Heiliges Römisches Reich

Aus HWB-EuP 2009

von Hans-Peter Haferkamp

Bezeichnung für das seit dem Mittelalter bis 1806 existierende Alte Reich, das in der Neuzeit zeitweise neben den deutschen Ländern Teile Italiens, Lothringen, die spanischen Niederlande, die Schweizer Eidgenossenschaft, Böhmen und Schlesien umfasste. Seit dem 15. Jahrhundert häufig mit dem Zusatz „Deutscher Nation“.

1. Begriffliches

Die Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahr 800 in Rom dokumentierte, dass die römisch-päpstliche Kirche auf der Suche nach Schutz vor der langobardischen Bedrohung sich im 8. Jahrhundert zum Frankenreich, nicht zu Byzanz hin orientiert hatte. Otto der Große festigte durch die Wiederherstellung des Kaiserreiches 962 den hier behaupteten Legitimitätsvorsprung vor den anderen europäischen Monarchien. Seit 976 sprachen die Urkunden vom „Imperator Romanorum“. Mit der Vorstellung, dass Rom nie untergegangen sei und im Frankenreich fortlebte verband sich die Deutung dieses Prozesses als Heilsgeschehen. In der kaiserlichen Kanzlei Barbarossas tauchte im Umfeld der Kreuzzüge 1157 die Bezeichnung „Sacrum Imperium“ (Geheiligtes Reich) auf, ab 1254 dann auch „Sacrum Imperium Romanum“. Die seit dem 12. Jahrhundert verbreitete Lehre von der translatio imperii interpretierte die Prophetie Daniels (Dan 2, 21) als göttliche Übertragung der Weltherrschaft von Babylon über Persien und Griechenland auf Rom. Der Papst vermittelte durch die Kaiserkrönung in dieser Interpretation nicht nur die weltgeschichtliche Bedeutung des Römischen Reiches, sondern auch die Schirmherrschaft über die ganze Christenheit an die fränkischen bzw. deutschen Könige. Mit der Bezeichnung des Reiches als sacrum wurde im aufkommenden Investiturstreit zugleich die Gleichstellung des Reiches gegenüber der Kirche behauptet. Im Landfriedensgesetz Friedrichs III. (1495) tauchte erstmals der Zusatz „Deutscher Nation“ auf. Die traditionell transnational gedachte Einheit des Reiches, mit seinen Hauptmassen Germanien, Italien und Gallien (insb. Burgund und Lothringen), löste sich langsam auf. Die Reichsreformen von 1495 umfassten weitestgehend nur die deutschsprachigen Reichsglieder. Insbesondere die meisten regionalen Herrschaften Italiens und Burgund waren nur noch lehensrechtlich dem Reich verbunden, an den Reichsinstitutionen, insbesondere dem Reichstag, aber nicht mehr beteiligt.

