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Aktuelle Version vom 28. September 2021, 17:05 Uhr

von Sonja Meier

1. Leistung auf eine Nichtschuld

In allen europäischen Rechten können Leistungen, die zur Erfüllung einer vermeintlichen Verbindlichkeit erbracht wurden, zurückgefordert werden, wenn die Verbindlichkeit in Wahrheit nicht besteht. Dasselbe gilt, wenn der Verbindlichkeit eine dauernde Einrede entgegengesetzt werden kann oder wenn zwar eine wirksame Verbindlichkeit besteht, der Leistende aber nicht Schuldner oder der Empfänger nicht Gläubiger ist. Die kontinentaleuropäischen Rechte stellen zu diesem Zweck die condictio indebiti zur Verfügung, die sie aus dem römisch-gemeinen Recht übernommen haben. Das englische Recht gewährt mit einer action for money had and received einen funktionsgleichen Rechtsbehelf. In römischer Tradition wurden die Rückforderungsklagen sowohl hier als auch auf dem Kontinent jahrhundertelang in die (eher nichtssagende) Kategorie der Quasikontrakte eingeordnet. Heute bildet die Kondiktion bei Leistung auf eine Nichtschuld häufig (etwa in Deutschland, der Schweiz, Griechenland und Portugal) einen zentralen Bestandteil des Bereicherungsrechts. Dasselbe gilt mittlerweile in England, wo sich ein eigenständiges Rechtsgebiet des law of restitution bzw. unjust enrichment erst Mitte des 20. Jahrhunderts herausgebildet hat. Das französische, italienische, spanische und niederländische Recht unterscheiden dagegen zwischen der Rückforderung nichtgeschuldeter Leistungen einerseits und dem allgemeinen Bereicherungsanspruch andererseits, für die jeweils unterschiedliche Regeln gelten.

Hat der Leistende gewusst, dass die zugrunde liegende Verbindlichkeit nicht besteht, und trotzdem freiwillig geleistet, soll ihm die Rückforderung versagt werden. Die gemeinrechtliche condictio indebiti setzte voraus, dass der Leistende sich über das Bestehen der Verbindlichkeit in einem entschuldbaren Irrtum befunden hatte. Bei der Frage der Entschuldbarkeit wurde häufig zwischen Tatsachen- und Rechtsirrtümern unterschieden: Während der Tatsachenirrtum ohne weiteres einen Anspruch begründete, konnten rechtsirrtümlich erbrachte Leistungen trotz Fehlens einer zugrunde liegenden Verbindlichkeit nicht zurückgefordert werden. Diese Regel galt zwischen 1802 und 1998 auch im englischen Recht. Der Gedanke, dass jeder zur Kenntnis des Rechts verpflichtet sei, konnte die erzielten Ergebnisse freilich nicht rechtfertigen; vielmehr spielten im Einzelnen unterschiedliche Sachgründe eine Rolle. So sollte nicht jede Rechtsprechungsänderung (die nach herkömmlicher Doktrin lediglich klarstellt, was seit jeher rechtens war) zu einer Flut von Rückforderungsansprüchen aus bereits abgeschlossenen Sachverhalten führen. Häufig betraf der Rechtsirrtum des Leistenden auch lediglich die Klagbarkeit der zugrunde liegenden Verbindlichkeit, die als solche den Güteraustausch rechtfertigte und nur aus besonderen Gründen nicht erzwingbar war. Die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen schließen durch Sonderregeln die Rückforderung von Leistungen aus, die auf eine verjährte Schuld (Verjährung), eine nur wegen Formmangels nicht klagbare Verbindlichkeit (Formerfordernisse), eine Wettschuld oder Ähnliches erbracht wurden. Ein solcher Begriff der Naturalobligation, die zwar nicht klagbar ist, aber eine Güterbewegung rechtfertigen kann, war vor 1802 auch dem englischen Recht bekannt und wird hier, nachdem das House of Lords die Rechtsirrtumsregel 1998 abgeschafft hat (Kleinwort Benson Ltd. v. Lincoln City Council [1999] 2 AC 349), nun wiederentdeckt.

