Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 31. August 2021, 18:08 Uhr
von Ulrich Magnus
1. Gegenstand und Zweck
Der Warenkauf ist seit je das Herzstück des internationalen Handels. Der Warenverkehr über Landesgrenzen hinweg wirft jedoch auch besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, die aus den zahlreichen und tief greifenden Unterschieden zwischen den nationalen Kaufrechtsordnungen folgen (Warenkauf, internationaler (IPR)). Seit fast einem Jahrhundert hat man sich deshalb bemüht, ein international einheitliches Weltkaufrecht zu schaffen, das an Stelle der nationalen Regelungen gilt. Mit dem sog. UN-Kaufrecht ist das inzwischen nahezu gelungen. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980 (UN Convention on Contracts for the International Sale of Goods), für das sich international die Abkürzung CISG eingebürgert hat, gilt heute bereits in über 70 Ländern, deren Im- und Exporte etwa 90 % des Weltwarenhandels ausmachen.
Das Einheitskaufrecht (Einheitsrecht) bezweckt aber nicht nur die Vereinfachung der rechtlichen Abwicklung internationaler Kaufgeschäfte und damit eine Erleichterung und zugleich Verstärkung des Handels zwischen Kaufleuten verschiedener Nationen. Es will mit der Vereinheitlichung auch einen Beitrag zum friedlicheren Miteinander der Völker leisten, in der vielleicht begründeten Hoffnung, dass Völker, deren Bürger miteinander intensive Handelsbeziehungen unterhalten, im Verhältnis zueinander nicht so schnell zu kriegerischen Mitteln der Auseinandersetzung greifen. Die Präambel des CISG sieht deshalb in der Schaffung eines einheitlichen Kaufrechts auch „ein wichtiges Element zur Förderung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Staaten.“
2. Entstehung
Das heutige Einheitskaufrecht geht auf Anfänge in den 1920er Jahren zurück. Seine Entstehung ist eng mit dem Namen des Deutsch-Österreichers Ernst Rabel, des Begründers der modernen Rechtsvergleichung, verbunden. Von Rabel stammt der Vorschlag, das Warenkaufrecht international zu vereinheitlichen, ferner eine bis heute beispielhafte, international gründlich vergleichende Studie zum Recht des Warenkaufs. Das damals frisch gegründete Römische Institut für Privatrechtsvereinheitlichung (UNIDROIT) griff Rabels Vorschlag im Jahr 1928 auf und setzte eine internationale Expertenkommission ein, die in den 1930er Jahren unter der Führung Rabels einen ersten Entwurf erarbeitete, der das materielle Kaufrecht, und einen Entwurf, der das Vertragsschlussrecht regelte. Diese Entwürfe enthalten bereits die Grundentscheidungen und viele Einzelregelungen, die auch im heutigen Einheitskaufrecht zu finden sind. Der Zweite Weltkrieg unterbrach die Vereinheitlichungsarbeiten, die erst 1950 fortgesetzt werden konnten und schließlich 1964 zu den Haager Einheitlichen Kaufgesetzen führten. Sie erlangten allerdings nur eine sehr begrenzte internationale Verbreitung und hatten lediglich in Deutschland, den Niederlanden und Italien praktische Bedeutung. Schon 1968 übernahm aber die UN-Unterorganisation für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) den Gedanken der Vereinheitlichung des Warenkaufrechts und bereitete auf der Grundlage des Haager Kaufrechts eine einheitliche Konvention vor, die 1980 auf einer Diplomatischen Konferenz in Wien beschlossen wurde. Seit 1988 ist diese Konvention (das CISG, UN-Kaufrecht oder auch Wiener Kaufrecht) international in Kraft. Von den 27 EU-Staaten gehören ihr nur Großbritannien, Irland, Malta und Portugal nicht an. Im Übrigen haben fast alle Handelsnationen und großen Industriestaaten sie ratifiziert, so etwa Australien, China, Japan, Kanada, Russland, Südkorea und die USA.
