Unionsbürgerschaft und Universalsukzession: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Norbert Reich]]''
von ''[[Inge Kroppenberg]]''
== 1. Umdeutung wirtschaftlicher Freiheiten in Bürgerrechte ==
== 1. Universalsukzession und Vonselbsterwerb als Elemente des Erbschaftserwerbs ==
Die [[Grundfreiheiten (allgemeine Grundsätze)|Grundfreiheiten]] des [[EG-Vertrag]]es, insb. solche mit personenrechtlichen Gehalt, sind bereits in der frühen Rspr. des [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] erweiternd zugunsten nicht ökonomisch tätiger EG-Bürger angewendet worden. Dies geschah durch eine weite Auslegung des [[Diskriminierungsverbot (allgemein)|Diskriminierungsverbots]] hinsichtlich der Staatsangehörigkeit des Art. 12 EG/18 AEUV und durch eine Erweiterung der wirtschaftlichen Grundfreiheiten in „Empfängerrechte“ oder, in deutscher Terminologie, „passive Freiheiten“, die auch Privatpersonen zugute kommen. Der „Anwendungsbereich“ der Römischen Verträge wird dadurch erheblich erweitert und mittelbar zu Bürgerrechten „ohne Markt“ umgestaltet. Hierzu rechnen etwa: (i) das diskriminierungsfreie Zugangsrecht von Touristen (EG-Bürgern) zu Museen (EuGH Rs. C-45/93 – ''Kommission/ Spanien'', Slg. 1994, I-911); (ii) das Verbot der Einführung einseitig restriktiver Zugangbedingungen oder der Erhebung zusätzlicher Einschreibgebühren für EG-ausländische Studierende in Einrichtungen der universitären (Berufs‑)ausbildung (EuGH Rs. 293/83 – ''Gravier'','' ''Slg.1985, 593; EuGH Rs. 24/86 – ''Blaizot'','' ''Slg. 1988, 379), allerdings ohne Anrecht auf Gleichbehandlung bei Stipendien oder sonstige Förderleistungen (EuGH Rs. 197/86 – ''Brown/Secretary of State for Scotland'', Slg. 1988, 3205; EuGH Rs. 39/86 – ''Lair/Universität Hannover'', Slg. 1988, 3161); (iii) das Verbot der Diskriminierung bei Leistungen des Opferschutzes für EWG-Touristen (EuGH Rs. 186/87 – ''Cowan'', Slg. 1989, 195); (iv) die Freizügigkeit für Verbraucher hinsichtlich des Bargeldtransfers zum Empfang von Gesundheitsleistungen im EWG-Ausland (EuGH Rs. ''Luisi & Carbone'', Slg. 1984, 377).
Während die Privaterbfolge ([[Erbfolge]]), die [[Testierfreiheit]] und die Familienerbfolge ([[Pflichtteilsrecht]]) inhaltliche Prinzipien des Erbrechts sind, wird die Universalsukzession häufig als rechtstechnischer Grundsatz angesehen. Meist wird von Nachlassabwicklung gesprochen. Doch sollte dabei nicht übersehen werden, dass die Organisation des Vermögenstransfers von Todes wegen auch materiellrechtliche Komponenten hat, namentlich für die Ordnung der [[Erbenhaftung]]. Das gilt für die Universalsukzession und den Grundsatz des Vonselbsterwerbs gleichermaßen. Beide Prinzipien betreffen den Anfall der Erbschaft, beziehen sich aber auf verschiedene inhaltliche Aspekte. Der Grundsatz des Vonselbsterwerbs betrifft den Erwerbsmodus. Er hat zwei Bedeutungen. Vonselbsterwerb bedeutet zum einen, dass es für den Anfall der Erbschaft auf eine Mitwirkungshandlung des Erwerbers oder eine Einweisung durch eine dritte Stelle nicht ankommt. Er vollzieht sich vielmehr ''ipso iure''. Man spricht insoweit auch vom Anfalls- im Gegensatz zum Antrittsprinzip. Zum anderen besagt der Grundsatz des Vonselbsterwerbs, dass sich der Erbschaftsanfall ohne die Zwischenschaltung einer vom Erblasser oder Gericht benannten dritten Person vollzieht.


Die RL 90/365, RL 90/364 sowie RL 93/96 kodifizierten in gewisser Weise diese Rechte für Pensionäre, sonstige Bürger, und Studierende, richten sich aber primär an den Staat oder andere staatliche Träger wie Universitäten, Sozialversicherungseinrichtungen, Gemeinden. Ein spezifisch privatrechtlicher Gehalt kam und kommt ihnen nicht zu.
Universalsukzession hingegen bezieht sich dem Begriff nach auf die Beschaffenheit des Übergangsobjekts. Der Nachlass geht als Einheit auf einen oder mehrere Rechtsnachfolger über. Der Erwerb von Todes wegen erfolgt mithin aufgrund einer einheitlichen erbrechtlichen ''causa''. Das gilt jedoch nur für den Moment des Erwerbs. Weder davor noch danach handelt es sich um eine ''universitas iuris''. Einheitlich ist schließlich auch der Übergangszeitpunkt. Sämtliche Bestandteile des Nachlasses gehen zum selben Zeitpunkt auf den oder die Erwerber der Erbschaft über. Die Nachfolge von Todes wegen ist universell, weil sie Gesamtrechtsnachfolge und nicht Einzel- oder Sonderrechtsnachfolge ist. Der Übergangsmodus ist einheitlich ausgestaltet. Er ist für alle Gegenstände des Erblasservermögens ein und derselbe. Für das englische Recht gilt das uneingeschränkt erst seit dem Jahre 1925.. Seither ist der Grundsatz der Universalsukzession in allen europäischen Erbrechtsordnungen anerkannt.


Eine gewisse Ausnahme von diesem speziell gegen staatliche Diskriminierungen und Beschränkungen gerichteten Rechtszustand machte das ''Namensrecht'', das in den meisten europäischen Rechtsordnungen dem Privatrecht zugeordnet ist und in Kollisionsfällen nach Regeln des [[Internationales Privatrecht|IPR]] koordiniert wird, die nicht gemeinschaftlich vereinheitlich sind. In der Rechtssache ''Konstantinidis'' (EuGH Rs. C-168/91, Slg. 1993, I-1191) ging es um die Schreibweise eines griechischen Bürgers, der in Deutschland tätig war. Die zuständige deutsche Behörde verlangte eine lateinische Transliteration, die den in der Öffentlichkeit bekannten Namen in gewisser Weise verstümmelt hätte. GA ''Francis Geoffrey Jacobs'' argumentierte in seinen Schlussanträgen vom 9.12.1992 bereits damals mit einem allumfassenden, grundrechtsähnlichen europäischen Bürgerrecht auf den eigenen Namen, während der EuGH etwas fiktiv auf die Bedeutung des Namens für einen selbständig Tätigen hinwies, der sich deshalb unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit gegen Verstümmelung durch Transliterationsregeln wenden könne, die ihn einer Gefahr der „Personenverwechslung bei seinen potentiellen Kunden“ aussetzt.
== 2. Funktionen der Universalsukzession und des Vonselbsterwerbs ==
Universalsukzession und Vonselbsterwerb sind Prinzipien des Erbschaftserwerbs, die in den Erbrechtsordnungen Europas nicht zwingend gemeinsam vorkommen. Wenn sie jedoch auftauchen, dann sind sie kein disponibles Recht, sondern ''ius cogens''. Was die Universalsukzession anbelangt, hat das mit der Ordnungsfunktion zu tun, die der Grundsatz zur Geltung bringt. Er verhindert, dass Nachlassgegenstände mit dem Verlust der Rechtsfähigkeit des Erblassers herrenlos werden, weil der Erblasser über sie keine lebzeitige Verfügung für seinen Todesfall getroffen hat. Er kann sich auf wenige erbrechtliche Verfügungen über sein gesamtes oder einen Teil seines Vermögens beschränken. Der alte Rechtsträger kann sich darauf verlassen, dass sein Vermögen ''en bloc'' einem neuen zugeordnet wird – sei es nun unmittelbar oder indirekt über eine Mittelsperson. Das Prinzip dient der Schnelligkeit der Güterzuordnung und der Sicherheit des nachfolgenden Rechtsverkehrs unter Lebenden. Darüber hinaus nützt die Universalsukzession auch dem materiell Begünstigten. Er kann sicher sein, auch wirklich den gesamten Güterbestand des Erblassers zu erhalten. Schließlich wirkt sich die Universalsukzession zugunsten der Nachlassgläubiger aus. Sie können sich zur Realisierung ihrer Forderungen an einen oder wenige Universal-Repräsentanten halten.


