Softwareschutz: Urheberrecht und Patentrecht: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 29. September 2021, 08:38 Uhr
von Thomas Dreier
1. Gegenstand und Zweck
Software stellt in den modernen Industriegesellschaften ein zentrales Gut dar, ohne das weder ein Computer, noch die Steuerung zahlreicher Geräte, das Internet oder die Telekommunikation funktionieren würde. Die Programme sind komplex, erfordern zumeist einen nicht unerheblichen Investitionsaufwand und können aufgrund ihrer digitalen Natur doch leicht ohne nennenswerte Kosten kopiert werden. Zugleich ist Software ein wesentliches Exportgut der an Rohstoffen meist eher armen Wissens- und Informationsökonomien der Industriestaaten. Daher entstand bereits früh ein Bedürfnis nach einem wirksamen Ausschließlichkeitsschutz von Computerprogrammen, sowohl gegenüber der unerlaubten Kopie, Bearbeitung oder Nachahmung durch Wettbewerber, als auch zur Absicherung ausländischer Absatzmärkte in Ländern, die vielleicht zwar keine eigene Softwareindustrie aufweisen, in denen aber dennoch eine Nachfrage nach Computerprogrammen besteht.
Damit stellte sich die Frage, welches der Schutzrechte des geistigen Eigentums dem Schutzbedürfnis und den Besonderheiten von Computerprogrammen am ehesten Rechnung trägt. In Betracht kommen vor allem das Patentrecht und das Urheberrecht sowie der Geheimnisschutz (Unlauterer Wettbewerb (Grundlagen)). Schützt das Patentrecht technische Erfindungen, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind, so ist Schutzgegenstand des Urheberrechts eine individuell gestaltete persönliche geistige Schöpfung, traditionellerweise im Bereich der Literatur und Kunst. Dabei ist das Patentrecht grundsätzlich ebenso technologieoffen wie das Urheberrecht, das die Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst nur beispielhaft und nicht abschließend benennt. Programme haben zum einen rein technisch-funktionalen Charakter, stellen zum anderen jedoch keine Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte im klassischen Sinn dar, wie dies für einen Patentschutz Voraussetzung ist. Zugleich sind Programme zwar in Computersprachen verfasst, doch richtet sich diese Sprache nicht an einen Menschen, sondern an die programmverarbeitende Maschine. Keines der beiden traditionellen Schutzrechte will also recht passen.
So sind Computerprogramme in Europa 1977 vom Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) wie auch im Zuge der Angleichung der nationalen Patentgesetze vom Patentschutz ausdrücklich ausgeschlossen worden, soweit sich die Anmeldung auf ein Computerprogramm „als solches“ bezieht. Auch die US-amerikanischen Gerichte waren in den 70er-Jahren mit der Gewährung von Patentschutz in Bezug auf Programme zunächst noch zurückhaltend, da sie den durch Patente gewährten Monopolen skeptisch gegenüber standen. Zugleich wurde im Rahmen der World Intellectual Property Organization (WIPO) dann zwar mit Arbeiten an einem Sonderschutz für Computerprogramme begonnen, diese Pläne im Jahr 1985 jedoch wieder aufgegeben. Denn inzwischen hatte vor allem die US-Industrie massiv auf die Aufnahme von Computerprogrammen in das System des Urheberrechts gedrängt. Aus ihrer Sicht hat das Urheberrecht einem Sonderschutz wie auch dem Patentrecht gegenüber gleich mehrere Vorteile: So war das Urheberrecht bereits durch internationale Abkommen geregelt, unter denen ein recht einfacher, formloser und – anders als im Patentrecht – nicht von langwierigen und kostspieligen Registrierungsverfahren abhängiger Schutz im Inland wie auf ausländischen Märkten erhältlich ist. Auch die Rechte, die das Urheberrecht mit dem Schutz gegen die 1:1-Kopie und gegen Abwandlungen bestehender Programme gewährt, reichten der Industrie zum damaligen Zeitpunkt weitgehend aus, war die vergleichsweise noch junge Programmindustrie, allen voran diejenige aus Seattle, doch gerade erst im Begriff, den Privatkundenmarkt zu erobern (1982: Einführung des PCs durch IBM). Zwar sind Zweifel an der Eignung des Urheberrechts nie wirklich verstummt, insbesondere im Hinblick auf die überlange Schutzdauer, die Wettbewerber zu lange vom Markteintritt abhält, sowie in Bezug auf umfassende Bearbeitungsrechte, mittels derer der Anbieter Verbesserungen bestehender Programme durch Dritte unterbinden kann. Da überdies nicht ganz klar war, ob die bestehenden Konventionen des internationalen Urheberrechts deren Mitgliedstaaten tatsächlich zur Schutzgewähr ausländischer Computerprogramme verpflichteten, beeilten sich die USA, den Urheberrechtsschutz für Programme international explizit abzusichern, zunächst im Wege bilateraler Handelsabkommen unter Androhung von Handelssanktionen und schließlich durch den Abschluss des Abkommens über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS) im Rahmen des Welthandelsabkommens sowie des WIPO Urheberrechtsvertrages (WCT). Seitdem sind – gesetzestechnisch freilich wenig befriedigend – Computerprogramme durch das Urheberrecht als „literarische Werke“ zu schützen. Die EU hat sich dieser Entwicklung mit ihrer RL 91/250 angeschlossen.