Die heutigen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen unterscheiden nicht mehr zwischen Tatsachen- und Rechtsirrtümern, messen der Rolle des Irrtums aber unterschiedliche Bedeutung zu. Einige Rechtsordnungen halten wie das englische Recht am Irrtum als Voraussetzung der condictio indebiti fest. Das deutsche Recht verzichtet darauf, gewährt dem Empfänger aber eine Einrede, wenn er nachweisen kann, dass der Leistende das Fehlen der Verbindlichkeit kannte. Das italienische und das französische Recht verlangen nur dann einen Irrtum, wenn auf eine fremde Schuld geleistet wurde. Dieses Irrtumserfordernis besteht sachlich auch in den übrigen Rechten, da bei bewusster Leistung auf eine bestehende Fremdschuld keine Zweckverfehlung vorliegt, die eine Rückforderung rechtfertigen könnte. Das moderne niederländische Recht verzichtet sowohl auf ein Irrtumserfordernis als auch auf eine Einrede der Kenntnis. Hierfür spricht, dass ein Rückforderungsausschluss bei einer freiwilligen Leistung in Kenntnis der fehlenden Verbindlichkeit auch mit dem Vorliegen einer wirksamen Schenkung oder mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens begründet werden kann. Umgekehrt wird sowohl in England als auch auf dem Kontinent trotz Vorliegen eines Irrtums oder Zweifels die Rückforderung dann ausgeschlossen, wenn der Empfänger annehmen durfte, dass der Leistende ungeachtet des Bestehens der Verbindlichkeit die Angelegenheit endgültig beschließen wollte.

2. Leistung in Erwartung eines Erfolgs

Nach [[römischem Recht waren nur bestimmte Arten von Vereinbarungen als bindende Verträge anerkannt. Soweit ein solcher Vertragstyp nicht vorlag, hatte eine Partei, die selbst geleistet, aber die vereinbarte Gegenleistung nicht erhalten hatte, ursprünglich keinen vertraglichen Anspruch auf die Gegenleistung. In dieser Lage ermöglichte ihr die condictio ob rem (oder condictio causa data causa non secuta), zumindest ihre eigene schon erbrachte Leistung zurückzuerhalten. Die causa, die nach Ansicht beider Parteien der Leistung zugrunde lag, sich aber nicht verwirklichte, war hier der Empfang der Gegenleistung. Nachdem im Gemeinen Recht die bindende Wirkung aller Arten von Vereinbarungen anerkannt wurde (Vertragsfreiheit), verlor die condictio ob rem an Bedeutung. Sie ist zwar heute noch in den meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen anerkannt, vereinzelt auch kodifiziert, beschränkt sich aber auf die seltenen Fälle, in denen der Leistung kein Vertrag zugrunde liegt, etwa dann, wenn die Gegenleistung nicht Vertragsgegenstand sein kann (Arbeitsleistung, um später als Erbe eingesetzt zu werden), oder auch in dem schon im römischen Recht bekannten Fall, dass das von den Parteien erwartete Ereignis keine Gegenleistung ist (Mitgift in Erwartung der Eheschließung, die dann nicht stattfindet).

Das englische Äquivalent ist ein Rückforderungsanspruch wegen failure of consideration, der ebenfalls voraussetzt, dass die Leistung in Erwartung einer Gegenleistung oder eines sonstigen Ereignisses stattfand und dies dem Empfänger bekannt war. Anders als auf dem Kontinent wird der Anspruch aber auch bei vertraglichen Leistungen eingesetzt. Nach englischer Vorstellung beruht der Rückforderungsanspruch bei vertraglichen Leistungsstörungen darauf, dass der Erhalt der Gegenleistung fehlgeschlagen ist, der erkennbar die Grundlage der Leistung gebildet habe. Zweck einer vertraglichen Leistung ist also aus englischer Sicht nicht die Erfüllung einer eigenen Verpflichtung, wie man es im civil law annimmt, sondern der Erhalt der Gegenleistung.