== 2. „Unionsbürgerschaft“ als „Grundrecht“ ökonomisch inaktiver Unionsbürger ==
Der Grundsatz des Vonselbsterwerbs sichert wie das Prinzip der Universalsukzession die dingliche Zuordnung der Nachlassgegenstände zu einem neuen Rechtsträger. Eine Einweisung in die Erbschaft ist nicht erforderlich. Der Rechtsverkehr im Allgemeinen und einzelne interessierte Teilnehmer wie insbesondere Nachlassgläubiger und ‑schuldner wissen, mit wem sie es zu tun haben. Der Nachweis einer Erbschaftsannahme entfällt. Rechtsordnungen, die den Antritts- und/oder Einweisungserwerb kennen, nehmen die noch nicht endgültige dingliche Zuordnung des Nachlasses in Kauf, weil der Begünstigte in Kenntnis der finanziellen Lage des Nachlasses selbst darüber entscheiden soll, ob er Erbe werden möchte. Solange diese Entscheidung nicht positiv ausgefallen ist, wird er nicht mit den Schulden des Erblassers und des Erbfalls belastet. In diesen Rechtsordnungen gehen die Verbindlichkeiten zunächst nicht auf den oder die erbrechtlich Begünstigten über. Die Schuldenregulierung oder jedenfalls die Bestandsaufnahme der Verbindlichkeiten findet in der Zeit zwischen Anfall und Antritt der Erbschaft statt. Sie ist damit das Hauptanliegen von zwei der drei Erbschaftserwerbsmodelle in Europa.
In gewisser Generalisierung und Erweiterung des damals bereits erreichten Gemeinschaftsrechts-''acquis'' wurde der Begriff der Unionsbürgerschaft mit Art. 8 EG (1992) i.d.F. des Vertrags von Maastricht in das Gemeinschaftsrecht eingeführt. Er lautete ursprünglich: „Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt. Die Unionsbürgerschaft ergänzt die nationale Staatsbürgerschaft, ersetzt sie aber nicht.“ Art. 17 EG (demnächst Art. 20 AEUV) in der Amsterdamer Fassung ergänzte ihn um einen Abs. 2, der lautet: „Die Unionsbürger haben die in diesem Vertrag vorgesehen Rechte und Pflichten.“ Art. 18 EG/21 AEUV garantiert ein Recht auf Freizügigkeit „vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen.“ Art. 19 EG/22 AEUV regelt das kommunale Wahlrecht und das Wahlrecht zum Europaparlament, Art. 20 EG/23 AEUV den diplomatischen Schutz, Art. 21 EG/24 AEUV das Petitionsrecht, das gemäß Art. 194 EG/227 AEUV auf alle gebietsansässige Personen erweitert wird.  


Allerdings war den „Eltern“ des Maastrichter Vertrages und dem überwiegenden damaligen Schrifttum die Bedeutung der Einführung der Unionsbürgerschaft, die ja die staatliche Kompetenz in Staatsangehörigkeitsfragen nicht tangieren sollte und deshalb von allen EG-Staaten die gegenseitigen Anerkennung der Staatlichkeit auch bei Mehrstaatern verlangte (EuGH Rs. C-369/90 ''Micheletti'','' ''Slg. 1992, I-4239) keineswegs klar. Sie sollte lediglich eine Selbstverständlichkeit aussprechen, jedoch nicht zusätzliche Rechte oder Pflichten auferlegen, auch nicht nach der ergänzten Amsterdamer Fassung. Privatrechtliche Bedeutung schien der Unionsbürgerschaft ohnehin nicht zuzukommen.
== 3. Modelle des Erbschaftserwerbs in Europa ==
=== a) Mittelbarer Erwerb durch lebzeitigen Übertragungsakt ===
Das englische Konzept kennt weder einen unmittelbaren noch einen sofortigen Erwerb der Erbschaft im Zeitpunkt des Erbfalls. Es operiert vielmehr mit einem mehraktigen, gerichtlich beaufsichtigten Erwerbsverfahren, in dem eine formal vollberechtigte Mittelsperson, der so genannte ''personal representative'','' ''zum Einsatz kommt. Dabei handelt es sich um einen vom Erblasser bestimmten ''executor'' oder einen vom Nachlassgericht ernannten ''administrator'' des Nachlasses. Ihm wird die Erbschaft nach dem Tod des Erblassers vom Gericht übertragen. Der ''personal representative'' hat die Stellung eines Treuhänders (''trustee''<nowiki>; Art.&nbsp;X.-1:202 DCFR). Er </nowiki>ist einerseits Rechtsnachfolger des Erblassers, muss andererseits aber die Interessen der begünstigten Personen wahrnehmen, indem er als Nachlassverwalter die Nachlassverbindlichkeiten berichtigt und die so bereinigte Erbschaft an diese auskehrt vorausgesetzt, sie sind damit einverstanden. Erst mit diesen lebzeitigen Übertragungsakten rücken die ''beneficiaries'' (Art.&nbsp;X.-1:203 DCFR) in die ihnen vom Erblasser oder vom Gesetz vorbestimmten Rechtspositionen ein.


== 3. Gemeinschaftsrechtliche Garantien der Unionsbürgerschaft ==
Der englische Erbschaftserwerb erfolgt mithin weder ''ipso iure'', noch ist er, was die Übertragung auf die erbrechtlich Begünstigten anbelangt, überhaupt einer von Todes wegen. Die ''beneficiaries'' haben keinen erbrechtlichen, sondern einen lebzeitigen obligatorischen Anspruch auf Übertragung der Nachlassgegenstände nach Bereinigung der Nachlassverbindlichkeiten. Persönlich haften sie dafür in keinem Fall. Universal ist allerdings der erste Übertragungsakt auf den ''personal representative'' des Erblassers. Er tritt in dessen Rechtspositionen umfassend ein, wenn auch nicht von selbst, sondern durch gerichtlichen Bestellungsakt. Das besagt zugleich, dass der Erwerb nicht schon im Zeitpunkt des Erbfalls eintritt.
Erst die „Nach-Maastricht“-Rechtsprechung des EuGH gab der Unionsbürgerschaft grundrechtsähnliche Konturen. Das ''Grzelczyk'' Urteil vom 20.9.2001 (EuGH Rs.&nbsp;C-184/99, Slg. 2001, I-6193) betonte: „Der Unionsbürgerstatus ist nämlich dazu bestimmt, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen“ (Rn.&nbsp;31). Dieses allgemeine Diskriminierungsverbot galt im konkreten Fall zugunsten eines französischen Studierenden, der in Belgien bestimmte Sozialleistungen zur Ermöglichung seines Studienabschusses in Anspruch genommen hatte, die eigentlich nur Staatsangehörigen zugute kommen sollten. Die zunächst gezahlte Leistung konnte deshalb vom belgischen Staat nicht als „ungerechtfertigte Bereichung“ zurückgefordert werden. Zu den eigentlichen Privatrechtswirkungen dieses Verbots im engeren Sinne sagt der EuGH ebenso wenig etwas, wie die umfangreiche Folgerechtsprechung, die sich entweder mit aufenthalts-, steuer- oder sozialleistungsrechtlichen Fragen sowohl fremder als auch eigener „mobiler“ Staatsangehöriger beschäftigt. Indem der Gerichtshof in dem späteren ''Baumbast''-Urteil (EuGH Rs.&nbsp;C-413/99, Slg. 2002, I-7091, Rn.&nbsp;84) der Unionsbürgerschaft ''Direktwirkung ''zuerkannte, macht er ihren hohen rechtlichen Stellenwert in der Freiheitsdogmatik des Gemeinschaftsrechts deutlich; die Unionsbürgerschaft steht damit auf gleicher Stufe wie die wirtschaftlich orientierten Freiheiten; sie ist in den Worten von ''Ferdinand Wollenschläger'' eine „Grundfreiheit ohne Markt“.


Mittelbare privatrechtliche Wirkung äußert diese Rechtsprechung – wie schon vor Einführung der Unionsbürgerschaft – im Bereich des durch IPR-Regeln definierten Namensrechts. In der Rechtssache ''Garcia Avello'' (EuGH Rs.&nbsp;C-148/02, Slg. 2003, I-11613) ging es um die Namensänderung eines Kindes mit doppelter belgischer und spanischer Nationalität, für die das belgische Recht zwingend den Nachnamen des Vaters bzw. der Mutter vorschrieb und anders als das spanische Recht die Verwendung beider Namen ausschloss. Der Gerichtshof sah hierin eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung i.S. einer Schlechterstellung von Kindern mit doppelter Staatsangehörigkeit, die nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei. Im Ergebnis läuft dies auf ein Wahlrecht von Doppelstaatern hinsichtlich des Namens nach dem ihnen genehmen Recht hinaus und unterläuft damit den Schutzzweck des nationalen Namensrechts, wie er sich nach dem jeweiligen unterschiedlichen, nicht harmonisierten [[Internationales Privatrecht|IPR]] ergibt.
=== b) Unmittelbarer Antrittserwerb ===
Das zweite europäische Erbschaftserwerbsmodell ist das eines vom Erbfall bis zur Antritts- und Einweisungsentscheidung herrenlosen, aber fürsorgerisch betreuten Nachlasses (''hereditas iacens''). Es wird in Österreich, Spanien und in Italien praktiziert. Charakteristisch ist, dass der Erbschaftstransfer ohne Einschaltung eines intermediären Rechtsträgers im Wege der Universalsukzession direkt vom Erblasser auf die erbrechtlich begünstigten Personen erfolgt, allerdings nicht im Wege des Vonselbsterwerbs und auch nicht bereits im Zeitpunkt des Erbfalls. Bestandsaufnahme und/oder Regulierung der Nachlassverbindlichkeiten erfolgen in der Interimsphase zwischen Erbfall und Annahme der Erbschaft ([[Erbschaftsannahme/-ausschlagung]]) oder staatlicher Einweisung in den Nachlass. Sie unterscheiden sich in den verschiedenen Rechtsordnungen vor allem durch den Grad der staatlichen Einflussnahme auf das Verfahren. Die nationalen Regelungen reichen von einer eigenständigen Nachlassverwaltung durch den oder die zu Erben Berufenen und einer Nachlasspflegschaft auf Antrag in Italien bis zu einem so genannten Verlassenschaftsverfahren von Amts wegen in Österreich, das mit einer so genannten gerichtlichen Einantwortung in den Nachlass abgeschlossen wird. Konstitutiv für den Rechtserwerb ist jedoch stets die Annahmeerklärung des oder der erbrechtlich begünstigten Personen.


