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Aktuelle Version vom 7. September 2021, 16:42 Uhr

von Thomas Finkenauer

1. Gegenstand und Zweck

Im Gegensatz zum rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb (Eigentumsübertragung) knüpft der gesetzliche an bestimmte Tatsachen an, die eine Neuordnung der Eigentumslage rechtfertigen. Weil er unabhängig von einem Rechtsvorgänger erfolgt, spricht man auch von originärem Erwerb. Die gesetzlichen Erwerbstatbestände dienen u.a. der Rechtssicherheit (Ersitzung, Verbindung, Vermischung, Verarbeitung), der Beweiserleichterung und dem Verkehrsschutz (Ersitzung), der Werterhaltung von Werten (Verbindung), der Vergütung eines Produktionsvorganges (Verarbeitung), dem Schutz des Nutzungsberechtigten oder wenigstens des redlichen Besitzers (Fruchterwerb) oder der Belohnung für Einsatz und Initiative, um ein Gut menschlicher Herrschaft und Nutzung wieder zuzuführen (Aneignung, Fund, Schatzfund).

2. Rechtsgeschichte

a) Ersitzung

Das klassische römische Recht kannte keinen gutgläubigen Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten und ermöglichte dem redlichen Besitzer stattdessen eine kurzfristige Ersitzung (usucapio) in einem Jahr bei Mobilien und in zwei Jahren bei Grundstücken. Vorausgesetzt wurden neben der Redlichkeit (bona fides) bei Besitzbegründung Erwerbstitel, Eigenbesitz und Ersitzungsfähigkeit der Sache. Nachdem im Vulgarrecht Ersitzung und Anspruchsverjährung (praescriptio) in unscharfer Weise verschmolzen wurden, führte Justinian eine dreijährige usucapio bei Mobilien und eine Immobiliarersitzung (longi temporis praescriptio) von 10 Jahren ein, wenn Eigentümer und Besitzer in derselben Provinz ihren Wohnsitz hatten (inter praesentes), und andernfalls (inter absentes) von 20 Jahren. Die Ersitzung erleichterte den Eigentumsbeweis, weil der Eigentümer im Prozess nur das Eigentum seiner Vormänner bis zurück zu demjenigen beweisen musste, der das Eigentum ersessen hatte (Vermeidung der später sog. probatio diabolica).

b) Verbindung, Vermischung und Verarbeitung

Wurden Sachen verschiedener Eigentümer miteinander körperlich verbunden oder vermischt, sprach man von accessio (Zuwachs). (1) Verbindung von beweglichen Sachen mit einem Grundstück: Hier galt der Grundsatz superficies solo cedit, so dass der Grundeigentümer auch Eigentümer des Gebäudes wurde; das Eigentum an der verbundenen beweglichen Sache blieb ebenfalls bestehen, „schlief“ jedoch: Dem Eigentümer des Baumaterials blieb die Vindikation so lange verwehrt, wie das Gebäude stand (dominium dormiens). Diese Regelung sollte den wirtschaftlich sinnlosen Abbruch von Gebäuden verhindern. Daneben konnte der Materialeigentümer Ausgleich verlangen. (2) Bei der Verbindung beweglicher Sachen zu einer einheitlichen Sache wurde der Eigentümer der Hauptsache Eigentümer der Sache (accessio cedit principali). (3) Wurden bewegliche Sachen zu einer zusammengesetzten Sache verbunden, blieb das bisherige Eigentum bestehen, und jeder Eigentümer konnte Lostrennung verlangen und vindizieren. (4) Wurden Flüssigkeiten oder feste Stoffe vermischt – man sprach von confusio bzw. (im gemeinen Recht) von commixtio –, entstand Miteigentum im Verhältnis der Anteile. War Geld ununterscheidbar vermischt worden, nahm man Alleineigentum des Besitzers an.

