Finanzintermediär und Reichskammergericht: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Begriff des Finanzintermediärs ==
== 1. Institutionelle Verortung ==
Finanzintermediäre nehmen eine Vermittlerstellung zwischen Kapitalanbietern und ‑nachfragern ein. Der Begriff des Finanzintermediärs ist ökonomisch geprägt und im internationalen wie interdisziplinären Sprachgebrauch üblich. Finanzintermediäre im engeren Sinne sind vor allem Banken ([[Europäischer Bankenmarkt]]). Zu nennen sind außerdem Versicherungen ([[Versicherungsbinnenmarkt]]), Kapitalanlagegesellschaften, sonstige Allfinanz-Dienstleister und auch [[Börsen]]. Im weiteren Sinne werden sämtliche Institutionen, deren Leistungen die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage unterstützen, als Finanzintermediäre bezeichnet.
Das Reichskammergericht (RKG) war seit seiner Gründung im Jahre 1495 bis zu seiner Auflösung 1806 neben dem Reichshofrat die oberste Gerichtsinstanz im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]] deutscher Nation. Nach langen Verhandlungen zwischen Kaiser Maximilian I. und den Reichsständen, insbesondere mit deren Wortführer, dem Mainzer Erzbischof und Reichserzkanzler ''Berthold von Henneberg'', wurde auf dem Reichstag zu Worms im Jahre 1495 die Gründung einer örtlich vom Kaiser unabhängigen Gerichtsinstanz beschlossen. Deren Name knüpfte an das bereits seit über 100 Jahren bestehende Königliche Kammergericht an. Es handelte sich aber um eine neue Reichsinstitution. Die Errichtung des RKG stellt den zentralen Punkt einer umfassenden, aber nur z.T. verwirklichten Reichsreform dar. Die Einrichtung einer solchen Gerichtsinstanz diente vor allem als Ausgleich für das ebenfalls in Worms 1495 ausgesprochene endgültige Fehdeverbot und den proklamierten Ewigen Landfrieden. Als Richter sollten nach der ursprünglichen Vorstellung bei der Reichsreform je zur Hälfte Adelige und gelehrte Juristen fungieren. Relativ rasch stellte sich jedoch heraus, dass auch die adeligen Assessoren ihre Aufgabe nicht ohne ein fundiertes Rechtsstudium bewältigen konnten. Die ursprünglich noch an das frühere Königliche Kammergericht anknüpfende Organisation wurde in den darauf folgenden Jahrzehnten sukzessiv durch Reichsabschiede erweitert. Der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nach den Wirren der Reformation und der Religionsprozesse unter Berücksichtigung der konfessionellen Parität erreichte Zustand blieb im Wesentlichen bis zum Ende des Alten Reichs (1806) erhalten. Nach den ersten Jahren der Wanderschaft und der Unterbrechung seiner Tätigkeit fand das Gericht 1527 in Speyer seinen endgültigen Sitz. Ende des 17. Jahrhunderts floh das Gerichtspersonal aus Speyer vor den französischen Truppen. Nach einer jahrelangen Unterbrechung fand das RKG in der kleinen Reichsstadt Wetzlar einen Sitz, wo es bis zum Ende des Alten Reichs tätig blieb.


== 2. Funktion der Finanz­intermediation ==
Die juristische Kompetenz der Assessoren stellte bald deren einziges Qualifikationserfordernis dar. Die Reformen des jüngsten Reichsabschiedes von 1654 und der beiden letzten Visitationen Mitte des 18. Jahrhunderts galten dem Prozess und dem Geschäftsgang und weniger der Gerichtsverfassung. Die Kammerrichter wurden vom Kaiser berufen. Seit 1507 bestand daneben die Befugnis und die Pflicht der Reichsstände, geeignete Kandidaten als Assessoren aufzubieten. Die Präsentationsberechtigten hatten dem Plenum des Gerichts nach Bekanntwerden der Vakanz des ihnen zugeordneten Assessorats mehrere qualifizierte Persönlichkeiten vorzuschlagen. Aus diesen wählte das Plenum des Gerichts seit Mitte des 16. Jahrhunderts den neuen Assessor aus, in der Regel nach der Abhaltung einer Qualifikationsprüfung in Form einer Proberelation.
Finanzintermediäre im engeren Sinne erfüllen im Wesentlichen drei Funktionen: Erstens gestalten sie den Faktor Kapital um (Transformationsfunktion). Privathaushalte besitzen in der Summe einen Kapitalüberschuss und stellen daraus den Großteil der Einlagen, während Unternehmen typischerweise Kapitalbedarf haben und Kredite benötigen. Banken fassen das Angebot und die Nachfrage einer Vielzahl von Privathaushalten und Unternehmen zusammen. Dadurch bringen sie die Unterschiede in den Volumina (Losgrößen), den Zeiträumen (Fristen), der Kapitalverfügbarkeit (Liquidität) und den Sicherungsbedürfnissen (Risiken) in Ausgleich.


Zweite Teilfunktion ist die Transaktionsabwicklung. Dazu gehört das technische Zusammenführen von Kapitalangebot und ‑nachfrage, wie es durch [[Börsen]] und die Anbieter alternativer Handelssysteme übernommen wird. Finanzintermediäre wie Banken erbringen darüber hinaus Leistungen in Bezug auf die Anbahnung, den Abschluss und die Abwicklung von Transaktionen. Dabei wenden sie standardisierte und damit kostengünstige Verfahren an.
== 2. Zuständigkeit und Verfahrensrecht ==
Die ursprüngliche Aufgabe der neuen Reichsinstanz war die Einhaltung des Landfriedens. Bei Bruch des Ewigen Landfriedens konnte der Reichsfiskal als Vertreter der kaiserlichen Rechte ein Strafverfahren gegen den Friedensbrecher einleiten. Eine solche Kompetenz stand auch dem Angegriffenen zu. Darüber hinaus judizierte das RKG als Appellationsinstanz bei der Anfechtung von Urteilen territorialer und reichsstädtischer Gerichtsinstanzen in Zivilsachen. Es entfaltete sich daraus bald eine Spruchpraxis zur Kontrolle der landesherrlichen Gerichtsbarkeit. Ferner hatte das RKG als Kontrollinstanz Jurisdiktion bei Klagen wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung durch Untergerichte sowie bei Nichtigkeitsbeschwerden gegen territoriale oder städtische Instanzen. Die bald seit Mitte des 16. Jahrhunderts in großem Umfang vom Kaiser erteilten Appellationsprivilegien limitierten zwar die Jurisdiktion des RKG als Appellationsinstanz, standen jedoch nicht Nichtigkeits- und Rechtsverweigerungsbeschwerden entgegen. Dadurch blieb dem Gericht die Möglichkeit, auch privilegierte Reichsstände der Kontrolle durch die Reichsjustiz zu unterwerfen. Die Bedeutung des RKG im politischen Gefüge des Alten Reichs liegt gerade in dieser Stellung über Territorien und Konfessionen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem den sog. Untertanenprozessen eine große verfassungshistorische Bedeutung zu. Diese meist langwierigen, oft mit Vergleichen endenden Verfahren zogen der territorialen Herrschaft reichsrechtliche Grenzen und beschränkten die obrigkeitliche Machtentfaltung im justizstaatlichen Geist. Gerade als zentrales Reichsorgan hat das RKG neben dem Reichshofrat hier für die Verfassungsordnung im Alten Reich Wesentliches bewirkt.


