Ombudsmann: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 31. August 2021, 18:07 Uhr

von Anneken Kari Sperr

1. Begriff und Abgrenzung

Der Begriff des Ombudsmannes setzt sich aus dem altnordischen Begriff ombud (Bevollmächtigter, Vertreter) und man (Mann) zusammen. Allgemein ist unter einem Ombudsmann eine Person zu verstehen, die zur außergerichtlichen und unbürokratischen Beilegung von Streitigkeiten berufen ist, damit zugleich eine Kontrollfunktion übernimmt und ihre Aufgabe regelmäßig durch das Aussprechen einer Empfehlung statt durch das Treffen einer Entscheidung erfüllt.

Ihren Ursprung findet die Einrichtung eines Ombudsmannes in den nordischen Ländern. Zwar ist sie auch in ihrer skandinavischen Originalfassung keiner einheitlichen Definition zugänglich, da sich die verschiedenen Regelungen im Einzelnen nicht unerheblich unterscheiden. Kurz skizziert besteht die Aufgabe des originären skandinavischen Ombudsmannes aber in der parlamentarischen und damit außergerichtlichen und verwaltungsexternen Kontrolle über die Verwaltung, die er sowohl auf eigene Initiative als auch auf Antrag einer betroffenen Partei ausübt (unten 2).

Heute bildet der parlamentarische Ombudsmann aus Skandinavien das Grundmodell für viele, häufig mit dem Originalbegriff bezeichnete Adaptionen und Abwandlungen in zahlreichen europäischen und außereuropäischen Rechtsordnungen. Dabei geht es zum einen um alternative Formen der Kontrolle und Streitbeilegung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (unten 3).

Zum anderen sind auch für privatrechtliche Rechtsverhältnisse weitere Institutionen nach dem Beispiel des Ombudsmannes entwickelt worden, die vielfach eine ähnliche Bezeichnung erhielten, obgleich es sich zumeist um strukturell andere Funktionen und Regelungen handelt. Dies gilt vor allem für rechtliche Beziehungen, die von einem ungleichen Kräfteverhältnis zwischen den Parteien geprägt sind; namentlich im Verbraucherrecht – und hier besonders im Banken- und Versicherungsrecht – hat sich die Etablierung von Vertretern der Verbraucherinteressen bzw. privater Beschwerdestellen als sehr erfolgreich erwiesen (unten 4).

Heute verlangen schließlich auch die Institutionen der Europäischen Union nach der Einrichtung außergerichtlicher Streitschlichtungsstellen (unten 5).

2. Geschichtlicher Hintergrund

Historisch geht die Einrichtung eines parlamentarischen Ombudsmannes auf die Einrichtung dieses Amtes in Schweden im Jahre 1809 zurück. Nach Einführung der neuen, durch die Gewaltenteilung im Sinne Montesquieus geprägten Regierungsform wurde dem Amt des Högste Ombudsman, später Justitiekansleren genannt, der seit 1713 als erster Repräsentant und Vertreter des Königs fungierte und heute den Ombudsmann der Regierung darstellt, ein parlamentarischer Justitieombudsman zur Seite gestellt. Dieser war mit der Aufsicht über die Um- und Durchsetzung der parlamentarischen Gesetze durch Verwaltung und Gerichte betraut. Er sollte für eine einheitliche Rechtsanwendung sorgen und Unklarheiten in der Gesetzgebung aufzeigen, um damit die Interessen des Einzelnen zu stärken. Seine Bedeutung in Schweden ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass man hier bis zur Etablierung des Regeringsrätten (des obersten Verwaltungsgerichts) im Jahre 1909 an einer reinen Administrativjustiz festhielt und keine unabhängige rechtliche Überprüfung administrativer Entscheidungen kannte. Finnland folgte nach seiner Unabhängigkeit vom Russischen Reich im Jahre 1918 dem schwedischen Vorbild und führte einen parlamentarischen Ombudsmann, den Riksdagens Justitieombudsmans Kansli, ein.