Auf die Verwirklichung des mit einer Leistung erstrebten Erfolgs kommt es nicht an, wenn schon die Entgegennahme der Leistung selbst missbilligenswert ist. Wurde etwa geleistet, damit der Empfänger keine Straftaten beging oder eine ihn ohnehin treffende Pflicht erfüllte, stellte das römisch-gemeine Recht zur Rückforderung die condictio ob turpem vel iniustam causam zur Verfügung. Auch diese Kondiktion hat im heutigen kontinentaleuropäischen Recht nur einen geringen Anwendungsbereich, weil die Einigung der Parteien über den Leistungszweck in der Regel einen Vertrag darstellt, so dass es sich um eine Leistung auf einen wegen [[Sitten- und Gesetzwidrigkeit unwirksamen Vertrag handelt. Das englische Recht kennt in vergleichbaren Sachverhalten besondere Rückforderungsansprüche, die sich auf illegality, duress, inequality oder exploitation stützen.

3. Rechtsgrundlosigkeit vs. unjust-Gründe

Neben den genannten condictiones kannte das Gemeine Recht auch eine condictio ob causam finitam für den Fall, dass die einer Leistung zugrunde liegende Verbindlichkeit erst nachträglich wegfiel, sowie die allgemeine condictio sine causa, die schon das römische Recht als Auffangtatbestand genutzt hatte. Die gemeinrechtliche condictio sine causa generalis diente als Oberbegriff für alle condictiones, der ihren gemeinsamen Leitgedanken zum Ausdruck brachte, nämlich das Fehlen einer causa, die das Behalten des Empfangenen rechtfertigte. Die für die Rückforderung von Zuwendungen eingesetzten condictiones beruhten auf dem Gedanken der Zweckverfehlung: Die zugrunde gelegte causa bestand nicht, verwirklichte sich nicht oder fiel weg, oder die Parteien waren sich über die causa nicht einig. Die heutigen kontinentaleuropäischen Rückforderungsansprüche wegen Erfüllung einer Nichtschuld (so etwa das französische, italienische, spanische und österreichische Recht) oder wegen rechtsgrundloser Leistung (so das deutsche, schweizerische und niederländische Recht) beruhen darauf, dass eine Zuwendung im Hinblick auf einen Rechtsgrund erfolgt, der nicht besteht. Dieser Rechtsgrund ist im Regelfall eine klagbare Verbindlichkeit, kann aber auch eine Naturalobligation oder eine Zweckvereinbarung sein. Sofern eine Rechtsordnung mit einem Irrtumserfordernis oder einer Einrede der Kenntnis arbeitet, werden diese zumeist nicht angewendet, wenn unter Zwang, durch einen Minderjährigen oder unter Vorbehalt der Rückforderung geleistet wurde: Zentrales Merkmal ist die Rechtsgrundlosigkeit, nicht der Irrtum.

Die in England seit Jahrhunderten anerkannten, ursprünglich actions for money had and received genannten Rückforderungsklagen wegen Irrtums, Zwangs bzw. Ausbeutung und failure of consideration mögen ursprünglich Äquivalente der römischen condictiones indebiti, ob turpem causam und ob rem gewesen sein. Im Lauf der Zeit hat sich die Rechtsentwicklung aber vom Kontinent entfernt. Das englische Äquivalent zur condictio indebiti erforderte ursprünglich die irrtümliche Annahme einer klagbaren Verbindlichkeit. Nachdem sich diese Voraussetzung als zu eng herausgestellt hat, soll nun jeder Irrtum genügen, unabhängig von seinem Gegenstand. Während die kontinentale Rechtsentwicklung die Rechtsgrundlosigkeit betont und das gemeinrechtliche Irrtumserfordernis zurückdrängt, konzentriert sich das englische Recht umgekehrt auf den Irrtum. Der Rechtsgrund spielt nur insoweit eine Rolle, als einem Bereicherungsanspruch wegen Irrtums eine Einrede entgegensteht, wenn auf eine wirksame Verbindlichkeit geleistet wurde. Die englische Literatur ab den 1970er Jahren, angeführt durch Peter Birks, hat diesen Gedanken zu einem System der sog. unjust-Gründe erweitert. Eine Zuwendung kann nur dann zurückgefordert werden, wenn sie aus einem besonderen Grund ungerechtfertigt ist, sei es, weil sie nicht vom Willen des Zuwendenden getragen wurde (unjust-Gründe Irrtum, Zwang, Minderjährigkeit, Ausbeutung), sei es, weil der Wille nur bedingt war (unjust-Grund failure of consideration), oder sei es aus besonderen rechtspolitischen Gründen (policy-motivated unjust-factors).