Eine ähnliche Problematik war in der Rechtssache ''Grunkin-Paul'' (EuGH Rs.&nbsp;C-353/06, NJW 2009, 135) vor dem EuGH anhängig und ist inzwischen entschieden. Es geht um die Kollision zwischen dänischem ''ius soli'' und deutschem ''ius sanguinis'' hinsichtlich des Namensrechts eines in Dänemark geborenen deutschen Kindes, das in Deutschland die Eintragung des dänischen, aus den Namen von Vater und Mutter zusammengesetzten Doppelnamens beantragt, was das deutsche Namensrecht bislang i.S. der Einheitlichkeit des Familiennamens verweigert. Wie zunächst GA ''Jacobs'' in seinen Schlussanträgen v. 30.5.2005 in dem Vorverfahren, das vom EuGH aus formalen Erwägungen abgewiesen wurde (EuGH Rs. C-96/04 – ''Standesamt Niebüll'', Slg. 2006, I-3561), stellt GA ''Eleanor'' ''Sharpston'' in ihren Schlussanträgen das deutsche Namens-IPR nicht grundsätzlich in Frage. Sie plädiert jedoch im Verfolg der ''Konstantinidis'' und ''Garcia Avello''-Rspr. für eine Lockerung des deutschen Verbots der Doppelnamen des Kindes, wobei sie weniger auf das Diskriminierungsverbot des Art.&nbsp;12 EG/18 AEUV als auf den „allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz“ ([[Allgemeine Rechtsgrundsätze]]) und auf das Recht auf Freizügigkeit abstellt. Das Urteil des EuGH folgt weitgehend den Schlussanträgen und stellt auf Art.&nbsp;18 EG/21 AEUV ab: Die Weigerung der deutschen Behörden, den in Dänemark rechtmäßig eingetragenen Namen auch in Deutschland zu führen, sei ein Freizügigkeitshindernis, denn es bringe schwerwiegende Nachteile beim Nachweis der Identität in grenzüberschreitenden Situationen mit sich. Zur Berechtigung der Anknüpfung der Namensgebung eines Kindes an die Staatsangehörigkeit führt der EuGH aus: „So berechtigt diese Gründe, die für die Anknüpfung der Bestimmung des Namens einer Person an deren Staatsangehörigkeit angeführt werden, als solche auch sein mögen, verdient es doch keiner von ihnen, dass ihm eine solche Bedeutung beigemessen wird, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Weigerung der zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats rechtfertigen könnte, den Nachnamen eines Kindes anzuerkennen, der bereits in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und eingetragen wurde, in dem das Kind geboren wurde und seitdem wohnt.“ (Rn.&nbsp;31).
Der enge sachliche Zusammenhang mit der Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten ([[Erbenhaftung]]) zeigt sich daran, dass die Erklärung der Annahme der Erbschaft inhaltlich verschieden weit gehen kann. Im ersten Fall (unbedingte Annahme in Österreich; ''accettazione pura e semplice'' in Italien; Annahme ''pura y simplemente'' in Spanien) kommt es zur vollständigen Verschmelzung des Erbeneigenvermögens mit dem Nachlass (''confusio bonorum'') und der Erbe haftet für die Erbschaftsschulden unbeschränkt mit seinem eigenen Vermögen (''ultra vires hereditatis''). Im zweiten Fall (bedingte Annahme in Österreich; ''accettazione con beneficio di inventario'' in Italien; Annahme ''a beneficio de inventario'' in Spanien; ''beneficiaire aanvarding'' in den Niederlanden), beschränkt sich die persönliche Verantwortlichkeit des Erben auf das Nachlassvermögen (''pro viribus hereditatis''). Insoweit kommt es zu einer Trennung von Erbeneigenvermögen und Nachlass (''separatio bonorum'').


Ob diese weite Vorverlagerung des Freizügigkeitsgrundsatzes über den Einzelfall hinausgehende Auswirkungen auf das mitgliedstaatliche Namens-IPR hat, bleibt abzuwarten. Bemerkenswert erscheint die Tendenz der Rechtsprechung des EuGH, zwingende Anknüpfungen in Situationen, die das Gemeinschaftsrecht betreffen, d.h. einen „Grenz-„ oder „Rechtsordnungs“-überschreitenden Bezug haben, durch ein Wahlrecht der betroffenen Personen zu ersetzen.
=== c) Unmittelbarer und sofortiger Vonselbsterwerb ===
Europäische Rechtsordnungen, die die Universalsukzession mit dem Institut des Vonselbsterwerbs im Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls verknüpfen (Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Niederlande), kennen keinen Schwebezustand in der dinglichen Zuordnung des Nachlasses vor Antritt der Erbschaft und sie gehen auch nicht den Weg über eine intermediäre Rechtsträgerschaft wie das englische System des ''personal representative''. Dass es in Frankreich qualitative Abstufungen in der Berechtigung zum Besitz gibt, die der erbrechtliche Erwerbstitel aufgrund der Universalsukzession und des ''ipso iure''-Erwerbs vermittelt, ändert am Grundsatz nichts. Im Zeitpunkt des Erbfalls kommt es zu einem unmittelbaren und sofortigen Vonselbsterwerb der Erbschaft in der Person des Rechtsnachfolgers. Sowohl die französische als auch die deutsche und die niederländische Erbrechtsordnung kompensieren den willensunabhängigen Anfall des Nachlasses beim Rechtsnachfolger des Erblassers durch ein nachträgliches Lossagungsrecht, die Ausschlagung der Erbschaft.


== 4. „Drittwirkung“ der Unionsbürgerschaft ==
Die Annahme der Erbschaft ([[Erbschaftsannahme/-ausschlagung]]) hat unterschiedliche Wirkungen, die allerdings nicht die dingliche Zuordnung des Nachlasses betreffen, sondern stets die Verantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers für Nachlassverbindlichkeiten berühren. In Belgien, Frankreich, Griechenland und den Niederlanden begründet sie dessen persönliche Verantwortlichkeit nur, wenn sie vorbehaltlos erfolgt. Denkbar ist auch, die Annahmeerklärung unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung abzugeben und damit die Haftung auf den Aktivnachlass zu beschränken. In Deutschland folgen die Annahmeerklärung und die Mechanismen zur Beschränkung der Haftung dagegen getrennten Regimen. An die Annahmeerklärung knüpft sich die unbeschränkte, das heißt persönliche Verantwortlichkeit des Erben für die Erbschaftsschulden. Sie ist jedoch durch separate Erklärungen beschränkbar, vorläufig durch aufschiebende Einreden und endgültig durch die Einleitung des Nachlassinsolvenz- oder des Nachlassverwaltungsverfahrens. In der Zeit zwischen Erbfall und Annahme muss der vorläufige Erbe noch nicht für die Nachlassschulden einstehen.
Ob der Unionsbürgerschaft „Drittwirkung“ zukommt, wird zwar in der Literatur kontrovers diskutiert, ist aber vom EuGH soweit ersichtlich noch nicht entschieden. Die obigen Fälle, die nur sehr unvollständig aufgeführt sind, betreffen jeweils „vertikale“ Beziehungen des Unionsbürgers zum Staat, seien es Beschränkungen der Freizügigkeit, seien es Diskriminierungen beim Bezug von Förder- oder Sozialleistungen, seien es einschränkende Regeln etwa bei der Namensgebung. Im Sinne der grundrechtlichen Verbürgung der Unionsbürgerschaft kommt sie nicht nur EG-Ausländern, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch Inländern zugute, wenn diese sich „grenzüberschreitend“ bewegen.