Die dritte Teilfunktion besteht in der Informationsintermediation, also der Informationsvermittlung zwischen Kapitalanbietern und ‑nachfragenden. Diese wird zum Teil von den Finanzintermediären im engeren Sinne erbracht, zum Teil wird sie von spezialisierten Finanzintermediären im weiteren Sinne, den Informationsintermediären, geleistet. Die Informationsintermediation ermöglicht oder unterstützt die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage und trägt allgemein zur Informationseffizienz des Finanzmarkts bei. Bei der Informationsintermediation werden vorhandene Informationen verifiziert, fehlende Informationen substituiert und Informationen im Kontext der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung evaluiert. Die wichtigsten Informationsintermediäre des Finanzmarkts sind [[Abschlussprüfer]], [[Finanzanalyst]]en und [[Rating-Agenturen]].
Die Regeln des Kameralprozesses wurzelten im gemeinrechtlichen Verfahrensrecht der geistlichen Gerichte. Sie bildeten sich schrittweise nach dem praktischen Bedarf. Die jeweiligen RKG-Ordnungen von 1500, von 1521 und schließlich von 1548/‌1555 stellen die Schwerpunkte dieser Entwicklung dar. Wesentliche Aspekte des Verfahrensrechts blieben allerdings gesetzlich ungeregelt und der Justizpraxis bzw. den „gemeinen Bescheiden“ des Gerichts überlassen. Das Verfahren war ausschließlich schriftlich. Es wurde von der Dispositionsmaxime, dem Beibringungsgrundsatz und den Regeln des schriftlichen Artikelverfahrens beherrscht. Auch das [[Beweisrecht, internationales|Beweisverfahren]] war schriftlich. Grundlage der Beweiserhebung waren die schriftlich dokumentierten Zeugenprotokolle, die den Akten beigegeben wurden. Der Kameralprozess hat die deutschen territorialen Gerichtsordnungen wesentlich beeinflusst, die dessen Verfahrensgrundsätze z.T. wörtlich übernahmen. Auch in dieser Hinsicht spielte das RKG eine wesentliche Rolle für die Durchsetzung des schriftlichen gemeinen [[Ius commune (Gemeines Recht)|Prozessrecht]]s in Deutschland.


Zentrale Erklärungsansätze für die Existenz von Finanzintermediären werden von der Transaktionskostenökonomik und der Prinzipal-Agenten-Theorie geliefert ([[Ökonomische Analyse des Europäischen Privatrechts]]). Die Erklärungsansätze sind auf Banken zugeschnitten, aber auch auf andere Finanzintermediäre übertragbar. Der Transaktionskostenökonomik liegt die realitätsnahe Annahme zugrunde, dass der Abschluss von Verträgen eigene Kosten verursacht (Transaktionskosten). Der Finanzintermediär senkt diese Kosten, indem er die Interessen einer Vielzahl von Kapitalanbietern oder ‑nachfragern bündelt und damit die Anzahl der erforderlichen Verträge reduziert. Hierbei fallen besonders aus Verbrauchersicht ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]) die Gütereigenschaften von Finanzprodukten ins Gewicht. Finanzprodukte weisen in hohem Maße Vertrauenseigenschaften auf. In Abgrenzung zu Erfahrungsgütern ist ihre relative Eignung zur Erreichung individueller Ziele nicht durch eigene Erfahrung (Konsum) beurteilbar. Das gilt vor allem bei langen Investitionshorizonten, also beispielsweise bei der privaten Altersvorsorge ([[Betriebsrenten]], [[Pensionsfonds]]). Durch ihre Wissensspezialisierung sind Finanzintermediäre in der Lage, diese Informationsschwächen der Kapitalnachfragenden zu vergleichsweise günstigen Kosten zu überwinden.
== 3. Einfluss auf die Rezeption ==
Das RKG nahm gerade wegen seiner juristisch-professionellen Besetzung von Anfang an eine zentrale Funktion ein bei der [[Rezeption]] des [[römisches Recht|römischen Recht]]s in den deutschen Territorien. Das [[Ius commune (Gemeines Recht)|''ius commune'']] galt hier gemäß der aus der spätmittelalterlichen italienischen Rechtswissenschaft übernommenen Statutentheorie allerdings nur subsidiär. Das sog. partikulare Recht, also der Normenbestand aus den Staats- und Territorialrechten, ging ihm vor. Nach der Wormser Satzung von 1495 waren die Assessoren am RKG gehalten, „nach des Reichs Gemainem Rechten, auch nach redlichen, erbern und leydenlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten …, die für sy bracht werden, … zu richten.“ Demnach sollten die dargelegten und auch bewiesenen partikularen Normen und Gewohnheiten dem römisch-kanonischen Gemeinen Recht vorgehen, das insoweit nur subsidiär galt. Die Darlegungs- und Beweislast gereichte jedoch prozessual zum Nachteil der einheimischen Rechte, die das Gericht nach der Regel „statuta stricte interpretanda sunt“ zudem einschränkend anwendete. Nur die notorischen Gewohnheitsrechte und Statuten bedurften nicht des Beweises. Wer sich auf die Normen des ''[[Corpus Juris Civilis]]'' berief, hatte dagegen eine „fundatam intentionem“. Diese prozessualen Anwendungsregeln beeinflussten tiefgreifend die Gerichtspraxis des RKG und verhalfen während des 16. Jahrhunderts zu einer zunehmend praktischen Rezeption der Regeln des römisch-gemeinen Rechts in den deutschen Territorien. Neuere Untersuchungen haben allerdings zugleich gezeigt, dass das RKG durchaus auch wichtige partikulare Rechtsordnungen gut kannte und ggfs. auch heranzog.