Bei der Verarbeitung (gemeinrechtlich: specificatio) wird aus fremden Materialien eine neue Sache hergestellt. Während die klassische Rechtsschule der Sabinianer der Materie den Vorzug gaben und so dem Eigentümer des ursprünglichen Stoffes das Eigentum an der neuen Sache zusprach, erhielt nach der rivalisierenden Schule der Prokulianer der Verarbeiter als der Formgeber das Eigentum an der neuen Sache. Justinian folgte einer vermittelnden Entscheidung, wonach dem Stoffeigentümer die neue Sache dann gehörte, wenn sie in den Ausgangsstoff zurückgeführt werden konnte. Warum der Bäcker von Brot Eigentümer werden sollte, nicht jedoch der Künstler, der ein goldenes Gefäß schafft, ist freilich unerfindlich.

Wer aufgrund Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung einen Verlust erlitt, erhielt einen Wertausgleich.

c) Fruchterwerb

Während das germanische Recht von dem Prinzip ausging, dass die Früchte der Lohn für die aufgewandte Mühe sind („wer säht, der mäht“), differenzierte das entwickelte römische Recht nach dem Substantialprinzip: Dem Eigentümer des Bodens standen die natürlichen Früchte zu. Ihm gingen aber der Erbpächter und der redliche Eigenbesitzer vor. Diese Personen erwarben die Früchte bereits mit der Trennung von der Muttersache (separatio), gleichgültig, wer die Trennung vorgenommen hatte. Der redliche Eigenbesitzer durfte später nur die verbrauchten Früchte behalten und musste die noch vorhandenen herausgeben. Der Pächter und der Nießbraucher erwarben die Früchte dagegen erst, wenn sie den Besitz an ihnen ergriffen hatten (perceptio).

d) Aneignung

Der älteste Erwerbstatbestand ist die Aneignung (occupatio) einer herrenlosen Sache (res nullius). Vorausgesetzt werden daneben nur tatsächliche Gewalt und Eigenbesitzwille. Da die Welt im Wesentlichen verteilt ist, spielt dieser Erwerb heute keine große Rolle mehr. Bei den Römern war er schon deshalb wichtig, weil es kein besonderes Jagd- oder Fischereirecht gab und Tiere daher der freien Aneignung unterlagen. Wilde Tiere wurden herrenlos (und damit Gegenstand einer Aneignung), wenn sie ihre Freiheit wiedererlangten, gezähmte Tiere (Tauben, Bienen), wenn sie ihren „Willen“ abgelegt hatten, an einen bestimmten Ort zurückzukehren, Haustiere ohne Willen des Eigentümers niemals. Herrenlosigkeit trat an einer Sache auch dann ein, wenn ihr Eigentümer den Besitz in Dereliktionsabsicht aufgegeben hatte.

e) Fund und Schatz

Ein spezielles Fundrecht existierte in Rom nicht. Das gefundene Objekt unterlag der Vindikation. Anders stand es mit den Schatz (thesaurus), der so lange verborgen gewesen sein musste, dass sein Eigentümer nicht mehr zu ermitteln war. Hadrian entschied, dass der Entdecker und der Eigentümer, in dessen Grundstück der Schatz entdeckt wurde, je hälftiges Miteigentum erhielten; hatte der Entdecker allerdings ohne Willen des Eigentümers auf dessen Grundstück nach dem Schatz gesucht, erhielt der Eigentümer den ganzen Schatz. Dagegen bestand im germanischen Recht ein Schatzregal der Krone.

3. Regelungsstrukturen und Tendenzen der Rechts­entwicklung

Das Recht des gesetzlichen Eigentumserwerbs ist ein eher starres Rechtsgebiet, in dem wenig Rechtsentwicklung festzustellen ist.

a) Ersitzung

Die Ersitzung spielt in den meisten europäischen Rechten keine große Rolle mehr, weil es die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs gibt; zudem hat das Grundbuch die Grundstücksersitzung zurückgedrängt. Demgegenüber hat nach Art. 1287 ff. portug. Código civil die Ersitzung noch die Funktion des gutgläubigen Erwerbs, während England keine Fahrnisersitzung kennt. In ähnlicher Weise hat neben Art. 2279 Abs. 1 frz. Code civil, der die Vindikation beweglicher Sachen bei Gutgläubigkeit des Besitzers ausschließt, die Fahrnisersitzung keinen Raum.