Dennoch ist das Bedürfnis für einen darüber hinausgehenden rechtlichen Schutz durch das Patentrecht aus Sicht der Industrie nicht entfallen. Denn das Urheberrecht schützt zum einen nicht davor, dass eine Programmidee in anderer Form programmiert wird als im Ursprungsprogramm. Zum anderen besteht ein Schutzbedürfnis für Erfindungen, deren Kern im Bereich des Steuerungs‑ und Regelungswesens ein Programm ist. Vollends rein programmbasiert sind Innovationen schließlich im Internet, und es wäre nicht recht nachvollziehbar, warum Erfindungen auf einem der gegenwärtig bedeutsamsten Gebiete der Technik nur deshalb vom Patentschutz ausgeschlossen sein sollten, weil sie ein Programm enthalten. Die Lösung, auf die man sich hier – zumindest innerhalb der Industriestaaten – inzwischen verständigt hat, besteht darin, dass Computerprogramme als solche zwar nach wie vor vom Patentschutz ausgeschlossen sein mögen, dass jedoch Erfindungen, die ein Computerprogramm enthalten, bei Vorliegen der Patentierungsvoraussetzungen durchaus patentiert werden können (sog. programm- bzw. softwarebezogene Erfindungen).
2. Tendenzen der Rechtsentwicklung
Über Art. 9(1) TRIPS, an den alle WTO-Mitgliedstaaten gebunden sind, ist der Programmschutz durch das Urheberrecht inzwischen zu einem weltweiten, recht homogenen Gesetzgebungsstandard geworden. Anfängliche Schwierigkeiten, die manche der EU-Mitgliedstaaten damit hatten, die Schutzvoraussetzung des urheberrechtlichen Programmschutzes mit einem traditionell von der Schöpferpersönlichkeit geprägten Begriff der Originalität in Einklang zu bringen, sind längst überwunden (so hat etwa Frankreich das klassische Kriterium, demzufolge ein urheberrechtlich geschütztes Werk den „Stempel der Persönlichkeit“ seines Schöpfers in sich tragen muss, für Computerprogramme in das Erfordernis eines „persönlichen Beitrags“ uminterpretiert). Auch die anfänglich in den einzelnen Mitgliedstaaten noch stark unterschiedlichen Anforderungen an die Schöpfungshöhe urheberrechtlich schutzfähiger Programme wurden durch die RL 91/250 vereinheitlicht (in Deutschland war nach der Inkasso-Programm-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1985 [BGH 9.5.1985, NJW 1986, 192] ein das Können des Durchschnittsprogrammierers erheblich übersteigendes Programmierergebnis Schutzvoraussetzung, wohingegen in Großbritannien wohl alle Programme geschützt waren, sofern sie nicht kopiert und nicht banal waren). Sollten sich insoweit in der Praxis nach wie vor unterschiedliche nationale Traditionen erhalten haben, so spielen diese angesichts der heutigen Komplexität von Programmen jedoch keine Rolle mehr. Im Übrigen funktioniert der urheberrechtliche Programmschutz gegen die 1:1-Kopie problemlos (tritt hier in der Praxis allerdings in Konkurrenz zu dem weit einfacher nachzuweisenden Markenschutz (Markenrecht)). Hinsichtlich Bearbeitungen hat der urheberrechtliche Programmschutz – wohl aufgrund der stark gewachsenen Möglichkeiten, eigenständige Software ohne Rückgriff auf fremde Programme zu entwickeln, wie auch aufgrund der zunehmenden Zahl von Open-Source-Produkten – insgesamt wohl nicht die Bedeutung erlangt, die man je nach Standpunkt erhofft oder befürchtet hatte. Nicht einmal die im Zuge der Verabschiedung besonders heftig umkämpfte Schrankenbestimmung des Dekompilierens, mit der das wettbewerbsrechtliche Problem der Herstellung interoperabler, kompatibler Produkte geregelt werden sollte, hat in der Praxis zu nennenswerten Streitigkeiten geführt (unklar bleibt allerdings, weshalb das Gericht Erster Instanz diese Vorschrift bei der