Eine der „Horizontalwirkung“ der Unionsbürgerschaft in Privatrechtsverhältnissen ähnliche Folgerung ist vom EuGH in der Entscheidung ''Phil Collins ''angenommen worden (EuGH verb. Rs.&nbsp;C-92/92 und C-326/92, Slg. 1993, I-5145), wo es um die Diskriminierung EG-ausländischer Autoren und Inhaber verwandter Schutzrechte beim Vertrieb von urheberrechtlich geschützten Musikaufzeichnungen ging. Der EuGH maß dem Diskriminierungsverbot des (damaligen) Art.&nbsp;7 EWG, heute Art.&nbsp;12 EG/18 AEUV, Direktwirkung bei. In den Worten des EuGH kann „dieses Recht … vor dem nationalen Gericht geltend gemacht werden, um von diesem zu verlangen, die diskriminierenden Vorschriften eines nationalen Gesetzes, die den Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten den Schutz versagen, den sie den Inländern gewähren, unangewendet zu lassen.“ (Rn.&nbsp;34).
== 4. Geschichte der Universalsukzession und des Vonselbsterwerbs ==
Zwei der drei Modelle des Erbschaftserwerbs, die die europäischen Erbrechtsordnungen heute kennen, finden ihre historische Grundlage im zivilen römischen Recht. Zwar war die Vorstellung einer Gesamtrechtsnachfolge dem älteren ''ius civile'' ebenso wenig geläufig wie die Nachfolge in ein einzelnes Recht oder die Vorstellung der Rechtsnachfolge überhaupt. Schon die klassischen Juristen sprechen jedoch in Bezug auf den Erbschaftserwerb von ''succedere in locum'', ''in ius'' oder'' in universum (omne) ius defuncti''. Der hochklassische Jurist ''Julian ''beschreibt das in D.&nbsp;50,17,62 (6 dig.) zum Beispiel so: ''Hereditas nihil aliud est quam successio in universum ius quod defunctus habuerit'' (''[[Corpus Juris Civilis]]'').


Ob diese Rspr. verallgemeinert werden kann oder nur für den speziellen Fall der Ausübung gewerblicher Schutzrechte gilt, ist in der Literatur umstritten. Hier scheint eine vermittelnde Lösung angebracht. Eine solche „horizontale Direktwirkung“ im Sinne einer „Drittwirkung“ kommt m.E. unter den gleichen Bedingungen in Betracht, wie sie bereits für andere Grundfreiheiten anerkannt sind ([[Europäischer Binnenmarkt]]). Dies entspricht auch deren Gleichstellung mit den wirtschaftlichen Grundfreiheiten. Die neue Rspr. des EuGH erkennt letzteren Horizontalwirkung an, wenn sie auf einer „kollektiven Regelung“ beruhen, in der die Vertragsfreiheit faktisch aufgehoben ist (zuletzt EuGH Rs.&nbsp;C-438/05 – ''ITWF u.a./Viking Line'' Slg. 2007, I-10779, Rn.&nbsp;56&nbsp;ff. zu Art.&nbsp;43 EG/49 AEUV). Beispiele dafür sind – über das Wettbewerbsrecht hinausgehend – bürgerdiskriminierende Satzungen von Sportorganisationen, freiheitsbeschränkende Regelungen von nicht professionellen Verbänden, Kampfaktionen von Sozialpartnern mit unverhältnismäßigen Auswirkungen auf Unionsbürgerrechte. Einzelheiten eines solchen weiten Anwendungsbereichs der Unionsbürgerschaft in das Privatrecht hinein sowie Rechtfertigungsgründe bei angenommenen Beschränkungen sind noch auszuloten. Der tragende Grundgedanke ist dabei ein ''funktionaler:'' Beschränkungen der Grundfreiheiten können nicht nur durch den Staat, sondern „gleich effektiv“ auch durch privatrechtlich begründete und verfasste Organisationen stattfinden, wenn sie kollektiv handeln. Das liegt auch an den nicht kompatiblen Regelungsmechanismen der Mitgliedstaaten, die unterschiedliche institutionelle Zuordnungen zum Privat- oder öffentlichen Recht vorsehen, weshalb das Gemeinschaftsrecht hier autonom anknüpfen muss, um die Beschränkungswirkung kollektiver Regelungen gegenüber Unionsbürgerrechten feststellen zu können.
Die ''successio in locum'' bezieht sich ursprünglich darauf, dass der Rechtsnachfolger mit seinem ganzen Körper an die Stelle des Erblassers tritt und mit jenem wie dieser haftet. Die Form der Nachfolge ist in einem buchstäblichen Sinne ganzheitlich und damit universell. Entsprechend ist die Vermögenserbfolge strukturiert. Sie ist stets Nachfolge in das gesamte Vermögen oder eines Bruchteils davon, niemals jedoch Nachfolge ''ex certa re''. Den Hauserben (''sui heredes'') fällt, da sie schon zu Lebzeiten des Erblassers latent mitberechtigt sind, die Erbschaft von selbst an. Nach ''ius civile'' können sie als notwendige Erben (''necessarii heredes'') den Anfall der Erbschaft in ihrer Person nicht verhindern. Ihre Haftung ist unbeschränkt, aber beschränkbar, vorausgesetzt der Prätor gestattet ihnen bei Nachlassüberschuldung, sich der Erbschaft zu enthalten (''se abstinere'') und gewährt ihnen die ''separatio bonorum''.


Für die Unionsbürgerschaft hat dies zur Folge, dass grundsätzlich kollektivrechtlich verursachte Beschränkungen oder Diskriminierungen von Unionsbürgern in den Anwendungsbereich des EG-Vertrages fallen und deshalb an den Art.&nbsp;12, 17&nbsp;f. EG/18, 20&nbsp;f. AEUV zu messen sind; es besteht zum mindesten ein Rechtfertigungszwang. Beispiele hierfür sind: (i) In Analogie zum Berufsport gehören hierzu auch restriktive Auswahlregeln von Verbänden über die Teilnahme von „Halbprofis“ oder Anwärtern an Sportwettkämpfen, die allerdings in der Regel sachlich gerechtfertigt sind (vgl. EuGH verb. Rs.&nbsp;C-51/96 und C-191/97 – ''Chr. Deliège/Ligue francophone de judo et disciplines associées ASBL'', Slg. 2000, I-2549 zu Art.&nbsp;49 EG/56 AEUV); (ii) Diskriminierende Zugangsregeln zu privaten Bildungseinrichtungen, die öffentlichen gleichgestellt sind, etwa durch Akkreditierung oder Anerkennung; (iii) Unterschiedliche, unmittelbare oder mittelbare nationalitätsbezogene Regelungen in AGB von Anbietern, etwa im Versicherungsbereich (etwa „Ausländertarife“ oder Risikoausschlüsse für EG-Auslandstatbestände ohne sachlichen Grund) oder im Bereich von Finanzdienstleistungen („höhere Kosten für EU-Auslandsüberweisungen, Kreditkartenbenutzung oder Abhebungen“).
Die zivile Erbfolge der Hauserben ist das Vorbild für diejenigen europäischen Erbrechtsordnungen, die einen unmittelbaren und sofortigen Vonselbsterwerb kennen. Für das Konzept des unmittelbaren Antrittserwerbs hat dagegen der Erbschaftserwerb der so genannten Außenerben (''extranei heredes'') Pate gestanden. Alle Erben außer den ''sui heredes'' erwerben die Erbschaft nach römischem Zivilrecht nicht von selbst, sondern nur aufgrund einer besonderen Antrittserklärung (''aditio hereditatis''). Solange die Erbschaft noch nicht angetreten worden ist, gehört sie niemandem, sondern „liegt“ (''hereditas iacet''). Sie ist ein vorübergehend subjektloses Sondervermögen, das in seinem Bestand möglichst unverändert den künftigen Erben erhalten werden soll. Auch im Fall der Außenerben ist die Haftung des Rechtsnachfolgers mit der Annahme grundsätzlich unbeschränkt, aber beschränkbar. Vor der Annahme haftet der zum Erben Berufene dagegen nicht für die Nachlassverbindlichkeiten.


