Verbrauchsgüterkauf

Aus HWB-EuP 2009
Version vom 31. August 2021, 18:08 Uhr von Admin (Diskussion | Beiträge) (1 Version importiert)

von Hannes Rösler

1. Gegenstand und Zweck

Zur Stärkung des Verbrauchervertrauens in den auszubauenden europäischen Binnenmarkt harmonisiert die Verbrauchsgüterkauf-RL (RL 1999/44) den Kauf von Waren zum privaten Konsum von beruflichen und gewerblichen Verkäufern. Mit Umsetzungsfrist zum 1.1.2002 prägt die Richtlinie Teile der mitgliedstaatlichen Gewährleistungsrechte durch die Etablierung eines gemeinsamen kaufrechtlichen Mindestsockels zugunsten des Verbrauchers (Grundsatz der Mindestharmonisierung, Art. 8(2) Verbrauchsgüterkauf-RL). Die Konsumenten sollen effektiven und effizienzsteigernden Gebrauch machen von der infolge Marktöffnung, Fernverkehr und ‑kommunikation erweiterten Angebotsvielfalt. Die Richtlinie geht von einem aktiven Verbraucher aus, der EU-weit unter Nutzung der Grundfreiheiten agiert. Er bedarf damit entsprechenden Schutzes – unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat er Geschäfte tätigt. Darum werden auch rein innerstaatliche Verträge erfasst, so wie es für die Richtlinien im Verbraucherrecht kennzeichnend ist.

Jedoch zielt der Rechtsakt zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter nicht allein auf die Wahrung ökonomischer Interessen beim wichtigsten sämtlicher Verbrauchergeschäfte. Zugleich wird auch die Produktqualität und ‑sicherheit erhöht, indem die berechtigten Verbrauchererwartungen geschützt werden. Anders als die Klausel-RL (RL 93/13) weist die Richtlinie keine schwache, rein hinweisgebende „graue“ Anhangliste auf. Der bislang wichtigsten privatrechtlichen Richtlinie mit weitgehend zwingenden Regelungen kommt eine systembildende Bedeutung für die Fortentwicklung des europäischen Vertragsrechts zu. Da sie Letzteres mit dem UN-Kaufrecht (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)) gemein hat, wird nachfolgend auf die angesichts der unterschiedlichen Anwendungsbereiche überraschenden Parallelen hingewiesen.

2. Regelungsgehalt der Verbrauchsgüterkauf-RL (im Vergleich zum CISG)

a) Anwendungsbereich

Der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie wird durch die Begriffe des Verbrauchers und gewerblichen Verkäufers festgelegt (Art. 1(2)(a) und (c) Verbrauchsgüterkauf-RL), wobei das Begriffspaar den allgemeinen Definitionen von Verbraucher und Gewerbetreibendem entspricht (Verbraucher und Verbraucherschutz). In sachlicher Hinsicht sind Kauf- und auch „Werklieferungsverträge“ erfasst (s. Art. 1(4), 2(3) 3. Alt. Verbrauchsgüterkauf-RL; ebenfalls gleichstellend: Art. 3(1) CISG). Beim Vertragsgegenstand der „Verbrauchsgüter“ handelt es sich nach Art. 1(2)(b) Verbrauchsgüterkauf-RL – ähnlich weitgefasst wie § 90 BGB – schlicht um bewegliche körperliche Gegenstände. Ausgenommen sind Waren aus Zwangsversteigerungen sowie Energie, aber auch Wasser aus Leitungen (weitgehend in Übereinstimmung mit Art. 2(c) und (f) CISG).

b) Begriff der Vertragsgemäßheit

Zentraler Ansatzpunkt der Verkäuferhaftung ist die „Vertragsgemäßheit“ der Kaufsache. Erwägungsgrund 7 Verbrauchsgüterkauf-RL erklärt dazu zwar nur knapp, es handele sich um ein gemeinsames Grundelement der verschiedenen Rechtstraditionen. Ausführlicher nimmt das Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst Stellung (KOM (93) 509 endg.), das die besondere Beachtung des niederländischen (Art. 7:17 BW), nordischen und englischen Rechts verdeutlicht. Offen beabsichtigt ist zudem die Anlehnung an das UN-Kaufrecht. Dies gilt sowohl beim Konzept eines einheitlichen Vertragsbruchstatbestands (der also nicht nach der Art der Vertragswidrigkeit differenziert) als auch bei den Einzelheiten.