Beurteilung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung angesichts der Weigerung von Microsoft, seinen Wettbewerbern Schnittstellen offen zu legen, völlig unbeachtet gelassen hat; s. EuG Rs. T-201/04 – Microsoft, Slg. 2007, II-3601). Insgesamt handelt es sich bei Computerprogrammen um den ersten digitalen Schutzgegenstand, der im Urheberrecht Aufnahme gefunden hat. Einige der für Computerprogramme entwickelten und zunächst speziell auf diese zugeschnittenen Lösungen sind nachfolgend auf traditionelle Werke in digitaler Form übertragen worden. Den darin liegenden „Paradigmenwechsel“ des Urheberrechts hat ein Teil der Literatur schon frühzeitig beklagt.
Bewegter ist dagegen die – noch immer nicht abgeschlossene – Entwicklung der Patentierbarkeit computerbezogener Erfindungen verlaufen. Hatten sich die drei großen Patentämter der USA, Europas und Japans zu Beginn noch um eine zumindest in der sprachlichen Umschreibung weitgehend einheitliche Erteilungspraxis bemüht, so waren die USA mit der State Street Bank-Entscheidung des United States Court of Appeals for the Federal Circuit (State Street Bank & Trust Co. v. Signature Financial Group Inc. 23.7.1998, 149 F.3d 1368) aus diesem internationalen Konsens ausgeschert. Unter Hinweis auf Art. 27 TRIPS, nach dem Patentschutz diskriminierungslos für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik („inventions … in all fields of technology“) zu gewähren ist, wurde danach kein Gegenstand vom Patentschutz grundsätzlich für ausgeschlossen erachtet (patentierbar ist grundsätzlich anything under the sun). Mithin waren in den USA – im Gegensatz zu Europa – auch Geschäftsmethoden, die mittels Software automatisiert werden, patentfähig (Bekanntheit erlangt haben das Hyperlink-Patent der British Telecom sowie das One-click-through-Patent des Amazon-Firmengründers Jeff Bezos, die, wären sie nicht für unwirksam erklärt worden bzw. hätte der Inhaber nicht auf die Ausübung verzichtet, sämtliche Internetanbieter für die Nutzung eines vergleichsweise trivialen Patents auf 20 Jahre hinaus zu Lizenzzahlungen verpflichtet hätten). Mit der Entscheidung In re Bilski scheint das US-amerikanische Patenberufungsgericht inzwischen jedoch eine Kehrtwende eingeleitet zu haben.
Die Patentierung von Erfindungen unter Einbeziehung von Software bewegt sich in einem Spannungsfeld: auf der einen Seite soll Patentschutz nicht gänzlich versagt werden, auf der anderen Seite soll der Ausschließlichkeitsschutz aber auch nicht zu weit reichen. Im Zentrum steht dabei die Suche nach einer geeigneten Umschreibung, wann bei einer Programmerfindung von einem „technischen“ Beitrag ausgegangen werden kann und wann nicht. Die europäische wie auch die deutsche Erteilungspraxis hat hier nach jeweils eher zögerlichem Beginn den Kreis patentfähiger softwarebezogener Erfindungen zunächst zunehmend ausgeweitet. Erst in letzter Zeit wird offensichtlich versucht, in gewisser Hinsicht wieder stärkere Grenzen zu ziehen. Zwar sind nach wie vor nicht sämtliche Unterschiede in den Ansätzen der nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten beseitigt, die in manchen Fällen über die nationalen Patente ein- und desselben europäischen Bündelpatents zu befinden haben. Doch haben regelmäßig stattfindende Richtersymposien dazu beigetragen, diese Unterschiede in Grenzen zu halten. Auch unter einem künftigen Gemeinschaftspatent (Europäisches Patent – Gemeinschaftspatent) ist mit Änderungen kaum zu rechnen, zumal dieses in der gegenwärtig vorgeschlagenen Form hinsichtlich der patentfähigen Gegenstände wie auch der Schutzvoraussetzungen auf das EPÜ aufsetzt.