3. Wirkung
Das UN-Kaufrecht ist heute der Kernbaustein für eine globale Vereinheitlichung des internationalen Handelsrechts insgesamt, die sich inzwischen weniger über internationale Konventionen als über das sog. soft law vollzieht, das unverbindlich ist, welches die Parteien internationaler Transaktionen aber wegen seiner praktischen Nützlichkeit in ihre Verträge einbeziehen. Die Schöpfer dieses ‚weichen’ Rechts haben keine staatliche Rechtsetzungsbefugnis; sie müssen darauf rechnen, dass ihre Produkte kraft ihrer Qualität überzeugen und verwendet werden. Zu den Akten des soft law gehören heute etwa die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts oder die Incoterms, die die Internationale Handelskammer geschaffen hat. Beide sind erheblich vom CISG beeinflusst worden: Die UNIDROIT PICC verallgemeinern im Wesentlichen die Grundentscheidungen des CISG für alle internationalen Handelsverträge; die Incoterms sind mit dem CISG und seiner Terminologie abgestimmt, so dass sie mit ihm nahtlos zusammenpassen.
Bedeutende Wirkung hat das CISG ferner als Modell für zahlreiche nationale und übernationale Gesetzgebungsprojekte. Die meisten mittel- und osteuropäischen Länder, die ihr Zivilrecht nach dem Umbruch von 1989 neu geordnet haben, haben sich für ihr allgemeines Vertragsrecht und ihr Kaufrecht am Modell des CISG orientiert. Russland hat beispielsweise vieles nahezu wörtlich aus der UN-Konvention in sein neues Zivilgesetzbuch übernommen. Auch Deutschland ist bei der großen Reform seines Schuld- und Kaufrechts von 2002 weitgehend dem CISG gefolgt. Überregional hat insbesondere die EU ihre RL 1999/44 über den Verbrauchsgüterkauf am CISG ausgerichtet und damit mittelbar das CISG zur Basis der Kaufrechte der Mitgliedstaaten gemacht. Auch die Principles of European Contract Law und die Kaufrechtsvorschriften im Draft Common Frame of Reference; [[Europäisches Privatrecht]]; [[Europäisches Zivilgesetzbuch]]) hat das CISG nachhaltig beeinflusst. In Afrika hat die OHADA, eine Gruppe von sechzehn Staaten, ein nur wenig verändertes CISG als untereinander geltendes, überregionales Kaufrecht eingeführt. Diese wenigen Beispiele stehen für zahlreiche weitere, die den weltweiten Einfluss des CISG belegen.
4. Bedeutung und Eignung in der Praxis
In der Praxis des internationalen Warenhandels hat das CISG heute unübersehbare Bedeutung erlangt. Es wird häufig angewendet. In zahlreichen Staaten, darunter auch Deutschland, gibt es zum CISG inzwischen eine ausführliche Rechtsprechung. Im Internet frei zugängliche Datenbanken ermöglichen die einfache Überprüfung, ob und wie einzelne Fragen zum CISG bisher international entschieden wurden. Besonders hervorzuheben sind zwei Entscheidungssammlungen, die zumindest Entscheidungszusammenfassungen in Englisch enthalten: jene von Uncitral (Case Law on Uncitral Texts = CLOUT; unter http://www.uncitral.org zu finden) und jene der Pace University, die die vollständigste Sammlung mit derzeit ca. 2500 CISG-Entscheidungen darstellt (zu finden unter http://www.cisg.law.pace.edu). Uncitral hat unter der genannten Internetadresse ferner einen frei zugänglichen Digest aufgebaut, der die internationale Rechtsprechung zu jedem Artikel des CISG in knapper Form wiedergibt. Zudem erläutern ausführliche Kommentierungen in den wichtigsten Weltsprachen so gut wie jedes Problem, das unter dem CISG auftreten kann. Allein in deutscher Sprache liegen sechzehn umfassende Kommentierungen vor.
Gleichwohl wird immer noch häufig empfohlen, das CISG auszuschließen, das sonst automatisch gilt, wenn seine Anwendungsvoraussetzungen vorliegen. Als Grund wird meist angegeben, das CISG sei zu unbekannt und die Ergebnisse, zu denen seine Anwendung führe, seien nicht voraussehbar. Beides trifft nach dem zuvor Gesagten nicht zu. Das CISG ist inzwischen den am internationalen Handel Beteiligten und ihren Rechtsberatern weitgehend geläufig. Die Ergebnisse seiner Anwendung sind jedenfalls so voraussehbar wie die Ergebnisse der Anwendung eines nationalen Kaufrechts, die in aller Regel für die Partei, die in dieser Rechtsordnung nicht heimisch ist, gerade nicht gut kalkulierbar sind. Die bisherige Rechtsprechung zum CISG hat zudem seine praktische Brauchbarkeit erwiesen.