Zur Beurteilung der Vertragsgemäßheit hat die ausdrückliche Parteiabrede über die Sollbeschaffenheit Vorrang. Fehlt es hieran, wird die Vertragsgemäßheit beweiserleichternd nach den kumulativen Gesichtspunkten des Art. 2(2) Verbrauchsgüterkauf-RL vermutet: So in subjektiver Hinsicht, wenn die Ware mit der vom Verkäufer gegebenen Beschreibung und den vorgelegten Proben und Mustern übereinstimmt (a) oder sie sich für einen bestimmten vom Verbraucher angestrebten Zweck eignet, der dem Verkäufer zustimmend zur Kenntnis gebracht wurde (b). (Die Ausnahme des fehlenden Vertrauens bzw. Vertrauendürfens des Käufers in die Sachkunde des Verkäufers nach Art. 35(2)(b) 2. Halbsatz CISG wurde dagegen nicht übernommen.) Unter objektiven Gesichtspunkten wird die Vertragsgemäßheit vermutet, sofern sich die Ware für die Zwecke eignet, die für Güter der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden (c) oder sie eine Qualität und Leistung aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich sind und die vom Verbraucher vernünftigerweise erwartet werden können (d).

Dies ist mit Art. 35(2) CISG praktisch identisch. Allerdings kommt es nach UN-Kaufrecht auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs an, während die Richtlinie auf den unbestimmten Zeitpunkt der „Lieferung“ abstellt. Zudem sind hier zwei Innovationen enthalten: Erstens wird die Vertragsgemäßheit einer Kaufsache nach Art. 2 (2)(d) i.V.m. (4) Verbrauchsgüterkauf-RL auch durch Werbung oder Etikettierung des Verkäufers, Herstellers oder seines Vertreters bestimmt. Sie muss dazu notwendigerweise ernst zu nehmen und sachbezogen sein. Zweitens hat der Käufer Ansprüche wegen Vertragswidrigkeit, wenn der Mangel aufgrund unsachgemäßer Montage bzw. falscher oder unzureichender Montageanleitung erst nach Lieferung entstanden ist (sog. Ikea-Bestimmung in Art. 2(5) Verbrauchsgüterkauf-RL). Eine Regelung über unzureichende Verpackung wie in Art. 35(2)(d) CISG weist die Richtlinie nicht auf.

c) Rechtsbehelfe und Zwei-Jahres-Frist

Im Fall der Vertragswidrigkeit bestehen auf zwei Stufen je zwei Rechtsbehelfe. Vorrangig kann der Verbraucher nach Art. 3(2), (3) Verbrauchsgüterkauf-RL Nachbesserung oder Ersatzlieferung innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten verlangen (Nacherfüllung). (Das englische Recht musste darum in sec. 48E Abs. 2 Sale of Goods Act 1979 die specific performance erlauben.) Eingeschränkt wird das Wahlrecht durch die Befugnis des Verkäufers, eine der beiden Abhilfeformen wegen Unverhältnismäßigkeit (Kosten) oder Unmöglichkeit zu verweigern (vgl. Art. 49 CISG). Zur zweiten Stufe kommt es nur unter erschwerten Umständen. Dazu muss die – für den Verbraucher unentgeltliche – Herstellung des vertragskonformen Zustands des Verbrauchsgutes in jeder der beiden Formen unmöglich sein oder sich insgesamt als objektiv unverhältnismäßig erweisen; oder der Verkäufer schafft nicht innerhalb einer angemessenen Frist ohne erhebliche Unannehmlichkeiten Abhilfe. Dann hat der Verbraucher Anspruch auf eine angemessene Minderung des Kaufpreises nach Art. 3(5) Verbrauchsgüterkauf-RL. Vertragsauflösung mit möglicherweise komplizierter Rückgängigmachung der Leistungen kann er nur im Fall einer nicht geringfügigen Vertragswidrigkeit verlangen (Art. 3(6) Verbrauchsgüterkauf-RL). Dies ist Ausdruck der vertragserhaltenden und insoweit kostenreduzierenden Grundtendenz der Richtlinie, die sich ebenfalls in der Wiener Konvention findet (Art. 49 CISG). Allerdings sieht die Richtlinie für den Übergang von der ersten Stufe zur zweiten keine Nachfristsetzung vor, was einen Unterschied zu Art. 47 CISG und auch § 323 BGB darstellt (Nichterfüllung).