Starke Kritik an der Patentierung softwarebezogener Erfindungen wird vor allem seitens der Open-Source-Gemeinde geübt. Wird der Patentschutz nicht schon als solcher als Innovationshindernis angesehen, so wird seine Anreizfunktion doch zumindest im Programmbereich geleugnet. Denn in der Praxis, so der Vorwurf, werden Patente vornehmlich dazu benutzt, um bestehende Innovationen gegen Weiterentwicklungen durch Wettbewerber abzusichern (strategische Patentierung), und gehortet, um die Verhandlungsstärke gegenüber Partnern von joint ventures zu erhöhen (Aufbau von Patentportfolios, die in Patentpools eingebracht werden). Überdies widerspreche der Gedanke eines Ausschließlichkeitsrechts dem in der vernetzten Wissensgesellschaft vorherrschenden Aspekt des Kooperierens und Teilens (sharing). Zugleich wird befürchtet, die Patentierung könne die Interoperabilität und die Bildung offener Standards behindern und es könnten Entwickler, die von der Patentierung Gebrauch machen, Softwarepatente gegen Open-Source-Entwicklungen geltend machen. Die zunehmende Dichte von Softwarepatenten erhöht überdies die Gefahr der Verletzung fremder Schutzrechte. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind im Gegensatz zu großen Softwareentwicklern oft nicht in der Lage, eigene Patentstrategien zu entwickeln. Diese Kritik der Gegner von Softwarepatenten hat dazu geführt, dass die Revision dieses Punktes im EPÜ im Jahr 2000 verhindert und fünf Jahre später auch der von der Kommission lancierte Vorschlag einer Richtlinie zur Vereinheitlichung des Patentschutzes computerbezogener Erfindungen zu Fall gebracht wurde, obwohl es das Ziel beider Vorschläge war, die Patenterteilung im Programmbereich gerade für kleinere und mittlere Unternehmen transparenter zu gestalten.
An der Praxis der Erteilung hat das insgesamt nichts geändert. Nach wie vor wird eine stetig steigende Zahl von Softwarepatenten erteilt. So hat das US-amerikanische Patentamt (USPTO) im Jahr 2004 geschätzte 30.000, 2005 rund 29.000 und 2006 sogar 41.000 Softwarepatente erteilt. Beim europäischen Patentamt (EPA) wird die in den Statistiken nicht gesondert ausgewiesene Zahl bislang erteilter Softwarepatente intern auf rund 30.000 geschätzt, mehrere zehntausend zusätzliche Anmeldungen sollen bereits erfolgt sein, insbesondere durch große Anmelder. Patentschutz für programmbezogene Erfindungen ist in der Praxis also nicht nur in den USA, sondern auch in Europa längst in weitem Umfang Realität geworden.