== 5. (Keine) Privatrechtswirkung der RL 2004/38? ==
Die römischen Rechtsquellen kannten mit dem ''fideicommissum'' durchaus ein dem ''trust'' ([[Trust und Treuhand|''Trust'' und Treuhand]]) ähnliches Institut. Allerdings gibt es kein römischrechtliches Vorbild für das englische Modell eines durch einen ''executor'' vermittelten Erbschaftserwerbs. Wie der ''trust'' hat es seine Ursprünge vielmehr im feudalen Lehens- und Treuhandwesen des Mittelalters. Selbstverständlich kannte das römische Recht Hilfspersonen, deren sich der Erblasser zur Verwirklichung seines Willens bediente ([[Testamentsvollstreckung]]). Deren älteste war der ''familiae emptor'', dem der Erblasser sein Vermögen unter Lebenden mit der Weisung übertrug, es nach seinem Tod entsprechend seinen Anordnungen unter den Hinterbliebenen zu verteilen. Dass sich das Institut ebenso wenig wie das ''fideicommissum'' zu einem veritablen Erbschaftserwerbsmodus ausgebildet hat, dürfte gerade mit der festen Verankerung der Universalsukzession in der römischen Rechtstradition zusammenhängen. Diese wiederum beruhte, was die Beerbung durch die Hauserben anbelangt, auf dem Gedanken der familiären Kontinuität: zunächst physisch und spirituell und später auch vermögensrechtlich. Das Ziel war, rasch und lückenlos an die Stelle des alten Rechtsträgers zu treten und diesen Vorgang möglichst nicht durch die Einschaltung von Mittelspersonen zu unterbrechen. Um eine wenn auch nur vorübergehende Repräsentation des Erblassers durch eine dritte Person ging es dagegen nicht. Anders gesagt: Der beste ''personal representative'' des Erblassers ist der Angehörige der ''familia'' selbst, was ein Grund dafür sein dürfte, dass das römische Recht die Testamentsvollstreckung nur rudimentär ausgebildet hat.
Die RL&nbsp;2004/38 vom 20.4.2004 konsolidiert und kodifiziert das Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, gilt aber „vertikal“ gegenüber dem Aufenthaltsstaat, nicht „horizontal“ gegenüber privatrechtlichen Beschränkungen. Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art.&nbsp;24 der RL&nbsp;2004/38 ist Art.&nbsp;12 EG/18 AEUV nachgebildet und hat die gleiche Stoßrichtung. In vier Richtungen kann jedoch eine privatrechtliche „mittelbare“ Wirkung angenommen werden:  


(i)&nbsp;Der Begriff der „Familienangehörigen“ ist in Art.&nbsp;2(2) bestimmt. Dazu gehört auch die Ehe eines Unionsbürgers mit einem (Asyl suchenden) Drittstaatsangehörigen, und zwar unabhängig davon, ob dieser aufenthaltsberechtigt war oder nicht (EuGH Rs.&nbsp;C-127/08 – ''Blaise Baheteb Metock et al/Minister for Justice'', EuZW 2008, 577).
Die Wurzeln der Universalsukzession in der familiären Gebundenheit des Erblasservermögens werden auch in der Erbfolge der ''extranei heredes'' deutlich. Als nicht zur ''familia'' gehörige Rechtsnachfolger mussten sie ihren Willen, das fremde Vermögen in das eigene zu integrieren, in der ''aditio hereditatis'' besonders dokumentieren. Im Wege des Vonselbsterwerbs vollzog sich schließlich auch nicht der Erwerb der ''bonorum possessio'' aufgrund prätorischer Erbfolge. Auf Antrag des Berufenen erfolgte eine Verleihung dieses Erbrechts durch den Gerichtsmagistrat. Das ist ein Modell für den Erbschaftserwerb kraft gerichtlicher Einweisung in den Nachlass, den das österreichische Recht heute noch kennt.


(ii)&nbsp;Der Begriff des „Familienangehörigen“ schließt auch Lebenspartnerschaften unter der doppelten Voraussetzung ein, dass sie im Herkunftsmitgliedstaat eingetragen und im Aufenthaltsmitgliedstaat einer Ehe gleichgestellt sind. Hier stellt sich die Frage einer Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung, die nach der RL&nbsp;2000/78 in ihrem Anwendungsbereich verboten ist (vgl. dazu für Pensionsansprüche des eingetragenen Lebenspartners eines verstorbenen Berechtigten: EuGH Rs.&nbsp;C-267/06 – ''Tadao Maruko/Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen'', Slg. 2008, I-1757). Art.&nbsp;21 der GRCh, auf die in Erwägungsgrund 31 Bezug genommen wird, verbietet jede Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung, die sich aber in der doppelten Kontrolle gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften wiederfindet; hier wird der sonst im EG-Recht geltenden Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung m.E. ohne sachlichen Grund durchbrochen.  
== 5. Strukturen eines einheitliches Sukzessionsrechts ==
Regelungsstrukturen für ein Einheitsrecht des Erbschaftserwerbs zu formulieren, fällt nicht leicht. Ein gemeinsames Regelungsanliegen gibt es jedoch. Bei allen Modellen geht es um eine geordnete Einführung des Rechtsnachfolgers in die Rechtsverhältnisse des Rechtsvorgängers. Das bedeutet, dass der Rechtsnachfolger entweder nicht oder jedenfalls nur dann mit den Verbindlichkeiten seines Vorgängers belastet werden soll, wenn er sich dafür entscheidet, dessen Nachfolge anzutreten. Die Handlungsfreiheit soll dem neuen Rechtsträger für die Zukunft möglichst erhalten werden. Das neuralgische Zeitfenster ist dabei in allen Systemen das zwischen Erbfall und Annahme der Erbschaft. In dieser Zeit darf der Rechtsnachfolger im Interesse der Bestandsermittlung und Schuldenbereinigung entweder noch gar nicht formell in seine Rechtsposition einrücken (so im englischen ''representative''-Modell und in den kontinentaleuropäischen Antrittserwerbssystemen) oder die dingliche Zuordnung ist nur eine vorläufige, bis die Annahme oder Ausschlagung über den Bestand des Vonselbsterwerbs endgültig Gewissheit schafft.


(iii) Die RL&nbsp;2004/38 erkennt Unionsbürgern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat berechtigt mit ihren Familienangehörigen aufhalten, kein privatrechtlich wirkendes „Recht auf Zugang zu und Versorgung mit Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Verfahren zum Erwerb von Wohnraum“ zu, anders als es Art.&nbsp;11(1)(f) RL&nbsp;2003/109 für langfristig Aufenthaltsberechtigte vorsieht. Da aber nicht anzunehmen ist, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber Unionsbürger schlechter stellen wollte als Drittstaatsangehörige, kann Art.&nbsp;11 der RL&nbsp;2003/109 analog bei privatrechtlich wirkenden Diskriminierungen herangezogen werden.  
Die universalen Sukzessionsrechte Kontinentaleuropas unterscheiden sich allerdings durch erhebliche „nationale Modifikationen“ (''Reinhard Zimmermann''). Sie betreffen vor allem die Frage des Vonselbst- oder Antrittserwerbs sowie den Grad der rechtsfürsorgerischen Einflussnahme des Staates in der Phase zwischen Anfall und Annahme der Erbschaft. Die Rechtssysteme Kontinentaleuropas, die auf einen universalen Vonselbsterwerb im Zeitpunkt des Erbfalls setzen, sind dabei diejenigen, die dem Rechtsnachfolger ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit einräumen. Rechtsfürsorgerische Maßnahmen sind fakultativ und setzen eine entsprechende Initiative des Rechtsnachfolgers voraus.


(iv)&nbsp;Art.&nbsp;35 transformiert das zivilrechtlich bekannte Verbot des Rechtsmissbrauches in das Aufenthaltsrecht, insbesondere bei der Eingehung sog. „Scheinehen“ und entspricht damit einer Ermächtigung in der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Rs.&nbsp;C-109/01 – ''Akrich'', Slg. 2003, I-9607, Rn.&nbsp;57). Erwägungsgrund 28 bezeichnet dies als eine Art von „Bindungen, die lediglich zum Zweck der Inanspruchnahme des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts geschlossen wurden“. Die Beweislast hierfür liegt beim Aufenthaltsstaat, der Rechtsbehelfe gegen eine erkennende Entscheidung zur Verfügung stellen muss. Fraglich bleibt aber, inwieweit dies der (beschränkten) Grundrechtsgarantie der Art.&nbsp;7/9 der GRCh ([[Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK]]) entspricht, wonach „jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens hat“, und das „Recht, eine Ehe einzugehen“, nach den einzelstaatlichen Gesetzen gewährleistet ist. Kann auf dem Umweg des Verwaltungsvollzuges in ein privatrechtlich wirksames (d.h. weder annulliertes noch geschiedenes) Rechtsverhältnis eingegriffen werden? Dies erscheint problematisch.
Antrittserwerbsregime nehmen die erbrechtlich Begünstigten stärker in Schutz als die des Vonselbsterwerbs, zunächst dadurch, dass ihnen die Rechtszuständigkeit bis zur Feststellung des Nachlassschuldenbestands vorenthalten wird. Dazu passt ihre paternalistische Tendenz, rechtsfürsorgerische Maßnahmen in der Zeit zwischen Anfall und Annahme der Erbschaft von Amts wegen durchzuführen. Paradigmatisch ist die österreichische Rechtsordnung mit ihrem zwingenden Verlassenschaftsverfahren und der amtlichen Einantwortung des Erben in den Nachlass, die zur Annahmeentscheidung hinzutreten muss.
 
Unterschiede bestehen vor allem zwischen dem englischen und dem kontinentaleuropäischen Sukzessionsmodell. Sie liegen nicht darin, dass die Rechtsfigur des ''trust'' in Kontinentaleuropa unbekannt wäre. Die neuere Forschung hat gezeigt, dass das nicht der Fall ist. Entscheidend dürfte sein, dass der Erwerb der englischen ''beneficiaries'' im Unterschied zu den universalen Erwerbskonzeptionen Kontinentaleuropas kein erbrechtlicher, sondern ein lebzeitiger ist. Rechtsdogmatisch kombiniert das englische ''executor''-Konzept die Vorzüge der beiden kontinentaleuropäischen: Der Begünstigte läuft kein persönliches Haftungsrisiko, weil er dem Erblasser nicht im Rechte nachfolgt. Gleichwohl ist der Nachlass nicht herrenlos. Möglicherweise ist das ''executor''-Modell deshalb das einheitsrechtlich tauglichere.