Eine weitere Vorgabe ist die Zwei-Jahres-Frist nach Lieferung des Verbrauchsgutes, in welcher der Verkäufer dem Verbraucher für eine Vertragswidrigkeit haftet (Art. 5(1) Verbrauchsgüterkauf-RL). Zeigt sich die Vertragswidrigkeit innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung, ist zu vermuten, sie habe schon zu diesem entscheidenden Zeitpunkt bestanden. Eine solche dem UN-Kaufrecht fremde Regel ist angesichts der teils hochtechnisierten Verbrauchsgüter sinnvoll. Für die restlichen 18 Monate gilt wieder die klassische Beweislast des Käufers, und zwar nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Rechts. Die somit auf ein halbes Jahr befristete Beweislastumkehr nach Art. 5(3) Verbrauchsgüterkauf-RL kommt dem Käufer ohnehin nicht zugute, wenn sie mit der Art des Gutes oder der Vertragswidrigkeit unvereinbar ist. Zwar besteht im Unterschied zum Handelskauf keine Untersuchungsobliegenheit des Verbrauchers. Hatte der Verbraucher aber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von der Vertragswidrigkeit oder konnte er darüber vernünftigerweise nicht in Unkenntnis sein, ist eine Haftung gemäß Art. 2(3) Verbrauchsgüterkauf-RL ausgeschlossen – insoweit genau wie bei Art. 35(3) CISG.

d) Garantiezusagen

Des Weiteren schreibt Art. 6 Verbrauchsgüterkauf-RL die Transparenz und Haftung bei Garantiezusagen vor. Solche Zusagen sind abzugrenzen von Garantien, die gegen Bezahlung oder von Dritten (z.B. Versicherungen) abgegeben werden. Erfasst sind nur ohne Aufpreis eingegangene Verpflichtungen des Verkäufers oder Herstellers, den Kaufpreis zu erstatten, das Verbrauchsgut zu ersetzen oder nachzubessern oder anderweitig Abhilfe zu schaffen (Art. 1(2)(e) Verbrauchsgüterkauf-RL). Die Garantie ist für den Verwender gemäß den in der Garantieerklärung und der einschlägigen Werbung angegebenen Bedingungen bindend (Art. 6(1) Verbrauchsgüterkauf-RL). Die Garantieerklärung hat in einfachen und verständlichen Formulierungen den Inhalt, die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers anzugeben. Klarzustellen ist außerdem, dass die vertragsrechtliche Garantie die gesetzlichen Rechte nicht berührt (Art. 6(2) Verbrauchsgüterkauf-RL). Bei verbraucherseitigem Verlangen muss die Garantie textlich zur Verfügung gestellt werden (Art. 6(3) Verbrauchsgüterkauf-RL). Zur Verhinderung von Umgehungen sind Garantien auch dann bindend, wenn diese Anforderungen nicht erfüllt wurden (Art. 6(5) Verbrauchsgüterkauf-RL). Sanktionen sind nur außerhalb der Richtlinie denkbar, insbesondere lauterkeitsrechtliche. Zu bedenken ist auch das Transparenzgebot nach Art. 5 S. 1 Klausel-RL (RL 93/13).

