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Aktuelle Version vom 2. September 2021, 11:45 Uhr

von Abbo Junker

1. Gegenstand und Zweck

Die Nachweis-RL (RL 91/533) des Rates vom 14.10.1991 hat die Pflicht des Arbeitgebers zum Gegenstand, den Arbeitnehmer über die für sein Arbeitsverhältnis oder seinen Arbeitsvertrag geltenden Bedingungen zu unterrichten. Die 1963 noch zutreffende Ansicht des BAG, ein in der Mitte des 20. Jahrhunderts lebender Arbeitnehmer müsse fähig sein, sich die nötige Kenntnis über seine sozialen Rechte und Pflichten selbst zu verschaffen, war angesichts der rasch voranschreitenden Flexibilisierung der Arbeitswelt in den letzten beiden Jahrzehnten dieses Jahrhunderts nicht mehr haltbar. Die Entwicklung einer Vielzahl neuer Arbeitsformen wie job sharing, Telearbeit oder Zeitarbeit veranlasste einige Mitgliedstaaten, Formvorschriften für Arbeitsverhältnisse einzuführen. Diese hatten zum einen den Schutz des Arbeitnehmers (Arbeitsschutz) zum Ziel, damit er einen (schriftlichen) Überblick über seine Rechte und Pflichten habe; zum anderen sollte Beweisschwierigkeiten vorgebeugt werden. Die Folge war eine unterschiedliche Handhabung in den Mitgliedstaaten, die zu vereinheitlichen Absicht der Kommission war. Es sollte dem Verlust eines transparenten Arbeitsmarktes vorgebeugt werden, indem man die neu entstandenen Aufklärungspflichten des Arbeitgebers auf eine einheitliche europarechtliche Grundlage stellte. Die Nachweisrichtlinie wird als eine der Maßnahmen verstanden, die zur Konkretisierung der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer vom 9.12.1989 eingeführt wurden. Die Präambel der Nachweis-RL bezieht sich insoweit auf Art. 9 GRCh.

2. Anwendungsbereich der Nachweis-RL

Art. 1 Nachweis-RL eröffnet den Anwendungsbereich der Richtlinie für jeden Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis hat, der/das in dem in einem Mitgliedstaat geltenden Recht definiert ist und/oder dem in einem Mitgliedstaat geltenden Recht unterliegt. Daraus ergibt sich nicht eindeutig, ob für die Definition des Arbeitsvertrags bzw. Arbeitsverhältnisses auf das Recht der Mitgliedstaaten verwiesen wird, oder ob ausreicht, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis dem jeweiligen Recht unterliegt. Fest steht zumindest, dass der Begriff Arbeitsverhältnis nach der Richtlinie ein anderer ist als im nationalen Recht und einen weiteren Anwendungsbereich erfährt als dort. Danach ist vom sogenannten europäischen Arbeitnehmerbegriff auszugehen und werden alle Vertragsverhältnisse erfasst, die nach europäischem Recht als Arbeitsverträge einzuordnen sind und die dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegen (vgl. die zweite Alternative des letzten Halbsatzes). Durch die erste Alternative des Art. 1(1) Nachweis-RL sollte ihr Anwendungsbereich vom Vertragsstatut abgekoppelt werden (Freie Wahl des Vertragsstatuts nach Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB bzw. Art. 3(1) Rom I-VO [VO 593/2008]), so dass in Europa auch Arbeitnehmer tätig sein können, die nicht dem Recht der Mitgliedstaaten und der europäischen Union unterliegen (Entsendung von Arbeitnehmern). Die Nachweis-RL ist auch auf solche Arbeitsverhältnisse anzuwenden, die einem außereuropäischen Vertragsstatut unterliegen, da sie als zwingende Arbeitnehmerschutzbestimmung im Sinne des Art. 30 Abs. 1 EGBGB bzw. Art. 8(1) Rom I-VO gilt.

