Vertragsfreiheit und Vertragsschluss: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Hannes Unberath]]''
von ''[[Martin Illmer]]''
== 1. Gegenstand und Zweck ==
== 1. Begriff und Systematik ==
Privatautonomie ist „die Befugnis, innerhalb der Grenzen des dispositiven Rechts die privaten Angelegenheiten im Wege des Rechtsgeschäfts zu regeln“ (Motive). Die Vertragsfreiheit als zentrales Element der Privatautonomie folgt aus der Funktion des [[Vertrag]]es: Die staatlich sanktionierte Bindung an den Vertrag eröffnet die Möglichkeit der Kooperation durch den Austausch von Leistungen zwischen Fremden. Zu welchen Leistungen und wem gegenüber eine solche Selbstbindung erfolgt, entscheiden die Privatrechtssubjekte. Legte der Staat hingegen die Parteien (Abschlussfreiheit) und mittels zwingenden Rechts (''ius cogens'') den Inhalt des Schuldverhältnisses (Inhaltsfreiheit) fest, würde nicht nur die Vertragsfreiheit aufgehoben, was nach verfassungsrechtlicher Dogmatik der Institutsgarantie der Vertragsfreiheit zuwider liefe, vielmehr könnte schon nicht mehr von einem „Vertrag“ gesprochen werden. Wenn gleichwohl oft zu lesen ist, die Geschichte der Vertragsfreiheit sei die Geschichte ihrer Einschränkung, muss zugleich an ein bekanntes Zitat ''Sir Henry'' ''Maines'' erinnert werden, dass die Entwicklung von primitiven Gesellschaftsformen zum klassischen [[Römisches Recht|römischen Recht]] die Entwicklung ''from status to contract'' war.  
Der Vertragsschluss begründet den [[Vertrag]] zwischen zwei oder mehreren Parteien. In ihm manifestiert sich die Willensübereinstimmung der Parteien, deren zentrale Elemente heute in allen europäischen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerken Angebot und Annahme sind.


Strukturelle Normen, die vom Wesen des Vertrages abgeleitet werden können, sind von Eingriffen in die Vertragsfreiheit zu unterscheiden, die vertragsexterne, aus der Rechtsordnung im übrigen gewonnene Maßstäbe an den Vertrag anlegen. Zurechnungsnormen, die die Voraussetzungen formulieren, unter denen Gerichte die Erklärungen der Parteien, insbesondere den Vertragsschluss, als „freiwillig“, also selbstverantwortet bewerten, enthalten die Bedingungen der Möglichkeit eines Vertrages und können daher wiederum nicht selbst vertraglich determiniert werden. Beispiele sind das Erfordernis der Geschäftsfähigkeit und die Regeln über den Irrtum. Welchen ''Grad'' ''an Selbstverantwortung'' eine Person im Rechtsverkehr aufbringen muss und wie sie näher zu bestimmen ist, berührt die Fundamente der Privatrechtsordnung und ist Gegenstand grundsätzlicher Kontroversen. Zwar erheben die Vertreter der rivalisierenden Schulen wechselseitig den Vorwurf, die jeweils andere Position verkenne die Prämissen der Privatautonomie, gemeinsames Ziel der Theorien ist jedoch Verwirklichung, nicht Aufhebung der Vertragsfreiheit. Keine Schranken sind ferner alle Regeln, die die ''Bindung an den Vertrag'' verwirklichen, etwa die Anordnung von [[Schadensersatz]] bei einer Vertragsverletzung. Die zwangsweise Durchsetzung des aus dem Vertrag erwachsenden subjektiven Rechts ist der Vertragsfreiheit nicht hinderlich, sondern dieser immanent: Das Wesen des Rechtsgeschäfts ist ein sich betätigender Wille des Individuums, den die Rechtsordnung dadurch anerkennt, dass sie die gewollte rechtliche Gestaltung „in der Rechtswelt verwirklicht“ (Motive). Ebenfalls bereits prinzipiell keine externe Einschränkung der Vertragsfreiheit ist die Existenz dispositiven Rechts. Weil Vertragsparteien unter realen Bedingungen ihren Willen stets lückenhaft artikulieren, bedarf es ergänzenden Rechts, das, da es die Intention der Parteien nur vervollständigen aber nicht derogieren soll, ''dispositiv'' sein muss. Idealtypisches Beispiel ist § 269 Abs. 1 BGB.
Das [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] regelt den Vertragsschluss in der Rechtsgeschäftslehre des [[Allgemeiner Teil|Allgemeinen Teils]]. Angebot und Annahme sind lediglich ein Unterfall der Willenserklärung, so dass neben den spezifischen Regelungen zum Vertragsschluss die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen zur Anwendung kommen. Dem folgt der polnische ''Kodeks cywilny'' ([[Polnisches Zivilgesetzbuch|Polnisches ZGB]]). Der portugiesische ''Código civil'' und das niederländische ''[[Burgerlijk Wetboek]]'' regeln zwar den Vertragsschluss als solchen im allgemeinen Schuldrecht, doch gelten für Angebot und Annahme zahlreiche Vorschriften der ebenfalls in einem Allgemeinen Teil enthaltenen Rechtsgeschäftslehre. Das [[Schweizerisches Obligationenrecht|schweizerische OR]] verortet Vertragsschluss und Rechtsgeschäftslehre im allgemeinen Schuldrecht.


Dagegen wird die Vertragsfreiheit aufgrund externer Erwägungen eingeschränkt, wenn Verträgen die Anerkennung versagt wird, die von der Rechtsordnung ''missbilligte'' Zwecke verfolgen, etwa weil sie auf die Begehung einer Straftat gerichtet sind. Die Unwirksamkeit folgt aus dem Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Einschränkungen der Vertragsfreiheit, mit denen ein Regelungsziel verfolgt wird, das nicht der Verwirklichung der Intention der Parteien und auch nicht der Verhinderung missbilligter Zwecke dient, bedürfen als intensivste Form des externen Eingriffs stets ''besonderer'' Rechtfertigung. Paradigmatisch sind solche Normen, die mittels zwingenden Rechts den Inhalt der Verträge bestimmen, etwa die Höhe des Entgelts festlegen, das Ende von [[Dauerschuldverhältnisse]]n regulieren, oder Bedingungen der Wahl des Vertragspartners formulieren, wie etwa die Regelungen zum Schutz gegen Diskriminierung ([[Diskriminierungsverbot im allgemeinen Vertragsrecht]]).
Die älteren, naturrechtlich geprägten [[Kodifikation]]en, allen voran der französische ''[[Code civil]]'' (1804) und ihm folgend ursprünglich auch der belgische ''Code civil'', der erste italienische ''[[Codice civile]]'' (1865) sowie der spanische ''[[Código civil]]'' (1889), aber auch das österreichische [[Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch|ABGB]] (1811) kannten weder eine Rechtsgeschäftslehre als solche, die im Wesentlichen ein Produkt der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts ist, noch enthielten sie Regelungen zum Vertragsschluss. Während das italienische, spanische und österreichische Recht die Lehre von Angebot und Annahme im Zuge von Reformierungen in ihre Kodifikationen aufnahmen, enthalten der französische und belgische ''Code civil'' bis heute keine Vorschriften zum Vertragsschluss (Art. 1108 frz. ''Code civil'' nennt lediglich die Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Vertrags). Die entsprechenden Regeln wurden vielmehr durch die Rechtsprechung entwickelt.


== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
Im nicht kodifizierten englischen ''[[common law]]'' ist der Vertragsschluss Bestandteil des noch immer im Wesentlichen aus ''case law'' ([[Richterrecht]]) bestehenden ''law of contract''. Nachdem der Vertrag ursprünglich auf das [[Versprechen]] als Grundlage rechtsgeschäftlicher Verpflichtung gestützt worden war, setzten sich im 19. Jahrhundert das Vertragsprinzip und mit ihm die Lehre von Angebot und Annahme durch.
=== a) Wirtschaftsordnung ===
Sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen der Ausübung der Vertragsfreiheit als auch hinsichtlich externer Einschränkungen der Vertragsfreiheit hat im Laufe des 20. Jahrhunderts in den meisten westeuropäischen Staaten und in der [[Europäische Union|Europäischen Union]] eine restriktive, die Privatrechtssubjekte zu ihrem Schutz bevormundende Sichtweise (Paternalismus) die Oberhand gewonnen. Dies ist bemerkenswert, weil in der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts einerseits die [[europäische Wirtschaftsverfassung]] mit Wettbewerbsrecht und [[Grundfreiheiten (allgemeine Grundsätze)|Grundfreiheiten]] auch und gerade auf europäischer Ebene die faktischen Rahmenbedingungen des Marktes verbessert hat, und andererseits mit dem Ausbau des Sozialstaats die Zahl und Intensität materieller Notlagen, die die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen, faktisch stark gemindert wurde. Mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Systeme in Osteuropa erlebt die Vertragsfreiheit allerdings gegenwärtig wieder eine neue Blütezeit.


Das Wettbewerbsrecht beruht zwar auf materiellen Kriterien, da es danach trachtet, die realen Bedingungen der Vertragsfreiheit im Sinne von realen Auswahlmöglichkeiten zu verbessern und in das Marktgeschehen mit einer Vielzahl von Maßnahmen, insb. zur Verhinderung von Monopolen, einzugreifen, jedoch ist der ordnungspolitische Rahmen des Marktes ohne die Autarkie des darin wirkenden, von privater Initiative getragenen Vertragsrechts sinn- und zwecklos. Die Beschränkung auf die möglichst unverfälschte Durchsetzung des Parteiwillens ist nicht zuletzt auch eine Forderung der ökonomischen Analyse, für die der Vertrag in einer idealen Welt ohne Transaktionskosten und externe Effekte Ausgangs- und Endpunkt effizienter Güterallokation ist.
Vereinzelte Vorschriften des ''acquis communautaire''<nowiki> erwähnen das Erfordernis eines Vertragsschlusses (Art. 2(1) Fernabsatz-RL [RL 97/7]) und nehmen auf Angebot und Annahme Bezug (Art.&nbsp;1(3) und (4) Haustürwiderrufs-RL [RL&nbsp;85/ 577]). Auch der EuGH setzt in seiner Rechtsprechung das Vertragsschlussmodell von Angebot und Annahme voraus, ohne allerdings auf seine Ausgestaltung näher einzugehen (EuGH Rs.&nbsp;C-96/00 – </nowiki>''Gabriel'', Slg. 2002, I-6367, Rn.&nbsp;48&nbsp;f.) Der Vertragsschlussmechanismus von Angebot und Annahme wird damit zwar im ''acquis'' zugrunde gelegt, jedoch nicht geregelt. Die Vertragsschlussregeln der [[Principles of European Contract Law|PECL]], der [[Acquis Principles|ACQP]] und des [[Common Frame of Reference|DCFR]] mussten daher aus den Regelungen der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen entwickelt werden, die jenseits der systematischen Unterschiede häufig zu ähnlichen Ergebnissen gelangen. Dabei übernehmen die ACQP und der DCFR die Vertragsschlussregeln der PECL inhaltlich fast unverändert.