Gelegentlich wird dem CISG auch vorgehalten, es sei zu käuferfreundlich. Das kann allenfalls im Vergleich zum früheren deutschen Kaufrecht gelten, das vor der Reform von 2002 international gesehen extrem verkäuferfreundlich war. Dem CISG wird im Gegenteil bescheinigt, eine ausgewogene Kaufrechtsordnung zu sein, die keine Seite unangemessen begünstigt oder benachteiligt.
Der große Vorteil des CISG besteht darin, dass es für internationale Kaufgeschäfte eine einheitliche Regelung enthält, die überall, wo es gilt, die unmittelbare Entscheidung der meisten Kaufrechtsfragen auf einer klaren, gut zugänglichen und einheitlichen Rechtsgrundlage erlaubt. Es bedarf meist nicht mehr der Aufklärung, welches Recht nach den Vorgaben des jeweiligen einzelstaatlichen internationalen Privatrechts anwendbar ist und welche Sachlösung das dann anwendbare nationale Kaufrecht vorsieht. Für Unternehmen mit Handelskontakten in viele Länder ergibt das CISG einen erheblichen Rationalisierungsgewinn. Ein weiterer Vorteil des CISG ist seine Dispositivität (Art. 6). Die Parteien können (mit einer unbedeutenden Ausnahme bei zwingend vorgeschriebener Vertragsform) jede seiner Vorschriften abändern und sich ihren Vertrag nach ihren Bedürfnissen schneidern. Allerdings bedarf es hierzu immer der Zustimmung beider Parteien.
5. Anwendungsbereich
Das UN-Kaufrecht stellt eine weit reichende, aber doch keine ganz vollständige Kodifikation des Rechts internationaler Warenkäufe dar. Es behandelt den Abschluss internationaler Kaufverträge und die aus ihnen folgenden Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, insb. die Voraussetzungen und Folgen von Vertragsverletzungen. Doch regelt es weder die materielle Gültigkeit des Vertrages oder einzelner seiner Bestimmungen noch den Eigentumsübergang (Eigentumsübertragung). Auch zahlreiche Institute des allgemeinen Vertragsrechts (Anfechtung, Abtretung, Aufrechnung etc.) müssen in der Regel, wenn sie denn im konkreten Kaufrechtsfall eine Rolle spielen, nach dem anwendbaren nationalen Recht beurteilt werden. Für die Verjährung haben die Vereinten Nationen allerdings eine weitere Konvention, das UN-Übereinkommen über die Verjährung beim internationalen Warenkauf vom 14.6.1974, geschaffen. Wegen seiner zwingenden Verjährungsfrist von vier Jahren hat es jedoch wesentlich weniger Verbreitung als das CISG gefunden (28 Vertragsstaaten). Deutschland hat es nicht ratifiziert. Doch gilt es in den USA und in der EU in Belgien, Polen, Rumänien, der slowakischen und tschechischen Republik, Slowenien sowie Ungarn.
Das CISG gilt nur für den Kauf von Waren. Darunter sind bewegliche körperliche Sachen, also nicht Grundstücke und Rechte zu verstehen. Standardisierte Computer-Software wird aber als Ware betrachtet und fällt unter die Konvention. Das CISG schließt ferner erkennbare Verbraucherkäufe aus und wendet sich damit in der Sache an professionelle Kaufleute. Es wird allerdings nicht gefordert, dass sie im formellen Sinn Kaufleute sein müssen.
In räumlicher Hinsicht setzt die Anwendbarkeit des CISG voraus, dass die beiden Kaufvertragsparteien ihre Niederlassungen in zwei verschiedenen Staaten haben, die beide Vertragsstaaten des CISG sein müssen. Es genügt jedoch auch, dass die Kollisionsregeln des angerufenen Gerichts zum Recht eines Staates führen, der das CISG ratifiziert hat (sofern wiederum die Niederlassungen der Parteien in unterschiedlichen Staaten liegen). Diese Anwendungsvariante hat etwa die Konsequenz, dass dann, wenn Parteien aus verschiedenen Staaten z.B. Schweizer (oder deutsches) Recht gewählt haben, das CISG – als das spezielle Teilrecht des Schweizer (oder deutschen) Rechts – anzuwenden ist.