Ausgangspunkt der Prinzipal-Agenten-Theorie ist die Annahme, dass der Kapitalgeber (Prinzipal) die Handlungen des Kapitalnehmers (Agent) nach Vertragsschluss nicht mehr überwachen kann. Es besteht also eine Informationsasymmetrie, die der Agent dazu ausnutzen kann, absprachewidrig Profite zu eigenen Zwecken zu verbrauchen, anstatt sie an den Prinzipal weiterzuleiten. Beispiel hierfür ist die Kreditbeziehung. Für den einzelnen nicht-unternehmerisch tätigen Kreditgeber sind eigenständige Kontrollmaßnahmen im Regelfall mit prohibitiv hohen Kosten verbunden. Zudem kämen seine Kontrollanstrengungen anderen Kreditgebern zugute, ohne dass er hierfür einen Ausgleich verlangen könnte. Der Zusammenschluss mit anderen Kreditgebern ist häufig mit hohen Koordinationskosten verbunden und unterbleibt deshalb. Infolgedessen kommt es zu einer rationalen Kontrollapathie des einzelnen Prinzipals, die seine Ausbeutung durch den Agenten ermöglicht.
Die Schriftlichkeit und der mittelbare Charakter des Verfahrens im Gemeinen Prozess, sowie die kollegiale Struktur der Speyerer Gerichtsinstanz haben hier Technik und Stil der Entscheidungsfindung mitgeprägt. Im Zentrum der richterlichen Aufgabe eines Assessors am RKG stand das Verfassen einer Relation aus einer Prozessakte. Die einzelnen Produkte der Prozessparteien wurden vom Kanzleipersonal in Speyer überhaupt erst zu einem Prozessdossier zusammengestellt, wenn der Rechtsstreit als entscheidungsreif für eine Relation vor dem Kollegium anstand. Die Notwendigkeit nämlich, das Kollegialgericht über einen Prozess zu informieren, machte es erforderlich, dass ein Assessor als ''Relator'' ein Referat, eine sog. ''relatio'', zum Inhalt der schriftlichen Prozessakte anfertigte und den Kollegen vortrug. Bereits in der Kammergerichtsordnung von 1500 heißt es, „… daß in allen Sachen die Besichtigung der Acten und Gerichtshandlungen, so zu Schöpfung der Urtheile nothdürftig sind, allezeit zum wenigstens zwey Assessoren oder Urtheiler … befohlen werden, also daß jeder der zwey diesselben Acten, einer nach dem andern lesen, nothdürftig besichtigen, ermessen, und allsdann die Relation davon thun solle …“. In der Kammergerichtsordnung von 1555 hieß es noch bestimmter, „… der Cammerrichter solle die Acten … jederzeit zwey Assessoren zu referiren geben“ In den ersten Ordnungen des RKG, selbst in der sonst ausführlichen Kammergerichtsordnung von 1555, finden sich sonst keine methodischen Regelungen über die Anfertigung von Aktenrelationen. Erst im Jüngsten Reichsabschied von 1654 stößt man in den §§ 143–150 auf umfangreichere Bestimmungen, die sich auf die am RKG gehaltenen Relationen beziehen. Auch diese Vorschriften betreffen jedoch den äußerlichen Verlauf der Relation. Die materielle Ausgestaltung bei der Anfertigung von Relation und Votum blieb den Regeln aus Praxis und Tradition überlassen.


Das beschriebene Kontrollproblem besteht allgemein im Verhältnis zwischen Kapitalanbietern und ‑nachfragern. Finanzintermediäre erweisen sich vor diesem Hintergrund als kostengünstiger Überwachungsmechanismus. Zu den Überwachungsleistungen einer Bank zählt etwa die interne Prüfung der Kreditwürdigkeit und der Ertragsaussichten des Kreditnehmers. Die [[Börsen]] können durch Marktsegmentierung und spezifische Zulassungserfordernisse zu einem Wettbewerb der Emittenten um Qualität beitragen. Informationsintermediäre wie [[Abschlussprüfer]], [[Finanzanalyst]]en und [[Rating-Agenturen]] stärken dabei die Information des Anlegerpublikums. Insgesamt trägt die Finanzintermediation zu einer wohlfahrtssteigernden Allokation von Finanzmitteln bei leistungsstarken Kapitalnachfragern bei.
Bereits im 16. Jahrhundert wurden für eine solche Technik der Anfertigung einer Aktenrelation strenge Aufbauregeln entwickelt. Ein derartiger Regelkomplex stand wohl im Zusammenhang mit der methodischen Tradition der Konsiliatoren des ''mos italicus'' und mit der gemeinrechtlichen Lehrtradition jener Zeit. Dieser fand bald seinen Niederschlag in zahlreichen Anleitungsschriften zur Anfertigung einer Aktenrelation. Das Ausbildungsziel stand hier eindeutig im Vordergrund. Eine ähnliche Ausbildungsfunktion erfüllten offenbar auch die zahlreichen gedruckten Sammlungen von Relationen. Die didaktische Funktion solcher Sammlungen wird besonders deutlich, wenn man beachtet, dass gelegentlich auch sog. ''Proberelationen'' in diesen Sammlungen abgedruckt wurden. Es handelt sich dabei um Aktenrelationen, die Kandidaten für das Amt des Assessorats am RKG als Nachweis ihrer Befähigung für die richterliche Tätigkeit anzufertigen und abzuhalten hatten. Hierfür wurden meistens echte kammergerichtliche Prozessakten zugrunde gelegt. Zeugnisse einer solchen literarisch-didaktischen Tradition lassen sich bereits in der deutschen prozessrechtlichen Literatur der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nachweisen. Später wird die Anzahl dieser Anleitungsschriften unübersehbar. Die hier beschriebene Arbeitstechnik entfaltete auch in den späteren Jahrzehnten einen nachhaltigen Einfluss auf die Geschichte der deutschen Juristenausbildung. Übungen und die Technik der Aktenrelation wurden Mitte des 18. Jahrhunderts an der Universität Göttingen unterrichtet. Eine solche Tradition beobachten wir unter der Rubrik „praktische Jurisprudenz“ noch an den deutschen Universitäten des 19. Jahrhunderts: Die Relations- und Gutachtentechnik, die in der Kameralpraxis entwickelt worden war, lebte weiter in der preußischen Referendarausbildung des 18. und des 19. Jahrhunderts. Trotz der wesentlichen Vereinfachung und Veränderung der jeweiligen Arbeitsregeln erkennt man bis heute in der Ausbildung der deutschen Rechtsreferendare und Jurastudenten noch Reste dieser Anleitungstradition.