2. Verfassungsstruktur

a) Staatstheoretische Einordnung

Die Frage nach der staatstheoretischen Einordnung des Alten Reiches war bereits früh nicht nur ein innerwissenschaftliches Begriffsspiel sondern vor allem ein Tummelplatz für tagespolitische Stellungnahmen. Im Umfeld des Dreißigjährigen Krieges fand eine erste lebhafte Debatte statt. Die Einordnung des Reiches in die noch immer am aristotelischen Schema orientierte Staatsformenlehre machte Schwierigkeiten. Mit Jean Bodin rückte dabei die maiestas des Herrschers, seine Souveränität, als Unterscheidungsmerkmal in den Vordergrund. Kaisernahe Autoren wie Dietrich Reinkingk sprachen dem Kaiser die alleinige Souveräntität zu, während hiergegen vor allem Hippolithus à Lapide bzw. Bogislaw v. Chemnitz den im Reichstag agierenden Ständen die Entscheidungsgewalt zusprach und das Reich damit als Aristokratie verortete. Angesichts der auf Kaiser und Stände verteilten Befugnisse setzte sich in der Staatslehre des Alten Reiches eine dritte Auffassung durch, demzufolge ein Mischgebilde zwischen den traditionellen Staatsformen vorliege (status mixtus). Pointiert spitzte Samuel Pufendorf 1667 unter dem Pseudonym Severinus de Monzambano zu und bezeichnete das Reich als „irregulare aliquod corpus et monstro simile“, das besser als Bündnis unabhängiger Staaten zu begreifen sei. Auch nach 1806 blieb die Frage, ob das Alte Reich ein Staat gewesen sei, an politischen Tagesfragen ausgerichtet. Wilhelm v. Humboldt sah in seiner „Denkschrift zur Deutschen Verfassung“ von 1813 in der Gemengelage zwischen dezentralen und zentralen Strukturen im Alten Reich gerade die spezifische Staatsform der Deutschen verwirklicht. Mit Blick auf Preußen und den Nationalstaat von 1871 rückte die proborussische Historiographie (Gustav Droysen, Heinrich v. Sybel, Heinrich v. Treitschke) starke Herrscherfiguren der Ottonen, Salier und Staufer in den Vordergrund und idealisierte den „hohen Staat des Mittelalters“ (Heinrich Mitteis) als Kontrast zum Alten Reich der Neuzeit als Verfallsperiode, dem wiederum das preußische Erfolgsmodell entgegengesetzt wurde. Mit der „kleindeutschen“ Orientierung kam dabei – aus preußischer Sicht negativ – die Annäherung des ja lange von den Habsburgern dominierten Reiches an das ausgeschlossene Österreich hinzu. Für Friedrich Meinecke (Weltbürgertum und Nationalstaat, 1908) hatte Humboldt in dieser Perspektive eine „unstaatliche Sicht vom Staate“. Versuche, das Alte Reich im Vorfeld des „Anschlusses“ als Leitbild für eine „gesamtdeutsche“ Staatlichkeit zwischen Preußen und Österreich wiederzubeleben (Heinrich von Srbik, Deutsche Einheit, 1935) blieben vereinzelt, weil gerade auch der nationalsozialistische Staat am Bild „geschichtsunfähiger Staatslosigkeit“ (Ernst Rudolf Huber) des Alten Reiches festhielt.

Mit dem Beginn der europäischen Integration veränderte sich in den 1950er Jahren der Blick. Die Vorstellung eines Staatenbundes, die einheitliche Gerichtsbarkeit und die im Westfälischen Frieden gefundene europäische Friedensordnung machten das Alte Reich nun zu einer vorbildhaften Friedens- und Rechtsordnung (Franz Schnabel, Karl Otmar Frhr. v. Aretin). Historiker mit einem stärker sozialhistorischen Blick (Volker Press, Peter Moraw) entfernten sich dabei vom juristischen Sprachgebrauch und sprachen etwa vom „Reich als politisches System“ (Volker Preß) oder „Reichssystem“ (Heinz Schilling). Demgegenüber haben Georg Schmidt („komplementärer Reichs-Staat“, 1999) und Johannes Burkhard („Rechtsstaat“, 1998) jüngst erneut versucht, einen Staatsbegriff zur Klassifikation heranzuziehen, was ihnen den Vorwurf einbrachte, im Nachgang zur Wiedervereinigung 1989 einen „neuen nationalhistorischen Diskurs“ (Wolfgang Reinhard) initiieren zu wollen.

b) Abgrenzungen zum modernen Staatsbegriff

Die Jellinek’sche „Drei-Elemente-Lehre“ vermag die Struktur des Alten Reiches nicht adäquat zu beschreiben, taugt aber zur Folie, auf der die Eigentümlichkeiten dieses Gebildes deutlich werden. Eine einheitliche Staatsgewalt mit direkten Herrschaftsrechten gegenüber den Untertanen hatte der Kaiser bzw. König nur innerhalb seines eigenen Königsgutes, was zwar die Reichsstädte mitumfasste, auch in der Zeit der Habsburger aber den größten Teil des Reiches ausschloss. Die dem Kaiser zunächst allgemein zustehenden Hoheitsrechte wie ein Münz-, Berg- oder Forstregal gingen zumeist bereits im Mittelalter auf einzelne Reichsglieder über. Gleiches galt teilweise für die Justizhoheit (privilegia de non appellando/‌evocando). Nach dem Reichstag von Worms 1495 blieben dem Kaiser von seiner ursprünglichen plenitudo potestatis nur noch wenige nicht zustimmungspflichtige Reservatrechte (iura caesarea illimitata), insbesondere Standeserhöhungen, akademische Grade und Universitätsprivilegien. Die übrigen Herrschaftsrechte konnten als sog. Komitialrechte nur zusammen mit dem Reichstag ausgeübt werden.