e) Sonstige Vorschriften

Klauseln oder Vereinbarungen, welche die in der Richtlinie gewährten Rechte außer Kraft setzen oder einschränken, sind für den Verbraucher nicht bindend (Art. 7(1)1 Verbrauchsgüterkauf-RL). Nicht zuletzt aufgrund deutscher Bemühungen bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, im Fall von gebrauchten Gütern den Vertragsparteien zu gestatten, eine kürzere Einstandsfrist als die zweijährige zu vereinbaren. Dabei darf allerdings ein Jahr nicht unterschritten werden (Art. 7(1)2 und 3 Verbrauchsgüterkauf-RL sowie § 475 Abs. 2 BGB). Für Waren „aus zweiter Hand“ besteht damit im Fall eines gewerbsmäßigen Händlers für den Verbraucher eine einjährige Minimumgewährleistung. Damit ist im Fall des Verbraucher-Unternehmer-Geschäfts, z.B. bei Gebrauchtwagen, kein „gekauft wie besehen“ mehr möglich. Die Unabdingbarkeit dieses Mindestsockels ist vor allem in Deutschland heftig als übertriebener protektionistischer Eingriff in die Vertragsfreiheit kritisiert worden.

Ferner hat der Art. 4 Verbrauchsgüterkauf-RL Rückwirkungen auf die handelsrechtlichen Beziehungen des Verkäufers zu Herstellern, Großhändlern und Importeuren. Dabei kann der Letztverkäufer im Fall einer Ursächlichkeit für die Vertragswidrigkeit gegen die vorherigen Verkäufer in einer Vertragskette oder gegen den Hersteller Regress nehmen. Dieser Rückgriff erfolgt nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts und unter – ausdrücklicher – Beachtung der Vertragsfreiheit (Erwägungsgrund 9 Verbrauchsgüterkauf-RL). Art. 4 Verbrauchsgüterkauf-RL ist Überbleibsel weitergehender Entwürfe. Nicht durchsetzen konnte sich vor allem eine action directe, also ein Haftungsdurchgriff des Verbrauchers auf den Hersteller nach französischem Vorbild (anders noch das Grünbuch, 112). Zu erwähnen bleibt: Der Rechtsakt unterliegt dem Anwendungsbereich der Unterlassungsklagen-RL (RL 98/27) und enthält mit Art. 7(2) Verbrauchsgüterkauf-RL die übliche IPR-Klausel zum Schutz vor missbräuchlicher Rechtswahl (Verbraucherverträge (IPR und IZPR)).

3. Divergenzen bei der Umsetzung

Die Europäisierung eines derart zentralen Bereichs wie des Kaufgewährleistungsrechts bezeugt den erreichten Grad der Rechtsharmonisierung, die sich zuvor auf speziellere Verträge – wie z.B. Haustür- oder Fernabsatzverträge – beschränkte. Die Tragweite der Verbrauchsgüterkauf-RL wird auch durch die Ansicht des deutschen Gesetzgebers verdeutlicht, erstmals sei eine Umsetzung in Sondergesetzen (außerhalb des BGB) nicht mehr sinnvoll. Er nutzte die Umsetzung der Verbrauchsgüterkauf-RL sowie der RL 2000/35 zum Zahlungsverzug und der RL 2000/31 zum elektronischen Geschäftsverkehr als Anlass zu einer weitreichenden Modernisierung des Schuld- und Verjährungsrechts.

Seitdem besteht mit §§ 474-479 BGB eine gemeinschaftsrechtliche Insel zu Besonderheiten des Verbrauchsgüterkaufs. Zahlreiche Bestimmungen wurden aber überschießend umgesetzt (Auslegung des Gemeinschaftsrechts), so vor allem die Vertragsgemäßheit nach Art. 2 und die Rechtsfolgen nach Art. 3 Verbrauchsgüterkauf-RL. Das BGB in § 433 Abs. 1 hat damit die Erfüllungstheorie von Art. 2(1) Verbrauchsgüterkauf-RL, Art. 35(1) CISG und des common law übernommen und sich von der Gewährleistungstheorie verabschiedet. Das Kaufgewährleistungsrecht wurde weitgehend in das allgemeine Leistungsstörungsrecht integriert. Dagegen entschied sich die Mehrzahl der restlichen Mitgliedstaaten für eine kleine Lösung, indem sie das neu geschaffene oder reformierte Verbraucherkaufrecht neben das klassische Kaufrecht stellten (Verbraucher und Verbraucherschutz) und auch nicht auf alle Kaufverträge erstreckten.