Die Anwendung der Richtlinie kann nach Art. 1(2) Nachweis-RL von den Mitgliedstaaten in zwei Fällen eingeschränkt werden: Zum einen werden solche Arbeitnehmer vom Anwendungsbereich der RL ausgenommen, deren Arbeitszeit höchstens acht Stunden pro Woche beträgt, und/oder eine Gesamtdauer von höchstens einem Monat aufweist. Eine weitere Ausnahme ist vorgesehen, wenn es sich um eine Gelegenheitsarbeit handelt und/oder eine Tätigkeit besonderer Art, sofern objektive Gründe in diesen Fällen die Nichtanwendung rechtfertigen (Art. 1(2)(b) Nachweis-RL). Sowohl „Gelegenheitsarbeit“ als auch „Tätigkeit besonderer Art“ sind auslegungsbedürftig. Ein nur kurzfristiges Arbeitsverhältnis fällt nicht unter Art. 1(2)(b) Nachweis-RL, da es bereits von Art. 1(2)(a) Nachweis-RL erfasst ist. Erforderlich ist also, dass die Tätigkeit bei dem Arbeitgeber nur gelegentlich anfällt und sind damit Saisonarbeiten ebenso gemeint wie saisonbedingte Mehrarbeit oder Arbeiten, die sich bei dem Arbeitgeber einmalig oder aus einem seltenen Anlass ergeben. Problematischer ist hingegen die Festlegung, wann eine Tätigkeit besonderer Art im Sinne des Art. 1(2)(b) Nachweis-RL vorliegt. Eine Abgrenzung zum „normalen“ Arbeitsverhältnis kann nicht vorgenommen werden, da ein solches nicht existiert. Abzustellen ist somit auf die in Art. 1(2)(b) Nachweis-RL genannten objektiven Gründe, für die nur solche in Betracht zu ziehen sind, die in der Art oder Ausgestaltung der Arbeitspflicht begründet liegen.

3. Regelungsinhalt der Nachweis-RL

Nach Art. 2(1) Nachweis-RL ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer über die wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses in Kenntnis zu setzen, indem er dem Arbeitnehmer innerhalb von zwei Monaten nach Arbeitsbeginn die in Art. 3(1) Nachweis-RL genannten Schriftstücke aushändigt (Informationspflichten (Arbeitsvertrag)). Neben einem schriftlichen Arbeitsvertrag und/ oder einem Anstellungsschreiben ist ein weiteres Schriftstück erforderlich, das den Informationspflichten nach Art. 2(2) Nachweis-RL entspricht. Diese Informationspflicht umfasst folgende Punkte: Die Personalien der Parteien sowie den Arbeitsplatz, oder, sofern kein vorherrschender oder fester Arbeitsplatz existiert, den Hinweis, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich an verschiedenen Orten beschäftigt wird; darüber hinaus den Sitz bzw. gegebenenfalls den Wohnsitz des Arbeitgebers (Art. 2(2)(a) und (b) Nachweis-RL). Zudem fordert Art. 2(2)(c) Nachweis-RL die Angabe der dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zugewiesenen Amtsbezeichnung, seinen Dienstgrad und die Art oder Kategorie der Stelle bzw. eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung seiner Arbeit. Außerdem muss das Schriftstück den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses (Art. 2(2)(d) Nachweis-RL) und im Falle einer Befristung die vorhersehbare Dauer des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses angeben (Art. 2(2)(e) Nachweis-RL). Ferner ist die Dauer des Jahresurlaubs anzugeben bzw. die Modalitäten der Gewährung und der Festlegung des Jahresurlaubs, die Länge der einzuhaltenden Kündigungsfristen bei Kündigung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses sowohl von Arbeitgeberseite als auch von Arbeitnehmerseite, der anfängliche Grund- betrag, sonstige Bestandteile und Wiederkehr der Arbeitsgeldauszahlung sowie die normale Tages- oder Wochenarbeitszeit des Arbeitnehmers (Art. 2(2)(f)-(i) Nachweis-RL). Gemäß Art. 2(3) Nachweis-RL können diese Punkte (Art. 2(2)(f)-(i)) auch unter Hinweis auf die in den entsprechenden Bereichen geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. Satzungs- und Tarifbestimmungen erfolgen. Fakultativ ist schließlich die Angabe der Tarifverträge bzw. der Kollektivvereinbarungen, in denen die Arbeitbedingungen des Arbeitnehmers geregelt sind, oder bei außerhalb des Unternehmens durch einzelne paritätische Organe oder Institutionen abgeschlossenen Tarifverträgen die Angabe des zuständigen Organs oder der zuständigen paritätischen Organisation, in dessen bzw. in deren Rahmen sie abgeschlossen wurden (Art. 2(2)(j) Nachweis-RL).

Fraglich ist indes, ob Art. 2(2) Nachweis-RL als abschließend zu verstehen ist. Zwar steht der Wortlaut der Vorschrift entgegen („mindestens“), jedoch wird für die abschließende Regelung dahingehend argumentiert, dass es nicht solch spezifizierter Aufzählung bedurft hätte, wenn der Katalog nur als demonstrative, nicht abschließende Aufzählung zu verstehen wäre. Den Schutzzweck der RL vor Augen, gelangt man zu dem Ergebnis, auch nicht ausdrücklich genannte Kriterien anzuerkennen, sofern sie nur die Arbeitnehmer vor Unklarheiten über ihre Rechte und Pflichten schützen.