3. Regelungsstrukturen im Einheitsrecht
Auch wenn internationales Konventionsrecht und die europäische RL 91/250 zu einem urheberrechtlichen Programmschutz „als literarische Werke“ verpflichten, enthält doch insbesondere die Richtlinie eine Reihe von Präzisierungen und – je nach Ausgestaltung des allgemeinen Urheberrechts der EU-Mitgliedstaaten auch – Abweichungen. So ist klargestellt, dass zum geschützten Computerprogramm auch das vorbereitende Entwurfsmaterial gehört. Das Handbuch hingegen hat dagegen ein eigenes rechtliches Schicksal und aus der Datenbank-RL 96/9 (Datenbankschutz) ergibt sich, dass ein für die Herstellung oder den Betrieb elektronisch zugänglicher Datenbanken verwendetes Programm ebenfalls selbständig geschützt und nicht Teil der Datenbank ist. Überdies sind Programme unabhängig von der Art ihrer Implementierung in Soft- oder Hardware und auch unabhängig vom verwendeten Speichermedium geschützt. Bei Programmen, die aufgabengemäß in Arbeits- oder Dienstverhältnissen erstellt werden, ist – ebenfalls in Abweichung zu manchen nationalen allgemeinen urheberrechtlichen Regelungen – ausschließlich der Arbeitgeber zur Ausübung aller wirtschaftlichen Rechte berechtigt. Sonderbestimmungen bestehen dann vor allem hinsichtlich der Schrankenbestimmungen. So ist etwa die im allgemeinen Urheberrecht zumeist übliche Zulässigkeit der Kopie zum privaten Gebrauch im Hinblick auf die Schutzinteressen der Rechteinhaber gegenüber der Zirkulation unautorisierter Programmkopien dadurch eingeschränkt, dass zustimmungsfrei lediglich solche Vervielfältigungs- und Bearbeitungshandlungen zulässig sind, die durch einen berechtigten Programmnutzer im Zuge des bestimmungsgemäßen Gebrauchs vorgenommen werden. Zulässig ist weiterhin die Anfertigung einer Sicherungskopie, aber nur dann, wenn der Anbieter des Programms nicht seinerseits rechtzeitigen Ersatz garantiert. Weitere Ausnahmen sollen sicherstellen, dass ein Programmnutzer auch tatsächlich in die dem Programm zugrunde liegenden Ideen Einblick nehmen kann. Dass sich der Programmschutz nur auf dessen konkreten Ausdruck, nicht hingegen auf die dem Programm zugrunde liegenden Ideen erstreckt, entspricht an sich einem allgemeinen urheberrechtlichen Prinzip. Doch ergibt sich bei Programmen das Problem, dass diese dem Nutzer regelmäßig nur in Form des Objektcodes vorliegen und sich die Ideen nur dem Sourcecode entnehmen lassen, dessen Herstellung jedoch eine dem Rechtsinhaber vorbehaltene Vervielfältigung bzw. Bearbeitung darstellt. Um zu verhindern, dass der Zugriff auf die Ideen zu einer Kopie des gesamten geschützten Programms führt, ist nach der Richtlinie das Dekompilieren eines fremden Programms unter einer Reihe einschränkender Bestimmungen sowohl hinsichtlich des Umfangs (Beschränkung im wesentlichen auf Schnittstelleninformationen) wie auch hinsichtlich der Verwendung der auf diese Weise erlangten Informationen (nur für ein eigenständig geschaffenes Programm) allein zum Zweck der Herstellung der Interoperabilität des neu geschaffenen Programms mit anderen Programmen zulässig. Diese Bestimmung war im Gesetzgebungsverfahren höchst umstritten, ist jedoch − soweit ersichtlich − nie praktisch relevant geworden. Entweder lassen sich Rechtsverletzungen hier kaum nachprüfen, oder aber es ist die Programmentwicklung – nicht zuletzt wegen des Zwangs zur Vernetzung in der Internetökonomie – inzwischen über dieses Problem hinweggegangen. Gleichwohl in Einzelfällen bestehenden Fällen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung begegnet die Rechtsprechung jedenfalls mit den Mitteln des allgemeinen Wettbewerbsrechts (EuG Rs. T-201/04 – Microsoft, Slg. 2007, II-3601). Da schließlich das Vertragsrecht ebenso wenig vereinheitlicht ist wie die Dogmatik der Lizenzerteilung, bestehen zum Teil noch erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, was die räumliche und inhaltliche Aufspaltbarkeit und auch die nationale Erschöpfungswirkung (Geistiges Eigentum (Erschöpfung)) beim Softwarevertrieb anbelangt. So haben sich in der Praxis eine ganze Reihe spezialisierter, auf die jeweilige Softwarenutzung und die nationale Rechtsordnung zugeschnittener Vertriebs- und Nutzungsverträge herausgebildet (z.B. Application-Service-Providing (ASP)- und Outsourcing-Verträge; Grid-Computing). Auch die Open-Source-Bewegung hat sich recht erfolgreich das Urheberrecht zunutze gemacht, um auf diese Weise für die Offenheit des Codes und für nicht-proprietäre Vermarktungsformen zu sorgen (mittels Erteilung einer nichtausschließlichen Nutzungslizenz, die auflösend bedingt an die Einhaltung der Lizenzbedingungen geknüpft ist, die ihrerseits eine mehr oder minder große Rechtsfreiheit vorschreiben).