=== b) Prozedurale und materielle Ansätze ===
== 2. Angebot ==
Hinsichtlich der Maßstäbe der Verantwortlichkeit bei [[Vertragsschluss]] wird traditionell zwischen prozeduralen und materiellen Theorien unterschieden. Als „prozedural gerecht“ wird dabei ein Vertrag angesehen, wenn die vertragschließende Person grundsätzlich zu rechtsgeschäftlichem Handeln in der Lage ist und keine den Prozess des Vertragsschlusses störenden Faktoren vorgelegen haben. Als solche die Freiwilligkeit ausschließenden Gründe gelten klassischerweise Zwang und [[Irrtum]]. Materielle Ansätze stellen demgegenüber auf den Inhalt des Vertrages ab. Ein Beispiel ist die ''[[Laesio enormis|laesio enormis]]'' des gemeinen Rechts (''[[Ius commune (Gemeines Recht)|ius commune]]''), heute etwa §&nbsp;934 ABGB, wonach eine Unterschreitung des „wahren“ Wertes um die Hälfte als solche bereits zur Unwirksamkeit führen kann. Bei diesem Ansatz wird ein ''iustum pretium'' nicht von den Parteien selbst bestimmt, sondern vom Staat, womit letztlich externe Schranken gesetzt werden. Die vielzitierte These ''Walter'' ''Schmidt-Rimplers'' von der „Richtigkeitsgewähr“ des Vertrages ist Teil einer materiellen Theorie, die zwar zunächst an prozedurale Elemente anknüpft, den Vertrag als bloßes Ordnungsmittel aber unter den Vorbehalt der externen Kontrolle des Ergebnisses stellt. Nach wohl auch rechtsvergleichend geteiltem heutigem Verständnis bedürfen demgegenüber zwar der Vertrag wie das Eigentum notwendig der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung, doch sind deren Regeln wiederum am Ideal der Vertragsfreiheit und damit der Befugnis zur prinzipiell eigenverantwortlichen Gestaltung der Rechtsverhältnisse zu messen.
Das Angebot ist in Art.&nbsp;2:201(1) PECL, Art.&nbsp;II.-4:201(1) DCFR und Art.&nbsp;2.1.2 UNIDROIT PICC ausdrücklich definiert als ein hinreichend bestimmter und mit Rechtsbindungswillen gemachter Vorschlag zum Abschluss eines Vertrages. Die meisten nationalen Rechtsordnungen setzen den Begriff des Angebots – inhaltlich damit übereinstimmend – schlicht voraus.


Die ursprüngliche Position des deutschen und französischen Rechts betont die prozeduralen Maßstäbe, die jedoch gelegentlich mit materiellen Kriterien kombiniert werden. Formal-prozedurale Elemente sind im englischen Recht heute noch dominant. Das [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] sah neben Regeln der [[Geschäftsfähigkeit]] und der Willensmängel [[Drohung]], [[Täuschung]] und [[Irrtum]] keine sonstigen, die Wirksamkeit der Willenserklärung einschränkenden Bedingungen vor (vgl. im französischen Recht ''erreur'', Art.&nbsp;1110, ''violence'', Art.&nbsp;1112, ''dol'', Art.&nbsp;1116 des ''Code civil''). Ein auffälliges Missverhältnis der Leistungen reichte nach §&nbsp;138 Abs.&nbsp;2 BGB zur Unwirksamkeit nur aus, wenn zudem die Zwangslage oder die Unfähigkeit der benachteiligten Partei „ausgebeutet“ wurden (im Ausgangspunkt die Unwirksamkeit wegen ''lésion'' ablehnend auch das französische Recht, vgl. Art.&nbsp;1118 ''Code civil'' mit Ausnahmen, etwa Art.&nbsp;1674 bezüglich Grundstücken). Aufgegeben wurde das Erfordernis eines Willensdefizits auch später nicht, jedoch verlegte die Rechtsprechung den Schwerpunkt auf die materiellen Kriterien, als sie bei „wucherähnlichen“ Rechtsgeschäften dazu überging, bei Vorliegen materiell bestimmter Nachteile prozedurale Mängel zu vermuten (RG 13.3.1936, RGZ 150,&nbsp;1).
=== a) Rechtsbindungswille und ''invitatio ad offerendum'' ===
In allen Rechtsordnungen stellt sich bei Erklärungen gegenüber einem größeren Personenkreis die Frage, ob es sich dabei um ein Angebot (häufig ''ad incertas personas'') oder nur um eine sog. ''invitatio ad offerendum'' handelt. Entscheidend ist der objektiv, also anhand von Indizien zu ermittelnde Rechtsbindungswille des Erklärenden: Will der Erklärende den Erklärungsempfängern ermöglichen, durch Annahme bereits einen Vertrag zu schließen oder will er sie nur auffordern, ihrerseits Angebote abzugeben, deren Annahme ihm dann freisteht?


Verhältnismäßig früh wurden in Deutschland Regelungen in [[Allgemeine Geschäftsbedingungen|Allgemeinen Geschäftsbedingungen]] inhaltlich überprüft (zunächst auf der Grundlage von § 138 BGB sowie [[Treu und Glauben]] ohne explizite gesetzliche Ermächtigung, nunmehr Klausel-RL<nowiki> [RL&nbsp;93/13], §§&nbsp;305&nbsp;ff. BGB). Obwohl sich die Rechtsprechung dabei vom „Gerechtigkeitsgehalt“ des dispositiven Rechts leiten lässt (BGH 17.2.1964, </nowiki>BGHZ 41,&nbsp;151), beruht der richterliche Eingriff in den Vertrag auf einem im Kern prozeduralen Manko, denn es ist angesichts knapper Verhandlungsressourcen nicht durchweg praktikabel, den Inhalt vorgefertigter Klauseln auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Daneben gab es immer schon extern, gesamtwirtschaftlich motivierte Einschränkungen, etwa den Kontrahierungszwang bei Transportverträgen.
Während alle europäischen Rechtsordnungen diese Differenzierung als solche kennen, typisieren sie bestimmte Fälle durch Auslegungsvermutungen abweichend. So wird die Anpreisung in Anzeigen, Katalogen oder einer Warenauslage im deutschen, italienischen und englischen Recht sowie nach Art.14(2) CISG ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)]]) in der Regel nur als ''invitatio'' eingeordnet, während insbesondere die Auslage von Waren im französischen und schweizerischen Recht (letzterenfalls jedenfalls bei Preisangabe) als Angebot ''ad incertas personas'' angesehen wird. Ein Angebot vermuten im Fall der Anpreisung in Anzeigen, Katalogen und Warenauslagen auch Art.&nbsp;2:201(3) PECL und Art.&nbsp;II.-4:201(3) DCFR, allerdings beschränkt auf den vorhandenen Vorrat. Gegen ein Angebot mag insbesondere sprechen, dass sich der Erklärende den Vertragspartner nach dessen Zahlungsfähigkeit aussuchen oder die Ware breit streuen möchte.


=== c) Vertragsparität und sozialer Rechtsstaat ===
=== b) Bestimmtheit und Dissens ===
Für den Strukturwandel seit dem Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts steht also eine andere Entwicklung, die ''Ludwig'' ''Raiser'' schon 1958 mit den Worten zusammenfasst, dass das dem BGB zugrunde liegende Leitbild der „freien selbstverantworteten Persönlichkeit“ nicht „unverändert“ übernommen werden könne. In den siebziger Jahren attestierte sodann ''Ernst A.'' ''Kramer'' liberalem Vertragsdenken eine „Krise“. Diese bereits von zeitgenössischen Kritikern des BGB formulierte Gegenposition zu seinem Prinzip „formal gleicher Freiheit“ (''Joachim'' ''Rückert'') hält vordergründig an der prozeduralen Konzeption des Vertrages fest, bestimmt die Freiwilligkeit des Vertragsschlusses aber nun nicht mehr allein negativ-„formal“, durch die Abwesenheit von Zwang oder Irrtum, sondern verlangt positiv, dass den Vertragsparteien „reale“ Entscheidungsfreiheit zukommt. Begrifflich kommt dies unter anderem in der Forderung nach „Vertragsparität“ zum Ausdruck (so insb.'' Günther Hönn'', der den Ansatz des BAG 31.10.1969, NJW 1970, 1145,'' ''aufnimmt; in England steht ''Patrick'' ''Atiyah'' für eine ähnliche Analyse; dagegen ist ''Lord Dennings'' Ansatz einer ''inequality of bargaining power'' in ''Lloyd’s Bank Ltd v. Bundy''<nowiki> [1975] 1 QB 326 (CA), isoliert geblieben). Sei die Parität „gestört“, drohe Fremdbestimmung und das Vertragsrecht müsse „kompensierend“ zum Schutz der schwächeren Partei eingreifen. Der Höhepunkt dieser Entwicklung dürfte mit der sog. „Bürgen-Entscheidung“ des BVerfG vom 19.10.1993, BVerfGE 89, 214, erreicht worden sein, in der das BVerfG die Zivilgerichte nachdrücklich aufforderte, jeden materiell für eine Seite ungewöhnlich nachteiligen Vertrag daraufhin zu überprüfen, „ob die vereinbarte Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke ist“. Die Kehrseite des wohlmeinenden Schutzes der „schwächeren“ Partei, wie jedes paternalistischen Ansatzes, ist die Übertragung der Verantwortung auf den Staat und die Einschränkung der Fähigkeit des Einzelnen, insofern rechtsgeschäftlich tätig zu sein.</nowiki>
Als Angebot muss die Erklärung des Anbietenden inhaltlich hinreichend bestimmt sein (so explizit Art.&nbsp;2:201(1) PECL, Art. II.-4:201(1) DCFR, Art.&nbsp;2.1.2 UNIDROIT PICC und Art.&nbsp;14 CISG; ebenso die meisten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen). Dafür reicht es jedoch aus, dass die für den jeweiligen Vertragstyp wesentlichen Elemente, die sog. ''essentialia negotii'', bestimmbar sind. Dies betrifft insbesondere Vertragsgegenstand und Gegenleistung. Bestimmbar ist der Vertragsinhalt grundsätzlich auch im Falle eines Vorbehalts künftiger Vereinbarung und bei Vereinbarung einer einseitigen [[Leistungsbestimmung, nachträgliche|nachträglichen Leistungsbestimmung]]. Einige Regelwerke sehen zudem dispositive Regelungen vor, die bei Unbestimmtheit eingreifen (etwa für den Kaufpreis sec. 8 ''Sale of Goods Act 1979'', Art.&nbsp;7:4 BW, Art.&nbsp;1474 ''Codice civile'', Art.&nbsp;212 OR, Art.&nbsp;55 CISG). Fehlt es jedoch selbst an der Bestimmbarkeit, liegt in der Regel keine Einigung vor; der Vertragsschluss scheitert. Sind hingegen bloße ''accidentalia negotii'' unbestimmt oder gar nicht geregelt, hindert dies den Vertragsschluss meist nicht. Vielmehr greifen zur Lückenfüllung Handelsbräuche, Gepflogenheiten, eine ergänzende Vertragsauslegung oder dispositives Gesetzesrecht ein. Das Bestimmtheitserfordernis korrespondiert mit den Regeln des (offenen) Dissenses. Danach kommt der Vertrag nach den meisten Rechtsordnungen im Ergebnis zustande, auch wenn sich die Parteien nicht über jeden Punkt geeinigt haben, sofern es sich hierbei um einen unwesentlichen Punkt handelt. Dies gilt nicht, wenn eine Partei die Einigung über diesen Punkt zur Bedingung des Vertragsschlusses gemacht hat (so im Ergebnis das deutsche Recht über §&nbsp;154 BGB, das niederländische Recht über Art.&nbsp;6:225 BW sowie das französische, englische, österreichische und spanische Recht; ebenso Art.&nbsp;2:103 PECL, Art.&nbsp;II.-4:103 DCFR).