Im Lehenswesen, das bis 1806 das Reich verband, blieb die Vorstellung eines hierarchisch gegliederten Verbandes erhalten. Es gelang jedoch nicht, dem König die Entscheidungsgewalt über die Lehen zu belassen. Während etwa in Frankreich oder England bei Tod des Vasallen ein „Heimfall“ des Lehens erfolgte und damit dem König die Lehen als herrschaftsstärkende Verfügungsmasse verblieben, setzte sich im Reich schon im Mittelalter die Praxis durch, die Lehen an die Verwandten des Vasallen wieder auszugeben. Dies war weniger ein rechtlicher „Leihezwang“ als Ausdruck der Tatsache, dass es dem König politisch nicht gelang, der Vorstellung einer Lehensanwartschaft der Verwandten eigene Machtansprüche entgegenzusetzen. Dies hing auch damit zusammen, dass sich nach dem Tod Heinrichs VI. 1197 das Prinzip der Wahlmonarchie endgültig gegen das der Erbmonarchie durchsetzte. Herrschaft setzte damit stete Zustimmung der Reichsstände voraus. Nachdem die Einführung eines sog. Reichsregiments als ein paritätisch besetztes und ständig handlungsfähiges Regierungsorgan nach zwei Versuchen (1500–1502 und 1521–1530) scheiterte, lag die Staatsgewalt in allen wichtigen Fragen beim Reichstag, der seit dem 15. Jahrhundert klare Strukturen annahm. Die Versuche, die Königsmacht durch Ausbau einer zentralisierten Verwaltungsstruktur zu stärken, scheiterten. Dies gilt für die Versuche der Salier und Staufer, über die Reichsministerialität einen eigenen Verwaltungsapparat aufzubauen. In den Reichsreformen seit 1495 gelang es zudem nicht, dauerhaft eine Reichssteuer („Gemeiner Pfennig“) durchzusetzen, um finanzielle Handlungsfähigkeit zu erlangen. Da die Kaiser seit dem Mittelalter auch kein eigenes Reichskammergut mehr besaßen, standen alle größeren Entscheidungen finanziell unter Zustimmungsvorbehalt. Die 1500 gebildeten Verwaltungsstrukturen (Reichskreise) konnten ohne Exekutivorgane und hinreichende Kompetenzen dem steten Zustimmungserfordernis nicht entgehen. Sucht man im Alten Reich nach Staatsgewalt, so findet man sie nur in den erstarkenden großen Territorien der Neuzeit, nicht beim Kaiser.

Auch die Vorstellung eines Staatsvolks beschreibt die Situation im Reich unzureichend. Es gab weder ein Reichsbürgerrecht noch allgemeine Rechtsgleichheit. Der Einzelne sah sich in der gestuften Machtverteilung des Reiches verschiedenen Obrigkeiten ausgesetzt, von denen mangels wirksamer Durchgriffsrechte der Kaiser untergeordnet erschien. Während es dem Kaiser nicht gelang, die Reichsstände zu entmachten, nahmen die Mitwirkungsbefugnis der Landstände und die Autonomien vieler intermediärer Gewalten in den Territorien seit 1500 ab, sodass man auch ein „Staatsvolk“ allenfalls dort, nicht im Reich verorten kann.

Zuletzt besaß das Reich auch kein Staatsgebiet im modernen Sinne. Vor dem 15. Jahrhundert verstand sich Herrschaft nicht gebiets-, sondern personenbezogen, als Herrschaft über Menschen. Für die spätere Zeit passt das Bild nicht, weil sich die Ordnungsgeflechte des Reiches nicht deckten: Über das Lehenswesen waren Glieder mit dem Kaiser verknüpft, die nicht reichsständisch, also nicht im Reichstag, dem zweiten Bezugsgeflecht, vertreten waren. Für Teile Italiens, der Niederlande oder auch für die Schweiz zwischen 1499 und 1648 war die Reichszugehörigkeit daher eine Frage der juristischen und politischen Argumentation. Zugleich gab es Territorien wie Holstein oder auch Preußen bis ins 16. Jahrhundert, die zugleich Landsherrschaften (Dänemark bzw. Deutschritterorden/‌ Polen) unterfielen, die nicht Reichsstände waren.