In aller Regel ist der Anwendungsbereich des CISG einfach festzustellen. Nur gelegentlich erschweren einige der Vorbehaltsmöglichkeiten, die die Konvention zulässt und die einige, wenige Vertragsstaaten genutzt haben, diese Feststellung. Wenn die Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind, gilt das CISG, es sei denn, die Parteien haben es ausgeschlossen. Ein solcher Ausschluss muss nicht zwingend ausdrücklich, aber doch deutlich erfolgen. Das kann z.B. durch die Wahl des Rechts eines Nicht-CISG-Staates geschehen.
6. Auslegung des CISG
Für internationales Einheitsrecht spielt seine Auslegung eine besondere Rolle (Auslegung des internationalen Einheitsrechts). Wenn ein zentraler Gerichtshof fehlt, der für die Auslegung und die Wahrung der Rechtseinheit zuständig ist, dann ist die einheitliche Auslegung gewöhnlich das einzige Instrument, um die dem Wortlaut nach erzielte Einheit nicht wieder in unterschiedliche nationale Interpretationen zerfallen zu lassen. Das gilt auch für das CISG. Sein Art. 7(1) verlangt deshalb: „Bei der Auslegung dieses Übereinkommens sind sein internationaler Charakter und die Notwendigkeit zu berücksichtigen, seine einheitliche Anwendung und die Wahrung des guten Glaubens im internationalen Handel zu fördern.“ Bei Auslegungsproblemen des CISG ist daher zunächst der Wortlaut der Originalfassungen (Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch) heranzuziehen. In Zweifelsfällen hat vor allem die englische Fassung Gewicht, während die deutsche Fassung nur eine Übersetzung darstellt. Ferner muss die Rechtsprechung, gegebenenfalls auch die Literatur anderer CISG-Staaten konsultiert werden. Die oben genannten Datenbanken und der CISG-Digest von Uncitral stellen hierfür nützliche Hilfsmittel dar. Schließlich und vor allem muss sich der Anwender aber davon freihalten, das CISG im Licht des eigenen Rechts oder der eigenen Vorstellungen auszulegen. So darf etwa die Frist für die Mängelrüge, die auch das CISG (Art. 38/39) vorsieht, nicht mit dem strengen Maßstab des deutschen HGB (§ 377: unverzüglich = wenige Tage) bemessen werden. Im internationalen Rahmen ist eine Rüge noch rechtzeitig, wenn der Käufer sie zwei bis vier Wochen nach dem Termin erhebt, zu dem er die Mängel entdecken musste oder entdeckt hat. Zur Einheitlichkeit der Auslegung trägt auch bei, dass Lücken des CISG nach Art. 7(2) zunächst durch einen Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zu füllen sind, die dem CISG selbst zugrunde liegen. Erst wenn sich solche Grundsätze nicht feststellen lassen, ist die Lücke durch das anwendbare nationale Recht zu schließen.
Aufs Ganze gesehen bewirkt das Gebot einheitlicher Auslegung für das CISG auch tatsächlich weitgehende Rechtseinheit. Die Rechtsprechungsdivergenzen zu der Konvention halten sich in überschaubaren Grenzen. Zwar gibt es durchaus einzelne abweichende Entscheidungen, gewöhnlich bei Untergerichten. In den meisten Fragen hat sich jedoch in der internationalen Rechtsprechung inzwischen eine deutlich überwiegende Meinung, insbesondere der Obergerichte, gebildet. Dazu trägt auch bei, dass der Uncitral-Digest diesen Meinungsstand deutlich ausweist und dass die CISG-Rechtsprechung gut erschlossen und zugänglich ist.
7. Überblick über Inhalt und Grundkonzepte des Einheitskaufrechts
Das CISG ist in vier Teile unterteilt: Teil I (Art. 1-13) regelt den Anwendungsbereich und einige allgemeine Fragen wie die Auslegung oder die grundsätzliche Formfreiheit. Teil II (Art. 14-24) behandelt den Vertragsschluss. Das Kernstück stellt Teil III (Art. 25-88) über die Rechte und Pflichten der Parteien dar. In diesem Abschnitt sind die Voraussetzungen und Folgen von Leistungsstörungen geregelt. Teil IV (89-101) schließlich enthält die diplomatischen Schlussklauseln, darunter insbesondere Vorbehaltsmöglichkeiten.