Dass die Fälle, die Anlass dieser Entwicklung waren und die aus emotionaler Verbundenheit übernommene, ruinöse Bürgschaften naher Angehöriger des Hauptschuldners betrafen, mit Hilfe klassisch-prozeduraler Kategorien erfasst werden können, zeigen die Parallelentscheidungen englischer Gerichte (''Royal Bank of Scotland v. Etridge (No. 2)''[2001] UKHL 44 (HL)). Auch der auf den Vertragsschluss bezogene Verbraucherschutz ([[Verbraucher und Verbraucherschutz)]]), der den Schutz des „kleinen Mannes“ gegen den „großen Konzern“ auf der Stirn zu tragen scheint (so ''Lord Denning ''in'' George Mitchell (Chesterhall) Ltd v. Finney Lock Seeds Ltd''<nowiki> [1983] 2 AC 803 (HL)), kann überwiegend als Reaktion auf klassisch prozedurale Mängel des Vertragsschlusses rationalisiert werden, wenn diese Mechanismen auch mit groben Typisierungen operieren. Paradigmatisch dafür steht der Vertragsschluss in einer Haustürsituation, bei dem angenommen wird, dass der „überrumpelte“ Verbraucher in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt war. Auch die vielfältigen Informationspflichten (etwa über den effektiven Jahreszins eines Darlehens, §&nbsp;492 Abs.&nbsp;5 S.&nbsp;5 Nr.&nbsp;5 BGB) bezwecken einen prozedural einwandfreien Vertragsschluss und sind daher grundsätzlich gleichfalls mit klassischen Zurechnungskriterien vereinbar. </nowiki>
=== c) Wirksamwerden, Widerruflichkeit und Erlöschen des Angebots ===
Unter Anwesenden (zahlreiche Rechtsordnungen stellen den telefonischen Vertragsschluss ausdrücklich gleich; etwa §&nbsp;147 S.&nbsp;2 BGB, Art.&nbsp;4 Abs.&nbsp;2 OR, §&nbsp;862 S.&nbsp;2 ABGB) wird das Angebot im Augenblick der Erklärung wirksam und kann nur sofort angenommen werden. Geschieht dies nicht, erlischt es.


Der Übergang von Regelungen des Vertragsrechts, die die Vertragsfreiheit prozedural ausformen, zur Förderung außerhalb des Vertrages liegender Zwecke unter den Schlagworten der Parität und des „Ethos des sozialen Rechtsstaats“ (''Franz'' ''Wieacker'') ist fließend. Die Tendenz, einzelne Vertragstypen mit präsumtiv „unterlegenen“ Vertragspartnern inhaltlich zwingend auszugestalten ([[Zwingendes Recht]]), löst sich bewusst weitgehend vom klassisch-liberalen Vertragsmodell. Die Entwicklung in Deutschland ist typisch auch für andere europäische Länder, insbesondere Frankreich (''dirigisme'', ''Code de la consommation'' von 1992). Praktisch bedeutsam sind die Regelungen des Individualarbeitsrechts sowie des „sozialen“ Mietrechts und einzelne dem Verbraucherschutzrecht zuzuordnende und zwingend ausgestaltete Vertragstypen (Verbrauchsgüterkauf ([[Kauf]]), Verbraucherdarlehen ([[Darlehen]]), Pauschalreise ([[Reisevertrag (Pauschalreisen)]]) usw.). Waren die Einschränkungen im Wohnraummietrecht zunächst jedenfalls noch durch eine Schieflage des Marktes und Wohnraumnot bedingt, so wurde die Regulierung des Arbeitsvertrages in einer Periode relativ großer Nachfrage nach Arbeitnehmern nach Ende des zweiten Weltkrieges intensiviert. Zwingend ausgestaltet sind dabei einzelne Aspekte (etwa der Urlaub des Arbeitsnehmers, die Modernisierung des Wohnraums), restriktiv reguliert ist aber vor allem die Beendigung dieser [[Dauerschuldverhältnisse]] (etwa bezüglich der Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung nach §&nbsp;1 Abs.&nbsp;3 KSchG oder dem Erfordernis der Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung des Vermieters gemäß §&nbsp;573 BGB). Darüber hinaus sind bestimmte Typen der Dienstleistung umfassend reguliert, etwa die Vergütung von ärztlicher Behandlung (u.a. Gebührenordnung für Ärzte) oder Rechtsdienstleistungen (RVG). Schließlich ist der Bereich der sog. „Daseinsvorsorge“, in dem der Staat bestimmte wirtschaftlich relevante Leistungen erbringt und damit ein Monopol in Anspruch nimmt, noch ganz überwiegend reguliert, selbst wenn in bestimmten Bereichen, wie etwa Energie und Telekommunikation, die Privatisierung und mit ihr der Wettbewerb eingesetzt hat. In diesen Bereichen ist regelmäßig ein sog. Kontrahierungszwang (als Einschränkung der Abschlussfreiheit) vorgesehen.  
Unter Abwesenden wird das Angebot mit dem Zugang beim Empfänger wirksam. Im Hinblick auf die Widerruflichkeit ist zu differenzieren. Fast alle Regelwerke gehen davon aus, dass das Angebot vor oder zeitgleich mit seinem Zugang zurückgenommen werden kann (etwa §&nbsp;130 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;2 BGB, Art.&nbsp;3:37 Abs.&nbsp;5 BW, Art.&nbsp;9 Abs.&nbsp;1 OR (sogar bis Kenntniserlangung), Art.&nbsp;2.1.3(2) UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;15(2) CISG, Art.&nbsp;1:303(5), (6) PECL, Art.&nbsp;II.-106(1), (5) DCFR; meist gilt dies spiegelbildlich für die Annahmeerklärung). Ob dagegen das bereits zugegangene und damit wirksam gewordene Angebot widerrufen werden kann, ist einer der zentralen Unterschiede der europäischen Vertragsschlussregime. Dabei ist vorwegzuschicken, dass der Anbietende das Angebot nach allen Regelwerken widerruflich oder unwiderruflich (im englischen Recht allerdings nur gegen eine ''consideration'') ausgestalten kann. Unterschiede bestehen jedoch im Hinblick auf den gesetzlichen Regelfall. Das deutsche Recht geht in §&nbsp;145 BGB von der Unwiderruflichkeit des Angebots aus. Dem folgen das schweizerische, österreichische und portugiesische Recht. Dagegen ist das Angebot nach französischem, italienischem, spanischem, aber auch englischem Recht sowie nach Art.&nbsp;2:202 PECL, Art.&nbsp;II.-4:202 DCFR, Art.&nbsp;2.1.4 UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;16 CISG grundsätzlich widerruflich; der Widerruf muss der anderen Partei jedoch vor Absendung der Annahme zugehen. Dabei geht das englische Recht mit der freien Widerruflichkeit am weitesten, während etwa das französische Recht bei missbräuchlichem Widerruf (insb. vor Ablauf einer gesetzten Annahmefrist) eine deliktische Schadensersatzpflicht statuiert. PECL, DCFR und UNIDROIT PICC sehen das Angebot sogar als unwiderruflich an, wenn der Anbietende eine Annahmefrist setzt, der Annehmende auf die Unwiderruflichkeit vertrauen durfte oder bereits im Vertrauen auf die Unwiderruflichkeit gehandelt hat (nach Art.&nbsp;2:202(4) DCFR soll dies wiederum nicht gelten, wenn der Anbietende ein Widerrufsrecht nach Buch&nbsp;II oder IV des DCFR im Hinblick auf den Vertrag hätte).


Welche verteilungspolitischen und gesamtwirtschaftlichen Effekte durch diese flächendeckenden Eingriffe in die Vertragsfreiheit mittels externer Schranken erzielt werden, ist ebenso umstritten, wie die grundsätzliche Frage, ob der Vertrag aus prinzipieller und ökonomischer Sicht überhaupt ein geeignetes Mittel zur Erzielung distributiver Gerechtigkeit ist. Die Gegenposition fordert dabei nicht notwendig den Abbau des Schutzes des „Schwächeren“, etwa des Arbeitnehmers oder des Mieters, sondern weist diese Aufgabe vielmehr dem Sozialstaat zu. Eine solch strenge Trennung von Privatrecht mit prozeduralem, inhaltlich neutralem Charakter und öffentlichem Recht, dem die Aufgabe zufällt, die faktischen Rahmenbedingungen freier Persönlichkeitsentfaltung zu schaffen, entspricht am ehesten auch der ursprünglichen Konzeption des BGB.
Abgesehen von Rücknahme oder Widerruf erlischt das Angebot auch durch Ablehnung (etwa §&nbsp;146 BGB, Art.&nbsp;2:203 PECL, Art.&nbsp;II.-4:203 DCFR) und bei nicht rechtzeitiger Annahme innerhalb einer gesetzten Annahmefrist (s.u. 3.c). Ob der Tod des Anbietenden bzw. Angebotsempfängers zum Erlöschen führt, ist nach den Umständen und je nach Vertragstyp durch Auslegung zu ermitteln. Während einige Rechtsordnungen im Zweifel bei Tod des Anbietenden kein Erlöschen annehmen (etwa §&nbsp;130 Abs.&nbsp;2, 153 BGB, Art.&nbsp;6:222 BW, §&nbsp;862 ABGB), gehen andere Rechtsordnungen im Zweifel von einem Erlöschen aus (etwa Art.&nbsp;1329 Abs.&nbsp;2 ''Codice civile'', ebenso das englische Recht ab Kenntnis des Annehmenden).