Selbst im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs sind die Mitgliedstaaten vielfältig von der Richtlinie abgewichen. Als Ergebnis von Verhandlungskompromissen sind vier Abweichungen sogar ausdrücklich vorgesehen: Die Mehrheit der Umsetzungsgesetze nutzt erstens besagten Art. 7(1)2 Verbrauchsgüterkauf-RL über die privatautonome Verkürzung der Verjährung im Gebrauchtwarenkauf. (So z.B. Art. 9 Abs. 1 S. 1 und 2 österreich. KSchG; Art. 1649quater Abs. 1 belg. Code civil; Art. 134 Abs. 2 ital. Codice del consuma; § 475 Abs. 2 BGB; Art. 9 Abs. 1 S. 2 span. Ley 23/2003 de garantías en la venta de bienes de consumo und Art. 17 schwed. Konsumentköplag.) Ebenfalls mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten hat zweitens den Verbrauchern besagte Rügeobliegenheit auferlegt. Für diese vielfach kritisierte Option nach Art. 5(2) Verbrauchsgüterkauf-RL haben sich z.B. Dänemark, Finnland, Italien, die Niederlande, Polen und Schweden entschieden.

Ebenso großer Beliebtheit erfreute sich drittens die (ursprünglich aus dem Lebensmittelkennzeichnungsrecht stammende) Kann-Bestimmung nach Art. 6(4) Verbrauchsgüterkauf-RL. Danach können die Mitgliedstaaten verlangen, dass Garantien in einer bestimmten Sprache abzufassen sind – so geschehen im englischen Recht mit sec. 15 Abs. 5 Sale and Supply of Goods to Consumers Regulations 2002. Eine geringere Zahl an Rechtsordnungen hat schließlich von dem unter britischer Ratspräsidentschaft eingefügten Art. 1(3) Verbrauchsgüterkauf-RL Gebrauch gemacht und öffentliche Versteigerung ausgenommen; z.B. § 474 Abs. 1 S. 2 BGB, Art. L. 211-2 Code de la consommation und sec. 12 Abs. 2 Unfair Contract Terms Act 1977.

Die Mindestharmonisierung führt zu weiteren Abweichungen bei der Umsetzung, da sie ein höheres Schutzniveau erlaubt. In Finnland gilt darum etwa die dreijährige Verjährungsfrist und in Großbritannien sowie Irland eine sechsjährige. Beträchtliche Umsetzungsabweichungen finden sich auch bei der Vertragswidrigkeit und der Bestimmung des Lieferungszeitpunkts (s. Umsetzungsbericht KOM(2007) 210 final).

4. Einschätzung

Die Richtlinie schafft kein flächendeckendes Sonderkaufrecht für den Verbraucher, sondern konzentriert sich auf einen Mindestschutz bei Sachmängeln sowie auf Informationsregeln zu Garantien. Aufgrund der verschiedenen Rechtstraditionen bleiben wichtige Bereiche unharmonisiert. Ausgeklammert wurden der Vertragsschluss (anders als in Art. 11-24 CISG), der Gefahrübergang, die Verjährungshemmung bzw. ‑unterbrechung, der Mangel- und Mangelfolgeschaden sowie der Schadensersatz. Damit weist die Richtlinie insbesondere in letzterem Bereich eine beträchtliche Lücke auf, und zwar gerade im Vergleich zu Art. 74-77 CISG, die eine – verschuldensunabhängige – Schadensersatzhaftung vorsehen.