Zwingend für den Arbeitgeber ist die Unterrichtung innerhalb von zwei Monaten nur für die Punkte, die in Art. 2(2)(a)-(d), (h), (i) Nachweis-RL bezeichnet sind (Art. 3(1)(c) Nachweis-RL). Überschreitet der Arbeitgeber diese Frist ohne eines der in Art. 3(1)(a)-(c) genannten Schriftstücke auszuhändigen, so muss er eine schriftliche Erklärung abgeben, die alle Punkte des Art. 2(2) Nachweis-RL enthält; er hat dann also strengere Anforderungen zu erfüllen (Art. 3(2) Nachweis-RL). Wird der Arbeitnehmer im Ausland tätig, muss ihm der Arbeitgeber gemäß Art. 4 Nachweis-RL die in Art. 3 Nachweis-RL genannten Schriftstücke vor Abreise aushändigen und sind dort die zusätzlichen Punkte des Art. 4(1)(a-d) Nachweis-RL anzugeben. Bei Änderungen, die sich im Laufe des Arbeitsverhältnisses bezüglich der in Art. 2(2) und Art. 4(1) Nachweis-RL aufgeführten Punkte ergeben, ist der Arbeitnehmer umgehend erneut zu unterrichten (Art. 5(1) Nachweis-RL), spätestens jedoch einen Monat nach dem Wirksamwerden der Änderung.

4. Umsetzung in nationales Recht

Die Nachweisrichtlinie sollte bis zum 30.6.1993 in nationales Recht umgesetzt werden (Vgl. Art. 9(1) Nachweis-RL). Eine Vielzahl der Mitgliedstaaten kam dieser Pflicht nicht rechtzeitig nach, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, die die Richtlinie erst im Nachweisgesetz vom 28.5.1995 umsetzte. Dieses weicht kaum von den sehr detaillierten Vorgaben der Nachweis-RL ab, da für den nationalen Gesetzgeber wenig Gestaltungsspielraum verblieb. Die starke Anlehnung an die Vorgaben der Richtlinie führte jedoch dazu, dass in einem zentralen Punkt eine unbefriedigende Lösung gefunden wurde: Art. 8 Nachweis-RL gibt den Mitgliedstaaten auf, die notwendigen Vorschriften zu erlassen, um jedem Arbeitnehmer Möglichkeiten für die Durchsetzung seiner Rechte zu geben. Eine ausdrückliche Regelung im Nachweisgesetz fehlt jedoch. Der Arbeitnehmer kann nach allgemeinen Regeln im Wege einer Leistungsklage seine Ansprüche geltend machen oder bis zur Erteilung des Nachweises die Erbringung seiner Arbeitsleistung zurückbehalten. Ein Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB kommt ebenfalls in Betracht. Die Umsetzung stimmt so zwar mit der Richtlinie überein; ob eine Geltendmachung seiner Rechte durch den Arbeitnehmer realistisch ist, ist allerdings fraglich.

Literatur

Jon Clark, Mark Hall, Employee Rights to Information about Conditions Applicable to their Contract or Employment Relationship, Industrial Law Journal 1992, 106 ff.; Rolf Birk, Das Nachweisgesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie 91/533 in das deutsche Recht, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 1996, 281 ff.; Rolf Wank, Das Nachweisgesetz, Recht der Arbeit 1996, 21 ff.; Roland Schwarze, Praktische Handhabung und dogmatische Einordnung des Nachweisgesetzes, Zeitschrift für Arbeitsrecht 1997, 43 ff.; Rudi Müller-Glöge, Zur Umsetzung der Nachweisrichtlinie in nationales Recht, Recht der Arbeit 2001, Sonderbeilage Heft 5, 46 ff.; Birgit Friese, Arbeitgeberpflicht: Der Nachweis der Vertragsbedingungen, Arbeit und Arbeitsrecht 58 (2003) 16 ff.; Rolf Wank, Die personellen Grenzen des Europäischen Arbeitsrechts, Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht 2008, 172 ff.; Ulrich Preis, Einführung NachwG, in: Rudi Müller-Glöge, Ulrich Preis, Günter Schaub (Hg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2009; Rüdiger Krause, Arbeitsvertrag – Arbeitsverhältnis, II. Inhalt der Arbeitsverhältnisse, 220.2. Nr.16, in: Thomas Dietrich, Klaus Neef, Brent Schwab (Hg.), Arbeitsrechts-Blattei (Systematische Darstellung) (Loseblatt); Birgit Friese, Teil B, B 3050, Der Nachweis der wesentlichen Bedingungen des Arbeitsvertrages, in: Hartmut Oetker, Ulrich Preis (Hg.), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EAS) (Loseblatt).

Abgerufen von Arbeitsbedingungen, Information über – HWB-EuP 2009 am 25. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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