Neben diesen am Marktmechanismus des Vertrages ansetzenden Schutzmechanismen geht eine neuere Tendenz dahin, die Wahl des Vertragspartners sowie die inhaltliche Gestaltung des Vertrages auf ihre Richtigkeit nach einem staatlich vorgebebenen Wertekanon hin zu überprüfen, so insb. im Hinblick auf die Gleichbehandlung der Geschlechter und den Schutz vor Diskriminierung aufgrund rassischer oder sonstiger Merkmale ([[Diskriminierungsverbot (allgemein)]]). Verträge sind danach kein Wert an sich selbst, sondern werthaltig, weil die vertraglich verfolgten Ziele anerkennenswert sind (so dezidiert insb. der perfektionistische Liberalismus des ''Joseph'' ''Raz''). Die Kritik hieran stellt nicht die mit dieser Materialisierung des Vertrages verfolgten Ziele als solche in Frage, sondern stellt lediglich die Kompetenz des Staates zur Regelung dieser nach ihrer Auffassung dem Bereich der Tugendlehre zugewiesenen Fragen in Abrede.
== 3. Annahme ==
Die Annahme besteht grundsätzlich in der uneingeschränkten Zustimmung zum Angebot. Während das Angebot meist in Form einer Erklärung erfolgt, weist die Annahme häufiger auch andere Formen auf.


== 3. Europäisches Einheitsrecht ==
=== a) Annahme durch Erklärung ===
Die Reichweite der Vertragsfreiheit wird in den [[Principles of European Contract Law|PECL]] einerseits und dem [[Common Frame of Reference|DCFR]] andererseits unterschiedlich interpretiert. Hauptgrund dafür ist das Bestreben des DCFR, nach entsprechender Vorarbeit der sog. ''Acquis-''Gruppe, dem Regelungsansatz des Europäischen Sekundärrechts Rechnung zu tragen, der eine verbraucherschützende Tendenz aufweist. Weil zwingendes Recht im Lichte der Privatautonomie als Anomalie erscheint, ist das Unternehmen, die Vertragsprinzipien dem gegenwärtigen ''acquis communautaire'' durch Induktion zu entnehmen, auf Widerspruch gestoßen.
Im Falle der Annahme durch ausdrückliche Erklärung stellt sich vordringlich das Problem, zu welchem Zeitpunkt die Annahme wirksam wird und der Vertrag damit geschlossen ist, da jedenfalls ab diesem Zeitpunkt ein Widerruf des Angebots nicht mehr möglich ist. Auch unter Abwesenden verliert das Problem allerdings dadurch an Bedeutung, dass Absenden und Zugang einer Erklärung bei Nutzung moderner Kommunikationsmittel, insbesondere Telefax und e-mail, ohne zeitliche Verzögerung stattfinden.


Die PECL (insoweit ähnlich die [[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT PICC]]) gehen nicht auf externe Schranken (Rechtswidrigkeit, Sittenwidrigkeit) der Vertragsfreiheit ein, bei denen die nationalen Traditionen stark divergieren. Insgesamt beschränken sich die Grundregeln auf die Kernelemente des Vertragsrechts und lassen weitgehend offen, welche der vorgesehenen Regeln überhaupt zwingenden Charakter aufweisen, der somit lediglich aus der Natur der Regelung geschlossen werden kann. Kap.&nbsp;4 regelt detailliert den Irrtum, die Täuschung und Drohung, das Ausnutzen eines Willensdefizites sowie die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Weitergehende Anforderungen an „reale“ Vertragsparität enthalten die Grundregeln nicht; insbesondere wird die Problematik der „Bürgen-Entscheidung“ mit Hilfe prozeduraler Mittel gelöst (unter Hinweis auf das Ausnutzen der Zwangslage oder Unerfahrenheit des Bürgen). Kap.&nbsp;8 und 9 beschreiben die Rechtsbehelfe zur Durchsetzung des Vertrages.
Nach Art. 2:105(1) PECL, Art. II.-4:205(1) DCFR wird die Annahme wie in zahlreichen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen erst mit dem Zugang beim Anbietenden wirksam (§&nbsp;862a ABGB, Art.&nbsp;224 portug. ''Código civil''<nowiki>; §&nbsp;130 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;1 BGB, Art.&nbsp;3:37 Abs.&nbsp;3 BW; ebenso Art.&nbsp;2.1.6(2) UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;18(2), 23 CISG). Auch das englische Recht geht im Grundsatz davon aus, dass die Annahme empfangsbedürftig ist, lässt davon jedoch mit der sog. </nowiki>''postal rule'' (''Adams v. Lindsell'' (1818) 1 B & Ald 681 (KB); ''Henthorn v. Fraser''<nowiki> [1892] 2 Ch 27 (CA)) eine wichtige Ausnahme zu. Im Falle der Versendung per Post ist die Annahme mit der Aufgabe zur Post wirksam und der Vertrag damit geschlossen, auch wenn der Brief auf dem Postweg abhanden kommt oder verspätet zugeht. Bei Nutzung von e-mail oder Telefax gilt die </nowiki>''postal rule'' nur, wenn der Annehmende einen in der Übertragung auftretenden Fehler nicht erkennen konnte. Auch auf die Übermittlung per Brief findet sie nur dann Anwendung, wenn diese Versendungsart angemessen war und der Anbietende den Zugang nicht zur Bedingung der wirksamen Annahme gemacht hat. In Frankreich ist die Rechtslage unklar. Die Rechtsprechung stellt auf die Umstände des Einzelfalls ab. Zur Wahrung der Annahmefrist soll in der Regel die rechtzeitige Absendung genügen. Eine überholende Rücknahmeerklärung der Annahme ist jedoch wie im englischen Recht möglich.


<nowiki>Der DCFR nimmt die in den PECL enthaltenen strukturellen Normen des Vertragsrechts weitgehend unverändert auf, ergänzt diese jedoch in wesentlicher Hinsicht. So wird etwa hinsichtlich der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Regelungsansatz der Grundregeln fortgeführt und die im Sekundärrecht vorgesehene Beschränkung auf den Verbraucherschutz aufgegeben, andererseits aber auch die Klausel-RL berücksichtigt und eine Liste regelmäßig unzulässiger Klauseln vorgeschlagen (Art.&nbsp;II.-9:411). Der DCFR greift zudem die den Vertragsschluss betreffenden, prozedural erklärbaren und aus dem Sekundärrecht (wie etwa der Haustürwiderrufs-RL [RL&nbsp;85/577] </nowiki>) stammenden Mechanismen des Verbraucherschutzes auf (insb. [[Informationspflichten (Verbrauchervertrag)|Informationspflichten]], z.B. Art.&nbsp;II.-3:102, und [[Widerrufsrecht]]e, z.B. Art.&nbsp;II.-5:201). Hinsichtlich externer Schranken wird zum einen erstmals normiert, dass von der Rechtsordnung der EU oder der Mitgliedstaaten missbilligte Zwecke nicht Gegenstand eines Vertrages sein können (Art.&nbsp;II.-7:401). Des Weiteren werden die Vorgaben der Antidiskriminierungsrichtlinien umgesetzt (Art.&nbsp;II.-2:101 ff.). In den Bereichen, in denen der DCFR auf Europäischer Ebene erstmals systematisch die besonderen Vertragsverhältnisse regelt, nimmt er die gleiche die Vertragsfreiheit einschränkende Haltung wie das Sekundärrecht ein. So wird etwa in Art.&nbsp;IV.A.-4:102 der zwingende Charakter der Regelung der Rechtsbehelfe bei Schlechtleistung, wie sie die Verbrauchsgüterkauf-RL (RL&nbsp;1999/44) vorsieht, repliziert und sogar noch auf den Schadensersatz ausgedehnt. Aber auch in Bereichen, in denen das Sekundärrecht keine zwingende Regelung kennt, bevorzugt der DCFR diese wiederholt (z.B. Art.&nbsp;IV.C.-8:103). Der DCFR spiegelt damit die restriktive Tendenz des Sekundärrechts wider, die in der Rechtsprechung des EuGH meist noch verstärkt wird.
Das Zusammenspiel von Widerruflichkeit des Angebots und Wirksamwerden der Annahme wird deutlich: Ist das Angebot unwiderruflich, bedarf der Angebotsempfänger nicht zusätzlich des Schutzes durch ein frühes Wirksamwerden der Annahme. Umgekehrt ist eine Widerruflichkeit eher hinzunehmen, wenn der Angebotsempfänger den Widerruf bereits durch Versendung der Annahme ausschließen kann. PECL, DCFR und CISG sehen eine Zwischenlösung vor: Zwar wird die Annahme erst mit Zugang wirksam und der Vertrag damit geschlossen, doch muss der Widerruf des Angebots vor Absendung der Annahme zugehen.


Das Europarecht hat jedoch seit seinen Anfängen insgesamt überwiegend deregulierend gewirkt, weil der [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] früh dazu übergegangen war, nationale Beschränkungen des Handels mit Waren und Dienstleistungen, des Kapitalverkehrs und der Freizügigkeit unmittelbar an den [[Grundfreiheiten (allgemeine Grundsätze)|Grundfreiheiten]] des [[EG-Vertrag]]es zu messen. Externe Schranken der Vertragsfreiheit bedürfen somit, sofern sie den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr signifikant beeinflussen, der Rechtfertigung durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es sind damit zwei gegenläufige Effekte innerhalb des europäischen Rechts zu beobachten: einerseits Restriktion und paternalistischer Verbraucherschutz durch Rechtsakte der EG, andererseits das Leitprinzip freien Handels, sofern es um nationale Beschränkungen der Ausübung der Vertragsfreiheit geht.
=== b) Annahme durch schlüssiges Verhalten ===
Zahlreiche Kodifikationen, etwa BGB, ABGB, OR, portug. ''Código civil'', ''Codice civile'', ''Kodeks cywilny'', erkennen eine Annahme durch schlüssiges Verhalten ebenso an wie das englische und französische Recht. In Art.&nbsp;2:204 PECL und Art.&nbsp;II-4:204 DCFR ist sie ausdrücklich von der Definition der Annahme erfasst: „Any form of statement or conduct …“ (ebenso Art.&nbsp;2.1.6(1)1 UNICROIT PICC). Die Annahme wird in diesen Fällen jedoch grundsätzlich erst wirksam, wenn der Anbietende von dem schlüssigen Verhalten Kenntnis erlangt. Dagegen kommt der Vertrag bereits mit dem Beginn der Ausführungshandlung des schlüssigen Verhaltens zustande, wenn das Angebot es so vorsieht oder sich dies aus Verkehrssitte, Handelsbrauch oder Übung zwischen den Parteien ergibt (Art.&nbsp;2:205(3) PECL, Art.&nbsp;II.-4:205(3) DCFR, Art.&nbsp;18(3) CISG, ähnlich §&nbsp;151 BGB und ihm folgend §&nbsp;864 Abs.&nbsp;1 ABGB, Art.&nbsp;1327 ''Codice civile'', Art.&nbsp;234 portug. ''Código civil''<nowiki>; ähnlich auch Art.&nbsp;10 Abs.2 OR).</nowiki>
 