Bei vertraglichen Leistungen stellen die kontinentaleuropäischen Rechte darauf ab, ob der Vertrag als Rechtsgrund besteht. Hierüber entscheidet allein das Vertragsrecht. Fehlt es an einer wirksamen vertraglichen Grundlage, kommt es zur Rückforderung, sei es über die condictio indebiti oder sine causa, sei es mit Hilfe besonderer Rückabwicklungsregeln für nichtige Verträge oder sei es mit Hilfe des Vertragsrechts selbst, wie es etwa das deutsche Recht im Falle des Rücktritts annimmt (Rückabwicklung von Verträgen). In England stehen demgegenüber eine Reihe unterschiedlicher unjust-Gründe zur Verfügung: Bleibt die Gegenleistung aus, ist eine Rückforderung unabhängig von der Wirksamkeit des Vertrags wegen failure of consideration möglich. Ist der Vertrag angefochten oder unwirksam, kann der besondere Anfechtungs- oder Unwirksamkeitsgrund in manchen Fällen zugleich einen unjust-Grund zur Rückforderung darstellen. Daneben ist es möglich, dass der Leistende tatsachen- oder rechtsirrtümlich von der Wirksamkeit des Vertrags ausging. Dann kann er seinen Anspruch auch auf Irrtum stützen. Das unsystematische Nebeneinander verschiedener unjust-Gründe hat die sog. Swap-Rechtsprechung in den 1990er Jahren dazu bewogen, einen unjust-Grund namens no consideration anzuerkennen, der schon bei der Nichtigkeit des zugrunde liegenden Vertrags gegeben sein sollte. Diese Hinwendung zu einer Rechtsgrundbetrachtung war Anlass für Peter Birks, das von ihm entwickelte System der unjust-Gründe 2003 aufzugeben und den Rückforderungsanspruch statt dessen in Annäherung an das civil law mit einer absence of basis zu begründen.

4. Zuwendungsgegenstand

Gegenstand der römischen condictio waren ursprünglich nur Geld- und Sachleistungen. In der Regel musste das Eigentum auf den Empfänger übergegangen sein, weil ohne Eigentumsübergang schon die Vindikationsklage zur Verfügung stand. Auch in den heutigen europäischen Rechtsordnungen ist die Vindikation (bzw., in England, ein funktionsähnlicher deliktischer Anspruch) zuständig, wenn der Zuwendende der Eigentümer (in England: at law) des Zuwendungsgegenstandes in den Händen des Bereicherten ist; einige Rechtsordnungen gewähren daneben aber auch eine Kondiktion auf bloße Besitzrückgabe. Bei vertraglichen Sachleistungen ist die Abgrenzung zwischen Vindikation und Leistungskondiktion davon abhängig, ob die jeweilige Rechtsordnung im Sachenrecht dem Kausal- oder dem Abstraktionsprinzip folgt (Eigentumsübertragung).

Die römische condictio umfasste auch andere Gegenstände, etwa ein Schuldversprechen oder einen Erlass. Eine Anwendung auf Werk- oder Dienstleistungen ist dagegen nur bei der condictio ob rem überliefert und bei den übrigen condictiones zweifelhaft. In dieser Tradition steht etwa das französische Recht, das im Falle von Arbeits- oder Werkleistungen oder Nutzungseinräumungen nicht mit der condictio indebiti, sondern mit dem allgemeinen Bereicherungsanspruch arbeitet, der auch die condictio ob rem erfasst. In England hing die Art der Rückforderungsklage ursprünglich vom Zuwendungsgegenstand ab. Die action for money had and received galt nur für Geldleistungen. Hatte der Kläger eine Schuld des Beklagten getilgt, war die action for money paid einschlägig; bei Sach- bzw. Werkleistungen hieß der Anspruch quantum valebat bzw. quantum meruit. Die drei letztgenannten Klagen erforderten einen request des Beklagten, um Rückforderungsansprüche auszuschließen, wenn dem Beklagten eine von ihm nicht gewollte Leistung aufgedrängt wurde. Die heutige Lehre fordert, alle Arten von Zuwendungsgegenständen im Rahmen des law of restitution einheitlich zu behandeln und die Probleme einer aufgedrängten Leistung bei der Frage zu behandeln, ob der Beklagte durch die Zuwendung bereichert wurde. Diese Forderung wird in der Mehrheit der europäischen Rechtsordnungen erfüllt, in denen die condictio sine causa bei jeder Art von Leistungen anwendbar ist.