Im Patentrecht geht die inhaltlich entscheidende Fragestellung dahin, wie der für die Patenterteilung erforderliche technische Charakter einer programmbezogenen Erfindung sinnvoll und handhabbar umschrieben werden kann. Die Definition dessen, was im Einzelfall technisch ist, verursacht dann jedoch vor allem in den Fällen erhebliche Schwierigkeiten, bei denen eine Erfindung technische mit nicht-technischen Merkmalen kombiniert. Im Ergebnis lässt sich etwas vereinfacht festhalten, dass jedenfalls das EPA die Anforderungen an die Technizität im Laufe der Zeit zwar nahezu auf Null reduziert hat, statt dessen aber die Voraussetzung der erfinderischen Tätigkeit eher einschränkend handhabt (indem es bei der Prüfung von Erfindungen nur diejenigen Merkmale berücksichtigt, die zu diesem technischen Charakter beitragen, nicht hingegen sonstige Merkmale, die keinen technischen Beitrag leisten. Allerdings ist auch hier noch keine endgültige Einheitlichkeit erzielt, wie die Vorlage an die große Beschwerdekammer des EPA zeigt.). Die deutsche Rechtsprechung nahm ihren Ausgangspunkt demgegenüber in der weit zurückhaltenderen sog. Kerntheorie (nach der eine Erfindung, die sowohl technische als auch nicht-technische Elemente aufweist, auf ihren „Kern“ zu reduzieren ist, so dass, handelte es sich im Kern um ein Computerprogramm, die Erfindung insgesamt wegen ihres nicht-technischen Kerns vom Patentschutz ausgenommen war), zeigte sich dann jedoch mehr und mehr bereit, bei der Frage nach der Patentierbarkeit durchaus auch nicht-technische Elemente zu berücksichtigen. In neuerer Zeit sind allerdings wieder gewisse Anzeichen einer einschränkenderen Praxis zu beobachten. Im Übrigen ähneln die patentrechtlichen Fragestellungen in Bezug auf Software weitgehend denjenigen in Bezug auf Erfindungen auf anderen Gebieten der Technik.
4. Vereinheitlichungsprojekte
Damit hat die Entwicklung des urheber- wie auch des patentrechtlichen Schutzes von Computerprogrammen und softwarebezogenen Erfindungen insgesamt einen Stand weitgehender Konsolidierung erfahren. Allerdings ist die Erteilungspraxis insbesondere im Bereich computerimplementierter Erfindungen inzwischen derart komplex und unübersichtlich, dass sich die Materie wohl nur noch dem erfahrenen Fachmann erschließt. Ohnehin sind abstrahierende Aussagen ohne nähere Befassung mit den Originalanmeldungen nur schwer möglich. Auch das trägt dazu bei, dass eine weitergehende Steuerung mit gesetzgeberischen Mitteln einstweilen nicht zu erwarten ist.
Literatur
Bridget Czarnota, Robert Hart, Legal Protection of Computer Programs in Europe, 1991; Thomas Dreier, Die internationale Entwicklung des Rechtsschutzes von Computerprogrammen, in: Michael Lehmann (Hg.), Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen, 2. Aufl. 1993, 31 ff; Robert Gehring, Bernd Lutterbeck, Software-Patente im Spiegel von Softwareentwicklung und Open Source Software, in: Festschrift für Wolfgang Kilian, 2004, 301 ff.; Rainer Moufang, Softwarebezogene Erfindungen im Patentrecht, in: Festschrift für Gert Kolle und Dieter Stauder, 2005, 225 ff.; Lionel Bently, Computer Programs Directive, in: Thomas Dreier, Bernt Hugenholtz (Hg.), Concise European Copyright Law, 2006, 211 ff.; Till Jäger, Axel Metzger, Open Source Software, 2. Aufl. 2006; Hanns Ullrich, Mathias Lejeune (Hg.), Der internationale Softwarevertrag, 2. Aufl. 2006; Erwin Basinski, Michel de Beaumont, Jürgen Betten, Jose Antonio Faria Correa, Stephan Freischem, Patentschutz für computer-softwarebezogene Erfindungen, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 2007, 44 ff.; Axel von Hellfeld, Ist nur Technik Stand der Technik? Zum neuen Neuheitsbegriff im Europäischen Patentamt und dessen Anwendung auf rechnergestützte Erfindungen, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 2008, 1007 ff.; Thomas Dreier, Rupert Vogel, Software- und Computerrecht, 2008; Fritz Teufel, Aktuelles aus dem Bereich Softwarepatentierung: Das Computerprogramm „als solches“. Mitt. 2009, 249.