Insofern wird das Recht des häufigsten Rechtsgeschäfts des Unionsbürgers nur teilweise vereinfacht. Im Detail wurden die Rechtsfragmentierung und die dadurch hervorgerufene Rechtsunsicherheit stellenweise sogar vorangetrieben. Der Preis ist schließlich auch die nationale Herausbildung einer zum allgemeinen Kaufrecht teils parallelen (wie in Italien und Großbritannien), teils auf einige Sonderfälle (wie in Deutschland) beschränkten Rechtskategorie des europäisch determinierten Verbrauchsgüterkaufs. Vor der Umsetzung sah z.B. das deutsche Recht hier keine Sondervorschriften vor – anders als das niederländische (Art. 7.1 BW), britische (Sale and Supply of Goods Act 1994 zur Änderung des Sale of Goods Act 1979) und irische Recht sowie die nordischen Rechtsordnungen.

Die nationalen Disparitäten beim Verbrauchsgüterkauf sind nicht nur Folge der Mindestharmonisierung, die die Kommission mit der vorgeschlagenen „horizontalen“ Richtlinie über Rechte der Verbraucher (KOM(2008) 614 endg.) abschaffen würde. Bedenklich sind in erster Linie die vier Abweichungsoptionen. So etwa die optionale Einführung einer Rügeobliegenheit mit zweimonatiger Frist ab Kenntnis der Vertragswidrigkeit. Sie soll dem säumigen Verbraucher die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung von Mängeln verwehren. Allerdings ist eine solche Anzeigeobliegenheit außerhalb des Handelskaufs (etwa Art. 39(1) CISG, § 377 HGB) kaum angebracht. (Fallengelassen wurden Kommissionspläne, wie im CISG und HGB eine Untersuchungsobliegenheit einzuführen.) Damit ist zusätzliches Streitpotential geschaffen. Dies ist wegen des oft geringen Streitwerts bei Verbrauchersachen unangemessen, wobei der Verkäufer die schwierige Beweislast für die Fristversäumnis und damit den Verlust der Gewährleistungsrechte des Käufers trägt. Doch vor allem widerspricht die Option den Regelungszielen der Binnenmarktharmonisierung und der Erhöhung des Verbrauchervertrauens.

In der Summe hat die Richtlinie gleichwohl mit weitgehend halbzwingendem Recht und der Beweislastumkehr (für die ersten sechs Monate) das verschuldensunabhängige Gewährleistungsrisiko erhöht. Damit wurde die Rechtsstellung des europäischen Verbrauchers nicht nur grenzübergreifend verbessert. Es handelt sich mit Regelungen zu Werbung, Vertragsgarantien, Regress in Absatzketten und vorrangigem Nacherfüllungsanspruch, der sich den Gattungskauf als Vorbild nimmt, um ein modern-funktionales und ausgewogenes Gewährleistungsregime, das sich an der Marktrealität des Verkaufes industrieller Konsumgüter orientiert.

Gleichwohl bemängeln einige Kritiker in ökonomischer Betrachtung, der Konsument werde durch die verhältnismäßig lange Verjährung als eine Art „Versicherung“ nur noch unzureichend zur Sorgfalt, Pflege und Wartung des Konsumartikels angehalten. Doch bei genauerer Sicht muss nach Art. 3(1) Verbrauchsgüterkauf-RL die Vertragswidrigkeit bereits bei „Lieferung“ vorhanden sein. Garantiert ist also nicht die Dauerhaftigkeit eines Produkts (s. auch Erwägungsgrund 14 Verbrauchsgüterkauf-RL).

Zu hoffen bleibt, dass die Gerichte von den Vorlagemöglichkeiten an den EuGH mehr Gebrauch machen als bei vorherigen Richtlinien. Immerhin hat der Europäische Gerichtshof auf Vorlage des BGH bereits entschieden, dass §§ 439 Abs. 4 und 346 BGB, die einen Wertersatz für die Nutzung der Sache bis zur Ersatzlieferung vorsehen, mit der Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßem Zustands nach Art. 3(3)1 Verbrauchsgüterkauf-RL unvereinbar sind (EuGH Rs. C-404/06 – Quelle, Slg. 2008, I-2685; siehe nun § 474 Abs. 2 S. 1 BGB).