In Dänemark und Norwegen war eine unabhängige gerichtliche Kontrolle über die Verwaltung bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts fester Bestandteil der Verfassung (Dänemark) bzw. des konstitutionellen Gewohnheitsrechts (Norwegen). Entsprechend war das Bedürfnis nach einer weiteren verwaltungsexternen Überprüfungsinstanz zunächst nicht in gleichem Maße gegeben. Mit der grundlegenden Strukturänderung vom liberalen Rechtsstaat des 19. Jahrhunderts zum modernen Verwaltungsstaat des 20. Jahrhunderts wurde die gerichtliche Verwaltungskontrolle als einzige verwaltungsexterne Rechtsschutzinstanz jedoch zunehmend als nicht ausreichend erachtet. Für den Bürger war (und ist) die gerichtliche Verwaltungskontrolle kompliziert, zeitaufwendig und kostspielig. Sie ist außerdem vergleichsweise zurückhaltend, u.a. weil sie von den ordentlichen Gerichten, nicht von spezialisierten Verwaltungsgerichten wahrgenommen wird. Dänemark entschied sich daher im Jahre 1953, das bestehende System des verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes mit einer zusätzlichen Einrichtung, dem Folketingets Ombudsmand, zu ergänzen. Damit kam es zu einer in der Folgezeit von Wissenschaft und Politik viel beachteten „Transplantation“ einer Institution, die in einer fremden Verfassung und nationalen Tradition wurzelte, in ein gänzlich neues Umfeld, den modernen Wohlfahrtsstaat. Norwegen folgte dem dänischen Vorbild entsprechend der parallelen Rechtstradition insbesondere auf dem Gebiet des verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes mit der Einrichtung des Sivilombudsmannen im Jahre 1962.

Seit der Einführung des Alltingets ombudsmann auf Island (1987) findet sich die Institution eines parlamentarischen Ombudsmannes nicht nur in allen nordischen Rechtsordnungen, auch die zum dänischen Königreich zählenden Färöer und Grönland, seit 1948 und 1979 in zunehmendem Maße selbstverwaltet, verfügen mit dem Landsting Ombudsman auf Grönland (1995) und dem Lagting Ombudsman auf den Färöer (2001) heute je über eine entsprechende Einrichtung.

3. Rezeption des öffentlich-rechtlichen Ombudsmannes

Die Institution des parlamentarischen Ombudsmannes wurde nicht nur in den nordischen Ländern mit Optimismus und Enthusiasmus aufgenommen; insbesondere der erste dänische Ombudsmann machte sie auch außerhalb des Nordens so bekannt, dass sie in zahlreichen Ländern rezipiert wurde. Dabei war Neuseeland nach Dänemark die vierte und erste englischsprachige Nation, die einen Ombudsmann nach skandinavischer Konzeption etablierte. Diese Adaption der Einrichtung in ein demokratisches System britischer Prägung wurde in den folgenden Jahrzehnten zum Muster für die meisten Staaten des Commonwealth. Im Jahre 1978 hatten über 30 Länder eine Institution nach dem Vorbild des nordischen Ombudsmannes etabliert, im Jahre 2005 waren es weltweit bereits weit über 100 Staaten. Heute besteht vor allem in Ländern, die erst in jüngerer Zeit ihre eigene Unabhängigkeit erreicht haben bzw. die sich nach Überwindung eines totalitären Regimes um die Einführung eines bürgernahen und demokratischen Regierungssystems bemühen, ein gesteigertes Interesse an der Einführung einer kontrollierenden und korrigierenden Instanz wie der des parlamentarischen Ombudsmannes nach skandinavischem Vorbild.

Auf europäischer Ebene wurde im Jahre 1995 das Amt des Europäischen Bürgerbeauftragten mit Sitz in Straßburg eingerichtet. Dieser wird vom Europäischen Parlament gewählt und befasst sich mit Missständen in der Verwaltungstätigkeit der Organe und in Institutionen der Europäischen Union. Dabei stützt er sich in der Regel auf entsprechende Beschwerden, kann aber auch aus eigener Initiative Untersuchungen einleiten.