3. Normen, Institutionen, Erfolge

Legitimation fand die Struktur des Reiches in einem historisch gewachsenen komplexen Geflecht von rechtlichen und sozialen, oft rituellen und symbolischen Regelungen. Rechtspositionen trafen bisweilen konkurrierend aufeinander, wurden gemeinsam ausgeübt oder ruhten zeitweise. Recht existierte im Reich als schriftliche Norm, wissenschaftliches Recht, Herkommen und Rechtsgewohnheit, als Stadt- und Landrecht, als rezipiertes römisch-kanonisches Recht, zudem als individuelles Ausnahmerecht (Privileg) oder vertragliche Aushandlung. Ein systematisch hierarchisiertes Rechtsgefüge oder eine konsentiert feststehende Rechtsquellenlehre existierten nicht. Die einzelnen Rechtspositionen wurden als „wohlerworbene Rechte“ und damit als historisch gewachsen legitimiert. Das Reich als Rechtsträger und Rechtsverleiher konkurrierte dabei nicht nur mit Territorien, sondern auch mit einer Fülle rechtlich teilautonomer intermediärer Gewalten wie Zünften oder Universitäten. Als Reichsrecht im engeren Sine verstand man die sog. Reichsgrundgesetze (leges fundamentales Imperii), die auf den Reichstagen ausgehandelten Reichsabschiede bzw. Reichsschlüsse (recessus bzw. conclusa imperii), unter kaiserlicher Beteiligung zustande gekommene Ordnungen, Edikte, Satzungen und Mandate und verschiedene Formen von Reichsgewohnheitsrecht. Seit dem 16. Jahrhundert beschäftigte sich die Reichspublizistik mit diesem sog. Reichsherkommen, und zeichnete vielbändig Gesetze, Verträge, Judikate und vielfältige Formen auf Reichsebene verrechtlichter politischer und sozialer Praxis auf.

Den schriftlich gesetzten Rahmen für die Verfassung des Reiches schuf zunächst die Goldene Bulle von 1356, die das Wahlrecht des Königs und die Position der Kurfürsten festschrieb. Die verfassungspolitisch wohl größte Leistung gelang, nachdem der Augsburger Religionsfrieden von 1555 den Dreißigjährigen Krieg nicht verhindern konnte, mit dem Westfälischen Frieden von 1648. Vor allem durch den strikten Grundsatz der Parität gelang es, das Reich nicht an den konfessionellen Spannungen scheitern zu lassen. Mit dem Reichsdeputationsschluss von 1803 wurden auf Kosten der kleinen Reichsstände großflächige Staaten festgeschrieben und es wurde der Übergang zu einem Staatenbund eingeleitet. Infolge des Austritts des Rheinbundes unter dem Druck Napoleons kam es 1806 zur Niederlegung der Kaiserkrone durch Franz II. und damit zum Ende des Alten Reiches.

Als Friedensordnung war das Reich wiederholt um die Eindämmung der Fehde bemüht (Reichslandfrieden von 1103, 1152, 1186, 1235 bis zum sog. Ewigen Landfrieden von 1495). Strafrechtsgeschichtlich ein Meilenstein war die erstmals von der oberitalienischen Strafrechtswissenschaft beeinflusste Constitutio Criminalis Carolina von 1532. Seit dem 16. Jahrhundert unterstützte das Reich zudem die planende, „gute“ Ordnung und Gestaltung des Gemeinwesens („Polizey“ (von Politeia), also weiter verstanden als das heutige Sicherheits- und Ordnungsrecht) in den Territorien durch eine Rahmenpolizeigesetzgebung (insb. in den Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548, 1577).