5. Parteien

Gläubiger der Kondiktion ist der Leistende, also derjenige, dem die Zuwendung zugerechnet werden kann. Eine tatsächliche Vermögensminderung wird in den europäischen Rechtsordnungen heute zumeist nicht verlangt. Schuldner ist der Empfänger. Hat ein Dritter von der Zuwendung profitiert, kommt gegen ihn nicht die Kondiktion, sondern ein allgemeiner Bereicherungsanspruch in Frage (Bereicherungsrecht). Nicht immer sind die Parteien diejenigen, zwischen denen die unmittelbare Vermögensverschiebung stattgefunden hat. So rechnen die kontinentaleuropäischen Rechte in römischer Tradition im Falle einer Anweisung die Zuwendung durch den Angewiesenen dem Anweisenden zu, während das englische Recht Zuwendungen oder Empfangnahmen durch einen agent dem principal zuschreibt. Keine Einigkeit besteht aber darüber, unter welchen Umständen eine Partei nur Hilfsperson ist; so können etwa Banken, die einen Zahlungsauftrag ausführen oder Geld für den Kontoinhaber entgegennehmen, im englischen Recht Schuldner und Gläubiger eines Rückforderungsanspruchs sein, während sie im deutschen Recht als Angewiesene oder Zahlstelle grundsätzlich aus der Rückabwicklung herausgehalten werden.

6. Gegenstand der Rückforderung

In den kontinentaleuropäischen Rechten richtet sich der Anspruch grundsätzlich auf die tatsächliche Rückgängigmachung der Zuwendung, sei es die Rückübereignung einer Sache oder den Erlass einer rechtsgrundlos eingegangenen Verbindlichkeit. Ein Wertersatzanspruch, wie ihn das englische Recht vorsieht, besteht auf dem Kontinent nur, wenn die tatsächliche Rückgängigmachung nicht möglich ist. Darüber hinaus kennt das englische Recht auch dingliche Bereicherungsansprüche: Selbst wenn das Eigentum at law durch die Zuwendung auf den Empfänger überging, kann der Irrtum oder die Zweckverfehlung manchmal dazu führen, dass dem Zuwendenden Eigentum in equity zusteht. In diesem Fall kann er mit Hilfe seiner dinglichen Rechtsposition nicht nur Ansprüche auf wertvolle Surrogate des Zuwendungsgegenstands erheben, sondern auch seinen Rückforderungsanspruch in der Insolvenz des Empfängers durchsetzen, soweit sich das Zugewendete oder sein Surrogat noch im Empfängervermögen befinden.

Ein späterer Wegfall der Bereicherung war bei der römisch-gemeinrechtlichen condictio grundsätzlich unerheblich. Der Anspruch richtete sich auf das Erhaltene, nicht auf das, was noch beim Empfänger vorhanden war. Nur bei der Leistung von Speziessachen wurde mit Hilfe der allgemeinen Unmöglichkeitsregeln eine gewisse Haftungsmilderung für den gutgläubigen Empfänger erreicht: Ging die Sache ohne sein Verschulden unter, wurde er frei; veräußerte er die Sache gutgläubig, schuldete er nur den erhaltenen Kaufpreis. In dieser Tradition stehen die französischen, italienischen, österreichischen und niederländischen Kodifikationen, die Sonderregeln insbesondere für Sachleistungen vorsehen, während es grundsätzlich keine Einrede des Bereicherungswegfalls gibt. Auch im englischen Recht richtete sich die Haftung des Empfängers bis 1991 strikt auf das Erhaltene, falls nicht ausnahmsweise eine estoppel-Einrede wegen Erweckung eines besonderen Vertrauenstatbestands zur Hilfe kam. Die strikte Haftung hat in allen genannten Rechten dazu geführt, dass gegenüber minderjährigen Empfängern nicht der gewöhnliche Rückforderungsanspruch einschlägig ist, sondern ein Anspruch, der sich lediglich auf die Bereicherung richtet.

