113). Von dieser Möglichkeit haben etwa Portugal und Spanien Gebrauch gemacht (Art. 5 Lei 18/2004; Art. 31 Ley 62/2003). Die belgischen und österreichischen Umsetzungsakte sehen für bestimmte Fallgruppen darüber hinaus Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes, wie z.B. Verbandsklagen, vor (Art. 29, 30 Loi du 10 mai 2007; § 12 Abs. 4 GBK/GAW und § 13 BGStG).
Art. 14 RL 2004/113 und Art. 15 RL 2000/43 schreiben vor, dass Diskriminierungen stets wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sanktioniert werden müssen. Die einzelnen europäischen Rechtsordnungen bedienen sich hierbei jedoch unterschiedlicher Regelungsstrukturen. Der Diskriminierungsschutz wird im allgemeinen Vertragsrecht entweder vornehmlich durch privatrechtliche Ansprüche oder aber durch deren Kombination mit hoheitlichen Maßnahmen gewährleistet. Obschon das zivilrechtliche Diskriminierungsverbot in der Regel Verträge oder zumindest vertragsnahe Situationen betrifft, ist das Anti-Diskriminierungsrecht selbst folglich nicht unbedingt auf vertrags- oder auch nur privatrechtliche Instrumente beschränkt.
a) Privatrechtliche Flankierung des Diskriminierungsverbots
Während die RL 2000/43 zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nur als eine unter mehreren Umsetzungsmöglichkeiten ansieht, verlangt Art. 8(2) RL 2004/113 ausdrücklich, dass alle Einbußen der Diskriminierungsopfer wirksam ausgeglichen werden. Ein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Rasse und ethnischen Herkunft oder des Geschlechts bzw. aufgrund anderer geschützter Merkmale zieht jedoch in allen europäischen Rechtsordnungen regelmäßig zumindest auch privatrechtliche Konsequenzen in Form von Schadensersatzansprüchen nach sich: Durch Diskriminierungen werden häufig außer- und/oder (vor‑) vertragliche Pflichten verletzt, so dass eine Haftung nach allgemeinem Zivilrecht bzw. im Rahmen von Sondertatbeständen ausgelöst wird. Bei der Vertragsanbahnung kann insbesondere auch das Haftungsinstrument der culpa in contrahendo Bedeutung erlagen. Einige Staaten, wie z.B. Deutschland und Österreich, haben darüber hinaus spezialgesetzliche Anspruchsgrundlagen geschaffen (§ 21 AGG; § 35 GlBG). Da eine Diskriminierung häufig zugleich eine Herabwürdigung der Person bedeutet, kann der Betroffene nicht nur den Ersatz von materiellen, sondern auch von immateriellen Schäden verlangen. Neben die Ersatzansprüche treten zudem regelmäßig Beseitigungs- sowie Unterlassungsansprüche. Teilweise wird auch ein Kontrahierungszwang als Sanktionsinstrument gegen Diskriminierungen im allgemeinen Vertragsrecht diskutiert.
Fußt der Diskriminierungsschutz in einer Rechtsordnung ausschließlich oder überwiegend auf privatrechtlichen Ersatzansprüchen, so müssen diese Instrumente alle Benachteiligungen stets in abschreckender Weise sanktionieren (vgl. EuGH Rs. 14/83 – von Colson, Slg. 1984, 1891). Ersatzansprüche infolge von Diskriminierungen entfalten somit eine verhaltenssteuernde (Präventions‑)Funktion (vgl. auch Art. II.-2:104(2) DCFR). Letztere darf insbesondere nicht durch Haftungshöchstgrenzen und zu restriktive Verschuldenserfordernisse beeinträchtigt werden (vgl. EuGH Rs. C-177/88 – Dekker, Slg. 1990, I-3941; EuGH Rs. C-180/95 – Draehmpaehl, Slg. 1997, I-2195).
b) Öffentlich-rechtliche Durchsetzung des Diskriminierungsverbots
Das Diskriminierungsverbot im allgemeinen Vertragsrecht wird in den europäischen Rechtsordnungen in unterschiedlicher Form auch durch Maßnahmen und Eingriffe seitens staatlicher Stellen flankiert. Die RL 2000/43 und RL 2004/113 verpflichten die Mitgliedstaaten zur Schaffung zentraler Anti-Diskriminierungsstellen, welche etwa in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden als Behörden organisiert sind. Diese Einrichtungen unterstützen die Betroffenen bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche, regen Schlichtungsverfahren an und vermitteln weitere Hilfe durch Anti-Diskriminierungsverbände. In einigen Mitgliedstaaten erfolgt die Durchsetzung des Diskriminierungsverbots darüber hinaus gerade mit hoheitlichem Zwang: So werden den Diskriminierungstätern z.B. in Portugal Bußgelder nach Ordnungswidrigkeitenrecht auferlegt (Art. 13 Lei 18/2004). In Frankreich fußt der Diskriminierungsschutz im allgemeinen Vertragsrecht ganz wesentlich auch auf strafrechtlichen Sanktionen (Art. 225-1 ff. Code pénal).