Im Zivilrecht setzte sich im 16. Jahrhundert das durch die oberitalienische Rechtswissenschaft rezipierte antike römische Recht, angereichert insbesondere durch kanonisches Recht, als sog. Gemeines Recht (ius commune) durch. Nach einhelliger Ansicht hatte auch dieses, auch „Kaiserrecht“ genannte wissenschaftliche Recht nur subsidiäre Geltung, wurde also durch das Recht kleinerer Rechtskreise verdrängt. Wie auch der Reichsgesetzgebung im Polizei- und Strafrecht kam dem ius commune daher vor allem Vorbildfunktion für die Herausbildung territorialen und städtischen Rechts zu. Wenn auch nur mittelbar, so schuf das Reich auf diese Weise doch eine weitgehende Rechtseinheit. Hierzu trug auch das 1495 als von den Ständen dominierte in Konkurrenz zum kaiserlichen Reichshofrat eingesetzte Reichskammergericht bei. Sobald partikulares Recht das Herkommen oder Rechte von Reichsständen oder Untertanen verletzte, drohte eine Klage vor dem Reichskammergericht. Dieses konnte von Reichsunmittelbaren immer, ansonsten vor allem bei Landfriedensbruch, Rechtsverweigerung sowie, wenn nicht durch landesherrliches Privileg ausgeschlossen, als Appellationsinstanz auch gegen landesherrliche Interessen angerufen werden. In seiner inzwischen deutlich positiver als früher eingeschätzten Geschichte trug es bis zu seiner Auflösung im Jahr 1806 maßgeblich zur Rechtsvereinheitlichung, aber auch zur Verrechtlichung und Verwissenschaftlichung politischer Konflikte bei.

Einheitsstiftende Wirkung kam auch dem Reichstag zu, der im Zuge der Reichsreform von 1495 als Nachfolger der alten Hoftage institutionalisiert wurde. Das nur teilweise gesetzlich gefasste Verfahren teilte die Reichsstände in drei Reichskollegien auf, das Kurfürstenkollegium, den Fürstenrat (Fürsten, Prälaten, Grafen) sowie das Kollegium der Reichsstädte. Mit den Kurfürsten und Fürsten lag die Entscheidungsgewalt damit in den Händen weniger, oft versippter Familien. Dem Kaiser gegenüber war das Machtgefälle weiterhin gering. Das Reichstagsverfahren zielte auf gütliche Einigung (amicabilis compositio) zwischen den drei Kollegien und dem Kaiser ab. Seit dem westfälischen Frieden war innerhalb der Kollegien in vielen Fällen Stimmenmehrheit ausreichend, insb. aber nicht in Religionssachen. Mit der Zustimmung des Kaisers entstand ein Reichsschluss (conclusum imperii), der auch die abwesenden Reichsstände band. Mit dem Mehrheitsprinzip und der Bindung Abwesender wurde das alte Vertragsprinzip (Quod omnes tangit, ab omnibus approbetur) verlassen und der Weg zu einem politischen Leitungsorgan beschritten. Seit 1663 tagte der zuvor an wechselnden Orten einberufene Reichstag als Gesandtenkongress in Regensburg (Immerwährender Reichstag). Seine Bedeutung als politisches Kommunikationsorgan in der nun hoch formalisierten Gesandtendiplomatie rückte gegenüber seiner rechtsetzenden Tätigkeit in den Vordergrund.

Literatur

Peter Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1, 1988; Heinz Angermeier, Nationales Denken und Reichstradition am Ende des Alten Reiches, in: Wilhelm Brauneder (Hg.), Heiliges Römisches Reich und moderne Staatlichkeit, 1993, 169 ff.; Karl Otmar von Aretin, Das Alte Reich 1648–1806, 3 Bde., 1993–1997; Heinz Mohnhaupt, Gesetzgebung des Reichs und Recht im Reich vom 16.-18. Jahrhundert, in: Barbara Dölemeyer, Diethelm Klippel (Hg.), Gesetz und Gesetzgebung im Europa der Frühen Neuzeit (Beiheft 22 der Zeitschrift für Historische Forschung), 1998, 83 ff.; Georg Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, 1999; Bernhard Diestelkamp, Recht und Gericht im Heiligen Römischen Reich, 1999; Matthias Schnettger (Hg.), Imperium Romanum – irregulare corpus – Teutscher Reichsstaat, 2002; Axel Gotthard, Das Alte Reich 1495–1806, 2003; Stephan Wendehorst, Siegrid Westphal (Hg.), Lesebuch Altes Reich, 2006; Barbara Stollberg-Rilinger, Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, 3. Aufl. 2007.

Quellen. Hans Hubert Hofmann, Quellen zum Verfassungsorganismus des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1495–1815, 1976; Arno Buschmann (Hg.), Kaiser und Reich, 2 Bde., 2. Aufl. 1994.

Abgerufen von Heiliges Römisches Reich – HWB-EuP 2009 am 19. März 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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