Die meisten Rechtsordnungen unterscheiden zwischen der Ersitzung beweglicher und unbeweglicher Sachen. Zudem wird zwischen einer kürzeren (ordentlichen) und einer längeren (außerordentlichen) Ersitzung getrennt: die letztere stellt wegen der erforderlichen längeren Besitzzeit geringere Anforderungen.

Nach älterem Verständnis betrachten viele Kodifikationen wie die französische oder österreichische die Ersitzung als Fall der Verjährung und unterscheiden zwischen praescriptio acquisitiva und praescriptio extinctiva; die Rechtslehre trennt seit Friedrich Carl von Savigny die beiden Institute jedoch zutreffend und versteht die Ersitzung als einen Fall des Eigentumserwerbs. Dem folgt etwa das BGB in §§ 194 ff., 937 ff.

Vorausgesetzt wird mittelbarer oder unmittelbarer Eigenbesitz (§ 937 Abs. 1 BGB). Überwiegend muss dieser Eigenbesitz noch qualifiziert sein: unangefochten, nicht zweifelhaft, weder gewaltsam noch heimlich (so etwa Art. 2229 frz. Code civil; Art. 1163 Codice civile; §§ 1160 ff. ABGB; Art. 1941 span. Código civil). Meist wird verlangt, dass der Besitz ununterbrochen ist, jedoch helfen dem Besitzer Vermutungen wie § 938 BGB.

Bei der Grundstücksersitzung tritt neben den Eigenbesitz noch die fälschliche Eintragung des Ersitzenden in das öffentliche Register (Tabularersitzung nach § 900 BGB; Art. 661 schweiz. ZGB). Als Kontratabularersitzung des Eigenbesitzers ist in § 927 BGB sowie Art. 662 schweiz. ZGB ein Eigentumserwerb nach einem Aufgebotsverfahren vorgesehen, wenn der Eigentümer aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist oder wenn er zwar eingetragen, aber tot oder verschollen ist.

Ersitzbar sind nach einigen Rechtsordnungen alle Sachen (Deutschland, Schweiz), nach anderen bestehen u.a. Ausnahmen für verkehrsunfähige Sachen (Art. 2226 frz. Code civil; Art. 1936 span. Código civil; Art. 1054 griech. ZGB).

Während die Mehrzahl der europäischen Rechtsordnungen einen Titel im Sinne eines die Ersitzung rechtfertigenden Grundes (Kauf, Tausch, Schenkung etc.) erfordert, verlangen ihn etwa das deutsche oder schweizerische Recht nicht mehr.

Alle Rechte setzen guten Glauben des Ersitzenden voraus, ohne dass Einigkeit über den Maßstab besteht: Während nach § 937 Abs. 2 BGB, §§ 326, 1463 ABGB, Art. 1042 griech. ZGB, Art. 728 schweiz. ZGB der Glaube an das eigene Eigentum notwendig ist, genügt in Frankreich oder Spanien der Glaube an das Recht oder die Verfügungsbefugnis des Vorgängers. Zudem verlangen einige Rechte nach römischem Vorbild guten Glauben nur bei Besitzerwerb (Art. 2269 frz. Code civil; Art. 1161 Codice civile; Art. 1044 griech. ZGB), andere dagegen unter kanonischem Einfluss fortdauernde Gutgläubigkeit (mala fides superveniens nocet, vgl. § 937 Abs. 2 BGB; Art. 728 schweiz. ZGB; § 1463 ABGB; Art. 1940 span. Código civil).

Häufig wird nach justinianischem Vorbild eine Besitzzeit von 3 (Mobilien) und 10 bzw. 20 Jahren (Grundstücke) verlangt (vgl. Art. 1955, 1957 span. Código civil; Art. 3:99 BW; Art.1041 griech. ZGB; vgl. auch Art. 2265 frz. Code civil). Auch § 1466 ABGB sieht für die Fahrnisersitzung grundsätzlich 3 Jahre vor. Art. 728, 661 schweiz. ZGB erfordern dagegen 5 (Mobilien) und 10 Jahre (Grundstücke), § 937 Abs. 1 BGB 10 Jahre, §§ 900, 927 BGB 30 Jahre. Eine Anrechung der Besitz- (Art. 2235 frz. Code civil) oder Ersitzungszeiten der Vorgänger (§ 943 BGB) ist überall möglich.