Der beherrschende Grundsatz des CISG ist das Prinzip der Parteiautonomie. Die Regeln des CISG sind stets nur default rules, die eingreifen, wenn die Parteien oder Handelsbräuche nichts anderes vorsehen. Das CISG räumt damit der Gestaltungsfreiheit der Parteien absoluten Vorrang ein. Die Parteien können jede Regel des CISG abändern. Allerdings unterliegt die Abänderung dem Gültigkeitsmaßstab des anwendbaren nationalen Rechts. Er schreibt etwa in Deutschland vor, dass Änderungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen sich auch im kaufmännischen Verkehr nicht zu weit vom gesetzlichen Leitbild entfernen dürfen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Das gesetzliche Leitbild ist dann jenes des CISG, von dem formularmäßige Änderungen nicht zu weit abweichen dürfen.
Ein weiterer Grundsatz ist das Prinzip der Formfreiheit (Art. 11, 29 CISG). Verträge und ihre Änderungen bedürfen grundsätzlich keiner Form. Für ihren Nachweis ist jedes Beweismittel zulässig. Mit diesen Regeln sind für CISG-Käufe die Vorschriften vieler Länder unbeachtlich, die für Außenhandelskäufe oder für Käufe über einem bestimmten Wert die Einhaltung der Schriftform fordern. Eine kleine Zahl von Ländern – das wichtigste unter ihnen ist Russland – hat allerdings von der Vorbehaltsmöglichkeit in Art. 96 CISG Gebrauch gemacht, für CISG-Käufe weiterhin die Schriftform zu verlangen. Hiervon können die Parteien auch nicht durch Vereinbarung abweichen. Der Grundsatz der Formfreiheit bedeutet aber auch, dass die consideration-Lehre des common law im CISG keinen Platz hat. Weder der Vertragsschluss noch Vertragsänderungen bedürfen unter dem CISG irgendeiner förmlichen Gegenleistung, wie sie diese Lehre verlangt. Auch die sog. parol evidence rule des common law, die den Beweis, insbesondere durch Zeugen, für einen von einer Vertragsurkunde abweichenden Vertragsinhalt grundsätzlich ausschließt, hat unter dem CISG keine Bedeutung.
Generell verpflichtet das CISG beide Vertragsparteien zu Kooperation und angemessener gegenseitiger Rücksichtnahme: Beide Seiten müssen einander rechtzeitig informieren, wenn Leistungshindernisse auftreten; der Käufer muss Mängel rechtzeitig mitteilen; der Verkäufer hat ein eigenes Recht, noch nachzuerfüllen; die Vertragsbeendigung kommt nur als ultima ratio bei wesentlichen Vertragsverletzungen zum Zug; jede Seite muss für die Ware sorgen, wenn und solange sie sie für die andere Seite in Besitz hat.
8. Der Vertragsschluss im CISG
Das Vertragsschlussrecht des CISG ist von der traditionellen Vorstellung geprägt, dass ein Vertrag zustande kommt, wenn das Angebot und die folgende Annahme in allen wesentlichen Punkten übereinstimmen (Vertragsschluss). Sonderregeln für die Einbeziehung von AGB, für kollidierende AGB (battle of forms) oder über kaufmännische Bestätigungsschreiben enthält das CISG nicht. Gleichwohl genügen seine Regeln, um auch diese Fragen angemessen zu beantworten. So muss der Verwender von AGB sie der anderen Seite gewöhnlich zusenden oder sonst problemlos zugänglich machen, wenn ihre Einbeziehung in den Vertrag nach dem CISG in Betracht kommen soll. Bei der battle of forms setzt sich allmählich auch unter dem CISG die Restgültigkeitslehre oder sog. knock out rule durch, die einzelne AGB-Klauseln, soweit sie sich widersprechen, entfallen lässt und durch die gesetzliche Regelung ersetzt. Bedingungen in einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben legen dagegen – anders als im internen deutschen Recht – die Vertragsbedingungen nur dann konstitutiv fest, wenn ein internationaler Handelsbrauch nachweisbar ist, der das für Käufe der getätigten Art vorsieht.
9. Die wesentlichen Leistungspflichten und Rechtsbehelfe im CISG
Auch die kaufrechtlichen Vertragspflichten des CISG entsprechen herkömmlichem Verständnis: Der Verkäufer hat dem Käufer Besitz und Eigentum an mangelfreier Ware und gegebenenfalls erforderlichen Dokumenten zur rechten Zeit und am rechten Ort zu verschaffen (Art. 31 ff.). Der Käufer hat die Ware abzunehmen und zu bezahlen (Art. 53 ff.). Dem deutschen Recht entlehnt ist die Obliegenheit des Käufers, die Ware nach Lieferung rechtzeitig und ordnungsgemäß zu untersuchen und feststellbare Mängel zu rügen, wenn der Käufer seine Mängelrechte nicht verlieren will (Art. 38 ff.).