== Literatur==
== Literatur==
''Ernst Steindorff'', EG-Vertrag und Privatrecht, 1996; ''Norbert Reich'', Bürgerrechte in der der EU, 1999; ''Torsten'' ''Körber'', Grundfreiheiten und Privatrecht, 2004; ''Ferdinand Wollenschläger'', Grundfreiheit ohne Markt, 2006; ''Norbert Reich'', „Horizontal liability“ in EC Law: „Hybridisation“ of remedies for compensation in case of breaches of EC rights, Common Market Law Review 44 (2007) 705&nbsp;ff.;'' Matthew J. Elsmore'','' Peter Starup'', Union Citizenship, Yearbook of European Law 26 (2007) 57&nbsp;ff.; ''Norbert Reich'', Free Movement v. Social Rights in an Enlarged Union: The Laval and Viking Cases before the ECJ, in: German Law Journal 9 (2008) 125&nbsp;ff. ''Jürgen Basedow'', Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung im europäischen Privatrecht, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 16 (2008) 230&nbsp;ff.; ''Norbert Reich'', The public/private divide in EC law, in: Hans-W. Micklitz, Fabrizio Cafaggi'' ''(Hg.), After the Common Frame of Reference: What future for European private law?, 2009.
''Max Kaser'', Das römische Privatrecht, Erster Abschnitt: Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht, 2. Aufl. 1971, 672&nbsp;f., 713&nbsp;ff.; ''Yves-Henri Leleu'', La transmission de la succession en droit comparé, 1996; ''Peter A. Windel'', Über die Modi der Nachfolge in das Vermögen einer natürlichen Person beim Todesfall, 1998; ''Reinhard Zimmermann'', Heres Fiduciarius? Rise and Fall of the Testamentary Executor, in: Richard Helmholz, Reinhard Zimmermann (Hg.), Itinera Fiduciae: Trust and Treuhand in Historical Perspective, 1998, 267&nbsp;ff.; ''Karlheinz Muscheler'', Universalsukzession und Vonselbsterwerb, 2002; ''Alain Verbeke'','' Yves-Henri Leleu'', Harmonisation of the Law of Succession, in: Arthur Hartkamp, Martijn Hesselink, Ewoud Hondius, Carla Joustra, Edgar du Perron, Muriel Veldman (Hg.), Towards a European Civil Code, 3. Aufl. 2004, 343&nbsp;ff.; ''David Sellar'', Succession Law in Scotland: A Historical Perspective, in: Kenneth G.C. Reid, Marius J. de Waal, Reinhard Zimmermann (Hg.), Exploring the Law of Succession, 2007, 49&nbsp;ff.; ''Marius J. de Waal'', A Comparative Overview, in: Kenneth G.C. Reid, Marius J. de Waal, Reinhard Zimmermann (Hg.), Exploring the Law of Succession, 2007, 27&nbsp;ff.


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[[en:Devolution_of_the_Inheritance/Universal_Succession]]

Version vom 29. September 2021, 13:14 Uhr

von Inge Kroppenberg

1. Universalsukzession und Vonselbsterwerb als Elemente des Erbschaftserwerbs

Während die Privaterbfolge (Erbfolge), die Testierfreiheit und die Familienerbfolge (Pflichtteilsrecht) inhaltliche Prinzipien des Erbrechts sind, wird die Universalsukzession häufig als rechtstechnischer Grundsatz angesehen. Meist wird von Nachlassabwicklung gesprochen. Doch sollte dabei nicht übersehen werden, dass die Organisation des Vermögenstransfers von Todes wegen auch materiellrechtliche Komponenten hat, namentlich für die Ordnung der Erbenhaftung. Das gilt für die Universalsukzession und den Grundsatz des Vonselbsterwerbs gleichermaßen. Beide Prinzipien betreffen den Anfall der Erbschaft, beziehen sich aber auf verschiedene inhaltliche Aspekte. Der Grundsatz des Vonselbsterwerbs betrifft den Erwerbsmodus. Er hat zwei Bedeutungen. Vonselbsterwerb bedeutet zum einen, dass es für den Anfall der Erbschaft auf eine Mitwirkungshandlung des Erwerbers oder eine Einweisung durch eine dritte Stelle nicht ankommt. Er vollzieht sich vielmehr ipso iure. Man spricht insoweit auch vom Anfalls- im Gegensatz zum Antrittsprinzip. Zum anderen besagt der Grundsatz des Vonselbsterwerbs, dass sich der Erbschaftsanfall ohne die Zwischenschaltung einer vom Erblasser oder Gericht benannten dritten Person vollzieht.

Universalsukzession hingegen bezieht sich dem Begriff nach auf die Beschaffenheit des Übergangsobjekts. Der Nachlass geht als Einheit auf einen oder mehrere Rechtsnachfolger über. Der Erwerb von Todes wegen erfolgt mithin aufgrund einer einheitlichen erbrechtlichen causa. Das gilt jedoch nur für den Moment des Erwerbs. Weder davor noch danach handelt es sich um eine universitas iuris. Einheitlich ist schließlich auch der Übergangszeitpunkt. Sämtliche Bestandteile des Nachlasses gehen zum selben Zeitpunkt auf den oder die Erwerber der Erbschaft über. Die Nachfolge von Todes wegen ist universell, weil sie Gesamtrechtsnachfolge und nicht Einzel- oder Sonderrechtsnachfolge ist. Der Übergangsmodus ist einheitlich ausgestaltet. Er ist für alle Gegenstände des Erblasservermögens ein und derselbe. Für das englische Recht gilt das uneingeschränkt erst seit dem Jahre 1925.. Seither ist der Grundsatz der Universalsukzession in allen europäischen Erbrechtsordnungen anerkannt.

2. Funktionen der Universalsukzession und des Vonselbsterwerbs

Universalsukzession und Vonselbsterwerb sind Prinzipien des Erbschaftserwerbs, die in den Erbrechtsordnungen Europas nicht zwingend gemeinsam vorkommen. Wenn sie jedoch auftauchen, dann sind sie kein disponibles Recht, sondern ius cogens. Was die Universalsukzession anbelangt, hat das mit der Ordnungsfunktion zu tun, die der Grundsatz zur Geltung bringt. Er verhindert, dass Nachlassgegenstände mit dem Verlust der Rechtsfähigkeit des Erblassers herrenlos werden, weil der Erblasser über sie keine lebzeitige Verfügung für seinen Todesfall getroffen hat. Er kann sich auf wenige erbrechtliche Verfügungen über sein gesamtes oder einen Teil seines Vermögens beschränken. Der alte Rechtsträger kann sich darauf verlassen, dass sein Vermögen en bloc einem neuen zugeordnet wird – sei es nun unmittelbar oder indirekt über eine Mittelsperson. Das Prinzip dient der Schnelligkeit der Güterzuordnung und der Sicherheit des nachfolgenden Rechtsverkehrs unter Lebenden. Darüber hinaus nützt die Universalsukzession auch dem materiell Begünstigten. Er kann sicher sein, auch wirklich den gesamten Güterbestand des Erblassers zu erhalten. Schließlich wirkt sich die Universalsukzession zugunsten der Nachlassgläubiger aus. Sie können sich zur Realisierung ihrer Forderungen an einen oder wenige Universal-Repräsentanten halten.

Der Grundsatz des Vonselbsterwerbs sichert wie das Prinzip der Universalsukzession die dingliche Zuordnung der Nachlassgegenstände zu einem neuen Rechtsträger. Eine Einweisung in die Erbschaft ist nicht erforderlich. Der Rechtsverkehr im Allgemeinen und einzelne interessierte Teilnehmer wie insbesondere Nachlassgläubiger und ‑schuldner wissen, mit wem sie es zu tun haben. Der Nachweis einer Erbschaftsannahme entfällt. Rechtsordnungen, die den Antritts- und/oder Einweisungserwerb kennen, nehmen die noch nicht endgültige dingliche Zuordnung des Nachlasses in Kauf, weil der Begünstigte in Kenntnis der finanziellen Lage des Nachlasses selbst darüber entscheiden soll, ob er Erbe werden möchte. Solange diese Entscheidung nicht positiv ausgefallen ist, wird er nicht mit den Schulden des Erblassers und des Erbfalls belastet. In diesen Rechtsordnungen gehen die Verbindlichkeiten zunächst nicht auf den oder die erbrechtlich Begünstigten über. Die Schuldenregulierung oder jedenfalls die Bestandsaufnahme der Verbindlichkeiten findet in der Zeit zwischen Anfall und Antritt der Erbschaft statt. Sie ist damit das Hauptanliegen von zwei der drei Erbschaftserwerbsmodelle in Europa.