=== c) Annahmefrist und verspätete Annahme ===
Es ist stets möglich, im Angebot eine Frist für die Annahme zu setzen (vgl. etwa §148 BGB; Art.&nbsp;2:206(1) PECL; Art.&nbsp;II.-4:206 DCFR). Fehlt es an einer solchen Fristsetzung, greift die dispositive gesetzliche Regelung ein. Während ein Angebot unter Anwesenden danach nur sofort angenommen werden kann (etwa Art.&nbsp;2.7 S.&nbsp;2 UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;18(2)3 CISG, §&nbsp;147 Abs.&nbsp;1 BGB), ist unter Abwesenden zu differenzieren. Bei einer ausdrücklichen Annahme muss die Erklärung dem Anbietenden innerhalb einer unter Berücksichtigung der Überlegungs-, Entscheidungs- und Übermittlungszeit angemessenen Frist zugehen (§&nbsp;147 Abs.&nbsp;2 iVm § 130 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;1 BGB, Art.&nbsp;6:221 Abs.&nbsp;1 iVm Art.&nbsp;3:37(3) BW, Art.&nbsp;862 ABGB Art.&nbsp;5 OR, Art.&nbsp;1326 Abs.&nbsp;2 ''Codice civile'', Art.&nbsp;2.7 S.&nbsp;1 UNIDROIT PICC; Art.&nbsp;18(3)2 CISG, Art.&nbsp;2.206(2) PECL und Art.&nbsp;II.-206(2) DCFR (beide „within a reasonable time“). Dies gilt auch im englischen Recht. Greift die ''postal rule'' ein, genügt es, die Annahme innerhalb einer ''reasonable time'' abzusenden; ebenso in der Regel das französische Recht. Im Fall der Annahme durch schlüssiges Verhalten muss der Anbietende innerhalb einer angemessenen Frist von dem schlüssigen Verhalten Kenntnis erlangen. Genügt zur schlüssigen Annahme jedoch der Beginn der Ausführungshandlung (s.o. 3. b), so reicht es aus, wenn dieser innerhalb der angemessenen Frist erfolgt (Art.&nbsp;2:206(3) PECL; Art. II.-4:206(3) DCFR, Art.&nbsp;18(3) CISG; ebenso implizit die meisten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen).
 
Ein Vertrag kommt trotz verspäteter Annahme nach einigen Regelwerken mit Zugang dieser Annahme zustande, wenn der Anbietende die Annahme als rechtzeitig gelten lässt (Art.&nbsp;6:223 Abs.&nbsp;1 BW, Art.&nbsp;229(2) portug. ''Código civil'', Art.&nbsp;1326 Abs.&nbsp;3 ''Codice civile'', Art.&nbsp;2.207(1) PECL, Art.&nbsp;II.-4.207 DCFR, Art.&nbsp;21(1) CISG). Zahlreiche andere Rechtsordnungen (z.B. Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Belgien) kennen keine derartige Regel, kommen aber nach den Regeln über die modifizierende Annahme (s.u. 3. d) zu einem ähnlichen Ergebnis (Vertragsschluss allerdings zeitlich erst mit Annahme der als Angebot behandelten modifizierenden Annahme).
 
Ein Vertrag kommt trotz einer bloß verspätet ''zugegangenen'' Annahme zustande, wenn der Anbietende den Grund der Verspätung kannte oder kennen musste und dies dem Annehmenden nicht unverzüglich anzeigt (§&nbsp;149 BGB, Art.&nbsp;862a S.&nbsp;2 ABGB, Art.&nbsp;5 Abs.&nbsp;3 OR, Art.&nbsp;6:223 Abs.&nbsp;2 BW, Art.&nbsp;229 Abs.&nbsp;1 portug. ''Código civil'', Art.&nbsp;67 ''Kodeks cywilny'', Art.&nbsp;2:207(2) PECL, Art.&nbsp;II.-4:207(2) DCFR, Art.&nbsp;21(2) CISG). Im englischen und französischen Recht stellt sich die Problematik in der Regel nicht, da die Annahme in diesen Fällen mit rechtzeitiger Absendung per Post wirksam wird.
 
=== d) Modifizierende Annahme ===
Eine das Angebot modifizierende Antwort der anderen Partei ist grundsätzlich als Ablehnung des Angebots verbunden mit einem Gegenangebot anzusehen (Art.&nbsp;2:208(1) PECL, Art.&nbsp;II.-4:208(1) DCFR, §&nbsp;150 Abs.&nbsp;2 BGB, Art.&nbsp;6:225 Abs.&nbsp;1 BW, Art.&nbsp;233 portug. ''Código civil'', Art.&nbsp;68 ''Kodeks cywilny'', Art.&nbsp;19(1) CISG; ebenso die französische und englische Rechtsprechung). Ausnahmsweise stellt sie jedoch dann eine Annahme dar, wenn sie nur unwesentliche Ergänzungen oder Abweichungen vom Angebot enthält und der Annehmende trotz der Modifizierungen seine Zustimmung zum Angebot zum Ausdruck bringt (Art.&nbsp;2:208(2) PECL; Art.&nbsp;II.-4:208(2) DCFR; Art.&nbsp;2.22(2) UNIDROIT PICC; Art.&nbsp;19(2) CISG; Art.&nbsp;6:225 Abs.&nbsp;2 BW, teilweise ebenso die deutsche Rechtsprechung). Hiervon wird allerdings eine Rückausnahme in denjenigen Fällen gemacht, in denen das Angebot eine Modifizierung ausdrücklich ausschließt, der Anbietende der Änderung unverzüglich widerspricht oder der Annehmende die Annahme von der Zustimmung des Anbietenden zu den Modifizierungen abhängig macht und ihn diese Zustimmung nicht nach einer angemessenen Bedenkzeit erreicht (so Art.&nbsp;2:208(3) PECL; Art.&nbsp;II.-4:208(3) DCFR). Nach Art. 6:225 Abs.&nbsp;2 BW, Art.&nbsp;2.1.11(2) UNIDROIT PICC und Art.&nbsp;19(2) CISG kann der Vertragsschluss mit dem modifizierten Inhalt vom Anbietenden dagegen nur durch unverzüglichen Widerspruch verhindert werden.
 
=== e) Schweigen und kaufmännisches Bestätigungsschreiben ===
Schweigen oder Untätigkeit stellen für sich genommen keine Annahme dar (so ausdrücklich Art.&nbsp;2:204(2) PECL, Art.&nbsp;II.-4:204(2) DCFR und Art.&nbsp;2.1.6(1)2 UNIDROIT PICC). Einzig das schweizerische Recht sieht in Art.&nbsp;6 OR vor, dass der Angebotsempfänger dem Angebot widersprechen muss, wenn nach der Natur des Geschäfts oder den Umständen eine Annahme nicht zu erwarten ist.
 
Entgegen der allgemeinen Regel kann Schweigen im geschäftlichen Verkehr (im Gegensatz zum Rechtsverkehr zwischen Verbrauchern) eine Annahme darstellen. Dies ist für bestimmte Situationen gesetzlich geregelt (etwa §&nbsp;362 dt. HGB), kann sich aber auch aus Handelsbrauch oder Verkehrssitte ergeben. Vereinzelte Fälle dieser Art finden sich in der deutschen, französischen, italienischen und englischen Rechtsprechung.
 
Ein besonderer Fall des Schweigens als Annahme im geschäftlichen Verkehr ist das sog. kaufmännische Bestätigungsschreiben, das vor allem im deutschen Recht gewohnheitsrechtlich anerkannt ist, aber auch Eingang in die PECL (Art.&nbsp;2:210), den DCFR (Art.&nbsp;II.-4:210) und die UNIDROIT PICC (Art.&nbsp;2.12) gefunden hat. Wird durch ein Schreiben unter Kaufleuten der Inhalt eines bereits geschlossenen (darauf sind PECL, DCFR und UNIDROIT PICC beschränkt) oder eines nur in der Vorstellung des Schreibenden geschlossenen Vertrages (so das deutsche, dänische und finnische Recht) präzisiert und fixiert, kommt der Vertrag mit diesem Inhalt zustande, wenn die andere Partei dem Schreiben nicht unverzüglich widerspricht. Dies gilt nicht, wenn der Inhalt bewusst unrichtig wiedergegeben wird (PECL und DCFR enthalten keine derartige Regel) oder wesentlich vom Verhandlungsergebnis bzw. dem bereits geschlossenen Vertrag abweicht. Damit behandeln die PECL und der DCFR die modifizierende Annahme und das kaufmännische Bestätigungsschreiben gleich, während dies im deutschen Recht nicht der Fall ist.
 
=== f) Kollidierende AGB ===
Ein besonderes Problem des Vertragsschlusses stellen kollidierende [[Allgemeine Geschäftsbedingungen]] in Angebot und Annahme dar. Es stellt sich die Frage, ob der Vertrag überhaupt zustande kommt und, wenn ja, mit welchem Inhalt. Die Beantwortung beider Fragen ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig, doch haben sich im Grundsatz zwei Lösungen herausgebildet.
 
Nach der sog. ''last shot rule'' gelten die allgemeinen Vertragsschlussregeln. Die Annahme unter Verweis auf die eigenen AGB ist daher als Ablehnung des Angebots, verbunden mit einem neuen Angebot anzusehen. Dieses kann der ursprünglich Anbietende – insbesondere konkludent, indem er mit der Vertragsdurchführung beginnt – annehmen. Verweist er in seiner Antwort jedoch wiederum auf seine AGB, lehnt er das Angebot, verbunden mit einem neuen, eigenen Angebot, ab. Der Vertrag kommt also entweder gar nicht zustande oder aber auf der Grundlage der AGB, auf die zuletzt unwidersprochen verwiesen wurde. Diesem Modell folgen das englische und schottische Recht. Das niederländische Recht sieht in Art.&nbsp;6:225 Abs.&nbsp;3 BW umgekehrt eine ''first shot rule'' vor; die AGB des Anbietenden gelten.
 
Nach der sog. ''knock out rule'' kommt der Vertrag trotz abweichender AGB (bereits mit der Annahme) zustande, wenn die Parteien sich ansonsten geeinigt haben. Die AGB werden nur insofern Inhalt des Vertrages, als sie sich nicht widersprechen. Im Übrigen greifen die dispositiven gesetzlichen Regelungen ein. Diesem Modell folgen etwa die PECL, der DCFR, die UNIDROIT PICC, das deutsche, österreichische und französische Recht, aber auch die wohl herrschende Auffassung zum CISG (an einer Regelung fehlt es). Nach Art.&nbsp;2:209(2) PECL und Art.&nbsp;II.-4:209(2) DCFR scheitert der Vertrag jedoch, wenn eine der Parteien – bezogen auf den konkreten Vertrag, also nicht durch eine Abwehrklausel in den AGB – zuvor geäußert hat, im Falle abweichender AGB der anderen Partei nicht gebunden sein zu wollen (ähnlich das deutsche und österreichische Recht) oder dies unverzüglich nach Erhalt der Annahme äußert.
 