4. Ombudsmann und Verbraucherrecht

Seit Anfang der 1970er Jahre ist die Idee eines staatlich bestellten, unabhängigen Kontrollorgans auch zur Förderung des Verbraucherschutzes eingesetzt worden. Bereits seit Beginn der Verbraucherschutzdebatten nach 1960 (Verbraucher und Verbraucherschutz) wurde immer wieder die geringe Bereitschaft der Verbraucher zur Durchsetzung ihrer Rechte im Rahmen des herkömmlichen Zivilprozesses hervorgehoben. Dies wird auf verschiedene rechtssoziologische und ökonomische Faktoren zurückgeführt, die gewisse Parallelen zum Hintergrund der Etablierung der öffentlich-rechtlichen Ombudsmann-Einrichtungen aufweisen. So führen etwa Informationsdefizite und fehlende Rechtskenntnis der Verbraucher, das Gefühl der Unterlegenheit des Einzelnen und die Schwellenangst gegenüber der Nutzung des Rechtsapparates insbesondere dort, wo es sich nur um geringe Streitwerte handelt und das prozessuale Kostenrisiko vergleichsweise hoch erscheint, zu einer von der ökonomischen Analyse des Rechts konstatierten Risikoaversion und einem rationalen Desinteresse des Verbrauchers an der Durchsetzung seiner Rechte. Dabei treffen die Folgen nicht nur den einzelnen Konsumenten (soziale Befriedungsfunktion), sie werden auch als generelle Schwachstellen des Rechtssystems angesehen. Die Durchsetzungsdefizite bringen eine nur unzureichende Verwirklichung des materiellen Verbraucherrechts mit sich und stellen damit die Legitimität des Rechts an sich in Frage. Dies führt zu einem generellen Vertrauensverlust. Gemeinsam mit einer erstarkenden Asymmetrie der wirtschaftlichen Beziehung zwischen Unternehmern und Konsumenten kann dies die Funktionsfähigkeit einzelner Verbrauchermärkte schmälern.

In den Rechtsordnungen der westlichen Staaten wurden daher zahlreiche Abhilfemaßnahmen entwickelt. Dabei hat man sich dort, wo der gerichtliche Rechtsschutz besonders teuer ist, bereits früh um Alternativen zu den traditionellen Konfliktlösungsinstrumentarien bemüht. Neben unterschiedlichen Schlichtungs- und Mediationsverfahren (Mediation) und der Schaffung spezieller Gerichte und schlanker Verfahren für geringwertige Streitigkeiten (so etwa die small claims courts in den USA) sind hier vor allem die verschiedenen als Ombudsmann bezeichneten Einrichtungen zu nennen, deren Aufgabe es ist, Positionen der Verbraucher auf deren Beschwerde hin gegenüber den kritisierten Unternehmen zu stärken und den Einzelnen bei der Durchsetzung seiner Verbraucherrechte zu unterstützen.

Generell kann hier zwischen staatlichen Aufsichtsbehörden wie den Verbraucherombudsleuten in den skandinavischen Ländern einerseits (unten 4 a) und privaten, branchenspezifischen, von der Anbieterseite eingerichteten Beschwerdestellen – wie etwa einst dem Insurance Ombudsman Bureau (IOB) in Großbritannien, das heute als Unterabteilung im gesetzlichen Financial Ombudsman Service (FOS) aufgegangen ist −, sowie dem Ombudsmann der privaten Banken und dem Versicherungsombudsmann in Deutschland andererseits unterschieden werden (unten 4 b). Während erstere vor allem mit dem Schutz kollektiver Verbraucherinteressen, insbesondere dem Schutz vor irreführender Werbung und unlauteren Geschäftspraktiken betraut sind und nur begrenzt auch Schlichtungsfunktionen bei konkreten Auseinandersetzungen übernehmen, ist die Lösung individueller Konflikte die Hauptaufgabe der letzteren. Im Gegensatz zum klassischen Ombudsmann im öffentlichen Sektor und dem Verbraucherombudsmann der nordischen Länder sprechen die privaten Ombudsmann-Einrichtungen nicht nur Empfehlungen aus, sie haben regelmäßig auch Entscheidungskompetenzen, die jedoch überwiegend nur das Unternehmen binden (und dies allein bis zu einen bestimmten Streitwert), während dem Verbraucher weiterhin der Weg zum Gericht offen steht.

a) Der staatliche Verbraucherombudsmann (skandinavisches Modell)