Die „langfristige“ (außerordentliche) Ersitzung verzichtet auf den Titel und guten Glauben oder nur den Titel. So beträgt nach §§ 1468, 1477 ABGB die Frist bei ungebuchten Grundstücken und Redlichkeit 30 Jahre, ein Titel ist nicht erforderlich. Nach Art. 1955 span. Código civil ist ohne weitere Voraussetzungen eine außerordentliche Ersitzung beweglicher Sachen schon nach sechs Jahren möglich, bei Grundstücken gemäß Art. 1959 in 30 Jahren. Auch Art. 1045 griech. ZGB und Art. 3:105 BW erlauben ohne Weiteres eine außerordentliche Ersitzung nach Vindikationsverjährung, also nach 20 Jahren, und verhindern so die Entstehung eines sog. dominium sine re, eines nackten Eigentumsrechts. Auch nach französischem Recht ist eine Ersitzung von Mobilien durch den Bösgläubigen nach 30 Jahren möglich (vgl. Art. 2262 frz. Code civil). Dagegen leugnet die herrschende Meinung in Deutschland nach Vindikationsverjährung gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB (zu Unrecht) einen außerordentlichen Eigentumserwerb und lässt ein nacktes Eigentumsrechts entstehen. Auch die dreißigjährige Grundstücksersitzung nach §§ 900, 927 BGB erfordert weder Titel noch guten Glauben. In England genügen bei unregistrierten Grundstücken ohne weiteres 12 Jahre; allerdings werden bestimmte Anforderungen an den Besitz gestellt, insbesondere muss er dem Eigentümerrecht offenkundig entgegenstehen (acquisition of the freehold title to land by adverse possession).

b) Verbindung, Vermischung, Verarbeitung

Bei allen drei Tatbeständen entsteht entweder Allein- oder Miteigentum; wo ein Rechtsverlust eintritt, schaffen schuldrechtliche Ersatzansprüche und evtl. ein Wegnahmerecht einen Ausgleich. Manche Kodifikationen (Spanien, Portugal) schließen den Eigentumserwerb desjenigen aus, der fremde Materialien bösgläubig verbindet, vermischt oder verarbeitet.

Viele Rechte kennen nach römischem Vorbild bei Grundstücken Vorschriften über die allmähliche Landanschwemmung (alluvio), Anlandung (avulsio), Inselbildung etc. Für die Verbindung von beweglichen Sachen mit einem Grundstück gehen alle Rechtsordnungen, auch England, vom Grundsatz superficies solo cedit aus. Allerdings existieren Einschränkungen, etwa nach § 418 ABGB für den redlichen Bauführer, der mit seinem Material und mit Wissen des Eigentümers auf dessen Grundstück baut; der Bauende erwirbt sogar den Boden (vgl. auch Art. 938 Codice civile). Überdies ist Art. 673 schweiz. ZGB zu nennen, wonach der Richter dem Materialeigentümer gegen Entschädigung den Boden zusprechen kann, wenn der Grundstückseigentümer mit dessen Material seinen Boden bebaut hat und der Wert des Baus den des Bodens offenbar übersteigt. Zudem werden, namentlich nach dem französischen Code civil, abweichende vertragliche Vereinbarungen zu Gunsten des Materialeigentümers (des Baustofflieferanten, Mieters oder Pächters) zugelassen. Häufig wird der genannte Grundsatz auch durch die Annahme eines sog. Scheinbestandteils (nach § 95 BGB; ähnlich das Schweizer und österreichische Recht) eingeschränkt, wenn ein Mieter oder Pächter eine Sache vorübergehend einfügt, so dass sein Eigentum daran erhalten bleibt. Auch nach englischem Recht hat der Pächter ein Wegnahmerecht.