Eine allgemeine Einrede des Wegfalls der Bereicherung zugunsten des gutgläubigen Empfängers wurde insbesondere im 19. Jahrhundert in Deutschland favorisiert und dann in die Kodifikationen in Deutschland und in der Schweiz aufgenommen. Sie beruht auf dem Gedanken, dass der Anspruch auf der ungerechtfertigten Bereicherung des Empfängers beruht und daher wegfällt, soweit diese Bereicherung nicht mehr gegeben und dem Empfänger keine Bösgläubigkeit vorzuwerfen ist. Damit ihm durch die Rückforderung kein Schaden entsteht, soll er geschützt werden, soweit er das Erhaltene verloren oder nachteilige Dispositionen im Vertrauen auf den Empfang getroffen hat. Eine Einrede der change of position, die zumindest nachteilige Dispositionen des gutgläubigen Empfängers betrifft, führte das House of Lords 1991 auch für das englische Bereicherungsrecht ein (Lipkin Gorman v. Karpnale Ltd. [1991] 2 AC 548). Die sachliche Berechtigung der Einrede ist allerdings zumindest in denjenigen Fällen zweifelhaft, in denen der Empfänger an der fehlgeschlagenen Zuwendung beteiligt war. Bei Leistungen auf einen Austauschvertrag kommt hinzu, dass der Empfänger das Erhaltene bewusst gegen eine Gegenleistung austauschte und es unbillig wäre, wenn er von seiner Rückerstattungspflicht befreit würde, seine Gegenleistung aber zurückfordern oder zurückbehalten könnte (Rückabwicklung von Verträgen).

7. Vereinheitlichungsprojekte

In den Modellgesetzen und im Einheitsrecht finden sich häufig einzelne Regeln zur Rückforderung vertraglicher Leistungen, etwa Art. 81–84 CISG, Art. 9:305–309 PECL und Art. 7.3.6 UNIDROIT PICC für den Fall der Vertragsaufhebung wegen Nichterfüllung, Art. 4:115 PECL und Art. 3.17 UNIDROIT PICC bei einer Anfechtung wegen Willensmängeln und Art. 15:104 PECL bei rechts- und sittenwidrigen Verträgen. Der [ Code Européen des Contrats (Avant‑projet)]] regelt alle diese Fälle in einer einheitlichen Vorschrift (Art. 160). Der Draft DCFR enthält zum einen vertragliche Rückabwicklungsregeln für die Fälle der Vertragsaufhebung, des Widerrufs und der Kündigung (Art. III.-3:510–514 i.V.m. Art. II.-5:105, III.-1:108–109), zum anderen einen eigenen Abschnitt zum Bereicherungsrecht (Buch VII), der auch bei Leistungen auf unwirksame und angefochtene Verträge und beim Widerruf von Schenkungen anwendbar ist (Art. II.-7:212, II.-7:303, IV.H.-4:103). Kollisionsnormen finden sich in Art. 12 der Rom I-VO (VO 593/‌2008) und in Art. 10 der Rom II-VO (VO 864/‌2007).

Literatur

Izhak Englard, Restitution of Benefits Conferred Without Obligation, in: IECL X, Kap. 5, 1991; Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations, 1996, 834 ff.; Konrad Zweigert, Hein Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl. 1996, 568 ff.; Sonja Meier, Irrtum und Zweckverfehlung, 1999; Peter Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa, Bd. I, 2000; Thomas Krebs, Restitution at the Crossroads, 2001; Peter Birks, Unjust Enrichment, 2. Aufl. 2005; Christiane C. Wendehorst, Die Leistungskondiktion und ihre Binnenstruktur in rechtsvergleichender Perspektive, in: Reinhard Zimmermann (Hg.), Grundstrukturen eines europäischen Bereicherungsrechts, 2005, 47 ff.

Abgerufen von Leistungskondiktion – HWB-EuP 2009 am 23. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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