4. Einheitsrecht
Sowohl die Ausgestaltung des Diskriminierungsverbots als vor allem auch die Mechanismen zu seiner Durchsetzung unterscheiden sich in den europäischen Rechtsordnungen zum Teil beträchtlich. Trotz der sekundärrechtlichen Vorgaben ist ein Harmonisierungserfolg auf Ebene des Zivilrechts beim derzeitigen Stand der Rechtsentwicklung daher nur in Grundzügen feststellbar. Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung hat dennoch Eingang in den acquis des europäischen Privatrechts gefunden: Während es in den PECL noch an konkreten Regeln fehlte, wird der Diskriminierungsschutz im allgemeinen Vertragsrecht nun bei den jüngeren Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Privatrechts berücksichtigt. Namentlich sehen die Art. II.-2:201 ff. DCFR und die Art. 3:201 ff. ACQP eigens Diskriminierungsverbote sowie Ersatzansprüche vor. Dabei gehen diese Vorschriften jedoch teilweise auch über den status quo im Bereich des zivilrechtlichen Diskriminierungsverbots hinaus. Die Vorgaben in den europäischen Anti-Diskriminierungsrichtlinien und die Vereinheitlichungsbestrebungen im Rahmen des Draft DCFR und der Acquis Principles unterscheiden sich zunächst hinsichtlich der Rechtfertigungsmöglichkeiten und der Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot: Die Sekundärrechtsakte enthalten einige klar definierte Tatbestände; dagegen existieren in den Entwürfen zum Einheitsrecht bislang lediglich Generalklauseln. Vor allem aber treffen die europäischen Anti-Diskriminierungsrichtlinien nur partiell Vorgaben hinsichtlich der Art der Durchsetzung des Diskriminierungsverbots und der konkreten Sanktionen. Art. 3:201 und Art. 3:202 ACQP sehen nun unter anderem ausdrücklich Ansprüche auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens vor. Der DCFR erhebt den Grundsatz der Nicht-Diskriminierung sogar explizit zu einem vertraglichen Recht sowie einer damit korrespondierenden Pflicht. Entsprechend gewährt Art. II.-2:104(1) DCFR dem Betroffenen anlässlich der Verletzung dieser Verpflichtung durch den anderen Vertragsteil Ansprüche wegen Nichterfüllung, wobei eine weitergehende deliktische Haftung unberührt bleibt. Anders als die Richtlinien und einige europäische Rechtsordnungen setzen die Acquis Principles und der DCFR damit nun eindeutig auf Instrumente des Vertragsrechts, um den Diskriminierungsschutz im Privatrecht sicherzustellen.
Literatur
Christa Tobler, Remedies and Sanctions in EC Non-Discrimination Law, 2005; Jörg Neuner, Protection Against Discrimination in European Contract Law, European Review of Contract Law 2006, 35 ff.; Gerhard Wagner, Prävention und Verhaltenssteuerung durch Privatrecht: Anmaßung oder legitime Aufgabe?, Archiv für die civilistische Praxis 206 (2006) 352 ff.; Mark Bell, Isabelle Chopin, Fiona Palmer, Developing anti-discrimination law in Europe: Comparative analysis on country reports of 25 Member States, 2007; Heinz-Peter Mansel, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, in: Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, Bd. I, 2007, 809 ff.; Dagmar Schiek, Lisa Waddington, Mark Bell, Cases, Materials an Text on National, Supranational and International Non-Discrimination Law, 2007; Fryderyk Zoll, Das Antidiskriminierungsrecht in der Acquis-Gruppe und die fehlende Umsetzung von Antidiskriminierungsrichtlinien in das polnische Zivilrecht, in: Reiner Schulze (Hg.), New Features in Contract Law, 2007, 85 ff.; Stefan Leible, Non-Discrimination, in: Reiner Schulze (Hg.), Common Frame of Reference and existing EC Contract Law, 2008, 127 ff.; Jürgen Basedow, Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung im europäischen Privatrecht, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 16 (2008) 230 ff.; Jan D. Lüttringhaus, Grenzüberschreitender Diskriminierungsschutz, in Vorbereitung für 2010.