Bei untrennbarer Verbindung beweglicher Sachen sowie untrennbarer Vermischung von Flüssigkeiten oder festen Körpern entsteht entweder Alleineigentum, wenn ein Element als die Hauptsache angesehen werden kann, oder Miteigentum, dessen Quote sich nach dem Wert der Teilsache bemisst (§§ 947 f. BGB; §§ 415 f. ABGB; Art. 727 schweiz. ZGB; Art. 566 ff., 573 Abs. 2, 574 frz. Code civil; Art. 5:14 BW).

Während nach deutschem Recht bei der Vermischung von Geld nur Miteigentum entsteht, folgen die Schweizer Lehre und § 371 ABGB (anders als die heute h.M. in Österreich) noch der gemeinrechtlichen Regel, dass in einem solchen Falle Alleineigentum des Besitzers anzunehmen ist.

Wird durch Verarbeitung eine neue Sache hergestellt, erwirbt grundsätzlich der Verarbeiter das alleinige Eigentum; damit wird der Produktionsvorgang belohnt. Ist dagegen der Wert der Verarbeitung erheblich geringer als der Wert des Stoffs, wird der Stoffeigentümer Eigentümer der neuen Sache (vgl. § 950 BGB). Verarbeiter ist nur, wer die Sache für sich selbst herstellt, nicht wer sie aufgrund eines Vertrags für einen anderen produziert. Nach §§ 415 f. ABGB erwerben Stoffeigentümer und Verarbeiter grundsätzlich Miteigentum, wenn – nach dem auf Justinian zurückgehenden Kriterium – die Rückführung in den vorigen Zustand nicht möglich ist. Fehlende Rückführbarkeit wird in der Praxis allerdings schon dann angenommen, wenn ein unverhältnismäßiger Wertverlust einträte. Auch nach Art. 726 schweiz. ZGB, Art. 1061 griech. ZGB wird der Verarbeiter Alleineigentümer, wenn der Wert der Arbeit den Stoffwert übersteigt. Bei Bösgläubigkeit des Verarbeiters kann der Richter nach Art. 726 schweiz. ZGB unabhängig von den Wertverhältnissen dem Stoffeigentümer das Eigentum zusprechen. Dagegen lassen Art. 570 ff. frz. Code civil die dingliche Rechtslage im Unklaren und regeln insbesondere den Ausgleich zwischen Verarbeiter und Stoffeigentümer.

c) Fruchterwerb

Bis zur Trennung von der Muttersache gehören natürliche Sachfrüchte dem Eigentümer der Muttersache und sind nicht Gegenstand besonderer Rechte. Erst mit der Trennung können sie Eigentum bestimmter Nutzungsberechtigter werden. Dabei unterscheidet man zwischen dem Eigentumserwerb aufgrund der Trennung oder aufgrund der Perzeption, also der Besitzergreifung durch den Berechtigten. Nach deutschem Recht sind dingliche Nutzungsberechtigte bereits mit der Trennung Eigentümer, obligatorisch Berechtigte nur dann, wenn ihnen auch der Besitz an der Muttersache überlassen war; anderenfalls tritt der Erwerb mit der Perzeption ein (§§ 954 ff. BGB). Ähnliche Entscheidungen treffen das griechische, österreichische und schweizerische Recht. Auch nach Art. 585 frz. Code civil erwirbt der Nießbraucher in Abkehr vom römischen Recht bereits mit der Trennung. Für bloß obligatorisch Berechtigte enthält der französische Code civil keine Regelung, weshalb mangels Übergabeerfordernisses eine Übereignung schon mit der Trennung möglich ist. Nach § 955 BGB, § 330 ABGB, Art. 549, 550 frz. Code civil erwirbt der gutgläubige Eigenbesitzer der Muttersache mit der Trennung das Eigentum.