Gegenbegriff zur Finanzintermediation ist die Disintermediation. Hiermit wird die Herauslösung der traditionell von Finanzintermediären wahrgenommen Vermittlungsleistungen und ihre Verlagerung auf unmittelbar im Markt ausgeführte Transaktionen beschrieben. Das unmittelbare Kontrahieren zwischen Kapitalgebern und ‑nehmern ist aus ökonomischer Sicht sinnvoll, wenn eine Transformationsleistung durch Intermedi-äre nicht aus Gründen der Transaktionskosten, insbesondere infolge von Informationsasymmetrien erforderlich ist. Klassisches Beispiel sind insbesondere Investitionen in die auf dem Kapitalmarkt gehandelten Aktien oder Schuldverschreibungen. Die beschriebenen Gütereigenschaften von Finanzprodukten führen jedoch dazu, dass auch hier die Inanspruchnahme von Informationsintermediären nur selten verzichtbar ist. Das Verhältnis zwischen Intermediation und Disintermediation ist je nach den Eigenheiten des betreffenden Finanzraums unterschiedlich ausgeprägt. Gerade in Hinblick auf die für Verbraucher wichtige Altersvorsorge ist die Investition in Kapitalmarktprodukte in Kontinentaleuropa oder auch Japan weniger verbreitet als etwa im Vereinigten Königreich oder den USA.
==Literatur==
 
''Bettina Dick'', Die Entwicklung des Kameralprozesses nach den Ordnungen von 1495–1555, 1981; ''Filippo Ranieri'', Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption: Eine rechts- und sozialgeschichtliche Analyse der Tätigkeit des Reichskammergerichts im 16. Jahrhundert, 1985; ''Bernhard Diestelkamp'' (Hg.), Recht und Gericht im Römischen Reich, 1999; ''Peter Oestmann'', Rechtsvielfalt vor Gericht: Rechtsanwendung und Partikularrechte im Alten Reich, 2002; ''Erik Oliver Mader'', Die letzten „Priester der Gerechtigkeit“: Die Auseinandersetzung der letzten Generation von Richtern des Reichskammergerichts mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, 2005; ''Peter Oestmann'' (Hg.), Ein Zivilprozess am Reichskammergericht: Edition und Kommentar einer Gerichtsakte aus dem 18. Jahrhundert, 2008; ''Filippo Ranieri'', Entscheidungsfindung und Begründungstechnik im Kameralverfahren, in: Peter Oestmann (Hg.), Zwischen Formstrenge und Billigkeit. Forschungen zum vormodernen Zivilprozess, 2009, 165 ff.
== 3. Stand der europäischen Rechtsangleichung ==
Die europäische Rechtsangleichung ist im Bereich der Finanzintermediäre weit fortgeschritten. Vorrangiges Leitprinzip ist die gegenseitige Anerkennung: Der [[Europäischer Pass|europäische Pass]] für genehmigungspflichtige Finanzdienstleistungen erlaubt es Intermediären, die bereits in einem Mitgliedstaat zugelassen sind, ohne weitere Zulassungserfordernisse auch in einem anderen Mitgliedstaat tätig zu werden. Diese weitreichende Öffnung der nationalen Märkte wird durch eine im europäischen Wirtschaftsrecht kaum überbotene Kohärenz materieller Rechtsregeln möglich.
 
Der Aktionsplan für Finanzdienstleistungen von 1999 wurde bis 2005 umgesetzt. Zu seinen Themen gehören sämtliche Finanzintermediäre, also insbesondere Banken, sonstige Finanzdienstleister und Versicherungen. Ziel war die Schaffung eines europäischen Regelungssystems, das durch die Koordinierung der Aufsichtsbehörden rasch auf neue Herausforderungen zu reagieren vermag und die Fragmentierung des europäischen Binnenfinanzmarkts beseitigt. In Umsetzung des Aktionsplans wurden die Rechtsregeln zum Schutz der Integrität von Finanzintermediären konsolidiert und erweitert. Das Kernstück bilden die beiden Richtlinien zur [[Kapitalaufbringung und ‑erhaltung|Kapitalbildung und ‑erhaltung]] von Banken (RL 2006/48 und RL 2006/49). Zusammen mit den bereits zuvor erlassenen Richtlinien zur Mindestsicherung der privaten Einleger und Anleger (RL 94/19 und 97/9) gegen Forderungsausfälle infolge der [[Insolvenz, grenzüberschreitende|Insolvenz]] eines Finanzintermediärs soll ein umfassendes Schutzkonzept gegen Schwächen der Kapitalisierung von Finanzintermediären gewährleistet werden.
 
Einen weiteren Regelungsfokus bilden die marktlichen Verhaltenspflichten der Finanzintermediäre. Der erste von zwei besonders wichtigen Rechtsakten ist die 2003 erlassene Marktmissbrauchs-RL (RL 2003/6). Sie löst die Insider-Geschäfte-RL (RL 89/592) ab und unterstellt sämtliche Formen des Marktmissbrauchs ([[Marktmanipulation]]) einem einheitlichen Ansatz. Ein Marktmissbrauch kann hiernach nicht nur vorliegen, wenn Anleger in unangemessener Weise benachteiligt werden, weil andere Personen Informationen, die nicht öffentlich zugänglich sind, zu ihrem Vorteil oder dem eines Dritten ausnutzen ([[Insidergeschäft]]). Er kann sich auch daraus ergeben, dass auf die Kursbildung von [[Finanzinstrument]]en eingewirkt wird oder falsche oder irreführende Informationen verbreitet werden. Für Verstöße gegen die Verbotstatbestände sieht die Marktmissbrauchs-RL straf- wie verwaltungsrechtlichen Sanktionen vor und zwar sowohl für geregelte wie ungeregelte [[Märkte für Finanzinstrumente]].
 
Der zweite Rechtsakt zu den marktlichen Verhaltenspflichten ist die im Jahre 2004 verabschiedete Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID, RL 2004/39). Die MiFID ist gleich einer finanzmarktrechtlichen Verfassung konzipiert. Sie löst die Wertpapierdienstleistungs-RL (RL 93/22) ab und führt den [[Europäischer Pass|europäischen Pass]] allgemein ein. Weiter regelt sie die Ausführung von Anlegeraufträgen durch Börsen, andere Handelssysteme und Wertpapierdienstleister. Insbesondere ist derjenige Handelsplatz zu wählen, der das beste Ergebnis hinsichtlich Kosten, Wahrscheinlichkeit und Schnelligkeit der Ausführung gewährleistet (''best execution''). Die Einhaltung der ''best execution'' (und anderer MiFID-Bestimmungen) ist zu dokumentieren und den Aufsichtsbehörden nachzuweisen. Dem Kunden gegenüber sind Vorteile offenzulegen, die der Finanzintermediär für seine Vermittlungsleistung zum Beispiel vom Anbieter als sog. Rückvergütung erhält (''kick-back''). Zukunftsweisend ist die Differenzierung zwischen Verbrauchergeschäften und solchen mit „geeigneten Gegenparteien“, bei denen auf die Geltung einzelner Verhaltenspflichten verzichtet wird. Aus dem Kreis der Finanzintermediäre im weiteren Sinne spricht die MiFID die [[Finanzanalyst]]en an und unterwirft sie engmaschigen Regeln zum Umgang mit [[Interessenkonflikte]]n.
 