Die erste Einrichtung dieser Art wurde im Jahre 1971 in Schweden geschaffen. Der sog. Konsumentombudsmannen (KO) ist als öffentlicher Beamter von hohem Ansehen zugleich Direktor des Konsumentverket (KOV) (Swedish Consumer Agency). Seine wesentliche Aufgabe ist die Überprüfung der Einhaltung verbraucherrechtlicher Vorgaben durch die Marktteilnehmer. Dies geschieht auf eigene Initiative, als Folge von Beschwerden durch Verbraucher oder Konkurrenten sowie auf Eingaben öffentlicher Stellen. Der Konsumentombudsmannen fungiert hier als Vertreter der allgemeinen Verbraucherinteressen und bemüht sich um einvernehmliche Lösungen und freiwillige Befolgung seiner Empfehlungen. Wo die Verhandlungen jedoch scheitern, kann er Klage vor einem besonderen Gericht, dem Marknadsdomstolen (Market Court) wegen Verletzung des Lag om avtalsvilkor i konsumentförhållanden (Consumer Contract Terms Act) oder des Marknadsföringslagen, MFL 1995:450 (Marketing Practices Act), ggf. in Verbindung mit anderen Verbraucherschutzgesetzen, erheben. Der Konsumentombudsmannen kann hier gerichtliche Verfügungen erwirken, eine Entscheidung zur Offenlegung von Informationen anstreben oder eine spezielle Strafe wegen Störung des Marktes von bis zu 10 % des jährlichen Umsatzes des Beklagten begehren. In kleineren Fällen ist der Konsumentombudsmannen – eine Einigung mit dem jeweiligen Unternehmen vorausgesetzt – auch selber berechtigt, Verbote auszusprechen oder die Offenlegung von Informationen anzufordern. Ferner ist der Konsumentombudsmannen bereits seit 1997 berechtigt, eine Gruppe von Verbrauchern im Rahmen einer außergerichtlichen Sammelklage vor dem Allmänna reklamasjonsnämnden (ARN) (Swedish National Board for Consumer Complaints) als deren Repräsentant zu vertreten. Mit dem Lag om grupprättegång aus dem Jahre 2002 (Group Proceedings Act of 2002) ist die Gruppenklage auch vor den ordentlichen Gerichten eingeführt worden; die mögliche Durchsetzung von kollektiven Verbraucherinteressen – auch, aber nicht nur vertreten durch den Konsumentombudsmannen – ist damit grundsätzlich erweitert worden. Weiter kann der Konsumentombudsmannen auch einzelne Verbraucher und die in Rede stehenden Verbraucherinteressen im Rahmen von individuellen Rechtsstreitigkeiten vor Gericht unterstützen. Zunächst war dies nur für Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich der Finanzdienstleistung vorgesehen, seit 2007 ist diese Regelung aber auf alle Verbraucherklagen ausgeweitet. Diese Form der Intervention des Konsumentombudsmannen findet zunehmend großen Anklang; es handelt sich derzeit um eine vorläufige Regelung, die bis Ende 2011 erprobt wird. Schließlich wirkt der Konsumentombudsmannen bei den Beschlüssen des ARN zu individuellen Auseinandersetzungen zwischen Verbrauchern und Unternehmen mit und gibt neben den im Ausschuss beteiligten Branchenvertretern und Verbrauchervertretern Stellungnahmen ab, die mit in die unverbindliche, aber zumeist freiwillig befolgte Empfehlung des ARN einfließen.