d) Aneignung

Wer eine herrenlose bewegliche Sache in Eigenbesitz nimmt, erwirbt daran das Eigentum (§ 958 BGB). In den meisten Rechtsordnungen herrscht Aneignungsfreiheit; anders entscheiden dagegen etwa Art. 539, 713 frz. Code civil und das englische Recht, nach denen herrenlose Sachen dem Staat gehören; allerdings gilt dies nicht für durch Dereliktion aufgegebene Sachen mit geringem Wert. Ausnahmsweise ist auch ein Aneignungsrecht an fremden Sachen möglich, etwa nach deutschem Gewohnheitsrecht im ortsüblichen Umfang bezüglich wildwachsender Beeren oder Pilzen (vgl. auch Art. 699 schweiz. ZGB). Steht das Aneignungsrecht einem Nutzungsberechtigen in Ausübung seines Jagdrechts, Fischereirechts oder Bergbaurechts zu, ist er nach deutscher Auffassung umfassend dinglich geschützt (Anwartschaft); das englische Recht spricht hier von einem qualified property an den dem Recht unterliegenden Tieren, das zum absolute property wird, wenn ein Dritter Besitz an einem solchen Tier ergreift.

Herrenlose Grundstücke können Gegenstand der Aneignung sein. In aller Regel ist der Fiskus aneignungsberechtigt; freie Okkupierbarkeit wird nur angenommen, wenn der Staat auf sein Aneignungsrecht verzichtet (§ 928 Abs. 2 BGB). Meist wird jedoch der Staat ipso iure als Eigentümer aller nicht im Privateigentum stehenden Grundstücke angesehen (Art. 713 frz. Code civil; Art. 5:24 BW; Art. 1345 portug. Código civil).

e) Fund, Schatzfund

Ein Fund liegt vor, wenn jemand eine verlorene, jedoch nicht herrenlose bewegliche Sache in seinen Besitz nimmt; verloren ist eine Sache, wenn sie besitzlos ist. Nach Ablauf einer bestimmten Frist kann der Finder in manchen Rechtsordnungen Eigentum an der Sache erwerben. Vorausgesetzt wird dafür, dass der Fund angezeigt (§ 973 BGB; Art. 722 schweiz. ZGB), z.T. auch abgegeben (§ 390 ABGB; Art. 927 Codice civile; Art. 615 span. Código civil) wurde. Die Frist beträgt nach § 395 ABGB oder Art. 5:6 BW ein Jahr, in Spanien zwei und in der Schweiz fünf Jahre, während in Deutschland zunächst eine Sechsmonatsfrist gilt, aber noch drei Jahre lang ein Bereicherungsanspruch geltend gemacht werden kann (§ 977 BGB). Nordische Rechtsordnungen kennen nur die öffentliche Versteigerung von Fundsachen; der Erlös wird zwischen dem Staat und dem Finder geteilt. In Frankreich existiert wie schon in Rom kein spezieller Erwerbstatbestand, vielmehr muss der Finder die Sache unter Anwendung des Art. 2279 Abs. 2 frz. Code civil „ersitzen“. England schützt den Verlierer und erhält ihm die Vindikation; der Finder wird nur gegen Dritte geschützt.

Ist eine bewegliche Sache so lange verborgen, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, spricht man von einem Schatz. Während es nach § 984 BGB auf den Wert nicht ankommt, sind nach englischem Recht nur Sachen, die wenigstens einen Gold- oder Silberanteil von 10 % enthalten, als Schatz anerkannt; andere Rechte beschränken sich auf Wertgegenstände (Art. 723 schweiz. ZGB; Art. 5:13 BW). Unterschiedlich wird beantwortet, ob der Schatz früher im Eigentum eines Menschen gestanden haben und absichtlich verborgen worden sein muss. Meist entsteht nach römischem Vorbild hälftiges Miteigentum von Finder und Eigentümer. Dagegen entscheidet das schweizerische ZGB für Alleineigentum des Eigentümers mit einer entsprechenden Vergütungspflicht von höchstens der Hälfte des Werts. Im öffentlichen Interesse an Altertümern von erheblichem wissenschaftlichem Wert besteht freilich zu Gunsten des Staats in aller Regel ein Enteignungsrecht (vgl. z.B. die deutschen Denkmalpflegegesetze); noch weiter geht Art. 724 schweiz. ZGB, der bei einer solchen Entdeckung Alleineigentum des Kantons gegen angemessene Vergütung annimmt. In England hat die Krone das Schatzregal.