== 4. Regelungsfragen und ‑strukturen ==
Überspannendes Prinzip der Finanzmarktregulierung ist die untrennbare Verbindung des Marktfunktions- und des Anlegerindividualschutzes. Finanzmärkte sind zu ihrer Funktionstüchtigkeit auf ein hinreichendes Maß an Vertrauen des Anlegerpublikums angewiesen ([[Kapitalanlegerschutz]]). Theoretisch wie praktisch ist hierfür die Rollenbildung der Finanzintermediäre von Bedeutung. Finanzintermediäre nehmen in erheblichem Maß Einfluss auf den Marktzugang der Kapitalanbieter und ‑nachfrager. Das gilt für Finanzintermediäre im engeren Sinne, die durch die Auswahl von Kreditnehmern, die Vermarktung bestimmter Finanzinstrumente oder auch die Emissionsbegleitung auf die Marktaufnahme und den Handel der Finanzinstrumente Einfluss nehmen. Die Einschätzungen der Informationsintermediäre sind sodann für die öffentliche Wahrnehmung des Emittenten ausschlaggebend. Bei schlechter Beurteilung seiner Verlässlichkeit verteuert sich die Kapitalsuche um einen Risikoaufschlag oder kann gar scheitern.
 
Diese Einflussposition ist in den USA bereits in den 1980er Jahren als ''gatekeeper''-Stellung erkannt worden. Finanzintermediäre vermögen durch die Gewährung oder Versagung ihrer beruflichen Leistung Emittenten den Marktzugang zu öffnen oder zu verschließen (''gatekeeping''). Ihrer Einflussposition entsprechend sollen ihnen Pflichten zugewiesen werden können, die funktional der Unterstützung aufsichtsbehördlicher Aufgaben dienen können. In Europa hat die ''gatekeeper''-Theorie, soweit ersichtlich, bislang keine umfassende rechtsstheoretische Einbettung erfahren. In der Sache finden sich ihre Grundannahmen aber etwa in dem europäisch zu weiten Teilen vereinheitlichten Recht der Abschlussprüfung ([[Abschlussprüfer]]). Emittenten sind verpflichtet, jährlich ein Testat des Abschlussprüfers zur Ordnungsgemäßheit ihrer Rechnungslegung einzuholen. Durch die Möglichkeit des Abschlussprüfers, das Testat zulasten der öffentlichen Wahrnehmung des Emittenten einzuschränken, werden die Erfolgsaussichten der Kapitalsuche der Beurteilung durch einen privaten Dritten unterworfen, der im öffentlichen Interesse tätig wird. Rechtstatsächlich vergleichbare Wirkungen kommen den Urteilen der [[Rating-Agenturen]] und [[Finanzanalyst]]en zu. Es stellt sich demgemäß die Frage, ob und wie auch die Tätigkeit dieser Informationsintermediäre stärker als bisher regulatorisch nutzbar gemacht werden kann und sollte.


Die vertiefte Auseinandersetzung mit der Rolle der Finanzintermediäre ist auch im Zusammenhang mit der ''[[Corporate Governance]]'' börsennotierter Unternehmen angezeigt. In Kontinentaleuropa nehmen Banken traditionell stärkeren Einfluss auf die gesellschaftsinternen Leitungs- und Überwachungsentscheidungen als in den USA oder dem Vereinigten Königreich. Insbesondere in Deutschland waren Bankenvertreter häufig im [[Aufsichtsrat/Board/Vorstand|Aufsichtsrat]] der Unternehmen vertreten. Die damit verbundenen [[Interessenkonflikte]] und Haftungsgefahren führten in den letzten Jahren zu einem Rückzug der Bankenvertreter aus den Aufsichtsräten. Damit einher ging die weitgehende Aufgabe der Eigenbeteiligungen von Banken. Mit der Rückbesinnung der Banken auf ihr Kerngeschäft kommt es zu einem Paradigmenwechsel bei der Unternehmensüberwachung. Indirekt führt dies zu einer Steigerung der Bedeutung von Finanzintermediären im weiteren Sinne, denn ihre Informationsdienstleistungen sind für eine verstärkte marktliche Kontrolle der Emittenten von kaum zu unterschätzender Bedeutung.
==Quellen==
 
Kammergerichtsordnung von 1500, Tit. 18; wiederholt in der Kammergerichtsordnung von 1555, Teil I, Tit.13, § 9; Kammergerichtsordnung von 1555, Theil 1, Tit. 10, § 4; H.E. Rosencorb (Rosacorb), Syntagma observationum practicarum recentiorum in supremis Germaniae tribunalibus, Mühlhausen 1605, Frankfurt a.M. 1646, Kap. 2, 2 ff.: „methodus referendi, seu vota concipiendi“; Tractatus methodicus processi Camerae Imperialis, in: Symphorema Consultationibus, I, Frankfurt a.M. 1601, 70 ff.: „methodus referendi causas in iudicio“.
== 5. Vereinheitlichungsprojekte und ‑perspektiven ==
Die europäischen Vereinheitlichungsprojekte und ‑perspektiven der nahen Zukunft werden von der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]] in dem 2005 veröffentlichten Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik 2005-2010 dargelegt. Die drei wesentlichen Ziele setzen den Weg des Finanzmarktaktionsplans von 1999 fort. Sie betreffen erstens die Um- und Durchsetzung und ständigen Bewertung bestehender Gesetzgebung mit strengen Folgenabschätzungen und gründlichen Konsultationen bei künftigen Reforminitiativen. Zweitens sollen die noch vorhandenen Beschränkungen der Marktintegration überwunden werden. In diesem Zusammenhang sollen drittens die aufsichtsrechtliche Zusammenarbeit und Konvergenz in der [[Europäische Union|Europäischen Union]] verbessert, die Beziehungen mit anderen globalen Finanzplätzen und die Stärkung des europäischen Einflusses weltweit intensiviert werden.
 
Die zuletzt angesprochene Stärkung der globalen Präsenz des [[Europäischer Binnenmarkt|europäischen Binnenmarkts]] weist vor allem in Richtung einer Intensivierung des transatlantischen Dialogs. Das internationale Kapitalmarktgeschehen ist in weiten Teilen durch den Finanzmarkt der USA bestimmt oder beeinflusst. Das rasche volkswirtschaftliche Wachstum in Asien, insbesondere in China, legt auch unabhängig davon nahe, die mit Japan bereits verfestigte europäisch-asiatische Kommunikation auszubauen.
 