== 4. Vertragsschluss jenseits von Angebot und Annahme ==
Insbesondere im Falle der Benutzung angebotener Einrichtungen, die keine direkte Zugangskontrolle vorweisen, etwa eines Parkplatzes oder der Straßenbahn, stellt sich die Frage, ob man den Vertrag in dieser eher auf dem tatsächlichen Leistungsaustausch als auf einer Willenseinigung beruhenden Situation mit dem rechtsgeschäftlichen Modell begründet. Die Art.&nbsp;2:211 PECL, Art.&nbsp;II.-4:211 DCFR und Art.&nbsp;2.1.1 UNIDROIT PICC erkennen einen Vertragsschluss auch auf anderem Wege als durch Angebot und Annahme an. Sie wenden – ebenso wie die meisten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen – die Vorschriften über Angebot und Annahme entsprechend an. Die Grenze zwischen rein tatsächlichem Verhalten und konkludenter Erklärung von Angebot und Annahme ist freilich fließend. Die Regelungen haben daher eine bloße Auffangfunktion, um etwaige Lücken im Vertragsschlussmechanismus zu schließen.


== Literatur==
== Literatur==
''Walter Eucken'', Grundsätze der Wirtschaftpolitik, 2.&nbsp;Aufl. 1959, 276&nbsp;ff.; ''Franz Wieacker'', Das Bürgerliche Recht im Wandel der Gesellschaftsordnungen, in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, 1960, 1&nbsp;ff.; ''Arthur T. von Mehren'', A General View of Contract, in: IECL VII/1, Kap.&nbsp;1-64&nbsp;ff, 1980; ''Patrick S.'' ''Atiyah'', The Rise and Fall of Freedom of Contract, 1985; ''Wolfram Höfling'', Vertragsfreiheit, 1991; ''Werner Flume'', Das Rechtsgeschäft, 4.&nbsp;Aufl. 1992, 6&nbsp;ff.; ''Michael J. Treblicock'', The Limits of Freedom of Contract, 1993; ''Joachim Rückert'', Vor&nbsp;§&nbsp;1, Rn.&nbsp;43&nbsp;ff., 72&nbsp;ff., in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd.&nbsp;I, 2003;'' François Terré'','' Philippe Simler'','' Yves Lequette'', Les obligations, 9.&nbsp;Aufl. 2005, 37&nbsp;ff., 379&nbsp;ff.; ''Nils Jansen'','' Reinhard Zimmermann'', Grundregeln des bestehenden Gemeinschaftsprivatrechts?, Juristenzeitung 2007, 1113&nbsp;ff.
''Rudolf B. Schlesinger'' (Hg.), Formation of Contracts: Study of the Common Core of Legal Systems, 2&nbsp;Bde., 1968; ''Arthur T. von Mehren'', The Formation of Contracts, in: IECL VII/1, Kap.&nbsp;9-19&nbsp;ff., 50&nbsp;ff., 112&nbsp;ff., 1991; ''Hein Kötz'', Europäisches Vertragsrecht, Bd. 1, 1996, §&nbsp;2; ''Helmut Köhler'', Das Verfahren des Vertragsschlusses, in: Jürgen Basedow (Hg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, 33&nbsp;ff.; ''Peter Oestmann'', §§&nbsp;145-156, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd.&nbsp;I, 2003; ''Rodolfo Sacco'', Formation of Contracts, in: Arthur Hartkamp, Martijn Hesselink, Ewoud Hondius, Carla Joustra, Edgar du Perron, Muriel Veldman (Hg.), Towards a European Civil Code, 3.&nbsp;Aufl. 2004, 353&nbsp;ff.; ''Karl Riesenhuber'', Europäisches Vertragsrecht, 2.&nbsp;Aufl. 2006, §&nbsp;13; ''Guenter H. Treitel'', ''Edwin Peel'', The Law of Contract, 12. Aufl. 2007, Kap.&nbsp;2; ''Filippo Ranieri'', Europäisches Obligationenrecht, 3.&nbsp;Aufl. 2009, Kap.&nbsp;2-4.


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Version vom 8. September 2021, 12:50 Uhr

von Martin Illmer

1. Begriff und Systematik

Der Vertragsschluss begründet den Vertrag zwischen zwei oder mehreren Parteien. In ihm manifestiert sich die Willensübereinstimmung der Parteien, deren zentrale Elemente heute in allen europäischen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerken Angebot und Annahme sind.

Das BGB regelt den Vertragsschluss in der Rechtsgeschäftslehre des Allgemeinen Teils. Angebot und Annahme sind lediglich ein Unterfall der Willenserklärung, so dass neben den spezifischen Regelungen zum Vertragsschluss die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen zur Anwendung kommen. Dem folgt der polnische Kodeks cywilny (Polnisches ZGB). Der portugiesische Código civil und das niederländische Burgerlijk Wetboek regeln zwar den Vertragsschluss als solchen im allgemeinen Schuldrecht, doch gelten für Angebot und Annahme zahlreiche Vorschriften der ebenfalls in einem Allgemeinen Teil enthaltenen Rechtsgeschäftslehre. Das schweizerische OR verortet Vertragsschluss und Rechtsgeschäftslehre im allgemeinen Schuldrecht.

Die älteren, naturrechtlich geprägten Kodifikationen, allen voran der französische Code civil (1804) und ihm folgend ursprünglich auch der belgische Code civil, der erste italienische Codice civile (1865) sowie der spanische Código civil (1889), aber auch das österreichische ABGB (1811) kannten weder eine Rechtsgeschäftslehre als solche, die im Wesentlichen ein Produkt der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts ist, noch enthielten sie Regelungen zum Vertragsschluss. Während das italienische, spanische und österreichische Recht die Lehre von Angebot und Annahme im Zuge von Reformierungen in ihre Kodifikationen aufnahmen, enthalten der französische und belgische Code civil bis heute keine Vorschriften zum Vertragsschluss (Art. 1108 frz. Code civil nennt lediglich die Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Vertrags). Die entsprechenden Regeln wurden vielmehr durch die Rechtsprechung entwickelt.

Im nicht kodifizierten englischen common law ist der Vertragsschluss Bestandteil des noch immer im Wesentlichen aus case law (Richterrecht) bestehenden law of contract. Nachdem der Vertrag ursprünglich auf das Versprechen als Grundlage rechtsgeschäftlicher Verpflichtung gestützt worden war, setzten sich im 19. Jahrhundert das Vertragsprinzip und mit ihm die Lehre von Angebot und Annahme durch.

Vereinzelte Vorschriften des acquis communautaire erwähnen das Erfordernis eines Vertragsschlusses (Art. 2(1) Fernabsatz-RL [RL 97/7]) und nehmen auf Angebot und Annahme Bezug (Art. 1(3) und (4) Haustürwiderrufs-RL [RL 85/ 577]). Auch der EuGH setzt in seiner Rechtsprechung das Vertragsschlussmodell von Angebot und Annahme voraus, ohne allerdings auf seine Ausgestaltung näher einzugehen (EuGH Rs. C-96/00 – Gabriel, Slg. 2002, I-6367, Rn. 48 f.) Der Vertragsschlussmechanismus von Angebot und Annahme wird damit zwar im acquis zugrunde gelegt, jedoch nicht geregelt. Die Vertragsschlussregeln der PECL, der ACQP und des DCFR mussten daher aus den Regelungen der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen entwickelt werden, die jenseits der systematischen Unterschiede häufig zu ähnlichen Ergebnissen gelangen. Dabei übernehmen die ACQP und der DCFR die Vertragsschlussregeln der PECL inhaltlich fast unverändert.

2. Angebot

Das Angebot ist in Art. 2:201(1) PECL, Art. II.-4:201(1) DCFR und Art. 2.1.2 UNIDROIT PICC ausdrücklich definiert als ein hinreichend bestimmter und mit Rechtsbindungswillen gemachter Vorschlag zum Abschluss eines Vertrages. Die meisten nationalen Rechtsordnungen setzen den Begriff des Angebots – inhaltlich damit übereinstimmend – schlicht voraus.

a) Rechtsbindungswille und invitatio ad offerendum

In allen Rechtsordnungen stellt sich bei Erklärungen gegenüber einem größeren Personenkreis die Frage, ob es sich dabei um ein Angebot (häufig ad incertas personas) oder nur um eine sog. invitatio ad offerendum handelt. Entscheidend ist der objektiv, also anhand von Indizien zu ermittelnde Rechtsbindungswille des Erklärenden: Will der Erklärende den Erklärungsempfängern ermöglichen, durch Annahme bereits einen Vertrag zu schließen oder will er sie nur auffordern, ihrerseits Angebote abzugeben, deren Annahme ihm dann freisteht?

Während alle europäischen Rechtsordnungen diese Differenzierung als solche kennen, typisieren sie bestimmte Fälle durch Auslegungsvermutungen abweichend. So wird die Anpreisung in Anzeigen, Katalogen oder einer Warenauslage im deutschen, italienischen und englischen Recht sowie nach Art.14(2) CISG (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)) in der Regel nur als invitatio eingeordnet, während insbesondere die Auslage von Waren im französischen und schweizerischen Recht (letzterenfalls jedenfalls bei Preisangabe) als Angebot ad incertas personas angesehen wird. Ein Angebot vermuten im Fall der Anpreisung in Anzeigen, Katalogen und Warenauslagen auch Art. 2:201(3) PECL und Art. II.-4:201(3) DCFR, allerdings beschränkt auf den vorhandenen Vorrat. Gegen ein Angebot mag insbesondere sprechen, dass sich der Erklärende den Vertragspartner nach dessen Zahlungsfähigkeit aussuchen oder die Ware breit streuen möchte.