4. Vereinheitlichungsprojekte

Einheitsrecht und Vereinheitlichungsprojekte haben bisher den gesetzlichen Eigentumserwerb eher vernachlässigt. Nach Art. VIII.-4:101 DCFR wird eine bewegliche Sache ähnlich §§ 937 ff. BGB ersessen, wenn zehnjähriger redlicher Besitz besteht; guter Glaube wird vermutet. Bei Bösgläubigkeit wird die Sache in 30 Jahren ersessen. Für Kulturgüter, deren Ersitzbarkeit in den letzten Jahren streitig diskutiert wird, werden die Anforderungen erhöht und (als Mindeststandard) 30-jähriger Besitz in gutem Glauben oder 50-jähriger Besitz verlangt (Art. VIII.-4:102). Ersitzungszeiten von Vorgängern werden eingerechnet (Art. VIII.-4:206), ein Bereicherungsausgleich ist ausgeschlossen (Art. VIII.-4:302).

Für die Verbindung, Vermischung und Verarbeitung werden dispositive Regeln aufgestellt. Der Verarbeiter erwirbt Alleineigentum. Dagegen wird Alleineigentum des Stoffeigentümers angenommen, wenn der Wert der Verarbeitung nur von geringer Bedeutung oder (wenig überzeugend) der Verarbeiter bösgläubig ist; nach einer Unterausnahme ist die Bösgläubigkeit jedoch dann irrelevant, wenn der Wert der Verarbeitung weit höher als der Stoffwert ist. Der Stoffeigentümer erhält, ein beachtenswertes Novum, zur Kompensation seines Eigentumsverlusts einen durch die neue Sache dinglich gesicherten Wertersatzanspruch (Art. VIII.-5:201 DCFR).

Bei Vermischung entsteht Miteigentum, mit der Möglichkeit der Vindikation eines dem Wert der Sache entsprechenden Anteils (Art. VIII.-5:202).

Nach Art. VIII.-5:203 DCFR wird bei untrennbarer Verbindung derjenige Alleineigentümer, dessen Sache die Hauptsache ist; der Ausgleichsanspruch ist dinglich gesichert. Bei Bösgläubigkeit des Verbinders entsteht Miteigentum, es sei denn, der Wert der Hauptsache ist erheblich höher als der der Nebensache.

Literatur

Erich Kruchen, Frucht und Fruchterwerbsrecht, in: Franz Schlegelberger (Hg.), Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes, Bd. III, 1931, 540 ff.; Paul Gieseke, Fund und Schatzfund, in: Franz Schlegelberger (Hg.), Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes, Bd. III, 1931, 548 ff.; Rudolf Pfeifer, Ersitzung, in: Franz Schlegelberger (Hg.), Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes, Bd. III, 1931, 188 ff.; Rudolf Friedrich, Verbindung – Vermischung – Verarbeitung, in: Franz Schlegelberger (Hg.), Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes, Bd. VII, 1940, 80 ff.; Gerhard Kegel, Von wilden Tieren, zerstreuten Leuten und versunkenen Schiffen: Zum Verhältnis von Besitz und Eigentum beweglicher Sachen, in: Festschrift für Ernst v. Caemmerer, 1978, 149 ff.; Hans Josef Wieling, Vom untergegangenen, schlafenden und aufgewachten Eigentum bei Sachverbindungen, Juristenzeitung 1985, 511 ff.; Christian v. Bar (Hg.), Sachenrecht in Europa, 4 Bde, 2000/‌2001; Thomas Finkenauer, Eigentum und Zeitablauf: Das dominium sine re im Grundstücksrecht, 2000; idem, Lohn für die Rettungstat?, in: Festschrift für Peter Krause, 2006, 589 ff.; Hans Josef Wieling, Sachenrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2006, 418 ff.

Abgerufen von Gesetzlicher Eigentumserwerb – HWB-EuP 2009 am 23. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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