Auch in Dänemark (und vergleichbar auch in Norwegen und Finnland) sorgt der Forbrugerombudsmand vor allem für den Schutz kollektiver Verbraucherinteressen und die Einhaltung der Vorgaben des Markedsføringsloven (Marketing Practices Act), ggf. in Verbindung mit weiteren zivilrechtlichen Verbraucherschutzgesetzen, die Einhaltung des Betalingsmiddelloven, des Tobaksreklameloven, des E-handelsloven und des Lov om juridisk rådgivning. Wie der schwedische Konsumentombudsmannen wird er auf eigene Initiative oder auf Beschwerde durch Verbraucher oder Konkurrenten sowie auf Hinweise anderer Stellen hin aktiv und ist vornehmlich um außergerichtliche Verhandlung und freiwillige Befolgung seiner Einwände bemüht. Er kann aber auch vor dem hierfür zuständigen Sø- og Handelsretten i København (Copenhagen Maritime and Commercial Court) Klage wegen Verstoßes gegen eines der in Rede stehenden Verbraucherschutzgesetze erheben. Bei Gefahr im Verzug kann er zudem selber eine vorläufige Entscheidung treffen. Für individuelle Rechtsstreitigkeiten wurden in Dänemark unter dem Dach einer staatlichen Rahmengesetzgebung zahlreiche private Beschwerdestellen durch Wirtschafts- und Verbraucherverbände eingerichtet. Daneben ist der öffentliche Forbrugerklagenævnet (Consumer Complaint Board) auf der Grundlage des Forbrugerklagelov (Consumer Complaint Act) aus dem Jahre 2003 für diejenigen Beschwerden zuständig, die nicht von den privaten Beschwerdestellen abgedeckt und die auch nicht durch das Familien- und Verbraucherministerium von dieser Form der außergerichtlichen Streitbeilegung ausgeschlossen wurden. Der Forbrugerombudsmand hingegen greift in Dänemark grundsätzlich nicht in individuelle Streitigkeiten ein.

b) Private Ombudsmann-Einrichtungen

Als Beispiel für zahlreiche private Ombudsmann-Einrichtungen ist vor allem das Insurance Ombudsman Bureau (IOB) in Großbritannien (GB) zu nennen. Dieses wurde 1981 von den drei größten Versicherungsgesellschaften als unabhängige, kostenlose Schlichtungsinstitution errichtet. Hintergrund war die zunehmende Kritik an der materiellrechtlich wie auch prozessual unbefriedigenden Situation der Verbraucher in der britischen Versicherungsbranche. Aufbauend auf entsprechenden Forderungen der Consumers’ Association und des Office of Fair Trading aus den frühen 1970er Jahren gaben die Versicherer dem zunehmenden Druck schließlich nach und richteten eine unabhängige private Beschwerdestelle ein. Hierfür wählten sie den positiv besetzten Begriff „Ombudsmann“, der für Integrität, Unabhängigkeit und Bürgernähe stand. Die Gründung des IOB sollte aber nicht nur das Image der Versicherer verbessern, sondern ist vor allem auch eine Maßnahme zur Verhinderung von Eingriffen des Gesetzgebers durch direktere und rechtsverbindlichere Regelungen. In den folgenden Jahren entwickelte sich das IOB zum Musterbeispiel erfolgreicher Streitbeilegung durch Selbstregulierung. Dies zeigt sich an der Vielzahl der behandelten Beschwerden, dem Vertrauen der Betroffenen und Beobachter, dem hohen Bekanntheitsgrad und der häufigen Übernahme des Modells durch andere Branchen und in anderen Ländern. Im Jahre 2001 kam es in GB zu einer Übertragung des bewährten Ombudsmann-Modells auf den gesamten Finanzdienstleistungssektor mit der Folge, dass die seinerzeit acht verschiedenen Ombudsmann- und Schlichtungssysteme im Finanzdienstleistungssektor vereinheitlicht und zu einem gesetzlichen Financial Ombudsman Service (FOS) zusammengefasst wurden. Damit ist auch das IOB als Unterabteilung im FOS aufgegangen. Diese gesetzgeberische Initiative zur Vereinheitlichung und Regulierung privater Beschwerdestellen, die auch in anderen Ländern wie etwa Dänemark und Irland zu beobachten ist, darf jedoch nicht als Ablösung eines überholten, sondern muss vielmehr als gesetzlich unterstützte Ausdehnung eines ausgesprochen bewährten Modells verstanden werden.