3. Modelle des Erbschaftserwerbs in Europa

a) Mittelbarer Erwerb durch lebzeitigen Übertragungsakt

Das englische Konzept kennt weder einen unmittelbaren noch einen sofortigen Erwerb der Erbschaft im Zeitpunkt des Erbfalls. Es operiert vielmehr mit einem mehraktigen, gerichtlich beaufsichtigten Erwerbsverfahren, in dem eine formal vollberechtigte Mittelsperson, der so genannte personal representative, zum Einsatz kommt. Dabei handelt es sich um einen vom Erblasser bestimmten executor oder einen vom Nachlassgericht ernannten administrator des Nachlasses. Ihm wird die Erbschaft nach dem Tod des Erblassers vom Gericht übertragen. Der personal representative hat die Stellung eines Treuhänders (trustee; Art. X.-1:202 DCFR). Er ist einerseits Rechtsnachfolger des Erblassers, muss andererseits aber die Interessen der begünstigten Personen wahrnehmen, indem er als Nachlassverwalter die Nachlassverbindlichkeiten berichtigt und die so bereinigte Erbschaft an diese auskehrt – vorausgesetzt, sie sind damit einverstanden. Erst mit diesen lebzeitigen Übertragungsakten rücken die beneficiaries (Art. X.-1:203 DCFR) in die ihnen vom Erblasser oder vom Gesetz vorbestimmten Rechtspositionen ein.

Der englische Erbschaftserwerb erfolgt mithin weder ipso iure, noch ist er, was die Übertragung auf die erbrechtlich Begünstigten anbelangt, überhaupt einer von Todes wegen. Die beneficiaries haben keinen erbrechtlichen, sondern einen lebzeitigen obligatorischen Anspruch auf Übertragung der Nachlassgegenstände nach Bereinigung der Nachlassverbindlichkeiten. Persönlich haften sie dafür in keinem Fall. Universal ist allerdings der erste Übertragungsakt auf den personal representative des Erblassers. Er tritt in dessen Rechtspositionen umfassend ein, wenn auch nicht von selbst, sondern durch gerichtlichen Bestellungsakt. Das besagt zugleich, dass der Erwerb nicht schon im Zeitpunkt des Erbfalls eintritt.

b) Unmittelbarer Antrittserwerb

Das zweite europäische Erbschaftserwerbsmodell ist das eines vom Erbfall bis zur Antritts- und Einweisungsentscheidung herrenlosen, aber fürsorgerisch betreuten Nachlasses (hereditas iacens). Es wird in Österreich, Spanien und in Italien praktiziert. Charakteristisch ist, dass der Erbschaftstransfer ohne Einschaltung eines intermediären Rechtsträgers im Wege der Universalsukzession direkt vom Erblasser auf die erbrechtlich begünstigten Personen erfolgt, allerdings nicht im Wege des Vonselbsterwerbs und auch nicht bereits im Zeitpunkt des Erbfalls. Bestandsaufnahme und/oder Regulierung der Nachlassverbindlichkeiten erfolgen in der Interimsphase zwischen Erbfall und Annahme der Erbschaft (Erbschaftsannahme/-ausschlagung) oder staatlicher Einweisung in den Nachlass. Sie unterscheiden sich in den verschiedenen Rechtsordnungen vor allem durch den Grad der staatlichen Einflussnahme auf das Verfahren. Die nationalen Regelungen reichen von einer eigenständigen Nachlassverwaltung durch den oder die zu Erben Berufenen und einer Nachlasspflegschaft auf Antrag in Italien bis zu einem so genannten Verlassenschaftsverfahren von Amts wegen in Österreich, das mit einer so genannten gerichtlichen Einantwortung in den Nachlass abgeschlossen wird. Konstitutiv für den Rechtserwerb ist jedoch stets die Annahmeerklärung des oder der erbrechtlich begünstigten Personen.

Der enge sachliche Zusammenhang mit der Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten (Erbenhaftung) zeigt sich daran, dass die Erklärung der Annahme der Erbschaft inhaltlich verschieden weit gehen kann. Im ersten Fall (unbedingte Annahme in Österreich; accettazione pura e semplice in Italien; Annahme pura y simplemente in Spanien) kommt es zur vollständigen Verschmelzung des Erbeneigenvermögens mit dem Nachlass (confusio bonorum) und der Erbe haftet für die Erbschaftsschulden unbeschränkt mit seinem eigenen Vermögen (ultra vires hereditatis). Im zweiten Fall (bedingte Annahme in Österreich; accettazione con beneficio di inventario in Italien; Annahme a beneficio de inventario in Spanien; beneficiaire aanvarding in den Niederlanden), beschränkt sich die persönliche Verantwortlichkeit des Erben auf das Nachlassvermögen (pro viribus hereditatis). Insoweit kommt es zu einer Trennung von Erbeneigenvermögen und Nachlass (separatio bonorum).

c) Unmittelbarer und sofortiger Vonselbsterwerb

Europäische Rechtsordnungen, die die Universalsukzession mit dem Institut des Vonselbsterwerbs im Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls verknüpfen (Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Niederlande), kennen keinen Schwebezustand in der dinglichen Zuordnung des Nachlasses vor Antritt der Erbschaft und sie gehen auch nicht den Weg über eine intermediäre Rechtsträgerschaft wie das englische System des personal representative. Dass es in Frankreich qualitative Abstufungen in der Berechtigung zum Besitz gibt, die der erbrechtliche Erwerbstitel aufgrund der Universalsukzession und des ipso iure-Erwerbs vermittelt, ändert am Grundsatz nichts. Im Zeitpunkt des Erbfalls kommt es zu einem unmittelbaren und sofortigen Vonselbsterwerb der Erbschaft in der Person des Rechtsnachfolgers. Sowohl die französische als auch die deutsche und die niederländische Erbrechtsordnung kompensieren den willensunabhängigen Anfall des Nachlasses beim Rechtsnachfolger des Erblassers durch ein nachträgliches Lossagungsrecht, die Ausschlagung der Erbschaft.

Die Annahme der Erbschaft (Erbschaftsannahme/-ausschlagung) hat unterschiedliche Wirkungen, die allerdings nicht die dingliche Zuordnung des Nachlasses betreffen, sondern stets die Verantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers für Nachlassverbindlichkeiten berühren. In Belgien, Frankreich, Griechenland und den Niederlanden begründet sie dessen persönliche Verantwortlichkeit nur, wenn sie vorbehaltlos erfolgt. Denkbar ist auch, die Annahmeerklärung unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung abzugeben und damit die Haftung auf den Aktivnachlass zu beschränken. In Deutschland folgen die Annahmeerklärung und die Mechanismen zur Beschränkung der Haftung dagegen getrennten Regimen. An die Annahmeerklärung knüpft sich die unbeschränkte, das heißt persönliche Verantwortlichkeit des Erben für die Erbschaftsschulden. Sie ist jedoch durch separate Erklärungen beschränkbar, vorläufig durch aufschiebende Einreden und endgültig durch die Einleitung des Nachlassinsolvenz- oder des Nachlassverwaltungsverfahrens. In der Zeit zwischen Erbfall und Annahme muss der vorläufige Erbe noch nicht für die Nachlassschulden einstehen.

4. Geschichte der Universalsukzession und des Vonselbsterwerbs

Zwei der drei Modelle des Erbschaftserwerbs, die die europäischen Erbrechtsordnungen heute kennen, finden ihre historische Grundlage im zivilen römischen Recht. Zwar war die Vorstellung einer Gesamtrechtsnachfolge dem älteren ius civile ebenso wenig geläufig wie die Nachfolge in ein einzelnes Recht oder die Vorstellung der Rechtsnachfolge überhaupt. Schon die klassischen Juristen sprechen jedoch in Bezug auf den Erbschaftserwerb von succedere in locum, in ius oder in universum (omne) ius defuncti. Der hochklassische Jurist Julian beschreibt das in D. 50,17,62 (6 dig.) zum Beispiel so: Hereditas nihil aliud est quam successio in universum ius quod defunctus habuerit (Corpus Juris Civilis).

Die successio in locum bezieht sich ursprünglich darauf, dass der Rechtsnachfolger mit seinem ganzen Körper an die Stelle des Erblassers tritt und mit jenem wie dieser haftet. Die Form der Nachfolge ist in einem buchstäblichen Sinne ganzheitlich und damit universell. Entsprechend ist die Vermögenserbfolge strukturiert. Sie ist stets Nachfolge in das gesamte Vermögen oder eines Bruchteils davon, niemals jedoch Nachfolge ex certa re. Den Hauserben (sui heredes) fällt, da sie schon zu Lebzeiten des Erblassers latent mitberechtigt sind, die Erbschaft von selbst an. Nach ius civile können sie als notwendige Erben (necessarii heredes) den Anfall der Erbschaft in ihrer Person nicht verhindern. Ihre Haftung ist unbeschränkt, aber beschränkbar, vorausgesetzt der Prätor gestattet ihnen bei Nachlassüberschuldung, sich der Erbschaft zu enthalten (se abstinere) und gewährt ihnen die separatio bonorum.