5. Einheitsrecht

Der aufgezeigte Gleichklang mit dem UN-Kaufrecht war auch erwünscht, um den Mitgliedstaaten eine weitergehende Vereinheitlichung des Leistungsstörungsrechts in Europa am Vorbild des CISG nahezulegen. Dies geschah z.B. in Deutschland (siehe oben), Griechenland (Art. 534 ff. ZGB), Österreich (§§ 922 ff. ABGB) und Ungarn (vor allem §§ 305 ff. ZGB). Doch haben die meisten Staaten sich auf eine Minimalumsetzung beschränkt. Damit wurden die Hoffnungen auf eine Verallgemeinerung der Verbrauchsgüterkauf-RL bislang nur bedingt erfüllt.

Zu den Unterschieden zwischen der Verbrauchsgüterkauf-RL und CISG zählen die zahlreichen halbzwingenden Vorschriften in der Richtlinie, während das UN-Kaufrecht gemäß Art. 6 CISG als vollständig dispositives Recht konzipiert ist. Relevant werden die Unterschiede bei der ungeklärten Kollisionsfrage, die der zweite Halbsatz von Art. 2(a) CISG hervorruft: Wenn ein Kauf zu einem persönlichen Gebrauch erfolgt und der Verkäufer dies weder wusste noch wissen musste, kann prinzipiell auch das UN-Kaufrecht eingreifen (näher Verbraucher und Verbraucherschutz). Vereinzelt wird ein Vorrang des Gemeinschaftsschutzrechts analog Art. 90 CISG angenommen, da die Richtlinie formal einem völkerrechtlichen Übereinkommen entspreche. Vielfach wird dagegen im UN-Kaufrecht die lex specialis gesehen. Überzeugender wäre es freilich, würden die EG-Mitgliedstaaten, die zugleich Konventionsstaaten sind, eine Vorbehaltserklärung nach Art. 94 CISG abgeben.

Literatur

Jürgen Basedow, Das BGB im künftigen europäischen Privatrecht: Der hybride Kodex, Archiv für die civilistische Praxis 200 (2000) 445 ff.; idem. (Hg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000; Stefan Grundmann, Dieter Medicus, Walter Rolland (Hg.), Europäisches Kaufgewährleistungsrecht: Reform und Internationalisierung des deutschen Schuldrechts, 2000; Andreas Schwartze, Europäische Sachmängelgewährleistung beim Warenkauf, 2000; Stefan Grundmann, Cesare M. Bianca (Hg.), EU-Kaufrechts-Richtlinie, 2002; Ulrich G. Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005; Ministero dello Sviluppo Economico (Hg.), Le garanzie post-vendita sui beni Europa, 2006 (auf Italienisch und Englisch); Hannes Rösler, Siebzig Jahre Recht des Warenkaufs von Ernst Rabel: Werk- und Wirkgeschichte, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 70 (2006) 793 ff.; Thomas Zerres, Die Bedeutung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie für die Europäisierung des Vertragsrechts: Eine rechtsvergleichende Untersuchung am Beispiel des deutschen und englischen Kaufrechts, 2007; Hans-W. Micklitz, Kap. 4: Sale of Consumer Goods, in: idem, Norbert Reich, Peter Rott, Understanding EU Consumer Law, 2009.

Abgerufen von Verbrauchsgüterkauf – HWB-EuP 2009 am 23. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

Die hier veröffentlichten Artikel unterliegen exklusiven Nutzungsrechten der Rechteinhaber des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht und des Verlages Mohr Siebeck; sie dürfen nur für nichtkommerzielle Zwecke genutzt werden. Nutzer dürfen auf die öffentlich frei zugänglich gemachten Artikel zugreifen, diese herunterladen, Ausdrucke anfertigen und Kopien der Dateien anfertigen. Weiterhin dürfen Nutzer die Artikel auszugsweise übersetzen und im Rahmen von wissenschaftlicher Arbeit zitieren, sofern folgende Anforderungen erfüllt werden:

  • Nutzung zu nichtkommerziellen Zwecken
  • Erhalt der Text-Integrität des Artikels und seiner Bestandteile
  • Zitieren der Fundstelle gemäß wissenschaftlichen Standards unter Angabe von Autoren, Stichworttitel, Werkname, Jahr der Veröffentlichung (siehe Zitiervorschlag).