Zentrale Frage der europäischen Finanzmarktintegration ist die nach dem Erfordernis einer gemeinsamen [[Aufsicht über Finanzdienstleistungen]]. Eine eindeutige Antwort ist wegen der unterschiedlichen finanzmarktlichen Interaktionsprozessen kaum möglich. Grundlegende Unterschiede bestehen etwa in der Funktionsweise der Selbstregulierung. In der ''City of London'' haben ''Codes of Conduct'' ([[Private Rechtsetzung und Codes of Conduct|Private Rechtsetzung und ''Codes of Conduct'']]) etwa im Bereich des [[Übernahmerecht]]s zu beachtlichen Erfolgen geführt. In anderen Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, erwies sich die Selbstregulierung häufig als deutlich weniger erfolgreich. Dem Weißbuch der Europäischen Kommission von 2005 zufolge soll deshalb zunächst der Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden und die Koordination ihrer Maßnahmen verbessert werden.
 
Schrittmacher der Rechtsvereinheitlichung und Rechtspraxis ist die ''International Organization of Securities Commissions'' (IOSCO). Die IOSCO ist 1983 aus einer neun Jahre zuvor gegründeten und zunächst noch nicht international agierenden Organisation hervorgegangen. Heute gehören ihr Vertreter zahlreicher nationaler Finanzmarktaufsichtsbehörden an. Ihr ständiger Arbeitsfokus besteht in der Beobachtung und Fortbildung international bewährter Handelspraktiken (''best practice'') und deren Übersetzung in konkrete Maßnahmen, die ein rechtskonformes Verhalten der Finanzintermediäre sicherstellen (''compliance''). Beispiel für den Einfluss auf die europäische Regelsetzung sind die im Frühjahr 2009 in zwingendes Recht überführten Empfehlungen der IOSCO zum Wohlverhalten der [[Rating-Agenturen]].
 
Die internationale Praxis beeinflusst aber auch das Recht der Finanzintermediäre im engeren Sinne. Beobachtbar war dies in den letzten Jahren etwa im Zusammenhang mit den Interessenwahrungspflichten bei Emissionsbegleitungen. Der Finanzintermediär hat hierbei das Interesse des Emittenten an der Kapitalbeschaffung, die Interessen der Anleger an fairer Zuteilung und Preisbildung und nicht zuletzt die eigenen Vertriebsinteressen in Ausgleich zu bringen. Das Trennbankensystem, das Interessenkonflikte durch die Leistungsinkompatibilität von Kredit- und Emissionsgeschäft vermeidet, konnte sich international nicht durchsetzen. Mit dem Wegfall des US-amerikanischen ''Glass-Steagall Act'' im Jahre 1999 verlor es seinen wichtigsten Repräsentanten. Im heute vorherrschenden Universalbankensystem, wie es z.B. in Deutschland seit jeher betrieben wird, sind demgemäß organisatorische Maßnahmen zur Konfliktprävention und ‑behandlung zu treffen.
 
In diesem Zusammenhang empfiehlt die IOSCO seit 2007 u.a. die Abstandnahme von der Emissionsbegleitung, wenn dem Intermediär eine Darlehensforderung gegen den Emittenten zusteht, die ohne den Emissionserlös nicht zu befriedigen wäre. In einigen Rechtsordnungen, darunter Deutschland, hat eine so weitreichende Abstandnahmepflicht bislang keine allgemein-zivilrechtliche Verfestigung erfahren. Das Recht der Finanzintermediäre trägt damit, vermittelt über internationale Vereinheitlichungsbemühungen, zur Integration des europäischen Privatrechts insgesamt bei.
 
==Literatur==
''Klaus J''.'' Hopt'', Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975; ''Douglas W''.'' Diamond'', Financial Intermediation and Delegated Monitoring, The Review of Economic Studies 51 (1984) 393 ff.; ''Ram T''.''S''.'' Ramakrishnan'','' Anjan V''.'' Thakor'', Information Reliability and a Theory of Financial Intermediation, The Review of Economic Studies 51 (1984) 415 ff.; ''Reinier R''. ''Kraakman'','' ''Gatekeepers, Journal of Law, Economics & Organization 2 (1986) 53 ff.; ''Niamh Moloney'','' ''EC Securities Regulation, 2. Aufl. 2008; ''Anton K''.'' Schnyder'', Europäisches Banken- und Versicherungsrecht, 2005; ''John C''.'' Coffee'','' ''Gatekeepers, 2006; ''Guido Ferrarini'','' Eddy Wymeersch ''(Hg.), Investor Protection in Europe, 2006; ''Jochen Bigus'','' Patrick C''.'' Leyens'', Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, 2008; ''Christoph Kumpan'', ''Patrick C''.'' Leyens'','' ''Conflicts of Interest of Financial Intermediaries, European Company and Financial Law Review 2008, 72 ff.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Financial_Intermediary]]
[[en:Reichskammergericht_(Imperial_Chamber_Court)]]

Aktuelle Version vom 28. September 2021, 18:51 Uhr

von Filippo Ranieri

1. Institutionelle Verortung

Das Reichskammergericht (RKG) war seit seiner Gründung im Jahre 1495 bis zu seiner Auflösung 1806 neben dem Reichshofrat die oberste Gerichtsinstanz im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Nach langen Verhandlungen zwischen Kaiser Maximilian I. und den Reichsständen, insbesondere mit deren Wortführer, dem Mainzer Erzbischof und Reichserzkanzler Berthold von Henneberg, wurde auf dem Reichstag zu Worms im Jahre 1495 die Gründung einer örtlich vom Kaiser unabhängigen Gerichtsinstanz beschlossen. Deren Name knüpfte an das bereits seit über 100 Jahren bestehende Königliche Kammergericht an. Es handelte sich aber um eine neue Reichsinstitution. Die Errichtung des RKG stellt den zentralen Punkt einer umfassenden, aber nur z.T. verwirklichten Reichsreform dar. Die Einrichtung einer solchen Gerichtsinstanz diente vor allem als Ausgleich für das ebenfalls in Worms 1495 ausgesprochene endgültige Fehdeverbot und den proklamierten Ewigen Landfrieden. Als Richter sollten nach der ursprünglichen Vorstellung bei der Reichsreform je zur Hälfte Adelige und gelehrte Juristen fungieren. Relativ rasch stellte sich jedoch heraus, dass auch die adeligen Assessoren ihre Aufgabe nicht ohne ein fundiertes Rechtsstudium bewältigen konnten. Die ursprünglich noch an das frühere Königliche Kammergericht anknüpfende Organisation wurde in den darauf folgenden Jahrzehnten sukzessiv durch Reichsabschiede erweitert. Der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nach den Wirren der Reformation und der Religionsprozesse unter Berücksichtigung der konfessionellen Parität erreichte Zustand blieb im Wesentlichen bis zum Ende des Alten Reichs (1806) erhalten. Nach den ersten Jahren der Wanderschaft und der Unterbrechung seiner Tätigkeit fand das Gericht 1527 in Speyer seinen endgültigen Sitz. Ende des 17. Jahrhunderts floh das Gerichtspersonal aus Speyer vor den französischen Truppen. Nach einer jahrelangen Unterbrechung fand das RKG in der kleinen Reichsstadt Wetzlar einen Sitz, wo es bis zum Ende des Alten Reichs tätig blieb.