Für Vertragsverletzungen hat das CISG dagegen weitgehend das common law zum Vorbild: Jede Vertragsverletzung führt mindestens zum Recht der anderen Partei, Ersatz des daraus entstandenen Schadens zu verlangen, soweit er bei Vertragsschluss voraussehbar war (Art. 45(1)(b), 61(1)(b), 74). Auf Verschulden kommt es für diesen Anspruch nicht an. Der Schuldner soll für das erkennbare Risiko, das er mit seinem Vertragsversprechen übernommen hat, objektiv einstehen. Allerdings befreien ihn konsequenterweise unvorhersehbare und unabwendbare Ereignisse außerhalb des eigenen Risikobereichs von der Ersatzpflicht, wenn sie die Pflichterfüllung verhindern (Art. 79). Über diese Grundregelung hinaus kann eine Partei den Vertrag einseitig beenden, ihn aufheben, wenn die andere Partei einen wesentlichen Vertragsbruch begangen hat (Vertragsaufhebung), so dass aus objektiver Sicht das Interesse an der Durchführung des Vertrages weitgehend entfallen ist (Art. 25, 49, 64).
Neben diesen Hauptbehelfen bei Leistungsstörungen kann die verletzte Partei unter bestimmten Voraussetzungen noch einen Anspruch auf Erfüllung – der Käufer auf Nachlieferung oder Reparatur, der Verkäufer auf Zahlung bzw. Abnahme – geltend machen, sofern das angerufene Gericht nach seinem Recht einen solchen Erfüllungsanspruch zubilligen würde (Art. 28, 46, 62). Im common law-Bereich wird diese sog. specific performance nur sehr eingeschränkt gewährt. Hier bleibt es dann bei Schadensersatzansprüchen (Schadensersatz). Das CISG kennt ferner die Minderung des Kaufpreises als Recht des Käufers (Art. 50) und die Möglichkeit des Verkäufers, von sich aus einen Erfüllungsmangel nachträglich zu beheben (right to cure, Art. 48). Schließlich erlaubt das CISG jeder Partei, die eigene Leistung zurückzuhalten, wenn die andere Partei absehbar ihre Pflicht nicht erfüllen wird (Art. 71).
10. Zukunft
Das Einheitskaufrecht ist Teil einer modernen lex mercatoria. Es ist absehbar, dass die Zahl seiner Vertragsstaaten noch weiter steigen und sich seine praktische Bedeutung noch weiter erhöhen wird. Umso wichtiger wird die Aufgabe, seine weltweit einheitliche Anwendung zu gewährleisten. Uncitral hat mit dem CLOUT-System und dem CISG-Digest wichtige Schritte zur Sicherung dieser Einheitlichkeit unternommen. Sie müssen kontinuierlich fortgesetzt und intensiviert werden. Eine Reform des CISG erscheint dagegen gegenwärtig nicht erforderlich.
Literatur
Ernst Rabel, Recht des Warenkaufs, Bd. 1 1936 (ND 1957/58), Bd. 2 1957/58; John Honnold, Uniform Law for International Sales Under the 1980 United Nations Convention, 3. Aufl. 1999; Franco Ferrari, Harry Flechtner, Ron Brand (Hg.), The Draft UNCITRAL Digest and Beyond, 2004; Ulrich Magnus, Wiener UN-Kaufrecht (CISG), in: Julius v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Bearb. 2005; Peter Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, 4. Aufl. 2007; Ulrich Magnus, 25 Jahre UN-Kaufrecht, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 14 (2006) 96 ff.; Franco Ferrari, Peter Mankowski, Ingo Saenger, CISG, in: Franco Ferrari, Eva-Maria Kieninger, Peter Mankowski, Karsten Otte, Ingo Saenger, Ansgar Staudinger, Internationales Vertragsrecht, 2007; Burghard Piltz, Internationales Kaufrecht, 2. Aufl. 2008; Peter Schlechtriem, Ingeborg Schwenzer (Hg.), Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 5. Aufl. 2008.