Die zivile Erbfolge der Hauserben ist das Vorbild für diejenigen europäischen Erbrechtsordnungen, die einen unmittelbaren und sofortigen Vonselbsterwerb kennen. Für das Konzept des unmittelbaren Antrittserwerbs hat dagegen der Erbschaftserwerb der so genannten Außenerben (extranei heredes) Pate gestanden. Alle Erben außer den sui heredes erwerben die Erbschaft nach römischem Zivilrecht nicht von selbst, sondern nur aufgrund einer besonderen Antrittserklärung (aditio hereditatis). Solange die Erbschaft noch nicht angetreten worden ist, gehört sie niemandem, sondern „liegt“ (hereditas iacet). Sie ist ein vorübergehend subjektloses Sondervermögen, das in seinem Bestand möglichst unverändert den künftigen Erben erhalten werden soll. Auch im Fall der Außenerben ist die Haftung des Rechtsnachfolgers mit der Annahme grundsätzlich unbeschränkt, aber beschränkbar. Vor der Annahme haftet der zum Erben Berufene dagegen nicht für die Nachlassverbindlichkeiten.

Die römischen Rechtsquellen kannten mit dem fideicommissum durchaus ein dem trust (Trust und Treuhand) ähnliches Institut. Allerdings gibt es kein römischrechtliches Vorbild für das englische Modell eines durch einen executor vermittelten Erbschaftserwerbs. Wie der trust hat es seine Ursprünge vielmehr im feudalen Lehens- und Treuhandwesen des Mittelalters. Selbstverständlich kannte das römische Recht Hilfspersonen, deren sich der Erblasser zur Verwirklichung seines Willens bediente (Testamentsvollstreckung). Deren älteste war der familiae emptor, dem der Erblasser sein Vermögen unter Lebenden mit der Weisung übertrug, es nach seinem Tod entsprechend seinen Anordnungen unter den Hinterbliebenen zu verteilen. Dass sich das Institut ebenso wenig wie das fideicommissum zu einem veritablen Erbschaftserwerbsmodus ausgebildet hat, dürfte gerade mit der festen Verankerung der Universalsukzession in der römischen Rechtstradition zusammenhängen. Diese wiederum beruhte, was die Beerbung durch die Hauserben anbelangt, auf dem Gedanken der familiären Kontinuität: zunächst physisch und spirituell und später auch vermögensrechtlich. Das Ziel war, rasch und lückenlos an die Stelle des alten Rechtsträgers zu treten und diesen Vorgang möglichst nicht durch die Einschaltung von Mittelspersonen zu unterbrechen. Um eine wenn auch nur vorübergehende Repräsentation des Erblassers durch eine dritte Person ging es dagegen nicht. Anders gesagt: Der beste personal representative des Erblassers ist der Angehörige der familia selbst, was ein Grund dafür sein dürfte, dass das römische Recht die Testamentsvollstreckung nur rudimentär ausgebildet hat.

Die Wurzeln der Universalsukzession in der familiären Gebundenheit des Erblasservermögens werden auch in der Erbfolge der extranei heredes deutlich. Als nicht zur familia gehörige Rechtsnachfolger mussten sie ihren Willen, das fremde Vermögen in das eigene zu integrieren, in der aditio hereditatis besonders dokumentieren. Im Wege des Vonselbsterwerbs vollzog sich schließlich auch nicht der Erwerb der bonorum possessio aufgrund prätorischer Erbfolge. Auf Antrag des Berufenen erfolgte eine Verleihung dieses Erbrechts durch den Gerichtsmagistrat. Das ist ein Modell für den Erbschaftserwerb kraft gerichtlicher Einweisung in den Nachlass, den das österreichische Recht heute noch kennt.

5. Strukturen eines einheitliches Sukzessionsrechts

Regelungsstrukturen für ein Einheitsrecht des Erbschaftserwerbs zu formulieren, fällt nicht leicht. Ein gemeinsames Regelungsanliegen gibt es jedoch. Bei allen Modellen geht es um eine geordnete Einführung des Rechtsnachfolgers in die Rechtsverhältnisse des Rechtsvorgängers. Das bedeutet, dass der Rechtsnachfolger entweder nicht oder jedenfalls nur dann mit den Verbindlichkeiten seines Vorgängers belastet werden soll, wenn er sich dafür entscheidet, dessen Nachfolge anzutreten. Die Handlungsfreiheit soll dem neuen Rechtsträger für die Zukunft möglichst erhalten werden. Das neuralgische Zeitfenster ist dabei in allen Systemen das zwischen Erbfall und Annahme der Erbschaft. In dieser Zeit darf der Rechtsnachfolger im Interesse der Bestandsermittlung und Schuldenbereinigung entweder noch gar nicht formell in seine Rechtsposition einrücken (so im englischen representative-Modell und in den kontinentaleuropäischen Antrittserwerbssystemen) oder die dingliche Zuordnung ist nur eine vorläufige, bis die Annahme oder Ausschlagung über den Bestand des Vonselbsterwerbs endgültig Gewissheit schafft.

Die universalen Sukzessionsrechte Kontinentaleuropas unterscheiden sich allerdings durch erhebliche „nationale Modifikationen“ (Reinhard Zimmermann). Sie betreffen vor allem die Frage des Vonselbst- oder Antrittserwerbs sowie den Grad der rechtsfürsorgerischen Einflussnahme des Staates in der Phase zwischen Anfall und Annahme der Erbschaft. Die Rechtssysteme Kontinentaleuropas, die auf einen universalen Vonselbsterwerb im Zeitpunkt des Erbfalls setzen, sind dabei diejenigen, die dem Rechtsnachfolger ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit einräumen. Rechtsfürsorgerische Maßnahmen sind fakultativ und setzen eine entsprechende Initiative des Rechtsnachfolgers voraus.

Antrittserwerbsregime nehmen die erbrechtlich Begünstigten stärker in Schutz als die des Vonselbsterwerbs, zunächst dadurch, dass ihnen die Rechtszuständigkeit bis zur Feststellung des Nachlassschuldenbestands vorenthalten wird. Dazu passt ihre paternalistische Tendenz, rechtsfürsorgerische Maßnahmen in der Zeit zwischen Anfall und Annahme der Erbschaft von Amts wegen durchzuführen. Paradigmatisch ist die österreichische Rechtsordnung mit ihrem zwingenden Verlassenschaftsverfahren und der amtlichen Einantwortung des Erben in den Nachlass, die zur Annahmeentscheidung hinzutreten muss.

Unterschiede bestehen vor allem zwischen dem englischen und dem kontinentaleuropäischen Sukzessionsmodell. Sie liegen nicht darin, dass die Rechtsfigur des trust in Kontinentaleuropa unbekannt wäre. Die neuere Forschung hat gezeigt, dass das nicht der Fall ist. Entscheidend dürfte sein, dass der Erwerb der englischen beneficiaries im Unterschied zu den universalen Erwerbskonzeptionen Kontinentaleuropas kein erbrechtlicher, sondern ein lebzeitiger ist. Rechtsdogmatisch kombiniert das englische executor-Konzept die Vorzüge der beiden kontinentaleuropäischen: Der Begünstigte läuft kein persönliches Haftungsrisiko, weil er dem Erblasser nicht im Rechte nachfolgt. Gleichwohl ist der Nachlass nicht herrenlos. Möglicherweise ist das executor-Modell deshalb das einheitsrechtlich tauglichere.

Literatur

Max Kaser, Das römische Privatrecht, Erster Abschnitt: Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht, 2. Aufl. 1971, 672 f., 713 ff.; Yves-Henri Leleu, La transmission de la succession en droit comparé, 1996; Peter A. Windel, Über die Modi der Nachfolge in das Vermögen einer natürlichen Person beim Todesfall, 1998; Reinhard Zimmermann, Heres Fiduciarius? Rise and Fall of the Testamentary Executor, in: Richard Helmholz, Reinhard Zimmermann (Hg.), Itinera Fiduciae: Trust and Treuhand in Historical Perspective, 1998, 267 ff.; Karlheinz Muscheler, Universalsukzession und Vonselbsterwerb, 2002; Alain Verbeke, Yves-Henri Leleu, Harmonisation of the Law of Succession, in: Arthur Hartkamp, Martijn Hesselink, Ewoud Hondius, Carla Joustra, Edgar du Perron, Muriel Veldman (Hg.), Towards a European Civil Code, 3. Aufl. 2004, 343 ff.; David Sellar, Succession Law in Scotland: A Historical Perspective, in: Kenneth G.C. Reid, Marius J. de Waal, Reinhard Zimmermann (Hg.), Exploring the Law of Succession, 2007, 49 ff.; Marius J. de Waal, A Comparative Overview, in: Kenneth G.C. Reid, Marius J. de Waal, Reinhard Zimmermann (Hg.), Exploring the Law of Succession, 2007, 27 ff.