b) Bestimmtheit und Dissens

Als Angebot muss die Erklärung des Anbietenden inhaltlich hinreichend bestimmt sein (so explizit Art. 2:201(1) PECL, Art. II.-4:201(1) DCFR, Art. 2.1.2 UNIDROIT PICC und Art. 14 CISG; ebenso die meisten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen). Dafür reicht es jedoch aus, dass die für den jeweiligen Vertragstyp wesentlichen Elemente, die sog. essentialia negotii, bestimmbar sind. Dies betrifft insbesondere Vertragsgegenstand und Gegenleistung. Bestimmbar ist der Vertragsinhalt grundsätzlich auch im Falle eines Vorbehalts künftiger Vereinbarung und bei Vereinbarung einer einseitigen nachträglichen Leistungsbestimmung. Einige Regelwerke sehen zudem dispositive Regelungen vor, die bei Unbestimmtheit eingreifen (etwa für den Kaufpreis sec. 8 Sale of Goods Act 1979, Art. 7:4 BW, Art. 1474 Codice civile, Art. 212 OR, Art. 55 CISG). Fehlt es jedoch selbst an der Bestimmbarkeit, liegt in der Regel keine Einigung vor; der Vertragsschluss scheitert. Sind hingegen bloße accidentalia negotii unbestimmt oder gar nicht geregelt, hindert dies den Vertragsschluss meist nicht. Vielmehr greifen zur Lückenfüllung Handelsbräuche, Gepflogenheiten, eine ergänzende Vertragsauslegung oder dispositives Gesetzesrecht ein. Das Bestimmtheitserfordernis korrespondiert mit den Regeln des (offenen) Dissenses. Danach kommt der Vertrag nach den meisten Rechtsordnungen im Ergebnis zustande, auch wenn sich die Parteien nicht über jeden Punkt geeinigt haben, sofern es sich hierbei um einen unwesentlichen Punkt handelt. Dies gilt nicht, wenn eine Partei die Einigung über diesen Punkt zur Bedingung des Vertragsschlusses gemacht hat (so im Ergebnis das deutsche Recht über § 154 BGB, das niederländische Recht über Art. 6:225 BW sowie das französische, englische, österreichische und spanische Recht; ebenso Art. 2:103 PECL, Art. II.-4:103 DCFR).

c) Wirksamwerden, Widerruflichkeit und Erlöschen des Angebots

Unter Anwesenden (zahlreiche Rechtsordnungen stellen den telefonischen Vertragsschluss ausdrücklich gleich; etwa § 147 S. 2 BGB, Art. 4 Abs. 2 OR, § 862 S. 2 ABGB) wird das Angebot im Augenblick der Erklärung wirksam und kann nur sofort angenommen werden. Geschieht dies nicht, erlischt es.

Unter Abwesenden wird das Angebot mit dem Zugang beim Empfänger wirksam. Im Hinblick auf die Widerruflichkeit ist zu differenzieren. Fast alle Regelwerke gehen davon aus, dass das Angebot vor oder zeitgleich mit seinem Zugang zurückgenommen werden kann (etwa § 130 Abs. 1 S. 2 BGB, Art. 3:37 Abs. 5 BW, Art. 9 Abs. 1 OR (sogar bis Kenntniserlangung), Art. 2.1.3(2) UNIDROIT PICC, Art. 15(2) CISG, Art. 1:303(5), (6) PECL, Art. II.-106(1), (5) DCFR; meist gilt dies spiegelbildlich für die Annahmeerklärung). Ob dagegen das bereits zugegangene und damit wirksam gewordene Angebot widerrufen werden kann, ist einer der zentralen Unterschiede der europäischen Vertragsschlussregime. Dabei ist vorwegzuschicken, dass der Anbietende das Angebot nach allen Regelwerken widerruflich oder unwiderruflich (im englischen Recht allerdings nur gegen eine consideration) ausgestalten kann. Unterschiede bestehen jedoch im Hinblick auf den gesetzlichen Regelfall. Das deutsche Recht geht in § 145 BGB von der Unwiderruflichkeit des Angebots aus. Dem folgen das schweizerische, österreichische und portugiesische Recht. Dagegen ist das Angebot nach französischem, italienischem, spanischem, aber auch englischem Recht sowie nach Art. 2:202 PECL, Art. II.-4:202 DCFR, Art. 2.1.4 UNIDROIT PICC, Art. 16 CISG grundsätzlich widerruflich; der Widerruf muss der anderen Partei jedoch vor Absendung der Annahme zugehen. Dabei geht das englische Recht mit der freien Widerruflichkeit am weitesten, während etwa das französische Recht bei missbräuchlichem Widerruf (insb. vor Ablauf einer gesetzten Annahmefrist) eine deliktische Schadensersatzpflicht statuiert. PECL, DCFR und UNIDROIT PICC sehen das Angebot sogar als unwiderruflich an, wenn der Anbietende eine Annahmefrist setzt, der Annehmende auf die Unwiderruflichkeit vertrauen durfte oder bereits im Vertrauen auf die Unwiderruflichkeit gehandelt hat (nach Art. 2:202(4) DCFR soll dies wiederum nicht gelten, wenn der Anbietende ein Widerrufsrecht nach Buch II oder IV des DCFR im Hinblick auf den Vertrag hätte).

Abgesehen von Rücknahme oder Widerruf erlischt das Angebot auch durch Ablehnung (etwa § 146 BGB, Art. 2:203 PECL, Art. II.-4:203 DCFR) und bei nicht rechtzeitiger Annahme innerhalb einer gesetzten Annahmefrist (s.u. 3.c). Ob der Tod des Anbietenden bzw. Angebotsempfängers zum Erlöschen führt, ist nach den Umständen und je nach Vertragstyp durch Auslegung zu ermitteln. Während einige Rechtsordnungen im Zweifel bei Tod des Anbietenden kein Erlöschen annehmen (etwa § 130 Abs. 2, 153 BGB, Art. 6:222 BW, § 862 ABGB), gehen andere Rechtsordnungen im Zweifel von einem Erlöschen aus (etwa Art. 1329 Abs. 2 Codice civile, ebenso das englische Recht ab Kenntnis des Annehmenden).

3. Annahme

Die Annahme besteht grundsätzlich in der uneingeschränkten Zustimmung zum Angebot. Während das Angebot meist in Form einer Erklärung erfolgt, weist die Annahme häufiger auch andere Formen auf.

a) Annahme durch Erklärung

Im Falle der Annahme durch ausdrückliche Erklärung stellt sich vordringlich das Problem, zu welchem Zeitpunkt die Annahme wirksam wird und der Vertrag damit geschlossen ist, da jedenfalls ab diesem Zeitpunkt ein Widerruf des Angebots nicht mehr möglich ist. Auch unter Abwesenden verliert das Problem allerdings dadurch an Bedeutung, dass Absenden und Zugang einer Erklärung bei Nutzung moderner Kommunikationsmittel, insbesondere Telefax und e-mail, ohne zeitliche Verzögerung stattfinden.

Nach Art. 2:105(1) PECL, Art. II.-4:205(1) DCFR wird die Annahme wie in zahlreichen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen erst mit dem Zugang beim Anbietenden wirksam (§ 862a ABGB, Art. 224 portug. Código civil; § 130 Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 3:37 Abs. 3 BW; ebenso Art. 2.1.6(2) UNIDROIT PICC, Art. 18(2), 23 CISG). Auch das englische Recht geht im Grundsatz davon aus, dass die Annahme empfangsbedürftig ist, lässt davon jedoch mit der sog. postal rule (Adams v. Lindsell (1818) 1 B & Ald 681 (KB); Henthorn v. Fraser [1892] 2 Ch 27 (CA)) eine wichtige Ausnahme zu. Im Falle der Versendung per Post ist die Annahme mit der Aufgabe zur Post wirksam und der Vertrag damit geschlossen, auch wenn der Brief auf dem Postweg abhanden kommt oder verspätet zugeht. Bei Nutzung von e-mail oder Telefax gilt die postal rule nur, wenn der Annehmende einen in der Übertragung auftretenden Fehler nicht erkennen konnte. Auch auf die Übermittlung per Brief findet sie nur dann Anwendung, wenn diese Versendungsart angemessen war und der Anbietende den Zugang nicht zur Bedingung der wirksamen Annahme gemacht hat. In Frankreich ist die Rechtslage unklar. Die Rechtsprechung stellt auf die Umstände des Einzelfalls ab. Zur Wahrung der Annahmefrist soll in der Regel die rechtzeitige Absendung genügen. Eine überholende Rücknahmeerklärung der Annahme ist jedoch wie im englischen Recht möglich.

Das Zusammenspiel von Widerruflichkeit des Angebots und Wirksamwerden der Annahme wird deutlich: Ist das Angebot unwiderruflich, bedarf der Angebotsempfänger nicht zusätzlich des Schutzes durch ein frühes Wirksamwerden der Annahme. Umgekehrt ist eine Widerruflichkeit eher hinzunehmen, wenn der Angebotsempfänger den Widerruf bereits durch Versendung der Annahme ausschließen kann. PECL, DCFR und CISG sehen eine Zwischenlösung vor: Zwar wird die Annahme erst mit Zugang wirksam und der Vertrag damit geschlossen, doch muss der Widerruf des Angebots vor Absendung der Annahme zugehen.

b) Annahme durch schlüssiges Verhalten

Zahlreiche Kodifikationen, etwa BGB, ABGB, OR, portug. Código civil, Codice civile, Kodeks cywilny, erkennen eine Annahme durch schlüssiges Verhalten ebenso an wie das englische und französische Recht. In Art. 2:204 PECL und Art. II-4:204 DCFR ist sie ausdrücklich von der Definition der Annahme erfasst: „Any form of statement or conduct …“ (ebenso Art. 2.1.6(1)1 UNICROIT PICC). Die Annahme wird in diesen Fällen jedoch grundsätzlich erst wirksam, wenn der Anbietende von dem schlüssigen Verhalten Kenntnis erlangt. Dagegen kommt der Vertrag bereits mit dem Beginn der Ausführungshandlung des schlüssigen Verhaltens zustande, wenn das Angebot es so vorsieht oder sich dies aus Verkehrssitte, Handelsbrauch oder Übung zwischen den Parteien ergibt (Art. 2:205(3) PECL, Art. II.-4:205(3) DCFR, Art. 18(3) CISG, ähnlich § 151 BGB und ihm folgend § 864 Abs. 1 ABGB, Art. 1327 Codice civile, Art. 234 portug. Código civil; ähnlich auch Art. 10 Abs.2 OR).

c) Annahmefrist und verspätete Annahme

Es ist stets möglich, im Angebot eine Frist für die Annahme zu setzen (vgl. etwa §148 BGB; Art. 2:206(1) PECL; Art. II.-4:206 DCFR). Fehlt es an einer solchen Fristsetzung, greift die dispositive gesetzliche Regelung ein. Während ein Angebot unter Anwesenden danach nur sofort angenommen werden kann (etwa Art. 2.7 S. 2 UNIDROIT PICC, Art. 18(2)3 CISG, § 147 Abs. 1 BGB), ist unter Abwesenden zu differenzieren. Bei einer ausdrücklichen Annahme muss die Erklärung dem Anbietenden innerhalb einer unter Berücksichtigung der Überlegungs-, Entscheidungs- und Übermittlungszeit angemessenen Frist zugehen (§ 147 Abs. 2 iVm § 130 Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 6:221 Abs. 1 iVm Art. 3:37(3) BW, Art. 862 ABGB Art. 5 OR, Art. 1326 Abs. 2 Codice civile, Art. 2.7 S. 1 UNIDROIT PICC; Art. 18(3)2 CISG, Art. 2.206(2) PECL und Art. II.-206(2) DCFR (beide „within a reasonable time“). Dies gilt auch im englischen Recht. Greift die postal rule ein, genügt es, die Annahme innerhalb einer reasonable time abzusenden; ebenso in der Regel das französische Recht. Im Fall der Annahme durch schlüssiges Verhalten muss der Anbietende innerhalb einer angemessenen Frist von dem schlüssigen Verhalten Kenntnis erlangen. Genügt zur schlüssigen Annahme jedoch der Beginn der Ausführungshandlung (s.o. 3. b), so reicht es aus, wenn dieser innerhalb der angemessenen Frist erfolgt (Art. 2:206(3) PECL; Art. II.-4:206(3) DCFR, Art. 18(3) CISG; ebenso implizit die meisten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen).