Deutschland ist mit der freiwilligen Einrichtung des Ombudsmannes der privaten Banken (1992) und des Versicherungsombudsmannes (2001) erst vergleichsweise spät in die europaweite Entwicklung hinsichtlich privater, branchenspezifischer Beschwerdeausschüsse eingestiegen. Lange hatte man sich hier mittels staatlicher Subventionen um eine Integration der Verbraucherstreitigkeiten in die ordentliche Gerichtsbarkeit bemüht. Im Ergebnis sind die Gerichte u.a. aufgrund der Prozesskostenhilfe und des von der Versicherungswirtschaft geschaffenen Instruments der privaten Rechtsschutzversicherungen tatsächlich jedermann zugänglich, die Funktionsfähigkeit der Gerichte aber leidet unter einer immer größeren Prozesslast, und die Verfahrensdauer nimmt trotz verschiedener justizpolitischer Maßnahmen eher zu als ab. Vor diesem Hintergrund erweisen sich auch in Deutschland die Einrichtungen des Bankenombudsmannes und des Versicherungsombudsmannes, die sich vor allem am Vorbild des IOB in Großbritannien orientiert hat, als Erfolgsgeschichte. Dies zeigt sich etwa an der wachsenden Zahl von Verbraucherbeschwerden, obgleich der Weg vor die Gerichte grundsätzlich offen steht und erschwinglich ist, sowie an der flächendeckenden Organisation der Versicherer im (freiwilligen) Trägerverein des Versicherungsombudsmannes. Zusammen spiegelt dies eine hohe Akzeptanz der Einrichtungen auf beiden Seite wider, führt zu einem marktfördernden wechselseitigen Vertrauen und einer hohen Befriedungsrate. Es erscheint daher vielversprechend, weitere private Beschwerdestellen auch für andere Verbrauchermärkte einzurichten; dies gilt jedenfalls dann, wenn die beteiligten Branchenmitglieder eine gewisse Interessenhomogenität aufweisen und die zentralen Erfolgsbedingungen der genannten Ombudsmann-Einrichtungen, darunter vor allem ihre begrenzte Entscheidungskompetenz mit einseitiger Bindungswirkung für den Unternehmer, beachtet werden.

5. Europarechtliche Dimension

Die Institutionen der EU fordern und fördern seit Jahren durch Veröffentlichung entsprechender Grundsätze und Verabschiedung zahlreicher Richtlinien die Einrichtung außergerichtlicher Streitschlichtungsstellen zur Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten durch Einbindung einer dritten Partei, eines Schiedsrichters, Mediators oder Ombudsmannes. Zu nennen sind hier etwa die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (RL 97/‌7), die Empfehlung der Kommission vom 4.4.2001 über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten beteiligte außergerichtliche Einrichtungen (2001/‌310/‌EC), ferner die Mitteilung der Kommission vom 4.4.2001 zur Erweiterung des Zugangs der Verbraucher zur alternativen Streitbeilegung (KOM(2001) 161 endg.), das Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über alternative Verfahren zur Streitbeilegung im Zivil- und Handelsrecht vom 19.4.2002, die Richtliniedes Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.12.2002 über Versicherungsvermittlung (RL 2002/‌92; Versicherungsvermittler), die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (RL 2008/‌52) sowie das Grünbuch der Kommission über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27.11.2008 (KOM(2008) 794 endg.).

Literatur

Donald C. Rowat (Hg.), The Ombudsman, 1965; Eike von Hippel, Verbraucherschutz, 3. Aufl. 1986; Bengt Wieslander, JO-ämbetet i Sverige, 1995; Thomas von Hippel, Der Ombudsmann im Bank- und Versicherungswesen, 2000; Jens M. Scherpe, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 2002; Hans Gammeltoft-Hansen (Hg.), The Danish Ombudsman, 2005; Jürgen Basedow, Small Claims Enforcement in a High Cost Country: The German Insurance Ombudsman, Scandinavian Studies in Law 2007, 49 ff.; The Study Centre for Consumer Law – Centre for European Economic Law, Katholieke Universiteit Leuven in Belgium, An analysis and evaluation of alternative means of consumer redress other than redress through ordinary judicial proceedings. A Study for the European Commission, Health and Consumer Protection Directorate-General, Directorate B – Consumer Affairs, 2007; P.E. Morris, The Financial Ombudsman Service and the Hunt Review: Continuing Evolution in Dispute Resolution, Journal of Business Law 2008, 785 ff.; International Ombudsman Institute in Edmonton (Hg.), The International Ombudsman Yearbook, Vol. 1–9, 1997–2008.

Abgerufen von Ombudsmann – HWB-EuP 2009 am 21. Dezember 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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