Die juristische Kompetenz der Assessoren stellte bald deren einziges Qualifikationserfordernis dar. Die Reformen des jüngsten Reichsabschiedes von 1654 und der beiden letzten Visitationen Mitte des 18. Jahrhunderts galten dem Prozess und dem Geschäftsgang und weniger der Gerichtsverfassung. Die Kammerrichter wurden vom Kaiser berufen. Seit 1507 bestand daneben die Befugnis und die Pflicht der Reichsstände, geeignete Kandidaten als Assessoren aufzubieten. Die Präsentationsberechtigten hatten dem Plenum des Gerichts nach Bekanntwerden der Vakanz des ihnen zugeordneten Assessorats mehrere qualifizierte Persönlichkeiten vorzuschlagen. Aus diesen wählte das Plenum des Gerichts seit Mitte des 16. Jahrhunderts den neuen Assessor aus, in der Regel nach der Abhaltung einer Qualifikationsprüfung in Form einer Proberelation.

2. Zuständigkeit und Verfahrensrecht

Die ursprüngliche Aufgabe der neuen Reichsinstanz war die Einhaltung des Landfriedens. Bei Bruch des Ewigen Landfriedens konnte der Reichsfiskal als Vertreter der kaiserlichen Rechte ein Strafverfahren gegen den Friedensbrecher einleiten. Eine solche Kompetenz stand auch dem Angegriffenen zu. Darüber hinaus judizierte das RKG als Appellationsinstanz bei der Anfechtung von Urteilen territorialer und reichsstädtischer Gerichtsinstanzen in Zivilsachen. Es entfaltete sich daraus bald eine Spruchpraxis zur Kontrolle der landesherrlichen Gerichtsbarkeit. Ferner hatte das RKG als Kontrollinstanz Jurisdiktion bei Klagen wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung durch Untergerichte sowie bei Nichtigkeitsbeschwerden gegen territoriale oder städtische Instanzen. Die bald seit Mitte des 16. Jahrhunderts in großem Umfang vom Kaiser erteilten Appellationsprivilegien limitierten zwar die Jurisdiktion des RKG als Appellationsinstanz, standen jedoch nicht Nichtigkeits- und Rechtsverweigerungsbeschwerden entgegen. Dadurch blieb dem Gericht die Möglichkeit, auch privilegierte Reichsstände der Kontrolle durch die Reichsjustiz zu unterwerfen. Die Bedeutung des RKG im politischen Gefüge des Alten Reichs liegt gerade in dieser Stellung über Territorien und Konfessionen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem den sog. Untertanenprozessen eine große verfassungshistorische Bedeutung zu. Diese meist langwierigen, oft mit Vergleichen endenden Verfahren zogen der territorialen Herrschaft reichsrechtliche Grenzen und beschränkten die obrigkeitliche Machtentfaltung im justizstaatlichen Geist. Gerade als zentrales Reichsorgan hat das RKG neben dem Reichshofrat hier für die Verfassungsordnung im Alten Reich Wesentliches bewirkt.

Die Regeln des Kameralprozesses wurzelten im gemeinrechtlichen Verfahrensrecht der geistlichen Gerichte. Sie bildeten sich schrittweise nach dem praktischen Bedarf. Die jeweiligen RKG-Ordnungen von 1500, von 1521 und schließlich von 1548/‌1555 stellen die Schwerpunkte dieser Entwicklung dar. Wesentliche Aspekte des Verfahrensrechts blieben allerdings gesetzlich ungeregelt und der Justizpraxis bzw. den „gemeinen Bescheiden“ des Gerichts überlassen. Das Verfahren war ausschließlich schriftlich. Es wurde von der Dispositionsmaxime, dem Beibringungsgrundsatz und den Regeln des schriftlichen Artikelverfahrens beherrscht. Auch das Beweisverfahren war schriftlich. Grundlage der Beweiserhebung waren die schriftlich dokumentierten Zeugenprotokolle, die den Akten beigegeben wurden. Der Kameralprozess hat die deutschen territorialen Gerichtsordnungen wesentlich beeinflusst, die dessen Verfahrensgrundsätze z.T. wörtlich übernahmen. Auch in dieser Hinsicht spielte das RKG eine wesentliche Rolle für die Durchsetzung des schriftlichen gemeinen Prozessrechts in Deutschland.

3. Einfluss auf die Rezeption

Das RKG nahm gerade wegen seiner juristisch-professionellen Besetzung von Anfang an eine zentrale Funktion ein bei der Rezeption des römischen Rechts in den deutschen Territorien. Das ius commune galt hier gemäß der aus der spätmittelalterlichen italienischen Rechtswissenschaft übernommenen Statutentheorie allerdings nur subsidiär. Das sog. partikulare Recht, also der Normenbestand aus den Staats- und Territorialrechten, ging ihm vor. Nach der Wormser Satzung von 1495 waren die Assessoren am RKG gehalten, „nach des Reichs Gemainem Rechten, auch nach redlichen, erbern und leydenlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten …, die für sy bracht werden, … zu richten.“ Demnach sollten die dargelegten und auch bewiesenen partikularen Normen und Gewohnheiten dem römisch-kanonischen Gemeinen Recht vorgehen, das insoweit nur subsidiär galt. Die Darlegungs- und Beweislast gereichte jedoch prozessual zum Nachteil der einheimischen Rechte, die das Gericht nach der Regel „statuta stricte interpretanda sunt“ zudem einschränkend anwendete. Nur die notorischen Gewohnheitsrechte und Statuten bedurften nicht des Beweises. Wer sich auf die Normen des Corpus Juris Civilis berief, hatte dagegen eine „fundatam intentionem“. Diese prozessualen Anwendungsregeln beeinflussten tiefgreifend die Gerichtspraxis des RKG und verhalfen während des 16. Jahrhunderts zu einer zunehmend praktischen Rezeption der Regeln des römisch-gemeinen Rechts in den deutschen Territorien. Neuere Untersuchungen haben allerdings zugleich gezeigt, dass das RKG durchaus auch wichtige partikulare Rechtsordnungen gut kannte und ggfs. auch heranzog.