Ein Vertrag kommt trotz verspäteter Annahme nach einigen Regelwerken mit Zugang dieser Annahme zustande, wenn der Anbietende die Annahme als rechtzeitig gelten lässt (Art. 6:223 Abs. 1 BW, Art. 229(2) portug. Código civil, Art. 1326 Abs. 3 Codice civile, Art. 2.207(1) PECL, Art. II.-4.207 DCFR, Art. 21(1) CISG). Zahlreiche andere Rechtsordnungen (z.B. Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Belgien) kennen keine derartige Regel, kommen aber nach den Regeln über die modifizierende Annahme (s.u. 3. d) zu einem ähnlichen Ergebnis (Vertragsschluss allerdings zeitlich erst mit Annahme der als Angebot behandelten modifizierenden Annahme).

Ein Vertrag kommt trotz einer bloß verspätet zugegangenen Annahme zustande, wenn der Anbietende den Grund der Verspätung kannte oder kennen musste und dies dem Annehmenden nicht unverzüglich anzeigt (§ 149 BGB, Art. 862a S. 2 ABGB, Art. 5 Abs. 3 OR, Art. 6:223 Abs. 2 BW, Art. 229 Abs. 1 portug. Código civil, Art. 67 Kodeks cywilny, Art. 2:207(2) PECL, Art. II.-4:207(2) DCFR, Art. 21(2) CISG). Im englischen und französischen Recht stellt sich die Problematik in der Regel nicht, da die Annahme in diesen Fällen mit rechtzeitiger Absendung per Post wirksam wird.

d) Modifizierende Annahme

Eine das Angebot modifizierende Antwort der anderen Partei ist grundsätzlich als Ablehnung des Angebots verbunden mit einem Gegenangebot anzusehen (Art. 2:208(1) PECL, Art. II.-4:208(1) DCFR, § 150 Abs. 2 BGB, Art. 6:225 Abs. 1 BW, Art. 233 portug. Código civil, Art. 68 Kodeks cywilny, Art. 19(1) CISG; ebenso die französische und englische Rechtsprechung). Ausnahmsweise stellt sie jedoch dann eine Annahme dar, wenn sie nur unwesentliche Ergänzungen oder Abweichungen vom Angebot enthält und der Annehmende trotz der Modifizierungen seine Zustimmung zum Angebot zum Ausdruck bringt (Art. 2:208(2) PECL; Art. II.-4:208(2) DCFR; Art. 2.22(2) UNIDROIT PICC; Art. 19(2) CISG; Art. 6:225 Abs. 2 BW, teilweise ebenso die deutsche Rechtsprechung). Hiervon wird allerdings eine Rückausnahme in denjenigen Fällen gemacht, in denen das Angebot eine Modifizierung ausdrücklich ausschließt, der Anbietende der Änderung unverzüglich widerspricht oder der Annehmende die Annahme von der Zustimmung des Anbietenden zu den Modifizierungen abhängig macht und ihn diese Zustimmung nicht nach einer angemessenen Bedenkzeit erreicht (so Art. 2:208(3) PECL; Art. II.-4:208(3) DCFR). Nach Art. 6:225 Abs. 2 BW, Art. 2.1.11(2) UNIDROIT PICC und Art. 19(2) CISG kann der Vertragsschluss mit dem modifizierten Inhalt vom Anbietenden dagegen nur durch unverzüglichen Widerspruch verhindert werden.

e) Schweigen und kaufmännisches Bestätigungsschreiben

Schweigen oder Untätigkeit stellen für sich genommen keine Annahme dar (so ausdrücklich Art. 2:204(2) PECL, Art. II.-4:204(2) DCFR und Art. 2.1.6(1)2 UNIDROIT PICC). Einzig das schweizerische Recht sieht in Art. 6 OR vor, dass der Angebotsempfänger dem Angebot widersprechen muss, wenn nach der Natur des Geschäfts oder den Umständen eine Annahme nicht zu erwarten ist.

Entgegen der allgemeinen Regel kann Schweigen im geschäftlichen Verkehr (im Gegensatz zum Rechtsverkehr zwischen Verbrauchern) eine Annahme darstellen. Dies ist für bestimmte Situationen gesetzlich geregelt (etwa § 362 dt. HGB), kann sich aber auch aus Handelsbrauch oder Verkehrssitte ergeben. Vereinzelte Fälle dieser Art finden sich in der deutschen, französischen, italienischen und englischen Rechtsprechung.

Ein besonderer Fall des Schweigens als Annahme im geschäftlichen Verkehr ist das sog. kaufmännische Bestätigungsschreiben, das vor allem im deutschen Recht gewohnheitsrechtlich anerkannt ist, aber auch Eingang in die PECL (Art. 2:210), den DCFR (Art. II.-4:210) und die UNIDROIT PICC (Art. 2.12) gefunden hat. Wird durch ein Schreiben unter Kaufleuten der Inhalt eines bereits geschlossenen (darauf sind PECL, DCFR und UNIDROIT PICC beschränkt) oder eines nur in der Vorstellung des Schreibenden geschlossenen Vertrages (so das deutsche, dänische und finnische Recht) präzisiert und fixiert, kommt der Vertrag mit diesem Inhalt zustande, wenn die andere Partei dem Schreiben nicht unverzüglich widerspricht. Dies gilt nicht, wenn der Inhalt bewusst unrichtig wiedergegeben wird (PECL und DCFR enthalten keine derartige Regel) oder wesentlich vom Verhandlungsergebnis bzw. dem bereits geschlossenen Vertrag abweicht. Damit behandeln die PECL und der DCFR die modifizierende Annahme und das kaufmännische Bestätigungsschreiben gleich, während dies im deutschen Recht nicht der Fall ist.

f) Kollidierende AGB

Ein besonderes Problem des Vertragsschlusses stellen kollidierende Allgemeine Geschäftsbedingungen in Angebot und Annahme dar. Es stellt sich die Frage, ob der Vertrag überhaupt zustande kommt und, wenn ja, mit welchem Inhalt. Die Beantwortung beider Fragen ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig, doch haben sich im Grundsatz zwei Lösungen herausgebildet.

Nach der sog. last shot rule gelten die allgemeinen Vertragsschlussregeln. Die Annahme unter Verweis auf die eigenen AGB ist daher als Ablehnung des Angebots, verbunden mit einem neuen Angebot anzusehen. Dieses kann der ursprünglich Anbietende – insbesondere konkludent, indem er mit der Vertragsdurchführung beginnt – annehmen. Verweist er in seiner Antwort jedoch wiederum auf seine AGB, lehnt er das Angebot, verbunden mit einem neuen, eigenen Angebot, ab. Der Vertrag kommt also entweder gar nicht zustande oder aber auf der Grundlage der AGB, auf die zuletzt unwidersprochen verwiesen wurde. Diesem Modell folgen das englische und schottische Recht. Das niederländische Recht sieht in Art. 6:225 Abs. 3 BW umgekehrt eine first shot rule vor; die AGB des Anbietenden gelten.

Nach der sog. knock out rule kommt der Vertrag trotz abweichender AGB (bereits mit der Annahme) zustande, wenn die Parteien sich ansonsten geeinigt haben. Die AGB werden nur insofern Inhalt des Vertrages, als sie sich nicht widersprechen. Im Übrigen greifen die dispositiven gesetzlichen Regelungen ein. Diesem Modell folgen etwa die PECL, der DCFR, die UNIDROIT PICC, das deutsche, österreichische und französische Recht, aber auch die wohl herrschende Auffassung zum CISG (an einer Regelung fehlt es). Nach Art. 2:209(2) PECL und Art. II.-4:209(2) DCFR scheitert der Vertrag jedoch, wenn eine der Parteien – bezogen auf den konkreten Vertrag, also nicht durch eine Abwehrklausel in den AGB – zuvor geäußert hat, im Falle abweichender AGB der anderen Partei nicht gebunden sein zu wollen (ähnlich das deutsche und österreichische Recht) oder dies unverzüglich nach Erhalt der Annahme äußert.

4. Vertragsschluss jenseits von Angebot und Annahme

Insbesondere im Falle der Benutzung angebotener Einrichtungen, die keine direkte Zugangskontrolle vorweisen, etwa eines Parkplatzes oder der Straßenbahn, stellt sich die Frage, ob man den Vertrag in dieser eher auf dem tatsächlichen Leistungsaustausch als auf einer Willenseinigung beruhenden Situation mit dem rechtsgeschäftlichen Modell begründet. Die Art. 2:211 PECL, Art. II.-4:211 DCFR und Art. 2.1.1 UNIDROIT PICC erkennen einen Vertragsschluss auch auf anderem Wege als durch Angebot und Annahme an. Sie wenden – ebenso wie die meisten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen – die Vorschriften über Angebot und Annahme entsprechend an. Die Grenze zwischen rein tatsächlichem Verhalten und konkludenter Erklärung von Angebot und Annahme ist freilich fließend. Die Regelungen haben daher eine bloße Auffangfunktion, um etwaige Lücken im Vertragsschlussmechanismus zu schließen.

Literatur

Rudolf B. Schlesinger (Hg.), Formation of Contracts: Study of the Common Core of Legal Systems, 2 Bde., 1968; Arthur T. von Mehren, The Formation of Contracts, in: IECL VII/1, Kap. 9-19 ff., 50 ff., 112 ff., 1991; Hein Kötz, Europäisches Vertragsrecht, Bd. 1, 1996, § 2; Helmut Köhler, Das Verfahren des Vertragsschlusses, in: Jürgen Basedow (Hg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, 33 ff.; Peter Oestmann, §§ 145-156, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. I, 2003; Rodolfo Sacco, Formation of Contracts, in: Arthur Hartkamp, Martijn Hesselink, Ewoud Hondius, Carla Joustra, Edgar du Perron, Muriel Veldman (Hg.), Towards a European Civil Code, 3. Aufl. 2004, 353 ff.; Karl Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl. 2006, § 13; Guenter H. Treitel, Edwin Peel, The Law of Contract, 12. Aufl. 2007, Kap. 2; Filippo Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, 3. Aufl. 2009, Kap. 2-4.