Die Schriftlichkeit und der mittelbare Charakter des Verfahrens im Gemeinen Prozess, sowie die kollegiale Struktur der Speyerer Gerichtsinstanz haben hier Technik und Stil der Entscheidungsfindung mitgeprägt. Im Zentrum der richterlichen Aufgabe eines Assessors am RKG stand das Verfassen einer Relation aus einer Prozessakte. Die einzelnen Produkte der Prozessparteien wurden vom Kanzleipersonal in Speyer überhaupt erst zu einem Prozessdossier zusammengestellt, wenn der Rechtsstreit als entscheidungsreif für eine Relation vor dem Kollegium anstand. Die Notwendigkeit nämlich, das Kollegialgericht über einen Prozess zu informieren, machte es erforderlich, dass ein Assessor als Relator ein Referat, eine sog. relatio, zum Inhalt der schriftlichen Prozessakte anfertigte und den Kollegen vortrug. Bereits in der Kammergerichtsordnung von 1500 heißt es, „… daß in allen Sachen die Besichtigung der Acten und Gerichtshandlungen, so zu Schöpfung der Urtheile nothdürftig sind, allezeit zum wenigstens zwey Assessoren oder Urtheiler … befohlen werden, also daß jeder der zwey diesselben Acten, einer nach dem andern lesen, nothdürftig besichtigen, ermessen, und allsdann die Relation davon thun solle …“. In der Kammergerichtsordnung von 1555 hieß es noch bestimmter, „… der Cammerrichter solle die Acten … jederzeit zwey Assessoren zu referiren geben“ In den ersten Ordnungen des RKG, selbst in der sonst ausführlichen Kammergerichtsordnung von 1555, finden sich sonst keine methodischen Regelungen über die Anfertigung von Aktenrelationen. Erst im Jüngsten Reichsabschied von 1654 stößt man in den §§ 143–150 auf umfangreichere Bestimmungen, die sich auf die am RKG gehaltenen Relationen beziehen. Auch diese Vorschriften betreffen jedoch den äußerlichen Verlauf der Relation. Die materielle Ausgestaltung bei der Anfertigung von Relation und Votum blieb den Regeln aus Praxis und Tradition überlassen.

Bereits im 16. Jahrhundert wurden für eine solche Technik der Anfertigung einer Aktenrelation strenge Aufbauregeln entwickelt. Ein derartiger Regelkomplex stand wohl im Zusammenhang mit der methodischen Tradition der Konsiliatoren des mos italicus und mit der gemeinrechtlichen Lehrtradition jener Zeit. Dieser fand bald seinen Niederschlag in zahlreichen Anleitungsschriften zur Anfertigung einer Aktenrelation. Das Ausbildungsziel stand hier eindeutig im Vordergrund. Eine ähnliche Ausbildungsfunktion erfüllten offenbar auch die zahlreichen gedruckten Sammlungen von Relationen. Die didaktische Funktion solcher Sammlungen wird besonders deutlich, wenn man beachtet, dass gelegentlich auch sog. Proberelationen in diesen Sammlungen abgedruckt wurden. Es handelt sich dabei um Aktenrelationen, die Kandidaten für das Amt des Assessorats am RKG als Nachweis ihrer Befähigung für die richterliche Tätigkeit anzufertigen und abzuhalten hatten. Hierfür wurden meistens echte kammergerichtliche Prozessakten zugrunde gelegt. Zeugnisse einer solchen literarisch-didaktischen Tradition lassen sich bereits in der deutschen prozessrechtlichen Literatur der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nachweisen. Später wird die Anzahl dieser Anleitungsschriften unübersehbar. Die hier beschriebene Arbeitstechnik entfaltete auch in den späteren Jahrzehnten einen nachhaltigen Einfluss auf die Geschichte der deutschen Juristenausbildung. Übungen und die Technik der Aktenrelation wurden Mitte des 18. Jahrhunderts an der Universität Göttingen unterrichtet. Eine solche Tradition beobachten wir unter der Rubrik „praktische Jurisprudenz“ noch an den deutschen Universitäten des 19. Jahrhunderts: Die Relations- und Gutachtentechnik, die in der Kameralpraxis entwickelt worden war, lebte weiter in der preußischen Referendarausbildung des 18. und des 19. Jahrhunderts. Trotz der wesentlichen Vereinfachung und Veränderung der jeweiligen Arbeitsregeln erkennt man bis heute in der Ausbildung der deutschen Rechtsreferendare und Jurastudenten noch Reste dieser Anleitungstradition.

Literatur

Bettina Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses nach den Ordnungen von 1495–1555, 1981; Filippo Ranieri, Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption: Eine rechts- und sozialgeschichtliche Analyse der Tätigkeit des Reichskammergerichts im 16. Jahrhundert, 1985; Bernhard Diestelkamp (Hg.), Recht und Gericht im Römischen Reich, 1999; Peter Oestmann, Rechtsvielfalt vor Gericht: Rechtsanwendung und Partikularrechte im Alten Reich, 2002; Erik Oliver Mader, Die letzten „Priester der Gerechtigkeit“: Die Auseinandersetzung der letzten Generation von Richtern des Reichskammergerichts mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, 2005; Peter Oestmann (Hg.), Ein Zivilprozess am Reichskammergericht: Edition und Kommentar einer Gerichtsakte aus dem 18. Jahrhundert, 2008; Filippo Ranieri, Entscheidungsfindung und Begründungstechnik im Kameralverfahren, in: Peter Oestmann (Hg.), Zwischen Formstrenge und Billigkeit. Forschungen zum vormodernen Zivilprozess, 2009, 165 ff.

Quellen

Kammergerichtsordnung von 1500, Tit. 18; wiederholt in der Kammergerichtsordnung von 1555, Teil I, Tit.13, § 9; Kammergerichtsordnung von 1555, Theil 1, Tit. 10, § 4; H.E. Rosencorb (Rosacorb), Syntagma observationum practicarum recentiorum in supremis Germaniae tribunalibus, Mühlhausen 1605, Frankfurt a.M. 1646, Kap. 2, 2 ff.: „methodus referendi, seu vota concipiendi“; Tractatus methodicus processi Camerae Imperialis, in: Symphorema Consultationibus, I, Frankfurt a.M. 1601, 70 ff.: „methodus referendi causas in iudicio“.

Abgerufen von Finanzintermediär – HWB-EuP 2009 am 26. April 2024.

Nutzungshinweise

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